- Deutscher Titel: Rififi am Karfreitag
- Original-Titel: The Long Good Friday
- Regie: John MacKenzie
- Land: Großbritannien
- Jahr: 1980
- Darsteller:
Bob Hoskins (Harold), Helen Mirren (Victoria), Dave King (Parky), Bryan Marshall (Harris), Derek Thompson (Jeff), Eddie Constantine (Charlie), P.H. Moriarty (Razors)
Vorwort
Harold Shand ist auf dem Zenit seiner Karriere angekommen – mit einer Mischung aus Skrupellosigkeit, Charme und guten Beziehungen hält er den Rang des uneingeschränkten Londoner Unterweltkönigs besetzt und, wie’s groß rausgekommenen Gangsterbossen so eigen ist, dürstet ihm nun nach dem ganz großen Business. Im Hinblick auf die Olympiabewerbung Londons für 1988 plant Harold ein gigantisches Bauprojekt, das die gesamte Innenstadt der Metropole umpflügen soll. Allerdings kann er ein Projekt dieser Größenordnung nicht allein stemmen, weswegen er den amerikanischen Geschäftskollegen Charlie am Karfreitag einfliegen lässt, um die US-Mafia von einem Investment zu überzeugen. Leider bricht just an diesem Tag die Hölle über Harolds Imperium ein – seine Mutter wird beinahe vor einer Kirche in die Luft gesprengt, sein bester Freund und rechte-Hand-Mann ermordet, weitere Bomben gehen hoch und werden gefunden – und Harold hat nicht die geringste Ahnung, wer hinter dieser Terrorwelle stecken könnte. Bemüht, die amerikanischen Geschäftspartner nichts von den unerwarteten Schwierigkeiten mitbekommen zu lassen, versucht Harold mit allen Mitteln, den Urheber der Angriffe ausfindig zu machen, doch tappt er im Dunklen. Versucht eine rivalisierende Bande die Machtübernahme oder ihn nur vor den Amerikanern diskreditieren? Oder steckt am Ende Verrat aus den eigenen Reihen dahinter? Für Harold beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, denn die nervösen Yankees drohen mit vorzeitiger Abreise, und dann wär’s vorbei mit dem dicken Geschäft.
Inhalt
Es hat lange genug gedauert, bis dieser klassische britische Gangsterfilm, 1979 von George Harrisons frisch gegründeter Produktionsschmiede „Handmade Films“ im fertigen Zustand aufgekauft und mit großem Erfolg zur Aufführung gebracht, eine anständige DVD-Veröffentlichung erlebt hat. Sunfilm hat’s geschafft, den Film vom Index zu prügeln und im Rahmen seiner Handmade-Reihe auf Disc zu bannen, wobei man dankenswerterweise auch den dümmlichen früheren deutschen Titel „Rififi am Karfreitag“ (mit einem klassischen Caper-Movie wie eben „Rififi“ hat die düstere Gangsterplotte nämlich absolut niente-zilch-nada zu tun) ins zweite Glied zurückgedrängt hat (allerdings nehme ich Sunfilm ein bißchen von diesem Lob postwendend wieder ab, weil man sich nicht entblödet hat, die [ungefähr anderthalbminütige] Mitwirkung von Pierce Brosnan mit einem Top-Star-Billing auf dem Cover zu würdigen).
Erst mal egal – „The Long Good Friday“ ist, den entscheidenden Punkt vorweggenommen, ein exzellenter Film. Neben den noch zu gesondert zu lobpreisenden schauspielerischen Leistungen liegt das vor allem an einem ausgezeichneten Script von Barrie Keeffe (und entsetzt nimmt der Reviewer zur Kenntnis, dass Keeffe KEINEN EINZIGEN weiteren Credit zu verbuchen hat). Nach einem etwas sperrigen Auftakt (der Film braucht schon gute zwanzig Minuten, bis der Zuschauer überhaupt ansatzweise begriffen hat, worum’s geht und in welche Richtung sich die Story zu entwickeln gedenkt), entwickelt das Szenario eine ungeheure Dynamik, einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Verdammt, ich kann meine übliche getrennte Bewertung von Script und Acting heute nicht aufrecht erhalten, denn man muss es auch an dieser Stelle schon sagen: Bob Hoskins sorgt dafür, dass die (trotz etlicher heller Tageslichtszenen) extrem düstere Gangstergeschichte mitfühlbar, erlebbar wird. Sein Harold Shand ist ein Typ, der alles unter Kontrolle hat (und ironischerweise resultiert die ganze Katastrophe daraus, dass er mal kurz nicht im Lande war und Aufgaben delegierte), und der nun zunehmend eben die Kontrolle über die Ereignisse verliert und daran innerlich zu zerbrechen droht, während er äußerlich, sowohl um vor den Augen seiner Genossen als auch vor denen der amerikanischen Investoren bestehen zu können, die Fassade aufrecht erhalten muss. Hoskins macht den Charakter dreidimensional, verständlich, nachvollziehbar, zu einer Identifikationsfigur (es gibt wirklich keinen einzigen klassischen „guten“ Charakter in diesem Film), ohne dabei das Sujet zu verherrlichen. Kein Wunder, dass der bis dahin eher unentdeckt vor sich hin dümpelnde Hoskins mit diesem Film zum Star wurde und umgehend von Hollywood entdeckt wurde (wo er seinen größten Erfolg in „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ feierte). Aber, wie gesagt, es ist hier das Zusammenspiel von brillantem Schauspiel mit einem beeindruckend konsequenten Script. Wobei man sich als Konsument nicht von dem Claim „Einer der härtesten Gangsterfilme aller Zeiten“ täuschen lassen sollte – „The Long Good Friday“ ist kein Gangsterfilm der Schule „harte Typen mit Wummen schießen sich gegenseitig tot oder hauen sich wenigstens pausenlos aufs Maul“. Das Script und seine kongeniale Umsetzung durch John MacKenzie (der später mit „Das vierte Protokoll“ einen Megaflop ablieferte und sich jahrelang mit billigen US-B-Filmen wie dem Rutger-Hauer-Vehikel „Voyage“ durchschlagen musste) setzen nicht auf spekulative Gewaltexzesse, sondern gestalten die Geschichte eher als Puzzlespiel, indem der Zuschauer gemeinsam mit Harold langsam zusammensetzt, wer warum für die Anschläge verantwortlich ist.
Zeitgeschichtlich kann man, wenn man will, eine interessante Parallele ziehen – Harold Shand ist ein Gangster der alten Schule: hart, wenn es sein muss, charmant, wenn es sich anbietet, immer auf seinen Vorteil bedacht, aber kein Anhänger unnötiger Gewalt. Seine Gegner sind blanke Terroristen – sie nehmen keine Rücksicht auf Unbeteiligte, halten sich an keine Spielregeln (und – SPOILER-WARNUNG – es nimmt daher nicht wunder, wenn sich im Filmverlauf herausstellt, dass die IRA beteiligt ist).
Von der filmischen Umsetzung her überzeugt „The Long Good Friday“ durchaus – der Streifen ist zupackend inszeniert, im angemessenen Tempo und mit stellenweise beeindruckender Kameraführung, wobei Regisseur MacKenzie durchaus realisiert, dass Script und Hauptdarsteller stark genug sind, die Hauptlast zu tragen und zusätzliche Mätzchen seitens des Regisseurs kontraproduktiv wären. MacKenzie lässt den Film durch das Drehbuch und Hoskins wirken und hat es daher gar nicht nötig, inszenatorisch zu überdrehen. Die fehlende Jugendfreigabe verdient sich der Film nicht durch massenhaftes Blutgeschmodder, sondern durch lediglich zwei kurze, aber dafür wirklich hart wirkend Effekte und den generell finsteren Ton des Werkes. Unbedingt zu erwähnen, da stimmungsvoll und gekonnt eingesetzt, ist die Filmmusik von Francis Monkman, die zwischen elektronischen Tönen, die an Vangelis oder Jarre erinnern, und symphonischeren Klängen die ganze Bandbreite effektiv nutzt.
Zu Bob Hoskins hab ich mich ja schon lang und breit ausgelassen – er liefert auf jeden Fall eine grandiose Vorstellung ab, die mit „mitreißend“ nur unzureichend beschrieben ist. Besonders in den Szenen mit Helen Mirren stacheln sich die beiden großen Mimen gegenseitig zur Höchstleistung auf. Mirren kann aber durchaus auch in ihren anderen Szenen überzeugen, zumal ihr Charakter vielleicht nicht integral wichtig für den Plot, aber eben integral wichtig für das Verständnis von Hoskins‘ Charakter ist. Die Nebendarsteller haben nicht so viel Raum und Möglichkeit, um zu arbeiten, liefern aber ebenfalls gute Leistungen ab, wobei besonders Bryan Marshall („BMX Bandits“, „The Punisher ’89“) als schmieriger Stadtrat Harris und Derek Thompson („Yanks“, „Wildgänse II“) als Harolds ehrgeiziger Nachwuchsmann Jeff herausragen. Der ewige Lemmy Caution Eddie Constantine ruft als amerikanischer Mafioso leider nur einen Routine-Auftritt ab, Pierce Brosnans kurze Auftritte als Killer sind nicht der Rede wert.
Bildqualität: Sunfilm legt den Streifen in anamorphem 1.85:1-Widescreen vor und bietet dabei keinen Anlaß zur Klage. Das Bild ist angesichts des Alters des Films mehr als ansehnlich, vielleicht insgesamt ein wenig auf der soften Seite und mit gelegentlichem Hang zur leichten Körnigkeit, aber dafür völlig verschmutzungs- und artefaktefrei. Der Kontrast ist ausgezeichnet, die Kompression arbeitet unauffällig und effektiv. Mein United-Player zeigte aber wieder einmal die beinahe schon üblichen Schwierigkeiten mit Sunfilm-Scheiben beim Layerwechsel.
Tonqualität: Die Auswahl der Tonformate ist etwas kurios – der Konsument hat die Wahl zwischen der deutschen Sprachfassung in Dolby 2.0 und dem englischen O-Ton in Dolby 5.1 und 2.0. Angesichts der teilweise doch ziemlich heftigen Dialekte in der Originalsprachfassung ist für ein gepflegtes Ansehen die deutsche Synchro ausnahmsweise mal vorzuziehen, zumal sie recht gut gelungen ist. Die Sprachqualität ist angemessen gut, die Nebengeräusche vielleicht etwas leise. Die englische 2.0-Tonspur ist etwas dumpf, die 5.1er-Version deutlich klarer und differenzierter. Deutsche Untertitel werden mitgeliefert.
Extras: Sehr erfreulich ist, dass Sunfilm einen Audiokommentar mit Bob Hoskins und John MacKenzie auf die Scheibe gepackt hat, weniger erfreulich ist, dass es für eine Untertitelspur hierfür nicht mehr gereicht hat. Ansonsten findet sich das übliche Assortment an Biographien, der Originaltrailer und die von anderen Sunfilm-Handmade-Releases bereits hinlänglich bekannte „Handmade“-Story (der Gag läuft sich leider tot, wenn man mittlerweile vier Scheiben dieser Reihe im Regal stehen hat). Ebenso „serienmäßig“ bei den Handmade-VÖs von Sunfilm ist die Dreingabe des DVD-Covermotivs als A4-„Poster“.
Fazit: „The Long Good Friday“ ist ein bemerkenswert packender, kompromissloser Gangsterfilm, den man durchaus als Ahnherrn der modernen Gangsterreißer der Guy-Ritchie-Schule sehen kann. Eine geschickt konstruierte und sehr konsequent ausgestaltete Story, ein Bob Hoskins, wie er kaum einmal besser aufgelegt war in der Hauptrolle, und eine effektive Regie sorgen für 109 Minuten einwandfreie, spannende Unterhaltung, die jedem Freund des Gangster-Genres bedingungslos ans Herz gelegt werden kann. Bislang der absolute Höhepunkt der Handmade-Collection von Sunfilm, zumal die DVD bis auf den Fauxpas mit den fehlenden Untertiteln für den Audiokommentar und die unnötige „Handmade“-Story kaum Wünsche offen lässt.
5/5
(c) 2005 Dr. Acula