Rosemaries Baby

 
  • Deutscher Titel: Rosemaries Baby
  • Original-Titel: Rosemary's Baby
  •  
  • Regie: Roman Polanski
  • Land: USA
  • Jahr: 1968
  • Darsteller:

    Mia Farrow (Rosemary Woodhouse), John Cassavetes (Guy Woodhouse), Ruth Gordon (Minnie Castevet), Sidney Blackmer (Roman Castevet), Maurice Evans (Edward “Hutch” Hutchins), Ralph Bellamy (Dr. Abraham Sapirstein), Charles Grodin (Dr. C.C. Hill), Victoria Vetri (Terry Gionoffrio) u.a.


Vorwort

1965, New York. Rosemarie und ihr Mann Guy ziehen in das Bramford-Haus, obwohl selbiges auf eine bewegte Geschichte mit Kannibalismus und Teufelsanbetung zurückblicken kann (wie Rosemarys väterlicher Freund Hutch hilfreich anmerkt; vor allem ein gewisser Adrian Marcato soll’s dort wild getrieben haben). Während Guy versucht, seinen Durchbruch als Schauspieler zu schaffen, geht seine Angetraute ganz in der Vorfreude aufs Hausfrauen-Dasein auf. Mit Terry findet sie in dem Miethaus auch schnell eine Freundin, als sich selbige aber aus dem Fenster stürzt, trübt sich die Stimmung vorübergehend.

Die Tote wohnte bei den Castevets, welche das einst drogensüchtige Mädel von der Strasse geholt hatten. Die Woodhouses freunden sich mit dem schrulligen Ehepaar an, doch erweisen sich Minnie und Roman (so heissen die beiden Alten) bald als leicht nervig bis klettenhaft – zumindest erlebt Rosemary das so, während sich Guy an ihnen einen Narren frisst. Kommt hinzu, dass er aufgrund von Arbeitsbelastung seiner Frau nicht die Aufmerksamkeit zukommen lässt, welche sich diese wünscht. Als er dann aber unverhofft eine ersehnte Rolle kriegt, weil der vorherig engagierte Schauspieler erblindet, und Interesse daran bekundet, mit ihr endlich ein Kind zu haben, freut sie sich über alle Massen.

Die Zeugung geht eher unromantisch vonstatten, als Guy nach einem alkoholreichen Abend sein weggetretenes und wirr träumendes Weib besteigt. Aber egal, sie ist endlich schwanger! Unangenehm zwar, dass die Casavets ihr einen neuen Gynäkologen aufschwatzen und ihr regelmässig einen ekligen Vitamindrink servieren, aber es kann ja nur schlimmer werden: ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich zusehends und starke Schmerzen quälen sie.
Hutch, der erwähnte väterliche Freund Rosemarys, hat inzwischen ein wenig recherchiert und würde ihr gerne gewisse Erkenntnisse mitteilen – da fällt er allerdings plötzlich in ein Koma. Allmählich wird’s unserer Protagonistin wirklich unheimlich…


Inhalt

Nach Streifen wie Ekel oder „Tanz der Vampire“ sicherte sich Roman Polanski mit seinem ersten amerikanischen Film endgültig seinen Platz in der Ruhmeshalle des Horrorfilms, mit „Rosemary’s Baby“ nämlich, welcher (als so ziemlich erster Vertreter) zusammen mit The Exorcist oder „Das Omen“ die Speerspitze einer ganzen Reihe von Okkult-Thrillern bildet, welche in den Sechszigern und Siebzigern die Leinwände der Welt heimsuchten.
Der Film, basierend auf einer Romanvorlage von Ira Levin („The Stepford Wives“, „The Boys From Brazil“, „Sliver“ – Polanski, der hier erstmals was aus fremder Feder adaptierte, hält sich übrigens sehr genau an die Vorlage, lässt aber stellenweise mehr Subtilität walten), konzentriert sich dabei ganz auf die Psyche der Hauptfigur, eben der jungen Rosemary. Das Auge der Kamera lässt praktisch nie von ihr, der Film bleibt immer nahe an ihr dran und übernimmt öfters mal in Blickpunkteinstellungen ihre subjektive Sicht. Dennoch ist ihr der Zuschauer meist etwas voraus (allein schon, weil er sich bewusst ist, einen Okkultthriller zu sehen), wird von Anfang an auf die seltsamen Zeichen und Hinweise aufmerksam, die sich häufen – wieso hat die alte Vormieterin ein schweres Möbelstück vor ihren Wandschrank geschoben? Was bedeuten die komischen Gesänge aus der Nachbarwohnung? Weshalb sind die Castevets derart von diesem Tannis-Zeug besessen?

Gegen Schluss kommt dann Rosemary der Verschwörung auf die Spur, nimmt dabei aber zusehends Züge einer paranoiden Wahnsinnigen an und der Zuschauer ist sich nicht mehr sicher: interpretiert sie die Zeichen richtig, oder reagiert sie über? Erliegt sie bloss Wahnvorstellungen aufgrund ihres Hormonhaushaltes? Um eine eindeutige Antwort druckst der Film herum: Zwar legen Ereignisse wie die Erblindung von Guys Konkurrent oder Hutchs Koma nahe, dass hier tatsächlich was faul ist, aber kann das nicht alles bloss Zufall sein; wenn Rosemary nach dem Schoko-Mousse ohnmächtig wird, kann das nicht tatsächlich nur am Alkohol liegen? Im Finale offenbaren sich die Mitglieder des Satanskultes zwar, allerdings hat die Szene (nicht zuletzt aufgrund ihres absurden Humors) eine surreale Tönung, die darauf hinweisen könnte, dass wir es hier bloss mit einem Fiebertraum der grad von ihrem toten Kind Entbundenen zu tun haben – dies auch als Rückgriff auf die (grandiose, surreale, mitreissende) Traumsequenz zur Zeugungsnacht, in dem ebenfalls eine Schwarzen Messe das Zentrum bildet. Diese Unsicherheit bezüglich des Unterschiedes zwischen Vorstellung (bzw. Traum) und Realität (bereits nach Terrys „Selbstmord“ hat Rosemary einen kurzen Traum, in dem diese Grenzen verwischen) zieht sich durch den ganzen Film bis hin zum Schluss: das Kind, als es dann geboren ist, kriegen wir nicht zu sehen – es gibt zwar eine sekundenbruchteilkurze Einstellung auf sein Gesicht, allerdings nur aus der subjektiven Sicht Rosemarys, die, wie gesagt, genau so gut bloss wahninnig sein oder selbiges träumen könnte. Auch die Satanisten sind vielleicht das Opfer einer Art Massenpsychose.
Wenn ich nicht irre, war Levins Version da bestimmter, sicher aber die Romanfortsetzung „Look What’s Happened to Rosemary’s Baby“ (die Sam O’Steen, bei Polanskis Film noch für den Schnitt verantwortlich, 1976 fürs Fernsehen adaptieren sollte).

Wie gesagt, konzentriert sich der Film stark auf die Hauptfigur, und damit wären wir bei Mia Farrow („The Great Gatsby“, The Last Unicorn, Supergirl, „Hannah and Her Sisters”, „Alice”). Die wirkt zu Anfang vielleicht etwas gar verschüchtert und führt ein eher altertümliches Frauenbild vor: das einzige Lebensziel Rosemarys ist es, Hausfrau sowie Mutter zu sein, und eine Welt bricht für sie zusammen, als ihr Mann ihr nicht mehr das gewünschte Interesse schenkt (immerhin ist sie selbstsicher genug, Initiative zu übernehmen und Sex von ihrem Ehemann zu fordern – oder entspricht sie damit bloss dem Wunschbild des willigen Weibes?). Mit der Zeit emanzipiert sie sich allerdings zunehmend (Farrow wurde übrigens während den Dreharbeiten von Frank Sinatra geschieden) – irgendwann wechselt sie die Frisur und trägt einen modischen Bubikopf (zum kaum verhohlenen Missfallen ihres Gatten) und sie löst sich mehr und mehr aus einem Umfeld, dass sie überwacht und zu kontrollieren versucht, befolgt gewisse Regeln nicht mehr oder flüchtet aus der Wohnung, die für Rosemary anfangs noch die Erfüllung eines Traumes ist, sich dann aber mehr und mehr zu einem Gefängnis wandelt (apropos Wohnung: gedreht würde im Dakota Building in New York, wo 1980 der dort wohnende John Lennon erschossen wurde). Schlussendlich misslingen ihre Fluchtversuche, bleibt sie gefangen und von der Aussenwelt isoliert. Indem sie sich ihrem Schicksal fügt, erhält sie aber auch eine gewisse Machtposition (entsprechend hat ihr Mann nicht mehr viel zu sagen).
Farrow schafft das Kunststück, ihre Darstellung eines teils überemotionalen bis hysterischen Frauenzimmers niemals nervig werden zu lassen – sie scheut sich zudem nicht, für die Kunst blank zu ziehen. Und sie isst rohe Leber. Das nennt man Einsatz.

Ihren Gatten spielt der 1989 verstorbene John Cassavetes („The Killers“, „The Dirty Dozen“, „Capone“), der in der Rolle des selbstzentrierten Schauspielers auch gleich seinen Berufsstand etwas auf die Schippe nimmt. Oh, und er ist Atheist (im Gegensatz zu seiner Frau, die sich zwar ihres Glaubens nicht so ganz sicher ist, aber immerhin als Katholikin aufgezogen wurde), weswegen er überhaupt dazu bereit ist, sich mit den Castevets einzulassen. Atheismus als breites gesellschaftliches Phänomen (selbst Zeitungen titeln mit „Ist Gott tot?“)auf der einen, der Katholizismus als pervertierter Glauben, bei dem es nur noch um die Show geht (ein Papstbesuch mit einer entsprechenden Medienaufmerksamkeit), auf der anderen Seite erscheinen hier als Auswüchse der Moderne, welche dem Satanismus den Weg bereiten – wo der (wahre) Glaube zurückgedrängt wird, hat der Teufel leichtes Spiel. Selbst das Klima stimmt da ein: als sich die Handlung ihrem Ende nähert, wird es Sommer, und mehrfach spielen Figuren auf die drückende Hitze an – die Hölle auf Erden, buchstäblich. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass „Rosemary’s Baby“ einen konservativen Unterton hat – andererseits ist dieser natürlich längst nicht so stark wie bei einem Film wie dem „Exorzisten“.

Roman Castevet (hm, man vergleiche mal den Namen mit denen des Regisseurs und des Hauptdarstellers) wird vom 1973 verstorbenen Sidney Blackmer („It’s a Wonderful World“, „How to Murder Your Wife“) gespielt, seine nervige Frau Minnie von der 1985 gestorbenen Ruth Gordon („Harold and Maude“, „Look What’s Happened to Rosemary’s Baby“). Die Komik in der Darstellung der beiden (wie überhaupt in der Darstellung der Satanisten) kontrastiert herrlich mit der Bösartigkeit ihrer Taten. Der Film hat ja durchaus seine witzigen Stellen, auch im bereits erwähnten Finale („Heil Satan!“ Der fotographie-süchtige Japaner! Das Messer im Boden!) oder am Anfang, wenn Rosemary zu Terry sagt: „I thought you were Victoria Vetri, the actress“ (was schliesslich der tatsächliche Name der Terry-Schauspielerin ist).
Als Dr. Sapirstein haben wir den 1991 verstorbenen Ralph Bellamy (The Wolf Man, The Ghost of Frankenstein, Nightmare in Badham County, „Amazon Women on the Moon“ oder „Pretty Woman“), als Hutch Maurice Evans („Planet of the Apes“, „The Body Stealers“, „Beneath the Planet of the Apes“).

In der Telefonzellen-Szene sieht man übrigens Horrorfilm-Legende Willam Castle („Macabre“, „House on the Haunted Hill“, „The Tingler“, „13 Ghosts“, „The Old Dark House“), der die Rechte an Levins Story besass und bei der Verfilmung den Produzent gab.
Einen winzigen Gastauftritt als Baumgart, die Stimme am Telefon, hat Tony Curtis („Some Like It Hot“, „The Vikings“, „The Manitou“, „Lobster Man from Mars“).

Den Kauf der Soundtrack-CD mehr als wert ist die Filmmusik (des leider bereits 1969 nach einem Unfall verstorbenen) Krzysztof Komeda, der schon Polanskis frühen Kurzfilm „Two Man and a Wardrobe“ oder „Dance of the Vampires“ beschallt hatte. Das melancholische, dennoch leicht beunruhigende Titelthema hat übrigens Mia Farrow selbst eingesungen. Dieses Wiegenlied kontrastiert mit jazzigen und disharmonischen Tönen, die selbiges aber immer wieder aufnehmen.

Die DVD von Paramount kommt mit englischem und deutschem Ton sowie einer Menge verschiedensprachiger Untertitel daher. Unter dem Bonusmaterial finden sich eine viertelstündige Retrospektive von 2000 mit Roman Polanski, Robert Evans (Ex-Verleihchef von Paramount) und Richard Sylbert (Production Designer) sowie das zwanzigminütige, äusserst interessantes Making Of „Mia and Roman“ von 1968, das vor allem aus Behind-the-Scene-Footage besteht, die mit Interviews mit Farrow und Polanski überlegt werden (wirklich beeindrucken, wie ihre schwärmerische Hippie-Attitüde und seine kühl-analytische Perspektive kollidieren).

„Rosemary’s Baby“ ist einer der ganz grossen Klassiker des Okkultthrillers und des Horrorfilms überhaupt. Die geschickt inszenierte Handlung um Verschwörung, Teufelsanbetung und Wahnsinn (die weitgehend ohne Spezialeffekte auskommt), die grandiose Schauspielerleistung Mia Farrows oder die tolle Musik Komedas lassen einen so schnell nicht wieder los.

5/5
© 2009 Gregor Schenker (manhunter)


mm
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