- Deutscher Titel: Rotkäppchen
- Original-Titel: Red Riding Hood: A Cannon Movie Tale
- Regie: Adam Brooks
- Land: USA/Israel
- Jahr: 1987
- Darsteller:
Linet: Amelia Shankley
Lady Jean: Isabella Rosselini
Godfrey/Perceval: Craig T. Nelson
Dagger: Rocco Sisto
Nanny Bess: Helen Glazary
Badger Kate: Linda Kaye
Gray Peter: Annon Meskin
Allen Owen: Julian Chagrin
Vorwort
Abt. Es war einmal
Der Fluch meines Lebens ist, dass ich viel zu leicht zu beeinflussen und darüber hinaus mit einem geradezu bösartigen Jagd- und Sammeltrieb ausgestattet bin. D.h. man muss mir nur irgendeine Mohrrübe-of-choice vor die Nase halten und ich werde erstaunliche Energien aufwenden, um die ganze Kollektion Mohrrüben aufzuspüren, zu erwerben und irgendwo in einem Regal zu deponieren. Ich weiß nicht, ob es hilfreich ist, dass ich mir dieser Tatsache vollauf bewusst bin – wahrscheinlich nicht, denn sonst würde ich ja dagegen Maßnahmen ergreifen (die schon allein deswegen angebracht wären, weil ich langsam wirklich nicht mehr weiß, wohin mit all dem Shit…).
Nuja, die Mohrrübe hat mir in diesem Fall Paw, der Musical-Experte des The Guy with the Glasses-Rudels, der neulich mit der von mir bislang sträflichst ignorierten Tatsache, dass es eine ganze Reihe von Cannon-produzierten Märchenmusicals gäbe, hausieren ging, vorgehalten. Ein Affront, dass mir das nicht bekannt war, verbindet es doch zwei meiner speziellen Filmsteckenpferde – Cannon-Filme und Musicals! Das sollte, speziell berücksichtigt, wie Cannon „Nichtmärchen“-Musicals wie Breakin‘ anging, doch soliden Unterhaltungswert besitzen. Also war mir sofort klar, dass ich daran gehen musste, sämtliche „Cannon Movietales“ meiner Sammlung einzuverleiben. Zwei hab ich immerhin schon…
Aber nochmal kurz zurück zur Entstehungsgeschichte der Filme. Ich bin mir nicht sicher, warum Menahem Golan und Yoram Globus (die zwei lustigen Israelis, die sich mit „Eis am Stiel“ dusslig verdienten und dann daran gingen, Hollywood zu erobern, indem sie Chuck Norris und Charles Bronson alle Nase lang in mittelprächtig finanzierte Action-Reißer steckten, um mit dem dadurch erspielten Reibach anspruchsvolle Arthouse-Dramen wie „Hannah’s War“ finanzieren zu können) ausgerechnet auf die Idee verfielen, Low-Budget-Märchen-Singspiele mit ein-zwei renommierten Stars in den Hauptrollen könnten eine gewinnbringende Angelegenheit sein, aber so war es eben – für ein Gesamtbudget von 25 Millionen Dollar wollten Golan und Globus insgesamt 16 Märchen-Adaptionen in die Kinos bringen, doch nachdem der erste („Rumpelstilzchen“ mit Amy Irving und Billy Barty) floppte, wurde die Reihe auf neun Filme verkürzt und zum DTV-Futter. Star-Märchen-Kombinationen umfassten u.a. Helen Hunt im „Froschkönig“, Morgan Fairchild und Tahnee Welch in „Dornröschen“, Diana Rigg in „Schneewittchen“, Rebecca de Mornay in „Die Schöne und das Biest“ oder – und den MUSS ich sehen – Christopher Walken in „Der gestiefelte Kater“. Und eben Isabella Rosselini und Craig T. Nelson in „Rotkäppchen“, dem letzten fertiggestellten „Movietale“, das mit zweijähriger Verspätung auf den Markt los gelassen wurde…
Inhalt
Bei einem Budget von anderthalb Millionen Dollar (und von dem ich wetten möchte, dass zwei Drittel allein für die Gagen von Rosselini und Nelson draufgingen) ist klar, dass auch, wenn man kostensparenderweise daheim in Israel dreht, irgendwo finanziell Abkürzungen genommen werden müssen. Ob man allerdings dem werten Publikum gleich mit der ersten Sekunde klar machen muss, dass man bei einem Musical ausgerechnet an der Musik gespart hat, ist zumindest eine Entscheidung, die man als strategisch fragwürdig bezeichnen darf. Andererseits ist es ja irgendwie auch wieder erfrischend ehrlich, sofort zuzugeben, dass Komponist und Musical Director Stephen Lawrence nicht die 160 ausgebildeten Musiker des London Symphony Orchestra, sondern nur ein eher mittelgut klingendes Synclavier, für das sich eine durchschnittliche Mitt-80er-New-Wave-Band vermutlich kein Bein ausgerissen hätte, zur Verfügung steht. Heute wird also Synthipower die Hütte rocken. Au weia.
Unser Rotkäppchen herself macht uns die Erzählern. „Ich hatte mich im Wald verlaufen und suchte nach Feen und Elfen“. Und lo and behold, tatsächlich läuft ein vielleicht dreizehn-vierzehnjähriges Mädchen ziemlich dümmlich (und in einem gelben Kleid) durch den Wald, hält an einem Strauch an und sieht tatsächlich ein beinahe halbnacktes Elfengirl der eher sinnlichen Art herumfrolicken. Unser Mädchen folgt der Elfe, die einen Baum hinaufschwebt. Da das Schweben nicht jedem gegeben ist, muss das Mädel den Baum hochklettern – natürlich bricht ein Ast über dem wilden, gefährlichen (read: völlig still herumdümpelnden) Fluss). Das Mädchen kann sich mit Müh und Not festhalten, verliert einen Schuh an die reißenden Fluten, hängt vergleichsweise unelegant am Baum (die Elfe hat sich, was ich ihr nicht verüble, verzupft) und „ruft“ „verzweifelt“ um Hilfe. Auf einer Dringlichkeitsskala von 1 bis 100 würde ich diese Schreie bei ungefähr 1,7 einstufen.
Nichtsdestotrotz dringt die Botschaft an das Ohr eines , äh, attraktivitätsmäßig herausgeforderten Holzhackers, der sich bemüßigt fühlt, dem störenden Geräusch auf den Grund zu gehen. Doch ist er ein Mensch? Oder verwandelt er sich (durch das Wunder des praktisch uuunmerklichen Zwischenschnitts) in einen knuddelbedürftigen deutschen Schäferhu-, äh, meine natürlich einen wilden, gefährlichen Wolf? Wolf-POV kraucht durch’s Gehölz, dieweil unser Girl sich dieweil ohne externe Hilfe kletternderweis in Sicherheit gebracht hat. Der Wolf späht sein potentielles Opfer aus, doch da – kämpft sich der alte Holzfäller aus dem Busch, der natürlich nicht der Wolf ist, sondern dern „Graue Peter“, ein alter Freund und Bekannter des Mädels, das Linet heißt. Der Wolf sucht ungesehen das Weite. Linet erklärt Peter, dass sie auf der Suche nach Elfen war und Peter setzt ihr auseinander, dass sich die Elfen vor ihr verstecken, weil sie immer in Schwierigkeiten gerät und die Elfen fürchten würden, dadurch auch in Schwierigkeiten zu kommen. Peter empfiehlt ihr, zur Freude ihrer Mama, einer gewissen Lady Jean, doch einmal im Leben ein braves Mädchen zu sein. Aber wie wir alle wissen, kommen die braven Mädchen in den Himmel und die, ehm, more adventerous girls überall hin und Linet ordnet sich bei denen ein, die nicht brav sein wollen. This being a musical, muss dies freilich in Form einer Sangeseinlage klar gestellt werden.
Linets Solo-Nummer ist, was der geschätzte Kollege Unshaved Mouse in seinen Disney-Reviews den archetypischen „I want“-Song nennt, der in zwei Minuten Background und Motivation des jeweils singenden Charakters erklärt. In Linets Fall ist das nicht sonderlich aufregend – sie will ihren eigenen Lebensweg finden, ihre eigenen Erfahrungen machen, und glaubt, das nicht zu können, wenn sie immer nur das „good little girl“ ist, das immer nur tut, was man ihm sagt, das sich nie im Wald verläuft und nie ein Abenteuer erlebt. Wenig überraschend (wir wissen, dass wir in einem billigen Cannon-Märchenmusical für Kinder kaum Songs erwarten dürfen, für die Andrew Lloyd Webber sich ein Ohr abschneiden täte) ist es eine ziemlich blahe Ballade – Amelia Shankleys fehlende stimmliche Range kann ich ja noch verzeihen, das freejazz-dödelnde Hintergrund-Saxofon, das die Melodieführung versaut, weniger. Aber wenigstens laufen ein paar Pfauen und Kaninchen durch’s Bild und ringt die Einlage dem Grauen Peter ein Lächeln ab.
Mutter Jean und ihre Magd (niemand verrät uns, dass sie laut Drehbuch auf den Namen Kate hört) sind beim Bohnenschälen und halbbesorgt über das Ausbleiben Linets. Als Peter sie zurückbringt, gibt’s auch nicht mehr als einen sanften Tadel. Zumal Linet sich sicher ist, eine Elfe gesehen zu haben und ein ziemlich unkaputtbares Argument für ihre Suche nach Fabelwesen anbringt: „Wenn ich nicht nach ihnen suche, werde ich nie wissen, ob es sie gibt!“ Und das zerrissene Kleid, das, gelobt Linet, wird sie selbst wieder nähen.
„Sie hat vor nichts Angst“, meint Peter – Jean weiß das und will es nicht anders. Denn ihr Vater würde es auch nicht anders wollen. Ihr Vater, das ist Sir Percival, und zu dessen Zeiten musste eh niemand vor irgendwas Angst haben, aber jetzt, mit Sir Godfrey am Ruder, expositioniert Peter, ist niemand mehr sicher. Dennoch – Linet sollte nicht vor ihrem eigenen Onkel Angst haben müssen, sagt Jean. Womit wir den Grundkonflikt schon etabliert hätten. Und wo man vom bösen Onkel spricht, kommt er auch schon angetrabt, hoch zu Ross, mit bösem Blick und begleitet von seinem treuen Schäfer-, äh, -wolf. Lady Jean ist sichtlich nicht sonderlich erfreut, den Schwager zu sehen, aber Godfrey meldet Gesprächsbedarf an. Es ist nämlich sieben Jahre her, seit sich Percival unter der lahmen Ausrede, für seinen König in den Krieg zu ziehen, abgeseilt hat und das bedeutet, dass nach dem Gesetz Jean nicht mehr an ihr Eheversprechen gebunden ist. Godfrey, dem nach Betätigung seiner Genitalien hinsichtlich Erzeugung eines Rechtsnachfolgers vulgo Erben gelüstet, meldet dringendes Interesse an, Jeans zweiter Mann zu werden. Jean weist darauf hin, dass es genügend anderweitiges Frauenmaterial mit gebärfreudigem Becken gibt, aber Godfrey hat sich nunmal in den Dickschädel gesetzt, Jean zu heiraten, ob’s ihr nun passt oder nicht. Jean bringt das Argument vor, dass Godfrey sie ja nicht liebe. Das sieht Goddy zwar genauso, aber nicht als spezielles Ehehindernis, da sie ihn ja auch nicht liebe und man somit praktisch was gemeinsam hat. Abgesehen davon seien Percival und er ja sowieso Zwillinge, also wäre das im alltäglichen Gebrauch mehr oder weniger sowieso das selbe (is’n Argument). Jean besteht darauf, dass Percival und Godfrey zwar äußerlich identisch seien, es jedoch erhebliche Unterschiede gäbe (und ich schätze mal spontan, sie meint jetzt nicht das, was die Zwillinge jeweils in der Hose haben). Godfrey wird langsam ein wenig ungehalten und bringt die wirtschaftliche Komponente ins Spiel. Jean lebt offensichtlich freiwillig in relativ ärmlichen Verhältnissen (für eine Edeldame ihres Ranges ist nur eine Dienstbotin und ein eher übersichtliches Häuschen zweifellos unter Wert) – aber sie könnte, wenn sie wollte, im Schloss leben. Jean reagiert schnippisch – wo Godfrey doch bald heiraten werde, wären zwei Ladies im Schloss ein Garant für Ärger. „Es wird nur eine Lady im Schloss geben“, kreischt Godfrey und zeigt mit nacktem Finger auf Leute (sprich Jean), während er wutentbrannt vom Hof reitet.
Linet mag den Onkel übrigens auch nicht. Beruht scheinbar auch auf Gegenseitigkeit, denn wie Jean anmerkt, redet Godfrey aus Prinzip nicht (mehr) mit der Nichte. „Er hat viel zu tun“, entschuldigt die Lady den bösen Mann, „vielleicht erinnert er dich an etwas, was er vergessen möchte.“ (Dies ist eine dunkle Andeutung, auf die der Film, unterrichtet mich Future Doc, nicht wieder zurückkommen wird).
Wo Godfrey nun eh schon ’ne Scheißlaune hat, kann er sich nun auch seinen Regierungsgeschäften widmen. So z.B. einem miesen Steuersünder namens Allen Owen. Der Bauernlümmel versucht’s mit den üblichen laschen Ausflüchten wie „schlechte Ernte“, „Kuh gestorben“ etc., aber damit kann er Godfrey nicht imprägnieren. Kerker, bis die Schuld beglichen ist, lautet das harte, aber gerechte Urteil. Allen wagt anzumerken, dass seine kranke Frau mit siechem Kind vermutlich nicht in der Lage sein wird, die Steuerschuld auf- und abzuarbeiten, aber das ist nach Godfreys Ansicht möglicherweise ein Problem, aber bestenfalls Allens, denn nach dem Gesetz fällt sein Land, sofern die Schuld nicht binnen Halbjahresfrist bezahlt ist, an den Staat. Und der Staat ist Godfrey. Allen ist von der sozialpolitischen Sinnhaftigkeit dieser Regelung nicht völlig überzeugt und darüber hinaus hoffnungsfroh, es wäre seiner Sache dienlich, dieser Meinung nunmehr verbal Ausdruck zu verleihen. Okay, er ist nicht ganz so diplomatisch wie ich und schreit Godfrey an: „Habt Ihr denn kein Herz?“ Auf diesen Appell an die Menschlichkeit an und für sich reagiert Godfrey wie ein CSU-Politiker, dem man eine Koalition mit der Linken vorschlägt. „Bringt ihn weg“, belfert Godfrey, „am Morgen!“ (Äh. Bitte was?). Emotional schwer beeinträchtigt ruft Goddy nach einem gewissen Dagger. Da Dolche üblicherweise nicht auf Namen hören (Schwerter ja schon, aber wir sind ja nicht bei Tolkien hier), wird es sich bei Dagger wohl um den Schäferwolf handeln.
Godfrey postuliert aus der harmlosen „Herz“-Bemerkung des Bauern, dass das Volk hinter sein Geheimnis gekommen sei. Während Dagger sich durch das Wunder der Standbild-Überblendung von Wolf in einen… leicht tuntig – alternativ ein bisschen wie Rowan Atkinson – wirkenden (und natürlich vollständig bekleideten) Kerl transformiert, erklärt Meister Godfrey, dass er *tatsächlich* Herz und Seele dagegen eingetauscht hat, den Wolf kontrollieren zu können, damit der für ihn die Drecksarbeit machen kann (hauptsächlich Spionage, unausgesprochen aber sicherlich auch die Beseitigung politischer Gegner). Ich bin jetzt kein mittelalterlicher Fantasy-Fürst, aber… eh… EIN Wolfsmensch als Gegenleistung für Herz und Seele? Das scheint mir jetzt aus Fürstensicht nicht der Deal des Jahrhunderts zu sein (und mit WEM hat er eigentlich diesen Handel geschlossen? MIt dem Wolf? Was hat der davon?). Wölfi ist grad in der depressive Phase seines Biorhythmus – „ich bin kein Tier mehr, aber auch kein Mensch“ und somit offenbar grad in einer leichten Existenzkrise. Das kann Godfrey nun gar nicht brauchen. Dagger soll schnüffeln gehen, ob denn, wie’s sein muss, auch wirklich noch alle Angst vor ihm haben. „Nicht alle“, weiß der Wolf, „Linet hat keine Angst vor dir“. „Sie wird bald genug Angst haben“, düstert Godfrey finster.
Dagger macht sich auf zur Spionage, singt uns dieweil aber noch ein fröhlich Liedchen: „I’m Good at Being Bad“ heißt seine Solo-Nummer und handelt, wird jetzt auch keinen sonderlich überraschen, davon, dass er durchaus ein anständiges Leben führen könnte, wenn er wollte, aber halt einfach so verdammt gut darin ist, ein fieser Gauner zu sein, und Spaß dran hat. Das Synclavier-Arrangment ist einmal mehr fürchterlich billig, aber der Song selbst, der einer Ganoven-Selbstbeschreibung würdig im 30er-Jahre-„Chicago“-Swing-Style gehalten ist, ist gar nicht mal so übel (und punktet zumindest für mich durch die für einen Kinderfilm ziemlich freche Zeile „they call me the son of a she-wolf“…). Die Singerei führt Dagger in die Dorfschänke, wo der Fall Allen Owen Tagesgespräch ist und allgemein als große Sauerei empfunden wird. Dieser Godfrey ist schon ein schlimmer Finger, und dabei, so tratscht man, war er früher mal ein kränkliches Kind, das schon Anblick von Blut in Ohnmacht fiel. Dagger lauscht zunächst im Hintergrund, macht sich dann bemerkbar, gibt ein paar vage als Wetterplatitüden getarnte Drohungen von sich („Ein Sturm zieht auf? Ich mag einen guten Sturm, er wirbelt alles durcheinander!“) und verabschiedet sich.
Linet läuft in ihrem Nachthemd durch den Wald. Zumindest ist die Kleidung der Tageszeit angemessen. Sie wird von einem keuchenden Wolf verfolgt. Spannung!!! Aber, haha, es ist ein Alptraum, wer hätt’s erwartet, aus dem sie aufwacht, bevor etwas entfernt Interessantes passieren könnte. Mama Jean sitzt am Bett und tröstet. Linet fragt nach ihrem Vater und gibt zu, manchmal Angst zu haben. „Du musst vor nichts Angst haben“, behauptet Jean und singt Linet ein Schlaflied vor…
„You won’t be here in the morning“ (mit „you“ sind in dem Fall die Ängste und Sorgen gemeint) ist ein ganz hübsches Lullaby und fädelt geschickt Jeans eigene Hoffnungen, eines Tages könnte Percival wieder vor der Tür stehen, ein, aber… Hölle und Ölkrise… kann Isabella Rosselini *nicht* singen. Das Liedchen ist nun nicht sonderlich anspruchsvoll, was die Stimmanforderungen angeht, aber Isabella trifft die richtigen Töne seltener als Zlatko (für die Jüngeren: das war mal einer, der sich Big-Brother-Container setzte, als das noch ausreichte, um berühmt und Plattenstar zu werden. Heute funktioniert das umgekehrt – man war mal wer, und dann geht man in den Container).
Am nächsten Morgen begibt sich Jean mit einem Laib Brot (denn die Bäckerei ist offensichtlich das, womit Jean nunmehr ihr Geld verdient) zu Godfrey. Godfrey ist erstens unbeeindruckt und zweitens Anhänger der These „trau keinem Weib, wenn’s Brot bringt“. Mit Recht, denn Jean hat ein Anliegen. Das Anliegen heißt Allen Owen, denn der ist rein zufällig der Bruder ihrer Magd Kate, und deswegen möge der gute Goddy doch ein Auge oder zwei zudrücken, und zwar nicht unbedingt die von Allen. „Er sprach ohne Respekt“, grummelt Godfrey und Jean stimmt zu, dass Allen ein bissl doof gewesen sei, aber Godfrey möge nachsichtig sein. Der Herr Fürst hat auf Nachsicht momentan aber überhaupt keinen Bock. „Man kann nicht regieren und nachsichtig sein“, knurrt Godfrey (das sehen auch die Camerons, Merkels und Putins dieser Welt so), denn „Macht ist nichts für die Kleinmütigen!“ Jean will persönlich-menschlich enttäuscht abziehen, da schlägt Godfrey einen Handel vor. Und an der Stelle muss ich konstatieren, dass ich wohl boshafter denke als ein Fantasy-Mittelalter-Fürst, der seine Seele verkauft hat. Ich war nämlich felsenfest davon überzeugt, dass Godfrey vorschlagen würde, Allen zu schonen, wenn Jean in die Ehe einwilligt. Aber soweit denkt Godfrey nicht, der belässt es nämlich bei „a loaf for a life“ (also wollte er Allen wohl tatsächlich hinrichten lassen). Damit Jean aber von der ganzen Sache trotzdem was hat, führt er sie in den Kerker, wo diverse Gefangene grausam vor sich hin schmachten und sie zukucken muss, wie Allen heftigst ausgepeitscht wird. Den ausgemergelt-geschundenen Rest-Allen darf sie dann wegschleppen.
Die Wunden Allens müssen versorgt werden – zum Glück weiß Jeans Mutter Nanny Bess, wie frau das am Besten macht. Allerings wohnt Nanny Bess allein im Wald – Linet wird geschickt, sie zu holen. Godfrey und Dagger beobachten vom Schlossturm aus den Aufruhr, den Jean im Dorf verursacht.
Linet hüpft in einem für meinen Geschmack verdammt modernen Kleidchen durch den Wald zur Großmutter, einer alten Dame mit ’nem Schlag (’nem Taubenschlag), die in einer runtergekommenen Hütte im Wald lebt. Nanny freut sich sehr, Linet zu sehen, hat sie doch ein Geschenk für das Kind vorbereitet, doch Linet macht, des gefolterten Allen wegen, einen auf eilig – aber nicht eilig genug, um nicht in einem der undurchschaubareren Momente des Films eine seltsame, grünäugige Spinne, die eine Art Haus-Gefährte Nannys zu sein scheint, anzustarren. „Er hat grüne Augen“, informiert sie denn auch Nanny, was diese mit einem „Jaja“ quittiert. Ich vestehe die Szene nicht ganz, kann mir aber nur zusammenreimen, dass das mit Linets Elfen- und Feensuche zusammenhängt und symbolisieren soll, dass sie Dinge sieht, die „normale“ Menschen nicht wahrnehmen. Nanny jedenfalls gehört nicht zu den „Normalen“, sie hat Feen geseen, eh, gesehen. Man darf sie nur nicht berühren, instruiert sie Linet, denn wenn man sie berührt, verschwinden sie. Dagger beobachtet Oma und Enkelin in seiner Wolfsform.
Jean hat Allen in ihr Haus gebracht. Aus mir unerfindlichen Gründen darf Linet bei der Behandlung nicht zukucken, sondern muss draußen warten. Nun, der Grund ist der, dass Linet eine ausgebüxte Gans durch den Garten jagen muss und dabei Dagger, der in seiner menschlichen Form an einem Fenster hängt und späht, aufschreckt, und der deswegen in eine Matschegrube fällt. Haha!
Allen gibt dieweil halbtot Auskunft, dass er 40 Peitschenhiebe abbekommen hat. „Und das ohne Grund“, jammert Schwesterherz Kate (aus Sicht der Steuerfahndung könnte an das „ohne Grund“ jetzt schon angeregt debattieren). Dagger hat sich zwischenzeitlich an einen anderen Fensterladen geklemmt, wird aber wieder von einem Linet-erzeugten Geräusch ins Bockshorn gejagt, verliert den Halt und platscht in einen Teich. „Eines Tages bringe ich das Kind um“, gelobt der nasse und dreckige Dagger.
Linet wird von Oma und Mama der widerrechtlichen und zu lauten Plantscherei verdächtigt. Linet weiß verständlicherweise nicht, wovon die bucklige Verwandschaft redet, aber da Nanny jetzt ernstlich ans Heilen geht, wird der Punkt nicht weiter verfolgt. Nanny Bess hext Allens Wunden und Schmerzen per MAGIE weg. Damit hat sie nun endlich Zeit, Linet das versprochene Geschenk aufzudrängen. Zunächst legt sie einen magischen Kreis aus magischen Steinen und stülpt der Enkelin nun (endlich) das titelgebende rote Hoodie über. Das ist jetzt aber kein gewöhnliches „oh-toll-ich-werd’s-einmal-im-Jahr-anziehen-wenn-du-uns-besuchen-kommst-Oma“-Kleidungsgeschenk, wie’s bei Teenagern gewohnheitsmäßig super ankommt, sondern es ist ein verzaubertes hoodie! Solange Linet es trägt, wird ihr kein Leid zugefügt werden. „Muss ich es immer tragen?“, fragt Linet dämlich. So isses, und wenn sie es trägt, und zwar NUR wenn sie es trägt, verdeutlicht Oma Wetterwachs, eh, Nanny Bess, wird sie auch mal eine Fee sehen. Jean warnt Nanny – wenn sie nicht aufpasst, was und wem sie etwas sagt, werden die Leute sie für eine Hexe halten. Nanny grinst: „Nur weil ich ein paar Dinge weiß, bin ich keine Hexe.“ Das hat so manche im Mittelalter auch gedacht… zumindest lässt Nanny sich breitschlagen, die magischen Fähigkeiten des Capes als Geheimnis zu betrachten. „Abgesehen davon“, gibt sich Linet altklug, „bin ich zu alt, um an Feen zu glauben“ (auf einmal…).
Im Gegensatz zur Annahme von Douglas Adams sind es nicht die schlechten, sondern die guten Nachrichten, die sich rasend schnell verbreiten, denn schon am nächsten Tag ist Linet allgemein als „Rotkäppchen“ bekannt (in der Tat wird, wenn ich das richtig rekapituliere, von nun an niemand mehr sie mit ihrem richtigen Namen ansprechen). Jean und Linet, äh, Rotkäppchen, verkaufen ihr Brot den Bauern auf dem Feld (ob das eine Art Markttag ist oder man Jean das mittelalterliche Äquivalent eines Imbisswagens betreibt, ist mir nicht klar). Allen, obwohl geheilt, ist irgendwie missmutig drauf: „Wir arbeiten so hart und erreichen so wenig“. Linet weist darauf hin, dass zumindest das Wetter schnuffig-schön ist, aber das passt Allen auch nicht: „Wir bräuchten jetzt Regen!“ „Das Gras ist immer noch grün“, kontert Linet. „Aber es könnte grüner sein“, filosofiert Allen, „wie früher!“
Wer hofft oder fürchtet, dass er nun gleich in Gesang ausbrechen wird… ja und nein. Ja, es wird ein Song draus, nein, das was Julian Chagrin, der Allen-Darsteller, dazu mit dem Munde und den Stimmbändern tut, kann man nicht singen nennen. Dagegen ist die Rosselini die Callas. Aber erfreulicherwiese singt Allen nur die erste Strophe – wir befinden uns nämlich in unserer offiziellen Showstopper-Nummer, dem einen Stück, für den man sich etwas GROSSES geleistet hat – Kinder- und Erwachsenenchöre, eine vergleichsweise aufwendige Massen-Choreographie mit 30-40 Tänzern und ein Lied, das nach dem melancholischen „früher-war-alles-besser“-Auftakt in die pure Lebensfreude des „und-es-kann-wieder-so-werden-wenn-wir-alle-zusammenhalten“ umschlägt. Ja, es ist immer noch billiges Casio-Keyboard-Arrangement, aber es ist ein tatsächlich fast schon ansteckend heiterer Steigerungssong, dessen Text sich zum Ende hin ins Fröhlich-Absurde hin streckt, wenn die Sänger jubilieren, dass „Gold auf den Straßen“ liegen wird, „Schafe im Himmel“ und „Flügel an unseren Füßen“ sein werden. Ein Song, dem man eigentlich nichts übel nehmen kann…
Mitten in die schönste Partystimmung platzt Stimmungstöter-par-excellance Godfrey, der mit ganz besonders angepisstem Gesichtsausdruck verkrampft auf seinem Pferd hockt. Jean konfrontiert den Schwager ausgesucht höflich: „Kann ich dir etwas anbieten?“ „Deine Hand“, knurrt Godfrey. „Ich kann dir nicht geben, was mir nicht gehört“, wirft Jean die Emanzipationsbewegung um Jahrhunderte zurück. Godfrey nölt, dass Percival tot sei, aber Jean will davon nichts hören. Linet, die sich einmischt, auch nicht. „Er ist tooooot“, dröhnt Godfrey mit donnerndem Echo, und überhaupt, es wird das letzte Mal sein, dass er fragt. Da Jean nach wie vor nein sagt, ist die Sache unter zivilisierten Menschen damit jetzt ja wohl erledigt, oder? Godfrey reitet wutig fort, Linet rennt ihm wutig nach und zieht sich dann in den Wald zurück, um über die Ungerechtigkeiten des Lebens an und für sich zu meditieren. Jean spürt sie auf und führt sie nach Hause.
Dieweil stapft ein leicht abgerissen wirkender Wandersmann durch die Wälder und singt ein fröhlich‘ Lied. Naja, nicht gar SO fröhlich, ist es doch eine Variante des Schlaflieds, das Jean vorhin gesungen hat. Hat natürlich seinen Grund, denn der Sängerknabe ist ein leicht abgerissen wirkender Craig T. Nelson ergo dann wohl Percival, der totgeglaubte Zwilling.
Nanny grummelt in ihrem Kräutergarten, als Percival hinzutritt und sich erkundigt, wo er denn bitte sei. „Du bist auf dem Mond gelandet, der aus grünem Käse gemacht ist und einer alten Schachtel namens Molly gehört“, kabbelt Nanny, die natürlich genau weiß, wen sie vor sich hat und den lang Vermissten freudig begrüßt. Nanny setzt Percival über die politischen und familiären Entwicklungen, speziell die Gerüchte über Godfrey und von ihm ausgeübte schwarze Magie, ins Bild. „Er ist mein Bruder und liebt mich“, meint Percival (argh! Schlimmer als in „Game of Thrones!“), aber Nanny redet ihm das aus: „Er hat kein Herz, um zu lieben. Er hat große Macht, aber er hatte einen Preis dafür zu bezahlen!“ Percival ist nachdenklich…
Godfrey schmachtet indes ein Bildchen von Jean in einem Medaillon an. Naja, so sehr man schmachten kann, wenn man der Liebe unfähig ist. Ja, es ist Zeit für Godfreys Solo. „Man without a Heart“ ist textlich doppelbödig – einerseits freut sich Godfrey, dass ihm, wo er kein Herz mehr hat, selbiges auch nicht mehr gebrochen werden kann, andererseits spürt er den Verlust: „Jetzt, wo ich alle haben kann, will ich keine mehr!“. Der Song ist im Gegensatz zu den zwar recht schlichten, aber typisch „musical-igen“ anderen Liedern, sehr poppig (auch wenn die musikalische Begleitung wieder nur aus Synclavier besteht, nicht mal Percussion oder ’n Beat dazu), catchy, mit Synthi-Chören, man merkt die 80er… und Craig T. Nelson gibt alles! Auch er kann sicherlich nicht wirklich *singen*, aber er legt sich ins Zeug und *performt* – akustisch als auch von den Movez!! her. Kudos!
Frisch ausgesungen diskutiert Godfrey auf dem Schlossturm mit Dagger und stellt fest, dass Jean „sagt, dass ich sie nicht liebe. Das stimmt“. Soweit waren wir aber auch vor ’ner knappen Stunde schon. Godfrey fragt Dagger, ob er etwas liebe. „Früher liebte ich es, bei Vollmond mit dem Rudel zu rennen,“ nostalgiert Dagger, „jetzt liebe ich romantische Abendessen. Das passt wohl nicht zusammen“. Und ist überdies wohl nicht ganz das, wonach Godfrey wirklich gefragt hat. Aber der Fürst hat schon wieder andere Sorgen – er hat Allen bei der Feldarbeit gesehen, wo er ziemlich schmerzfrei wirkend aus voller Kehle gesungen habe. Das geht, da stimmt auch Dagger zu, höchstwahrscheinlich nicht mit rechten Dingen zu und deutet darauf hin, dass es im Lande Weir (das zum ersten Mal im Filmverlauf namentlich benannt wird) noch einen zweiten Magie-Praktiker geben muss. „Ein scheußlicher Gedanke“, findet Dagger. Deswegen soll er den auch finden, befiehlt Godfrey. „Es ist leichter, Leute verschwinden zu lassen als zum Reden zu bringen“, gibt Dagger zu bedenken, dass angesichts Godfreys Popularitätswerte die Bevölkerung nicht sonderlich kooperativ sein dürfte. „Lass deinen Charme spielen“, empfiehlt Godfrey. „So wie du bei Jean?“, tiefschlägt Dagger. „Ich werde sie besitzen“, grummelt der Fürst, aber „das Mädchen ist lästig!“
Es liegt nahe, die Recherchen bei Jean zu beginnen. Dagger, der ein wenig daran zweifelt, ob sein früher mal erprobter Charme bei der Weiblichkeit immer noch auf Gegenliebe stößt, versucht ein freundliches Gespräch mit der gerade mit der Wäsche befassten Jean anzufangen. Da er allerdings allgemein bekannt Freund und Berater des Fürsten ist, kauft ihm Jean nicht ab, dass er nur „Freunde“ suche. „Ihr habt doch einen Freund. Godfrey. Ist das nicht genug?“ Ob dieser Abfuhr versucht Dagger ersatzweise, bei Kate zu landen. Die spannt ihn gleich mal arbeitstechnisch ein, doch seine (nicht sonderlich diplomatisch formulierten) Fragen zu Allens Wunderheilung lassen ihn schnell rücklings in einem Wassereimer landen. Sieht zwar so aus, als hätte Kate ihn „in good fun“ da rein geschubst, aber der offenkundig wasseralgerische Dagger ist sauer: „No more Mr. Nice Guy!“ (schade, dass Cannon sich keine Song-Rechte leisten konnte…).
Er transformiert in sein Wolf-Selbst und verfolgt Kate, die ob des großen bösen Untiers in Panik verfällt, weg rennt, aber sich in einer Art ummauerten Garten o.ä. in Sicherheit bringen kann. Allen himself zückt Pfeil und Bogen, um den Wolf zu verscheuchen und schnell ist Dagger nun selbst auf der Flucht vor einer ganzen Posse hoffnungsfroher Wolfmeuchler. Peter schleudert eine Axt auf das Tier – die nagelt den wieder vermenschlichten Dagger (allerdings nur an seinem Hemd) an einen Baum. „Ich hab’s nicht mehr“, greint Dagger, „ich kann nichts mehr richtig machen.“ Doch da fällt ihm etwas ein – wenn er über die Mutter oder die Magd nicht weiter kommt, dann vielleicht über das kleine Mädchen… d.h. wir kommen so knapp zwanzig Minuten vor Feierabend zum Plot des Märchens.
Rotkäppchen spielt mit einer Babyente oder -gans. Percival und Nanny Bess beobachten sie aus einem Versteck. Nanny gibt Percy zu verstehen, dass Godfrey Jean überwachen lässt und sie heiraten will. Percival quittiert dies, da ersichtlich der Meinung, glücklich verheiratet gewesen zu sein, mit Unbill, doch Nanny warnt vor voreiligen Handlungen. „Du hast sieben Jahre gewartet, du kannst noch ein paar Tage länger warten.“
Die Wolfsjäger haben ihre Beute verloren und stolpern in Nanny und Percy. „Habt ihr einen rennenden Wolf gesehen?“, fragt Peter. „Auch keinen stillstehenden“, scherzt Percival. Es dauert ein Weilchen, bis beim simplen Landvolk der Groschen fällt, wer da vor ihnen steht , aber sobald Peter begriffen hat, schwingt er schon das metaphorische Banner der Revolution: „Wir müssen Euch ins Schloss bringen!“ Aber Percival weiß auch eins – dafür braucht’s eine Armee. Und zudem würde er gern seine Familie sehen, bevor er daran geht, Godfrey zu vertreiben. Nanny erinnert ihn daran, dass Jean zu scharf überwacht wird – mit Linet könnte man aber was arrangieren…
… und so erhält Linet wenig später den Auftrag, ihrer Großmutter, die sich nicht wohl fühlt, ein paar Lebensmittel vorbeizubringen. Dagger ist aber vorbereitet und übt eifrig hinter einem Baum versteckt den harmlosen Begrüßungsspruch, mit dem er Linets Vertrauen erschleichen will. „Guten Morgen, Fräulein, schöner Tag heute!“ Es ist nicht originell, but it gets the job done. Es gelingt ihm, Linet in ein Gespräch zu verwickeln und sich als Begleiter für den Weg durch den Wald aufzudrängen – er scheint sogar überrascht zu sein, dass sie ehrlich erfreut zu sein scheint, jemanden zu haben, der mit ihr geht. „Ich habe gelernt, dass Menschen nur vortäuschen, dein Freund zu sein und dich dann verletzen“, seufzt der Wolf in Menschengestalt. Was natürlich – soviel Zeit muss sein – auch genau das ist, was Dagger mit Linet vorhat. Zunächst aber will Dagger singen. „These days wickedness in on the rise“, ist das Motto des nun folgenden Duetts.
Es ist jetzt wieder ein vergleichsweise gewöhnlich-langweiliger Musical-Song-von-der-Stange, aber er ist textlich einigermaßen interessant. Dagger übernimmt den pessimistischen Part, der davor warnt, sich mit Fremden einzulassen, weil sie einem Schaden zufügen wollten, während Linet das optimistische Gegenstück ist, das – vielleicht naiv – davon ausgeht, dass man einem freundlichen Gesicht auch trauen könne und, wer nie mit einem Fremden spreche, auch nie einen Freund gewinnen könne. Gemeinsames Singen verbindet und als Dagger nun nach Allen Owen fragt, plappert Linet heraus, dass Nanny Bess ihm mit „Tinkturen“ geholfen habe. Beinahe verrät sie sogar noch, dass Nanny ihr ein magisches Cape angefertigt hat und kann sich grad noch auf „sie hat mir sogar…. gute Suppe gemacht“ retten. Nichtsdestotrotz weiß Dagger jetzt, wer seine Kundschaft ist und mit ein paar weiteren Fangfragen zieht er Linet auch aus der Nase, wo Nanny wohnt. Den nötigen Vorsprung verschafft ers ich dadurch, ihr zu raten, der kranken Oma ein paar hübsche Blumen zu pflücken.
Als Dagger bei Nanny klopft, merkt die alte Kräuterlady schnell, dass sie sich einen Feind ins Haus geholt hat, macht aber zunächst gute Miene zu bösen Spiel – doch dann überschüttet sie Dagger mit heißer Suppe und nimmt dann die Stützstrümpfe in die Hand. Für so’n altes Mädchen ist Nanny gut zu Fuß unterwegs. Da Linet schon im Anmarsch ist, kann Dagger nicht die Verfolgung aufnehmen, aber sich geistesgegenwärtig in Nannys Nachthemd und -mütze werfen. Aber ihm ist klar, dass das nicht reicht, um Linet zu täuschen. Deswegen krächzt er aus dem Schlafzimmer, dass er ihr ein spezielles Getränk zubereitet habe, damit sie sich nicht an „Nannys“ Krankheit ansteckt. Die verdächtig blaue Flüssigkeit ist offensichtlich schnell wirksamer Allohol, denn als Linet ins Schlafzimmer vordringt, sieht sie alles nur noch unscharf, doppelt und ausgesprochen, äh, bewegungsfreudig (Anerkenntnispunkte, wo sie verdient sind: dass Rotkäppchen einen frickin‘ Wolf nicht von ihrer Oma unterscheiden kann, nur weil er ein Mützchen trägt und sich die Decke bis zum Hals hochgezogen hat, ist einer der Punkte, den ich bei der Vorlage nicht mal mit „is halt ’n Märchen“ entschuldigen kann. Dass sich die hiesige Autorin einen halbwegs plausiblen Grund dafür hat einfallen lassen, muss man auch mal würdigen können). Dagger lotst Linet zu sich ins Bett (Schwein!, äh, Wolf!), um ihr eine „Geschichte“ zu erzählen. Keinen Gummipunkt für den, der prophezeit, dass wir nun zur „was-hast-du-für-große-Augen“-Routine kommen. Nach der Frage „Was hast du für große Zähne“-Line kann Dagger sich nicht beherrschen und beißt Linet in die Hand (obwohl noch in menschlicher Form). Bei Linet setzt die Erkenntnis ein – davon hat sie nun auch nicht mehr viel, weil Dagger sich (erneut per Standbild-Überblendung) in seine Wolfsform verwandelt und sie attackiert…
Nanny hat auf ihrer haltlosen Flucht durch den Wald den Verschlag gefunden, unter dem Percival mit seinem halben Dutzend bester Männer gerade den Angriff auf das Schloss koordiniert. Ein hingeröcheltes „Rotkäppchen“ reicht, um Perci in Gang zu setzen (gut, dass er sofort weiß, von wem die Rede ist… ist ja nicht so, als könnte er von dem neuen Namen wissen). Während Percival und seine Getreuen zur Rettungsaktion eilen, haben Godfreys Männer gerade Jean gefangen genommen. „Ich hab gesagt, ich frage nicht mehr“, bösgrinst Godfrey von seinem Gaul aus und zerrt die Gefesselte hinter seinem Zossen her. Sir Godfrey – ein Fan der Zwangsehe.
Perci und die Seinen erreichen Nannys Hütte – wo sich nun ein wirklich schlechter Effekt seinen (und unseren) Augen bietet. Dagger liegt vollgefressen und mit heftigen Magenschmerzen im Bett – im „Wolfs-Make-up“ (der Schäferhund wollte da wohl nicht mehr mitspielen) und stöhnt vor Krämpfen. „Ich bin Nanny Bess“ kauft ihm da auch keiner mehr ab – schon gar nicht, wo die echte Nanny neben Percy steht. Dass Percival Dagger jetzt gerne killen möchte, kann man ihn nicht verdenken, doch Nanny stoppt ihn – sie bemerkt, dass in Daggers Bauch sich offensichtlich mehr bewegt als nur Halbverdautes. „Du musst ihn aufschneiden“, rät sie. Dagger ist davon weniger begeistert, kann sich aber nicht wehren. GORE! SPLATTER! Äh… naja… eher nicht. Jedenfalls krepiert Dagger ohne moralische Erlösung, als Perci ihn von Hals bis Schniedel aufschlitzt, dafür entsteigt dem Kadaver die unversehrte, da von ihrem magischen Cape geschützte (und nur leicht angefeuchtete) Linet! Jubel! Trubel! Dümmliche Gesichtsausdrücke! Umarmungen! Pancakes!
Nachdem das erledigt wäre, kann Percival sich jetzt um den missratenen Bruder kümmern. Mit seiner Bauernarmee (allen ungefähr 17) greift er das Schloss ein. Godfrey, der immer noch Jean hinter sich her zerrt, ruft vergeblich nach Dagger und erklimmt mit seiner renitenten Braut den Turm, wo er mit eigenem getrübten Holzauge Percivals triumphalen Einzug ins Dorf beobachten kann. „Es ist vorbei“, keift Jean, „er ist zurück!“ Angesichts eines panisch chargierenden Chefs wenden sich sogar seine Soldaten von Godfrey ab und unternehmen daher nur eine symbolische Anstrengung, das Schlosstor zu halten. Der tobende Mob kann weitgehend ungehindert eindringen und Jean, die bei einem von Godfreys panischen Anfällen unauffällig ausgebüxt ist, kann mit Percival fröhliche Wiedervereinigung feiern! Da fällt Percy glatt der Bogen aus der Hand.
In erhabener Stille entern Percy und sein Volk den Thronsaal. Auf dem Thron grimassiert, chargiert, stöhnt und krächzt Godfrey. Percival wirft dem Bruderherz demonstrativ das Dagger abgezogene Wolfsfell vor die Füße. Godfrey, dem verdächtigerweise Haare auf den Händen zu wachsen zu beginnen, dessen Kopfbehaarung immer wuschliger wird und dessen Gesichtszüge fortgesetzt entgleisen, grunzt ein „Ich war nicht für die Herrschaft bestimmt“, das wohl irgendwie entschuldigend wirken soll. „Du musst das Land verlassen und darfst nie zurückkehren“, urteilt Percival. „Tu mir nicht weh, Bruder“, fleht Godfrey. Hat Percival, als Gutmensch, auch nicht vor. Godfrey muss durch ein Spalier von Dorfbewohnern Spießrutenlaufen, wechselt dabei zunehmend vom aufrechten in den vierbeinigen Gang und verwandelt sich schließlich endgültig in einen Wolf.
Ein wenig später geht die glücklich wiedervereinte Familie gemeinsam spazieren. „Es ist eine seltsame Welt“, rekapituliert Jean und auch Linet wundert sich: „Es war Dagger, der mich davor gewarnt hat, mit Fremden zu reden.“ „Du hättest auf ihn hören sollen“, kann sich Jean nicht verkneifen. „Es ist trotzdem eine traurige Lebenseinstellung“, stellt Linet fest. Papa Perci spricht das Wort zum Sonntag – es gibt zwei Arten, mit Ärger umzugehen. Und Linet weiß welche: entweder ihm entgegenzutreten oder ihn zu suchen. Ein blühender Busch am Wegesrand lenkt Linet ab – sie betrachtet die Blumen, singt ihr „Not-a-good-girl“-Liedchen von vorhin und… sieht eine Elfe, die sie anlächelt und dann verschwindet…
Man kann wirklich ausgiebig darüber diskutieren, ob die Idee von Golan-Globus, eine ganze Reihe von Musical-Märchenfilmen in die Kinos (bzw. die Videotheken) zu scheuchen, nun aus wirtschaftlicher Sicht sonderlich durchdacht war. Gut, der Erfolg von Disney scheint auf den ersten Blick ganz klar zu machen, dass es einen Markt für harmloses Familienentertainment, in dem auch gesungen wird, gibt – andererseits hat Disney diesen Markt aber auch praktisch monopolisiert. Wiederum andererseits kann man Cannon nicht verdenken, dass man sich bemühte, den eigenen Output zu diversifizieren – und eine Produktionsfirma, die „Over the Top“ finanzierte, hatte sicherlich größere Geldverschwendungen in den Büchern als eine Handvoll billiger Märchenfilme, die zusammengerechnet wahrscheinlich knapp so viel gekostet haben wie zwei „Quatermain“-Filme mit Richard Chamberlain…
Auf alle Fälle kann man darüber diskutieren, ob es wirklich sinnvoll war, bei Budgets von 1,5 Mio. Dollar pro Film namhafte und vermutlich teure Leute wie Isabella Rosselini und Craig T. Nelson einzukaufen, denen es an einer entscheidenden Fähigkeit für Musicals, nämilch der Singerei an und für sich, fehlt – aber aus unserer heutigen Sicht ist das natürlich auch irgendwo der halbe Spaß.
Aber beginnen wir wie üblich beim Script – Carole Lucia Satrina, eine wenig distinguierte Autorin, die neben einigen weiteren Büchern für die Cannon Movie Tales nur noch mit drei Episoden der qualitativ äußerst schwankenden Horror-Anthologieserie „Tales from the Darkside“ reüssierte, macht zumindest eines mal recht gut – sie nutzt die klassische Märchenvorlage nur für den dritten Akt eines insgesamt recht eigenständigen Fantasy-Abenteuers; eines Fantasy-Abenteuers der Sperrholzklasse, fraglos, aber zumindest nicht sklavisch am altbekannten Grimm’schen Märchen klebend. Und selbst da, wo sich ihre Adaption am Märchen orientiert, erlaubt sie sich Abweichungen und Änderungen: die Großmutter wird nicht gefressen, es gibt eine halbseiden-plausible Erklärung dafür, dass Rotkäppchen nicht erkennt, dass da nicht die Oma im Bett liegt. Sowas erfreut mich, denn die hundertste simple Märchennacherzählung in Filmform wäre langweilig – ein wenig kreative Eigenleistung ist in solchen Fällen immer willkommen.
Die neue „Rahmenhandlung“, innerhalb derer das Märchen eine – nicht mal entscheidende – Funktion übernimmt, gefällt mir dabei einigermaßen gut. Der Zwist zwischen dem „guten“, verschollenen Herrscher und seinem „bösen“ Bruder ist jetzt auch nichts hochgradig Originelles, sofern wir mindestens einen Robin-Hood-Film gesehen und vom fiesen Prinz John und dem edlen König Löwenherz gehört haben, aber es ist ein griffiges Leitmotiv, an dem sich der Film entlanghangeln kann und seinen Hauptfiguren glaubwürdige Motivationen an die Hand gibt. Die magischen Aspekte sind nicht immer logisch oder völlig verständlich (wie schon oben erwähnt – mit wem hat Godfrey eigentlich seinen Pakt abgeschlossen? Mit dem Wolf? Einer anderen bösen Macht? Ist der Preis nicht zu hoch für die Gegenleistung, einen laschen Wolf kontrollieren zu können? Wieso verwandelt sich Godfrey am Ende selbst in einen Wolf?), aber insgesamt ist der Gedanke, das Märchen vom großen bösen Wolf mit einem (familienfilmgerechten) Werwolf-Motiv zu verknüpfen – ohne dabei irgendwelche tiefschürfenden Metaphern aufzumachen, wie es z.B. Neil Jordans „Zeit der Wölfe“ tat – kein schlechter, um die aus heutiger Sicht offensichtlichen erzählerischen Lücken des Märchens zu stopfen (auch wenn ich mich – noch mal – ernstlich frage, ob ein „Reich“, das offensichtlich überschaubar genug, um von einem [1] Wolf kontrolliert und terrorisiert zu werden, den Preis von Herz und Seele wirklich wert ist. Ich hätte dafür dann schon gerne die Weltherrschaft. Oder die Herrschaft über einen etwas größeren Teil der selben). Alas, das ist ein Kinderfilm und kein Lehrfilm für angehende Diktatoren, da muss nicht zwingend alles logisch sein (es wäre schön, wenn, aber wir sind ja schon froh, wenn Kinderfilme ihr Publikum nicht grundsätzlich für blöde halten. Tun leider genug von der Sorte). Insofern ist ein Charakter wie Dagger, der hier zwar der Wolf, aber nicht der existentiell Böse ist, für einen Märchenfilm, der üblicherweise Charakterzeichnung mit dem breiten Pinsel pflegt schon bemerkenswert, als es ihm Selbstzweifel, Persönlichkeitskrise und die ehrliche Überraschung, dass ihm jemand (Linet) vorurteilsfrei entgegentritt, ins Stammbuch schreibt. Die edelmütige Jean, der brave Percival und der erzböse Godfrey sind Figuren, die nicht unbedingt vor Originalität triefen, aber solide genug gearbeitet sind, und Linet ist sogar erstaunlich unnervig (wobei es hilft, dass der Film aus ihr einen Teenager macht). Einzig Nanny Bess, die Kräuterhexe, ging mir ein wenig auf den Keks.
Ansonsten ist es erfreulich, dass das Script die Sache vergleichsweise ernst angeht – die düsteren Elemente einer Fantasywelt werden nicht ausgespart, es gibt keinen aufdringlichen comic relief, und die Songs mögen den Narrativ nicht enorm vorantreiben, sagen aber zumindest einiges über die Figuren, die jeweils gerade singen, aus (mit Ausnahme des auf puren Spaß und Lebensfreude ausgerichteten Ensemblestücks).
Aus Regisseur Adam Brooks wurde noch mal was – allerdings erst, nachdem er vom Regiestuhl hinter den Textprozessor wechselte und, quasi auf dem zweiten Bildungsweg, zum Drehbuchautor mutierte. Als solcher entwickelte er sich zum RomCom-Spezialisten und verfasste u.a. „French Kiss“, „Zauberhafte Schwestern“, „Wimbledon“, „Bridget Jones – Am Rande des Wahnsinns“ und „Vielleicht, vielleicht auch nicht“ (bei letzterem führte er auch Regie). „Rotkäppchen“ ist nicht gerade der Film, mit dem sich ein Regisseur großartig profilieren kann – das Budget ist nun mal stark eingeschränkt (die Production Values sind SO knapp, dass der Film sich nicht mal einen stock-footage-Shot des Schloss-Exteriors leisten kann). Kostüme und Setdekoration sind okay für einen preiswerten Kinderfilm, halten aber keinen Vergleich mit tschechischen Märchenproduktionen aus den 70ern aus. Kameraführung und Schnitt bewegen sich auf solide durchschnittlichem Niveau. Dramaturgisch macht Brooks die Sache gut – die 77 Minuten sind jetzt keine epische Laufzeit, aber die Story wird durchaus flott vorangetrieben, die Songs halten den Betrieb nicht sonderlich auf (auch wenn Brooks nicht arg viel einfällt, wie er die Musikeinlagen visuell aufpeppen kann. Bei der großen Ernte-Ensemblenummer hilft ihm die nette Choreographie weiter). Die Special FX sind nicht sehr speziell – die Wolfs-Verwandlungen werden, wie gesagt, via überblendeten Standbildern gelöst (nur die von Godfrey vollzieht sich im bewegten Bild, aber ebenfalls per einfacher Überblendung), und das Wolfs-„Make-up“ für die Bauchaufschneid-Szene ist wirklich bestenfalls einem billigen Märchenfilm für Kinder angemessen…
Die Musik selbst – nun, Stephen Lawrence ist als Komponist routinierter Profi (seit den frühen 70ern tätig und Komponist z.B. für den Horrorklopper „Communion – Messe des Grauens“, „Tödliche Spiegel“ oder das mir bislang völlig unbekannte TV-Sequel zu „Looking for Mr. Goodbar“, „Discokiller in New York“) – hey, Lawrence war in den 80ern oft und gern für die „Sesamstraße“ tätig und wer da ran darf, versteht gemeinhin sein Handwerk (für Cannon schrieb er noch die Musik für „The Emperor’s New Clothes“, was „witzigerweise“ das zweite Cannon-Movie-Tale ist, das ich mittlerweile auf DVD mein Eigen nenne). Sein Problem ist, dass ihm eben außer einem billigen Keyboard praktisch keinerlei Instrumentarium zur Verfügung steht und sein Stil, überwiegend eben klassische „broadway showtunes“ nach breiter Orchestrierung lechzen – musikalisch funktionieren deshalb wohl „You won’t be here in the morning“ (als eine Art Schlaflied mit einfacher Instrumentierung immer noch brauchbar) und das synthpoppige „Man without a Heart“ (dem nur ein fetziger Beat zum New Wave-Discostampfer fehlt) am Besten, während man Songs wie „Green in the Blue“ (dem Ernte-Song) oder dem Duett „Never talk to strangers“ einfach ein wenig mehr pure Instrumentenpower im Rücken wünscht. Ich hatte allerdings insgesamt schlimmeres befürchtet – nur „Lost in the Woods“, Linets „no-good-girl“-Solonummer, ist wirklich langweilig, die anderen Songs haben durchaus alle ihre redeemin‘ values; allerdings nicht in den gesanglichen Darbietungen. Disney weiß schon, warum voice actors, die nicht singen können, dort gemeinhin in den Gesangspassagen von Profis ersetzt werden – was Isabella Rosselini abliefert, klingt nicht besser als eine Katze, der man auf den Schwanz tritt, Julian Chagrin singt sicherheitshalber nicht, sondern spricht seinen Text, Rocco Sisto gibt sich Mühe, aber wie Papa Griswold sagen würde, „das tun Waschmaschinen auch“, und Amelia Shankley fehlt einfach die Routine. Craig T. Nelson kann auch nicht singen, aber er wirft sich wenigstens mit Gusto in seinen Part, und das gleicht stimmliche Defizite beinahe aus.
Abseits der Singerei zu den Schauspielern – ich hätte ja fast getippt, dass Amelia Shankley hier erstmals vor der Kamera stand, so teilweise nicht-schauspielernd sieht sie mir aus, aber die junge Engländerin hatte tatsächlich schon einiges an Erfahrung – sie hatte in „Dreamchild“, einem britischen Film, das die Geschichte der „echten“ Alice-im-Wunderland, der Lewis-Carroll-Freundin Alice Liddell nachzeichnet, die junge Alice gespielt, dito die Hauptrolle in „Little Princess“, einer TV-Miniserie nach dem britischen Jugendbuchklassiker. Dafür ist ihre Linet erstaunlich „blah“ und ohne große Leidenschaft. Gut, vielleicht war auch die Präsenz von zwei damals ziemlich großen Stars wie Isabella Rosselini und Craig T. Nelson etwas zu überwältigend. Während die Rosselini – allgemein anerkannt eine der schönsten Frauen, die in den 80ern den Erdboden zierte und quasi unmittelbar vor diesem Film in Gassenhauern wie „Blue Velvet“, „Harte Männer tanzen nicht“ und „Siesta“ am Werke – überraschend unprätentiös und down-to-earth agiert (was wieder die Frage aufwirft, warum man sie engagiert hat, wenn sie weder singen kann noch man ihre, äh, äußerlichen Reize in Szene zu setzen gedenkt…), ist Craig T. Nelson („Poltergeist I/II“, „Das Osterman-Weekend“, „Silkwood“, Action Jackson) eine echte Schau – sowohl als hemdsärmelig-herzensguter Percival als auch als hemmungslos übertreibend flamboyant-böser Godfrey mit Spaß und Frohsinn bei der Sache – so wünscht man sich das von einem Star, der sich engagiert in einen Kinderfilm reinhaut. Rocco Sisto (ich weiß, ich weiß, mein Publikum wartet auf einen Rocco-Sifredi-Gag. Aber doch nicht bei einem Kinderfilmreview!), der versucht, Dagger als eine zumindest ansatzweise auch tragische Figur zu spielen, war seinerzeit noch relativ unbekannt (in „Spur in den Tod“ hatte er 1984 debütiert). 1988 gab er sich in Doris Dörries wenig geliebtem Hollywood-Ausflug „Ich und Er“ die Ehre, in der Folge konnte er kleinere Parts in „Bloody Mary“, „Carlito’s Way“ oder „Eraser“ abstauben, spielte eine kleine, aber nicht unwichtige Rolle in „Donnie Brasco“ und war auch in einigen Folgen der hochgelobten Mafia-Serie „Die Sopranos“ zu sehen. Helen Glazary als Nanny Bess haute mich nicht vom Hocker – es ist auch ihr einziger Screencredit, so dass ich vermute, dass sie lokal in Israel rekrutiert wurde.
In Deutschland sind die Cannon Movie Tales zwar bei verschiedenen Publishern (u.a. ems) erschienen, aber tutti kompletti out of print und als deutsche Pressungen Sammlerstücke. Import ist günstiger, wobei man die Wahl hat zwischen den US-Fassungen, die meist im Vollbild daher kommen und nur den englischen Ton bieten, und UK- oder NL-Versionen (via MGM-DVD). Von „Red Riding Hood“ konnte ich eine holländische Version ergattern, die neben der englischen Fassung auch die deutsch, italienisch und französisch synchronisierten Tonspuren bietet (wobei die Songs nach kurzer Stichprobe in allen Sprachfassungen auf Englisch dargeboten werden). Ich bin eh beim englischen O-Ton geblieben. Der ist ein wenig dumpf und für einen relativ „neuen“ Film doch schon recht verrauscht – der deutsche Track, in den ich kurz reingehört habe, ist etwas sauberer und rauschärmer. Der Musikmix ist – speziell für ein Musical – leider ziemlich flach, undynamisch und breiig. Die Bildqualität (1.85:1-Widescreen anamorph) ist dagegen okay – gute Farben, saubere Schärfen, passabler Kontrast, unauffällige Kompression. Extras gibt’s überhaupt keine.
Was sagt man jetzt dazu? Ich muss zugeben – ich bin positiv überrascht. Ich hatte mit einem train wreck gerechnet, einem Trash-Feuerwerk des schlechten Geschmacks, und doch, obwohl „Red Riding Hood“ sicherlich seine Schwierigkeiten hat, allen voran eben Hauptdarsteller, die kaum oder gar nicht singen können, was für ein Musical halt dummerweise schon irgendwie, tja, schlecht ist, und das mickrige Budget an vielen Ecken und Enden durchscheint, stelle ich in der Gesamtschau fest: es ist ein völlig passabler Fantasyfilm mit dem eingebauten Märchenmotiv für die ganze Familie, kurzweilig, mit sozialverträglichen Songs und schlicht und ergreifend, ich wage es kaum zu sagen… good fun. Für kleinere Kinder ist das, die düsteren, aber durchaus märchenkonformen Elemente eingerechnet, tauglich, und Erwachsene können sich allein schon an der hemmungslosen Performance von Craig T. Nelson erfreuen. Wie schon gesagt, good fun, ich hab’s nicht bereut, das Ding gesehen zu haben.
(c) 2013 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 5
BIER-Skala: 6
Review verfasst am: 01.12.2013