Sam Hell ist Der Jäger

 
  • Deutscher Titel: Sam Hell ist Der Jäger
  • Original-Titel: Hell Comes To Frogtown
  • Alternative Titel: The Hunter |
  • Regie: Donald G. Jackson. R.J. Kizer
  • Land: USA
  • Jahr: 1988
  • Darsteller:

    Roddy Piper (Sam Hell), Sandahl Bergman (Spangle), Rory Calhoun (Looney Tunes), William Smith (Captain Devlin/Count Sodom), Cec Verrell (Centinella), Nicholas Worth (Bull), Cliff Bemis (Leroy), Brian Frank (Toaty), Suzanne Solari (Runaway Girl)


Vorwort

Zehn Jahre nach dem Atomkrieg… was von der Menschheit überlebt hat, ist größtenteils unfruchtbar geworden. Ganz besonders die Kerle hat’s übel erwischt, wer noch Saft auf der Kanone hat, gehört zu einer besonders kleinen Minderheit. Noch schlimmer erwischt hat’s allerdings eine Gruppe, die von der bösen Radioaktivität in hässliche Froschmonster verwandelt wurde und von den „Gesunden“ in gesetzlose Reservate verbannt wurden.

In dieser Welt wird Sam Hell, seines Zeichens sympathischer Serienvergewaltiger, von MedTech, der Organisation, die provisorisch die Regierung übernommen hat, gefangen genommen. Nun ist sein Gewerbe eigentlich eins der weniger populären, allerdings ist Sam einer von den wenigen Männern, die eben noch Tinte auf’m Füller hat und insofern für MedTech, deren Motto es ist, die Welt so schnell wie möglich wieder mit einem gesunden Volkskörper zu bevölkern, ausgesprochen wertvoll.

Und so unterzeichnet Sam einen Vertrag, der ihn – bzw. sein bestes Stück – zum MedTech-Eigentum macht. Sein künftiger Auftrag – alles schwängern, was nicht bei drei auf’m Baum ist. Sein Schwengel bekommt, damit er auch heil bleibt, einen elektronischen Protektor, und mit der hübschen Brillenschlange Splange Sam eine attraktive Aufpasserin. Der erste Einsatz steht auch gleich vor der Tür – in den Reservaten ist eine Gruppe fruchtbarer Frauen verloren gegangen und höchstwahrscheinlich in die Hände der Mutanten („Mutationswesen“, wie sich die DF umständlich ausdrückt) gefallen. Mit der Soldatin Centinella geht die Reise auch gleich los, Ziel ist Frogtown, die Hauptstadt der Froschmutanten.

Aus Tarnungsgründen wird Splange als Sams Gefangene ausgegeben, die er in Frogtown zu verkaufen dünkt. Sams alter Kumpel Looney Tunes stellt den Kontakt zu Leroy, dem Barbetreiber, vor, der ordentlich Knete für die Blonde springen lassen will. Allerdings nur solange, bis Bull, die rechte Hand des Frosch-Führers Toaty, auftaucht und Besitzansprüche anmeldet. Splange wandert direktemang in Toatys Harem und Sam kriegt ordentlich aufs Maul.

Andererseits ist das gar nicht soo schlecht gelaufen, denn Splange wird gleich zu den vermissten Frauen gesperrt, die Fluchtversuchen allerdings sehr skeptisch gegenüberstehe. Ihre Religion verbietet jede Art von Gewalt und Widerstand, was sie als Verbündete recht wertlos macht. Verbündete hat allerdings Sam, zum einen Looney und zum anderen Arabella, die sexy Froschtänzerin, die ein bis zwei Glubschaugen auf Sam geworfen hat, aber auch MedTechs Kontaktperson in Frogtown ist. Sam müsste also nur mit deren Hilfe in Toatys Palast einbrechen, die Frauen befreien und hoffen, dass Splange den „Tanz der drei Schlangen“ vor Toaty überlebt…


Inhalt

Sollte Fred Olen Ray jemals eine erweiterte Neuausgabe seines launigen „The New Poverty Row“ mit liebevollen Portraits seiner No- bis Low-Budget-Kollegen, herausbringen, hoffe ich, dass ein Kapitel über Donald G. Jackson dabei ist, eine der seltsamsten und bemerkenswertesten Figuren des Hollywood-Bodensatzes. Der drehte 1986 mit einem Budget von rapportierten 5.000 Dollar das SF-„Spektakel“ „Roller Blade“, einen der konfusesten, schrägsten, sinnfreiesten und, ist man im richtigen Mindframe, unterhaltsamsten Trash-Klopper der Filmgeschichte (sofern man das Werk als „Film“ klassifizieren kann, was zumindest diskutabel ist). Auf vermutlich ausgesprochen obskuren Wegen wurde das stolze Werk vom damals noch aufstrebenden Indie-Talentschuppen New World Pictures angekauft und auf arglose Videothekenkunden in der ganzen Welt losgelassen.

Ungeachtet der Anti-Qualität des Gezeigten machte das Unternehmen offenbar genug Reibach, um New World zu veranlassen, Don G. Jackson etwas mehr Kohle in die Hand zu drücken, auf dass er einen Beitrag zur Vogue der postapokalyptischen Actionfilme drehe. „Hell Comes To Frogtown“ erwies sich als vielleicht nicht großer Burner an den Videothekenkassen, aber als veritabler Kultfilm. Seltsamerweise kapitalisierte Jackson nur eingeschränkt an seinem Erfolg, denn obschon er den größten Teil seines restlichen irdischen Lebens damit verbrachte, „Roller Blade“- und „Frogtown“-Sequels zu drehen („Roller Blade“ folgen inhaltlich oder, eh, spirituell, acht Filme, „Frogtown“ brauchte es auf vier Fortsetzungen, die letzte wurde von Jacksons langjährigem Partner Scott Shaw posthum herausgegeben. Jackson verstarb 2003), entwickelt er gleichzeitig seine Philosophie des „Zen-Filmemachens“ weiter – was letztlich nichts anderes war als der Versuch, ohne Drehbücher voll improvisierte Filme zu drehen, die von den wenigen, die sie gesehen haben, praktisch durch die Bank als komplett „unwatchable“ angesehen werden.

Jetzt sind wir aber bei „Hell Comes To Frogtown“, für das Jackson einen eklektischen B-Cast zur Verfügung hatte – Wrestler Roddy Piper, der unmittelbar danach mit John Carpenter „They Live“ drehte, Sandahl Bergman („Conan der Barbar“, „Red Sonja“), Parade-Tough-Guy William Smith („Mit Vollgas nach San Fernando“, „Reich und Arm“), Nicholas Worth („Das Ding aus dem Sumpf“, „Darkman“), Alt-Cowboy Rory Calhoun, der sich gerade als Genre-Charakter-Actor neu definierte („Motel Hell“, „Angel“) und Cec Verrell, die Ende der 80er für einen Moment lang als upcoming B-Heroine galt („Super Force“, „Supercarrier“). Für das Froschmonster-Make-up konnte Jackson Steve Wang („The Guyver“) verpflichtet, der schon für „Roller Blade“ Spezial-Suits geliefert hatte.

Was soll da also groß schief gehen? Ja, das ist es ja – eigentlich nix! Ich bin so überrascht wie jeder andere Mensch auch, der „Roller Blade“ gesehen hat (also einer von ungefähr siebzehn, nehme ich an, die’s bis zum Ende durchgehalten haben), aber „Hell Comes To Frogtown“ ist ein witziger, unterhaltsamer kleiner Fetzer, der im Rahmen seiner geringen Ambitionen mehr richtig als falsch macht und dem Zuschauer 85 Minuten gute Laune macht.

Okay, es ist sicherlich moralisch höchst bedenklich, einen Vergewaltiger (der nicht unbedingt Gewissensbisse wegen seines Tuns hat) zum Helden zu machen (und damit dann auch noch Witze zu treiben – so soll Sam auf dem Weg nach Frogtown ein Mädel schwängern, das aus eigener Kraft entkommen ist [übrigens niemand anderes als Suzanne Solari, die Hauptdarstellerin aus „Roller Blade“], kann aber erst nicht so recht, weil sie nicht sein Typ ist und er zudem nicht gern unter Druck + Beobachtung „arbeitet“), aber wenn wir nur moralisch einwandfreie Helden anfeuern würden, hätten wir in den 80ern wenig zu kucken gehabt…

Abseits von ethischen Bedenken ist’s jedenfalls mal eine etwas andere Interpretation des „reluctant hero“-tropes und auch witziger umgesetzt als in „A Boy and His Dog“, in dem Don Johnson ein Schicksal als Zuchtbulle drohte. Dass Splange mit elektronischen Gizmos Sams Latte stimulieren als auch foltern kann (falls er mal unkooperativ ist), natürlich aber das ungleiche Paar vor dem Abspann ein Herz und eine Seele sein wird, ist ebenso eine ulkige Variation auf das in den 80ern übliche buddy-movie-Thema (wobei sicher auch nicht schadet, dass Sandahl Bergman, obwohl sie nie blank zieht, in diesem Film sexy as hell is. Yummy!).

Jackson (und der wohl sicherheitshalber von New World abkommandierte Co-Director R.J. Kizer, der aber selbst ewige Höllenqual für die nachgedrehten US-Szenen von „Godzilla 1984“ verdient) haben zweifellos keine Unmengen Kohle zur Verfügung (der Budget-Löwenanteil dürfte in die reichlichen Froschmonster-Make-ups geflossen sein) – niemand braucht ausschweifend luxuriös-aufwendige Sets zu erwarten (als Frogtown dient irgendein Industrie-Fabrikgelände und in freier Wildbahn regiert der Wüsten-Look okay) und für mehr als zwei „Spezialfahrzeuge“ hat’s auch nicht gereicht, aber der Film hat zweifellos Energie, und den Willen, ordentlich Tempo zu machen, auch wenn die „Action“ – erneut aus Budgetgründen – dosiert gesetzt werden muss. Die Kabbeleien zwischen Splange und Sam tragen den Film mühelos bis nach Frogtown und ab da rollt die Geschichte eh wie ein Uhrwerk.

Der Film versteht sich durchaus selbst als Komödie – der Humor ist nicht von der sprücheklopfenden Gag-komm-raus-Schule, sondern ergibt sich eher aus den absurden Situationen (Sams Zwangsbesamung des oben erwähnten Girls, die Leidenschaft, die Arabellafrosch für ihn entwickelt, und dass der „Tanz der drei Schlangen“ jetzt nicht direkt mit reptiloiden Kriechtieren zu tun hat, ähem), funktioniert aber prima und ist bei aller Auslotung von Geschmacksgrenzen immer noch „good natured“.

Darstellerisch liefert Roddy Piper eine seiner besten Performances ab – Roddy ist einfach immensely likeable, was um so erstaunlicher ist, als er seine Wrestling-Karriere als einer der meistgehassten Heels (Bösewichter) der späten 70er und frühen 80er Jahre aufgebaut hatte (auch im Wrestling gelang es ihm aber dank seines unbestreitbaren Charismas mühelos, auf die Seite des Guten zu wechseln). Sandahl Bergman ist so wahnsinnig lecker anzusehen, dass ich sie speziell in ihrem „Gefangenen-Outfit“ aus dem Fernseher zerren und für weitere Verwendung in meinem Keller an die Heizung ketten möchte (huch? Ich hab doch grad nur laut gedacht, oder?) und die Chemie zwischen ihr und Roddy passt. William Smith ist zwar etwas unterbeschäftigt (ich hab ihn in der Inhaltszusammenfassung gar nicht erwähnt), ist aber als Baddie immer eine sichere Bank und Rory Calhoun hat wieder mal Spaß an einer seiner freakigen Altersrollen.

Steve Wangs Frosch-Make-ups sind für die Preisklasse absolut in Ordnung.

Seit einiger Zeit ist „Hell Comes to Frogtown“ – hierzulande als „Sam Hell ist Der Jäger“ – in einer entrümpelten Neufassung erhältlich und sieht selbst in der 3-Filme-auf-einer-Disc-Fassung der „Großen Science Fiction Collection“ von Paragon prächtig, wie frisch aus dem Labor gezogen, aus. Da lacht das Herz.

Ergo: „Hell Comes To Frogtown“ ist großartiges B-Entertainment, mit einem sympathischen und gut aufgelegten Cast, ordentlich Tempo und dem Herz am rechten Fleck. Nach „Roller Blade“ ein geradezu maoistischer Großer Sprung nach Vorn für Jackson – schade, dass er diesen Weg nicht weiter verfolgen mochte und sich für seine idiosynkratischen No-Budget-„Filme“ entschied. Filme wie „Hell Comes To Frogtown“ gibt’s nämlich viel zu wenige…

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 8


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