Ruby & Quentin – Der Killer und die Klette

 
  • Deutscher Titel: Ruby & Quentin - Der Killer und die Klette
  • Original-Titel: Tais-toi
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  • Regie: Francois Veber
  • Land: Frankreich/Italien
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Gerard Depardieu (Quentin), Jean Reno (Ruby), André Dussellier (Psychiater), Jean-Pierre Malo (Vogel), Richard Berry (Vernet), Jean-Michel Noirey (Lambert)


Vorwort

Quentin (aus Montagny, soviel Zeit muss sein) ist ein notorisch erfolgloser Kleinkrimineller, dem zum großen Durchbruch in der Welt des Verbrechens so ungefähr 100 IQ-Punkte fehlen. Nicht nur ist Quentin ein ernsthafter Konkurrent für die Jungs aus „Dumm und Dümmer“, darüber hinaus ist er eine redselige Quasselstrippe von Nervensäge, die jeden seiner Zellengenossen in den Wahnsinn und zu Gewalttätigkeiten treibt. Da Quentin aber nicht nur mit wenig Hirnschmalz, dafür aber bärigne Kräften gesegnet ist, enden diese Auseinandersetzungen meist mit einem ratlosen Quentin und einem angeschlagenen Kontrahenten. Die Nervensägigkeit des tumben Kraftprotzes will sich ein cleverer Kommissar zu nutze machen – der Profikiller Ruby sitzt nämlich auch ein, nachdem er zuvor 20 Millionen Euro geraubt hat, die vorher der Großkriminelle Vogel hatte entwenden lassen, und das, nachdem er Rubys Freundin Sandra hat meucheln lassen. Ruby sitzt zwar, aber er schweigt auch beharrlich. Die Spekulation des Kommissars – Quentin wird ihn auf seine unnachahmliche Art zum Reden bringen. Doch selbst Quentin beißt sich an Ruby die Zähne auf und interpretiert dessen stoische Schweigsamkeit fälschlicherweise als Freundschaft. Als es Ruby gelingt, sich zwecks besserer Fluchtchancen in eine psychiatrische Anstalt verlegen zu lassen, setzt Quentin alle Hebel in Bewegung, um seinem vermeintlich neuen besten Freund zu folgen – und heckt tatsächlich einen Fluchtplan aus, der wenig überraschenderweise den von Ruby selbst gestrickten Plan sabotiert. Zwar ist Ruby jetzt frei, hat aber Quentin an der Backe und das könnte ihm bei seinem Vorhaben, sich mordenderweise an Vogel zu rächen, doch ein wenig behindern…


Inhalt

Was ist eigentlich aus der großen französischen Komödientradition geworden? Früher mal gab es Erzkomödianten wie Louis de Funes, Pierre Richard und (phasenweise) Belmondo, die mit ihren präzise funktionierenden, raffiniert konstruierten Komödien wahre Lachsalven losschlugen, Kinosäle füllten, TV-Sender mit massenweise prime-time-tauglichen Filmen versorgten und so machem US-Blockbuster als Vorbild dienten. Irgendwie scheint diese Tradition aber ein wenig ausgestorben zu sein – wenn aus Frankreich heutzutage noch Comedy kommt, die international vermarktet wird, scheint’s nur noch Krawall-Klamauk wie die „Zeitritter“- oder „Asterix“-Filme zu sein. Die feine Slapstick-Klinge eines de Funes, eines Richard, scheint ausgestorben zu sein, da’s scheinbar in Frankreich auch keine echten Spezialisten unter Schauspielern vielleicht noch Christian Clavier, den „Asterix“) und ebenso wenig talentierte Komödienregisseure wie Gerard Oury oder Jean Girault zu geben scheint. Doch einer hält die Fahne der etwas feinsinnigeren Komödie noch aufrecht – Francis Veber, der Autor von Klassikern „Ein Käfig voller Narren“ oder „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh“ und Regisseur so bemerkenswerter Späße wie „Der Hornochse und sein Zugpferd“, „Zwei irre Spaßvögel“ oder „Die Flüchtigen“ (samt US-Remake „Das Banken-Trio“. Schon in den drei zuletzt genannten Filmen spannte er Tolpatsch-Komiker Pierre Richard mit der französischen Schauspielikone Gerard Depardieu zusammen, der dort seine komödiantische Ader voll ausleben konnte.

In „Ruby & Quentin“ hat sich die Rollenverteilung geändert. Nun spielt Depardieu eine klassische Pierre-Richard-Rolle (mit Ausnahme der übermäßigen Körperkräfte – da ist wohl noch Zaubertrank vom letzten „Asterix“-Set übriggeblieben) und Jean Reno, durch die „Zeitritter“ auch mit Erfahrung im lustigen Fach ausgestattet, obwohl dem breiten Publikum wohl eher durch seine Zusammenarbeiten mit Luc Besson („Nikita“, „The Big Blue“, „Leon – Der Profi“) und „Die purpurnen Flüsse“ bekannt, spielt den durch die hanebüchene Naivität seines geistesschwachen Fluchtpartners genervten „straighten“ Part.

Das Szenario ist eigentlich nicht mehr als eine Abwandlung des „Die Flüchtigen“-Grundprinzips und damit einmal mehr ein „kriminelles“ Buddy-Movie. Zwei grundverschiedene Charaktere werden durch eine (aus Rubys Sicht) Verkettung unglücklicher Umstände zusammengespannt und müssen sehen, wie sie irgendwie damit fertig werden, was Ruby erheblich schwerer fällt als dem in kindlicher Begeisterung seinem neuen besten Freund nachlaufenden Quentin. Das Prinzip ist sicherlich keine grandiose Neuschöpfung des komödiantischen Kinos, aber es funktioniert, weil Reno (der sage und schreibe nach 23:57 min seine erste Silbe von sich gibt) und Depardieu gut harmonieren – es ist nicht ganz diese Art blinden Verständnisses, wie es z.B. in uralten Zeiten de Funes und Bourvil oder Richard und Depardieu auszeichnete, aber es zeigt Potential – wenn alle Beteiligten wollen, könnten Reno und Depardieu durchaus ein ausbaufähiges komödiantisches Doppel abgeben. Leider wird das Script seinen Protagonisten nicht wirklich gerecht – ich weiß nicht, ob Veber nach knapp 30 Jahren Komödienschreiben etwas die Puste ausgeht, dem Film jedenfalls geht es so: nach gut 60 Minuten geht ihm die Luft aus. Bis dahin rollt der Film sehr flott dahin, hat viele treffsichere Gags, ohne dabei zu einer billige Nummernrevue zu verkommen und lebt, obwohl die Geschichte selbst nicht besonders gehaltvoll ist, von zwei blendend aufgelegten Stars, die sich die Bälle gekonnt zuwerfen (wobei Depardieu sicher die größeren, da „direkteren“ Lacher verbucht), nur um für den letzten Akt die Richtung zu stark zu ändern – die lustige Klamotte dreht sich Richtung ernsthaftes Drama und das tut dem Film alles andere als gut. Diese Wendung kommt zu aufgesetzt, nicht flüssig aus der Story heraus, sondern mehr aus dem Bemühen, den Film jetzt hastig in Richtung Showdown zu trimmen (dazu paßt dann auch, dass selbiger relativ gewalttätig ausfällt) – wäre man böse, könnte man diese Wende zum Schlechteren hin genau zu dem Zeitpunkt ausmachen, an dem eine Frau zentral ins Geschehen eingreift (will ich nicht spoilern, aber Ihr werdet erkennen, wen ich meine und warum). Das trübt etwas den Gesamteindruck des Films, wirkt gekünstelt, um dem Charakter Ruby ein wenig Background aufzustempeln – ebenso stört das sehr abrupte, abgehackt wirkende Ende.

Von der Regieführung her ist Veber natürlich in seinem Element, wenn es um die präzise Inszenierung und den Aufbau von Gags geht. Die erste, rein humorige erste Stunde, funktioniert so prächtig wie eine Komödie aus den besten Zeiten des französischen Kinos, da ist das Tempo hoch, das Timing stimmt und auch wenn nicht alle Gags Neuerfindungen sind, sie sitzen größtenteils. Wenn Veber aber versucht, im Schlußakt das Geschehen in Richtung menschliches Drama zu lenken, stößt er an die Grenzen seines Könnens, denn Drama kann man halt nur eingeschränkt mit den Mitteln der Komödie inszenieren und was anderes hat Veber sichtlich nie gelernt. Jegliches Momentum, das der Film aufgebaut hat (und da er zu diesem Zeitpunkt ja bereits heftig auf den Showdown zusteuert, ist das einiges), verpufft wirkungslos (wie schon gesagt, daran ist die Einführung eines weiblichen Charakters „für“ Ruby mitschuldig) und sorgt für eine gute Viertelstunde absoluten Stillstandes, ehe dann der unnötig brutale Finale (nicht, was die Härte angeht, sondern die Stimmung des Films) den Zuschauer dann eher ratlos zurücklässt (unnötig „brutal“ ist allerdings z.B. auch gleich zu Beginn ein Close-up auf die Leiche von Rubys Freundin, die im Wald verscharrt wird. Da wir die Frau nicht mal kennen, hat das auch keinerlei emotionale Wirkung und ist daher total überflüssig. Ich dachte, solches Basiswissen wird im ersten Semester Filmhochschule gelehrt). Der betriebene Aufwand hält sich in Grenzen – das französische Komödienkino hatte ganz offensichtlich auch schon mal höhere Budgets zur Verfügung, ein paar kleinere Autostunts und ein verhältnismäßig elaborates Ausbruchsszenario sind die Höhepunkte des Films, der ansonsten beinahe hundertprozentig abhängig vom Zusammenspiel der Hauptdarsteller lebt (dazu gleich noch was). Der recht modern arrangierte Score ist zwar eigentlich recht gut, würde aber m.E. eher zu einem Thriller oder einem Actionfilm passen.

Der Film hat das große Glück, dass seine Hauptdarsteller prächtig harmonieren. Depardieus Wille, sich zum Deppen zu machen, ist bewundernswert und es beweist auch die Wandlungsfähigkeit des großen französischen Mimen, dass er mittlerweile die Rollen übernimmt, die in den 80er Jahren für seinen Partner Pierre Richard vorgesehen gewesen wären. Jean Reno zieht eine nicht minder beeindruckende Stoneface-Nummer durch und erreicht mit minimalistischten mimischen Mitteln hervorragende Wirkung (siehe z.B. eine Szene, in der Depardieu Reno nach längerer Suche in einem Krankenzimmer im Knast aufspürt und Reno nur für einen Sekundenbruchteil kurz die Brauen hochzieht. Mit dieser Geste, die zum entsprechenden Zeitpunkt einen emotionalen Ausbruch seines Charakters darstellt, erreicht Reno mehr als manch anderer Darsteller es mit einem hysterischen Anfall tun würde). Wie üblich in einem voll auf sein Hauptdarstellerduo zugeschnittenen Film bleiben für die Nebencharaktere nur noch Brosamen übrig – André Dussollier als gestrafter Psychiater überzeugt allerdings und lässt damit offen, wie gut ein Film, der das Ausbruchsszenario weggelassen und sich auf Rubys und Quentins „Abenteuer“ innerhalb der Nervenklinik konzentriert hätte, hätte werden können.

Bildqualität: Wahrscheinlich brechen die wenigsten Cineasten in Jubelschreie aus, wenn sie erfahren, dass ein Film von Splendid auf den DVD-Markt geworfen wird. Das Label gehört nicht gerade zu den Kritikerdarlings, und wenn man sich so manche Release ansieht, weiß man auch, warum. Die Bildqualität jedenfalls ist zumindest bei „Ruby & Quentin“ allerdings akzeptabel. Splendid legt einen anamorphen 2.35:1-Transfer hin, der mir allerdings ein wenig auf der grobkörnigen und weichen Seite zu sein scheint, folgerichtig könnten die Schärfewerte für meinen Geschmack etwas besser sein. Farben und Kontrast wissen allerdings zu überzeugen und die Kompression lässt keine Wünsche offen. Insgesamt also solider Durchschnitt.

Tonqualität: Schon etwas schwach ist’s, dass sich auf die offizielle Verkaufs-DVD, die mir hier vorliegt, nicht mal der französische Originalton geschafft hat. Die einzige Tonspur bietet die – zwar durchaus gelungene, aber da geht’s ums Prinzip – deutsche Synchronfassung in Dolby-5.1-Qualität. Die Sprachqualität ist ausgezeichnet, allerdings scheint mir der Audiotrack im Effekt- und Musikbereich deutlich zu basslastig zu sein, d.h. wenn’s laut wird, wird’s auch ein bisschen knarzig.

Extras: Das ist nun wirklich ein Schlag ins Gesicht, denn ausser einer umfangreichen Trailershow findet sich nichts an Zusatzmaterial, nicht mal der Filmtrailer oder ’ne Biographie.

Fazit: „Ruby & Quentin“ ist eine Stunde lang eine wirlich charmante Gangsterkomödie mit zwei hervorragend aufgelegten Hauptdarstellern, die sich gekonnt die Gags zuspielen – leider lässt der letzte Akt des Films praktisch alles zusammenbrechen, was Veber und seine Stars vorher aufgebaut haben; der unmotivierte und nicht wirklich kompetent vollzogene Schwenk ins tiefgründige menschliche Drama wirkt viel zu aufgesetzt und konterkariert die bis dato aufgebaute Stimmung des lockerren Amüsemangs auf schon fast dreiste Weise. Gut, die erste Stunde nimmt einem keiner weg und die ist auch wirklich sehenswert, aber der Film verschenkt sein Potential einfach durch das unpassende Finale. Daher (und auch aufgrund der ausgesprochen mau ausgestatteten, dafür aber reichlich teuer verkauften DVD) möchte ich eigentlich dazu raten, „Ruby & Quentin“ irgendwann mal im TV anzusehen, wo er sicher in relativ kurzer Frist zu sehen sein wird. Depardieu- und Reno-Fans sollten allerdings schon mal reinschauen.

3/5
(c) 2004 Dr. Acula


mm
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