Robinson Crusoe Land

 
  • Deutscher Titel: Robinson Crusoe Land
  • Original-Titel: Utopia
  • Alternative Titel: Dick und Doof erben eine Insel | Atoll K |
  • Regie: Leo Joannon
  • Land: Frankreich/Italien
  • Jahr: 1951
  • Darsteller:

    Stan Laurel (Stan), Oliver Hardy (Ollie), Suzy Delair (Cherie Lamour), Max Elloy (Antoine), Antonio Rimbaldi (Giovanni), Luigi Tosi (Lt. Frazer), Michael Dalmatoff (Alcanta)


Vorwort

Stan macht mal wieder eine Erbschaft – dafür reisen er und Ollie nach London zu den Anwälten seines reichen und toten Onkels. Von der beträchtlichen Barschaft bleibt nach Abzug von Anwaltsgebühren, Verwaltungskosten, Geldzählgebühren, Einkommensteuer, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer und Autobahngebühren nicht mehr viel übrig, doch da gibt’s noch eine Jacht und die Besitzurkunde über eine Südseeinsel.

Stan und Ollie wollen mit der Schaluppe umgehend in ihr neues Reich aufbrechen, nur hat keiner von ihnen rechte Ahnung von der nautischen Kunst und der Bedienung eines Dieselmotors. Ein mitleidiger Kapitän drängt ihnen Antoine als Mechaniker auf. Der hat zwar von der Materie auch keine Ahnung, ist aber staatenlos und wird daher an keinem Hafen der Welt an Land gelassen. Außerdem versteckt sich noch der blinde Passagier Giovanni an Bord, ein auswanderungswilliger italienischer Maurer. Das Boot gerät in einen schweren Sturm, das einzige, was unsere Helden rettet, ist das plötzliche Auftauchen einer Vulkaninsel…

Zwangsläufig richtet sich das Quartett wie einst Robinson auf der Insel ein und verbringt dort ein paar gemütlich-paradiesische Jahre. Der ganze Ärger beginnt wie üblich mit dem lieben Weibsvolk. Cherie Lamour und ihr ausgekuckter Zukünftiger Lt. Frazer verzanken sich vor dem Standesbamten. Cherie geht per Schiff stiften, wird aber von der eifersüchtigen Kapitänsgattin auf der Vulkaninsel ausgesetzt. Stan, Ollie und Konsorten nehmen Cherie nur zu gerne auf…

Aber schon nach kurzer Zeit landet Lt. Frazer auf der Insel – nicht unbedingt auf der Suche nach Cherie, sondern vielmehr, um die neue Insel zu vermessen. Dabei wird ein riesiges Uranvorkommen auf der Insel entdeckt, was das Eiland plötzlich zu einem weltpolitisch enorm wichtigen Ort macht. Nach dem Völkerrecht stünde das Hoheitsrecht dem Staat zu, dessen Angehöriger als erster Fuß auf das neue Land gesetzt hat – das war allerdings Antoine! Bevor sich die Großmächte auskaspern können, verfallen unsere Insulaner auf die Idee, einen eigenen Staat zu gründen. Ollie lässt sich zum Präsidenten wählen und entwirft die Verfassung – keine Gesetze, keine Steuern, keine Gefängnisse. Das spricht sich schnell rum und in Windeseile hat die Regierung von „Crusoeland“ hunderte Einwanderer am Hals. Und Präsident Ollie findet schnell heraus, dass es ganz ohne Gesetze und Recht und Ordnung nicht geht. Nur führt das umgehend zur Revolution…


Inhalt

Die Inhaltsangabe macht es schon deutlich – es ist nicht der übliche Dick-und-Doof-Film, der sich uns hier vorstellt. „Utopia“ alias „Atoll K“ alias „Dick und Doof erben eine Insel“ alias „Robinson-Crusoe-Land“ ist der Schwanengesang des vermutlich beliebtesten Comedy-Teams aller Zeiten und entstand, als Laurel und Hardy bereits nicht mehr bei einem amerikanischen Studio unter Vertrag standen. Statt dessen wurde „Utopia“ in Europa von Franzosen und Italienern produziert. Die Dreharbeiten standen unter keinem sonderlich guten Stern, sowohl Hardy als auch Laurel erkrankten schwer, Laurel sogar lebensbedrohlich, was sich zwanglos auf die Leistungen der Stars auswirkte. Laurel, bekanntermaßen absoluter Perfektionist auf dem Gebiet der Komik, war mit dem Endresultat dann auch außerordentlich unzufrieden und hoffte, dass der Streifen mangels Publicity schnell vergessen werden würde. Ironischerweise ist „Utopia“ heute der Laurel-und-Hardy-Film, den sprichwörtlich jeder herausbringen kann, fiel er doch rasch ins Public Domain. Dennoch bleibt er wenig gesehen und auch in der Literatur wird er hauptsächlich als traurige Fußnote in der Karriere der beiden Ausnahmekomiker geringschätzig behandelt.

Und zugegeben, es ist nicht ganz einfach, den Film vorurteilsfrei anzusehen, wenn man speziell Laurels sichtlich schlimmen Gesundheitszustand jede Sekunde vor den Latz geknallt bekommt – und das zudem in einem Film, der nicht wirklich gut auf das Duo zugeschnitten ist.

Prinzipiell hänge ich schon mal der Ansicht nach, dass der typische Laurel-und-Hardy-Humor am besten in ihren One- und Two-Reelern funktioniert – die wenigsten ihrer abendfüllenden Spielfilme überzeugen mich völlig (weil gerne auch mit langweiligen romantic sub plots und Musicaleinlagen aufgefüllt). Laurel und Hardy waren nicht wie Chaplin (der mühelos den Sprung vom kurzen Format zu anspruchsvollen, tragikomischen Stoffen in Spielfilmlänge schaffte) oder Keaton (dem das Action- und Stunt-Kino so viel verdankt) cineastische Innovatoren, ihr slapstick-zentrischer Humor feuert auf allen Zylindern, wenn man ihnen ein knappes Szenario bietet, in dem sie ihre Routinen zelebrieren können (wer wird jemals den Short vergessen, in dem sie ein Klavier transportieren müssen?) und kränkelt immer dann, wenn er eine echte Handlung tragen muss.

Das muss auch den „Utopia“-Machern grundsätzlich klar gewesen sein, denn obschon der Film ordentlich Plot mitbringt, packt er ihn nahezu komplett in die letzten 30 Minuten. In den ersten beiden Akten hält sich die Geschichte noch sehr bedeckt und räumt Laurel und Hardy den notwendigen Platz ein, ihre bewährten, aufgrund der fragilen Konstitutionen der Herrschaften physisch aber deutlich weniger dynamisch durchgeführten Routinen einzubringen. Das könnte alles sicher auch eingedenk der widrigen Umstände flotter gestaltet werden – Hauptregisseur Leo Joannon war nun allerdings alles andere als ein Komödien-Experte – und besser geschnitten sein, aber den Boys gelingen doch einige Kostproben ihres unverwüstlichen Könnens; die Eröffnungsszene im Anwaltsbüro oder das Abendessen an Bord der Jacht sind zu nennen, und obschon das Tempo nach der Ankunft auf die Insel eher gletscherartig zu nennen ist, gibt’s auch da noch Momente der Heiterkeit.

Der endgültige Bruch kommt mit Frazers Eintreffen und der Entdeckung des Uranvorkommens. Hier nimmt der Film dann einen deutlichen Turn zur Polit-Satire, und das ist sicher nicht Stans und Ollies „strong suit“ (die Marx Brothers in Bestform hätten damit sicher mehr anfangen können). Da stecken sicher ein paar ganz patente Ideen drin und die Aussage, dass eine Gesellschaft ganz ohne Regeln nicht funktionieren kann, ist auch nicht falsch, aber der Film drängt das halt in 20 hektische Minuten (von der Ankunft der Einwanderer bis zur Revolution dauert’s nicht mal fünf Film-Minuten), da kann sich nichts mehr organisch entwickeln – und viel Platz für Laurel-und-Hardy-Antics bleibt da dann eben auch nicht mehr (auch wenn zum Finale dann noch ein wenig chase comedy ausgepackt wird).

Woran’s liegt, dass der Film in den letzten 30 Minuten praktisch ohne guten Lacher auskommt? Nun, das Material, erdacht von nicht weniger als sechs Autoren (plus einem zusätzlichen Gag-Schreiber, Monte Collins, der in den 40ern viele „Three Stooges“-Shorts schrieb), kommt Hardy und vor allem Laurel kaum mehr zupass (Laurel hatte auch keine kreative Funktion inne). Dass der Ton zunehmend grimmig wird, ist zwar kein absolutes Neuland für „Dick und Doof“, aber der Stimmungswechsel ist frustrierend erzwungen, der Satire wird auch nie wirklich Gelegenheit gegeben, wirklich bissig zu werden oder sich zu entwickeln.

An Laurel und Hardy selbst liegt es sicher nicht – auch wenn schmerzhaft sichtlich nicht in Bestform, geben sie sich alle Mühe und sind im Rahmen ihrer Möglichkeiten engagiert am Werke. Die Co-Stars halten sich auch wacker – Suzy Delair („Rocco und seine Brüder“, „Die Abenteuer des Rabbi Jacob“ und Max Elloy („Louis, die Schnatterschnauze“, die 60er-„Tim-und-Struppi“-Live-Action-Filme) haben gute Szenen, die italienische Fraktion Adriano Rimoldi und Luigi Tosi („Ein Loch im Dollar“) sowie Michael Dalmatoff („Wem die Stunde schlägt“) als schurkischer Revoluzzer fallen deutlich ab.

In der Sturm-Sequenz gibt’s ein paar achtbar gewerkelte Special Effects.

Die von Best Entertainment vertriebene DVD enthält den Film in zwei Fassungen – der 84-minütige deutschsprachige Cut und die 82-minütige US-Fassung; beides keine vollständigen Versionen. Der deutsche Cut beginnt mit einer kurzen Zeichentricksequenz über die Entstehung von Atollen. Beide Versionen sind offensichtlich um einige Musical-Einlagen gekürzt (zumindest kündigt die deutsche Fassung sogar übersetzte Liedtexte an, beinhaltet aber keinen einzige Song). In der DF schummert an einigen Stellen der O-Ton durch, an anderen Stellen übernimmt ein Erzähler das Übersprechen offenkundig als zu langwierig eingestufter Dialogsequenzen. Die Bild- und Tonqualität der deutschen Fassung ist in Ordnung – es handelt sich zwar um eine Neusynchro, jedoch wurde nach Kräften versucht, sich an die bekannten Fernseh-Synchros anzupassen. Die englische Fassung ist sowohl bild- als auch tontechnisch ziemlich rumpelig.

„Utopia“ ist sicher nicht die totale Katastrophe, als der der Streifen in vielen Biographien des Komikerduos dargestellt wird – er ist weit davon entfernt, mit den besten Filmen des Teams mithalten zu können und fällt im Schlussakt total auseinander, aber in den ersten gut 50 Minuten gibt’s für die Laurel-und-Hardy-Enthusiasten doch einiges an amüsanten Comedy-Routinen und Gags. Man hätte Stan und Ollie sicher ein besseres „Abschiedsvehikel“ gewünscht, aber unansehbar ist „Utopia“ nicht.

(c) 2017 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 5


mm
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Dave
Dave
5. Juli 2017 17:21

Laut Internetz hat sich Laurel den fertigen Film sogar niemals angesehen. Er ist wirklich kein großer Wurf. Die Hintergrundgeschichte des Ganze ist leider wesentlich interessanter als das Endergebnis.

Cat
Cat
5. Juli 2017 17:58

Ist tatsächlich der einzige Film der beiden den ich nie ganz gesehen habe. Stan wirkte so krank&elend dass mir jeglicher Spass verging 🙁