Rossa Venezia

 
  • Deutscher Titel: Rossa Venezia
  • Original-Titel: Rossa Venezia
  •  
  • Regie: Andreas Bethmann
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Sabine Ironheart, Romana, Marianna Bertucci, Jens Hammer, Daniel Ortolan, Jess Franco, Lina Romay, Michelle Bond, Yunisa Frometa, Michelle Kornak, Andreas Bethmann, Natascha Wetzig


Vorwort

Venedig (ach was) – eines weniger schönen Tages kommt Natalia nach Hause und findet ihren angetrauten Göttergatten dabei vor, wie er mit einer Dame des ältesten Gewerbes eine couragierte Nummer schiebt. Rational-verständnisvoll, wie Natalia ist, schießt sie der Nutte die Rübe weg und spießt den Treulosen mit einer Mistforke auf. Dafür wandert sie gerechterweise hinter italienische Stahlgardinen bzw. für zehn Jahre ins Frauengefängnis – dort wird sie sowohl Zeuge als auch unwillige Teilnehmerin an allerlei von Direktorin Romana geduldet- bis geförderten sexuellen Abartigkeiten und Folterungen. Als sie wegen guter Führung entlassen wird, ist sie daher Eigentümerin einer gepflegten Megaklatsche, laut der Frauen aus grundsätzlicher Verderbtheit Trägerinnen der Sünde Lust sind. Nachdem sie eher zufällig ein junges Liebespaar abmurkst, das für ein lauschiges Schäferstündchen ausgerechnet Natalias altes Haus, in dem sie sich wieder eingerichtet hat, ausgesucht hat, kommt sie auf den Trichter, dass das Schicksal sie zur Bestrafung, Läuterung und konsequenterweise Vernichtung des lasterhaften Weibsvolks ausgekuckt hat.

Zunächst kapriziert sich Natalia auf ordinäre käufliche Damen und Escorts, dehnt ihre Mordproduktpalette aber schnell auch auf „unschuldige“ Frauen aus, die doof genug sind, auf ihre fingierten Stellenanzeigen für Hausmädchen o.ä. hereinzufallen. Während die Polizei in Form des grandios inkompetenten Commissario Maurice (und Gerichtsmediziner Bertucci) im Zappendustersten tappt, obwohl sich sogar hirnamputierte und blinde Taubstumme am Krückstock ausrechnen können, dass die verschwundenen Frauen und in Säure aufgelösten Leichen sich primär um die Adresse Via Maledetto 13 (sehr subtil) tummeln, machen sich in Natties krankem Hirn zwei Gedanken breit – gefällt ihr das lesbische Vorgeplänkel vor den Morden mittlerweile nicht etwas zu sehr und wäre es nicht nur gerecht, wenn die beiden Schwestern der Nutte, mit der sie seinerzeit ihren Männe erwischt hat, auch der verdienten Todesstrafe zugeführt würden?


Inhalt

Das hab ich Jahre vor mir hergeschoben… es ist schon ewig lange her, dass mir ein wohlmeinender (ächz) Spender die Superduper-Deluxe-4-Disc-Riesen-Buchboxausgabe von „Rossa Venezia“ (in drei Schnittfassungen!!ELF) mit Poster und „Porno a Venezia“-T-Shirt (zum Glück passt mir das nicht – wo sollte man das denn tragen?) ins Haus schickte. Und wiewohl ich Meister Bethmanns filmischen Ergüssen (äh) womöglich positiver gegenüber eingestellt bin als so manch anderer (Dämonenbrut halte ich immer noch für sehr spaßig und Frauengefängnis 4 hatte zumindest seine Momente unterhaltsamer Trashigkeit), dürstete es mich nicht unbedingt dringlich nach einem Splatterporno – Hardcore-Pornographie und Goresudeleien sind eine Kombination, von der ich nach Möglichkeit Abstand halte.

Aber wie’s so spielt, gestern war mir langweilig, ich wühlte in ein paar unaufgeräumten Schubladen und fand die „Rossa“-Box wieder. Und wenn man eh schon nix besseres zu tun hat…

… dann erinnert einen ein „Film“ wie dieser in aller Nachdrücklichkeit daran, dass *alles* etwas „besseres“ ist, als sich „Rossa Venezia“ anzukucken, inklusive (und nicht beschränkt auf) Wurzelbehandlungen, Operationen am offenen Herzen ohne Anästhesie, die Moleküle von Otti Fischers Hintern zählen und zwölf Jahre Angela Merkel. Obschon ich mit niedrigsten Erwartungen (und Instinkten) an den Streifen heranging, unterflog er diese mühelos und noch mit jeder Menge Luft nach oben.

Okay, dass von einer „Story“ nicht wirklich die Rede können sein würde, war klar – Bethmann ist nun mal der selbsternannte deutsche Joe D’Amato und Jess Franco rolled into one und die Herrschaften genießen ihren zweifelhaften Ruf nicht aufgrund der durchdachten Plotten, glaubhaften Charaktere und literarisch hochwertigen Dialoge. Nach der halbstündigen „Auftaktphase“ um den Mord und Natalias Gefängnisaufenthalt (mit einer Foltersequenz, die mit der „Handlung“ in keinem weiteren Zusammenhang steht) folgen zwei Stunden der stupiden Repetierung – Natalia findet oder organisiert sich ein neues Opfer, vollführt mit ihr ein paar lesbische Spielereien und foltert sie dann zu Tode (auf stellenweise sehr vage Art – Bethmann scheint hier zu postulieren, dass man Frauen mit einem Vibrator totvögeln kann), und dazwischen hüpft dann und wann der doofe Kommissar durch die Gegend, oder Dr. Bertucci wühlt in Fraueneingeweiden oder Jess Franco (mit Lina Romay in einer Gastrolle als Eltern einer der Vermissten) schießt sich die Rübe weg (weswegen der Kram sich auch nicht für ein Langreview anbietet. You can write the same stuff just so often). Selbst wenn man, wie ich, Sex per se für etwas sehr unterhaltsames hält (auch wenn’s aktiv mehr Spaß macht als das reine Zukucken), oder eine erotisch aufgeladene Foltersequenz nicht von Haus aus für Zeitverschwendung hält – es ist so elendiglich langweilig und repetetiv, zumal auch der Soundtrack immer wieder die selben billigen Synthi-Themes einspielt, die wenigen echten Dialoge immer wieder schmerzverursachend ist und Natalias penetranter Tagebuch-Voiceover (so etwas wie die „erzählerische Klammer“ des Films, soweit man sowohl von „erzählerisch“ als auch „Film“ reden will), in dem sie in schwülstiger Poesiealbumsprache ihre frauenfeindliche Pseudophilosophie darbieten darf, irgendwann nur noch auf die Nerven geht. Da fallen kleinere Dussligkeiten, wie dass sich alle Charaktere konsequent mit „Mister“ und „Misses“ anreden – in Venedig, wir erinnern uns – schon gar nicht mehr ins Gewicht, weil man, so man von der blanken Ansicht irgendwelcher Vaginas nicht atemlos vor Spannung gefesselt ist, eh längst sanft entschlafen ist.

Haken wir also die „Geschichte“ einfach mal ab und wenden uns dem Handwerk zu. Ich war ja bislang durchaus der Meinung, dass Bethmann, mag man zu den von ihm vorgelegten Inhalten stehen wie man will, durchaus nicht der schlechteste deutsche Amateurfilmer ist, was die technische und handwerkliche Seite angeht – normalerweise mit einem guten Auge für nette Locations gesegnet, im Vergleich zu manchem seiner Amateurkollegen fähig zu recht dynamischer Kameraarbeit und dem ein oder anderen guten Shot. Normalerweise. Ich weiß nicht, warum er diese Fähigkeiten für sein seinerzeit ausgekucktes opus magnum an der Tür des Ladens, der ihm den billigen Camcorder vermietet hat, abgegeben hat. „Rossa Venezia“ ist ein selten hässlicher Film – ja, es ist natürlich eine ganz nette Abkehr vom Klischee, nicht das typische Touristen-Venedig zu zeigen (natürlich gibt’s ein paar Ansichtskarten-Shots, damit wir auch ja wissen, wo wir sind), aber der ganze Streifen hat einen durchgängig siffigen-verwahrlosten Look. Kann durchaus beabsichtigt und im Kontext zur „Story“ sehen zu sein, ist aber ausgesprochen unattraktiv anzukucken. Es gibt praktisch keine Schauwerte jenseits der nackten Haut und der blutigen Exzesse – spätestens beim 47. gleichen establishing shot der Via Maledetta ist man versucht, seinem Fernseher die Pixel einzeln auszuknipsen. Bei Dialogszenen setzt Bethmann überwiegend auf ziemlich aufdringliche close-ups im aller-allersimpelsten Schuss-Gegenschuss-Verfahren. Das stupide „zentral auf die Gesichter halten“ und harte Gegenschneiden erweckt dann auch den Eindruck, als wären die miteinander parlierenden Charaktere nie gleichzeitig am Set gewesen – keine Ahnung, ob das stimmt, es sieht jedenfalls ungefähr so aus wie eine „alter-Film-trifft-neuer-Film“-Szene aus einem typischen Lai-Ninjafilm. Das ist in dem Falle nicht als Kompliment gemeint. Nie entwickelt sich in diesen Passagen ein natürlicher Flow, der den Zuschauer glauben machen könnte, hier würden sich tatsächlich Menschen miteinander unterhalten (die Dialoge an sich helfen, wie schon erwähnt, auch nicht). Generell wirkt wirklich jeder Shot, bis auf die paar Freiluft-Passagen, die allerdings mehr oder minder nur „Rahmenhandlung“ sind (da liest, SPOILER voran, wenn’s jemanden interessiert, die überlebende Schwester Nattys Tagebuch), gedrängt, klaustrophobisch, beengt. Der Score, wie auch schon angedeutet, müht sich redlich um Anklänge an das typische Synthigedüdel des 80er-Italo-Horrors a la Goblin, beginnt aber spätestens nach einer Stunde auch hochgradig zu nerven.

Der Sex? Gut, der zumindest kommt ganz nach den erwünschten Vorbildern D’Amato und Franco – möglichst unästhetisch. Mit am „Besten“ als Porno funktionieren die beiden Hetero-Szenen (gleich zu Beginn und kurz vor Schluss), alle Lesbenszenen sind himmelsturzlangweilig, weil sie sich praktisch ausschließlich auf Muschileckereien und Vibratoren beschäftigen (und, wie erwähnt, Natalia ihre Opfer gerne mal tot-vibriert). Ein-zwei Bondage-Segmente sind nicht völlig übel, aber die bekommt man als geneigter Kunde im Internet an jeder Ecke umsonst.

Der Splatter? Ist jämmerlich. Bethmann hatte hier wohl keinen besonders kapablen Gore-Künstler am Start… wenn der Maestro himself in einem Frauenkadaver rumwühlt, kommen die bewährten Metzgereiprodukte zu ihrem Recht, die Foltersequenz im Frauenknast ist geradezu grotesk lächerlich (da soll die Hand einer Gefangenen in einer Quetsche zertrümmert werden und das on-screen-Resultat ist ein bisschen Ketchup oder anderer Kunstblutersatz, das man ihr auf die Pfote tropft). Eine abgetrennte Prop-Hand ist das splattertechnisch das Highlight, ein paar per „Säure“ entfleischte Skelette sind zumindest einigermaßen „nett“ eklig, aber mein persönlicher Favorit ist zweifellos die große Körperexplosion (man merke sich für zukünftige Verwendung: steckt man der Frau einen batteriebetriebenen Vibrator in die Pussy und verbindet diesen mit einem aufgeritzem Kabel mit der Steckdose, explodiert die Maid) – mit einer aufkopierten CG-Explosion, wie sie Teutokill 2 nicht hübscher hinbekommen hat.

Die Darsteller? Sind grauenhaft. Ich fange mir höchstwahrscheinlich die nächste Strafanzeige ein, wenn ich feststelle, dass die diversen Opfer das Beste sind, was der ukrainische Straßenstrich hergab. Immerhin sind die Girls attraktiv genug, dass einem zumindest nicht deswegen das Essen aus dem Gesicht fällt (ein oder zwei sind sogar ganz süß). Sabine Ironheart (ich nehme mal an, dass sie Natalie spielt) hat zumindest den irren Blick ganz gut drauf, aber auch das läuft sich beim spätestens vierten Mal tot, und auch Lina Romay und Jess Franco, die’s zumindest ein bisschen besser wissen und können sollten, passen sich dem fürchterlichen Gesamtniveau nahtlos an (aber zumindest behält La Romay, im Gegensatz zum späteren „Frauengefängnis 4“, die Bluse an. Thank God for small mercies).

Bildqualität: Der ganze Schmonz hat natürlich keinerlei Chance auf einen Release in Deutschland, der nicht umgehend den Weg zur Staatsanwaltschaft gehen würde, daher kommt die Superdeluxe-Box offiziell aus Italien von Relax Publishing. Auf Disc 1 findet sich der Hauptfilm in ziemlich miesem 1.85:1-Letterbox (non-anamorph), mit matten Farben und ziemlichem Griesel – wenn man das auf seinem Flatscreen mal formatfüllend aufbläst, kommt einem der Streifen wenigstens optisch angemessen 70er-Jahre-räudig vor…

Tonqualität: Deutscher und englischer Ton jeweils in Dolby 2.0 und 5.1. Die deutsche Nachsynchronisation ist alles andere als gut, aber für Amateurverhältnisse noch brauchbar; gelegentlich überlagert die Musik den Dialogton (was theoretisch kein großer Verlust wäre, wäre die Musik besser). Italienische Untertitel lassen sich zuschalten.

Extras: Jede Menge. Auf Disc 2 findet sich die „German Giallo Version“ (107 min, um die Hardcore-Einlagen erleichtert) als Pseudo-16-mm-Fassung sowie „Porno a Venezia“ (61 min), die komplett handlungsbefreite reine Wichsvorlagenfassung, in der die diversen Hardcore-Passagen als einzelne „Kapitel“ eines „erotischen Reiseführers durch Venedig“ mit neuem Score dargeboten werden. Disc 3 beinhaltet sprichwörtlich Tonnen an Making-of-Footage, Behind-the-Scenes-Krempel, Interviews, deleted scenes, Storyboard, Script, Bildergalerien und Trailer (insgesamt über zwei Stunden), auf Disc 4 findet sich dann der Soundtrack sowohl für „Rossa“ als auch „Porno“. Und bei allem angebrachten Disrespekt – die Box sieht tatsächlich gar nicht schlecht aus…

Fazit: Och Andi… ich hab ja eigentlich gerne Spaß mit Deinen Filmen. Zu dem, was ich oben zu „Dämonenbrut“ und „Frauengefängnis“ geschrieben haben, stehe ich, aber „Rossa“… ist ’ne Totalkatastrophe, die weder als Giallo-„Hommage“ (da reicht’s halt nicht, dass sich Nattie zum Killen schwarze Handschuhe überstreift), als Splatterhorror noch als Gewaltporno funktioniert. Wer die Zielgruppe für diese Art Film ist, naja, das will ich mir, obwohl ich persönlich recht viel „vertrage“ und wahrscheinlich einiges für tolerabel halte, bei dem selbst hartgesottene Vielkucker die Grenze ziehen würde, gar nicht so recht vorstellen. Was Bethmann-Horror angeht, bleib ich dann doch lieber bei „Dämonenbrut“, und in Sachen Bethmann-Porno sind mir die zur Fleischeslust gezwungenen Vegetarierinnen auch deutlich lieber.

1/5
(c) 2013 Dr. Acula


mm
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