Riding the Bullet

 
  • Deutscher Titel: Riding the Bullet
  • Original-Titel: Riding the Bullet
  •  
  • Regie: Mick Garris
  • Land: USA
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Jonathan Jackson (Alan Parker), David Arquette (George Staub), Cliff Robertson (Farmer), Barbara Hershey (Jean Parker), Erika Christensen (Jessica Hadley), Barry W. Levy (Julian Parker), Chris Gauthier (Hector Passmore), Robin Nielsen (Archie Howard), Matt Frewer (Mr. Clarkson)


Vorwort

Für Alan Parker kommt’s am Vorabend von Halloween 1969 knüppeldick – seine Freundin Jessica schießt den Proto-Goth, der selbst beim Aktmalen im Zeichenkurs Gevatter Tod mit aufs Papier pinselt, in den Wind, und das an seinem Geburstag. Da ihn auch der Rest seiner Freundesbande links liegen lässt, kommt er nicht ganz unverständlicherweise auf den Gedanken, dem schnöden Dasein Lebewohl zu sagen und in die nächste Welt aufzufahren. Oder vielleicht doch nicht? Peinlich nur, dass gerade in dieser Sekunde der Entscheidung Jessica nebst Clique zwecks Überraschungsparty ins Badezimmer platzt. SCHLITZ! Jonathan überlebt den Unfall-Selbstmord und nimmt dankbar von Jessica als Versöhnungsgeschenk zwei Karten für ein John-Lennon-Konzert entgegen. Mit seinen Kifferfreunden Hector und Archie täte er nach Toronto düsen wollen, doch die schlechten Nachrichten reißen nicht ab: Alans Mutter hat einen Schlaganfall erlitten. Als Guter Sohn (TM) lässt Alan Lennon Lennon sein und disponiert um – per Anhalter an Mamis Krankenbett. Nun kann man sich nicht immer aussuchen, von wem man mitgenommen wird: der Hippie, bei dem Alan zunächst einsteigt, schraubt seinen VW-Bus gleich mal in einen spektakulären Crash und der alte Bauernknacker, der Alan für den Löwenanteil der Strecke mitnimmt, kommt ihm und seinem Unterbewußtsein nicht nur vom fahrerischen Können her etwas suspekt vor. Die Schlußetappe will Alan daher lieber mit einem anderen Chauffeur in Angriff nehmen – gestaltet sich nur mitten in der Nacht und in der Pampa von Maine ziemlich schwierig. Alan wird von ein paar jagdwütigen Rednecks gejagt, mit einem Wolf (oder einem verwilderten Schäferhund) konfrontiert und bekuckt sich, weil was macht man schon anderes in der Halloween-Nacht, wenn’s einem eh schon nicht gut ergeht, einen Friedhof, wo er die ein oder andere Erscheinung hat und sich an einer Grabplatte den Schädel stösst. Da endlich hält ein Wagen für ihn an – doch Alan merkt schnell, dass der vermeintlich hilfreiche Fahrer nicht koscher ist. Es heißt nämlich George Staub und dessen Grabstein hat sich Alan gerade angesehen… Tatsächlich ist George postmortal in die Seelenzulieferungsbranche für die Unterwelt gewechselt und stellt Alan vor ein nahezu unlösbares moralisches Dilemma – eine Seele ist heute nacht fällig, entweder seine oder die seiner Mutter…


Inhalt

Hurra, endlich wieder eine Stephen-King-Verfilmung. Und doppelhurra, endlich wieder eine von Mick Garris, der wohl inzwischen das alleinige Vorkaufsrecht auf jede geistige Ausdünstung des Meisters gepachtet hat. „Riding the Bullet“, wir erinnern uns, war die Geschichte, mit der auch ein Multi-Mega-Superduper-Bestsellerautor wie King die Erfahrung machen musste, dass im Internet keiner für Content Geld zahlt, wenn er den Schmu auch für umme ziehen kann. Kings Experiment einer exklusiven pay-on-demand-Internet-Story darf als grandios gescheitert gewertet werden, was dem Meister des Horrors rein finanziell gesehen allerdings eher schnuppe sein dürfte.

Naja, selbst Hardcore-King-Enthusiasten (aus dieser Fraktion hat sich Schreiber dieser Zeilen nach „Gerald’s Game“ verabschiedet, weswegen ich die Vorlage auch nicht aus persönlicher Anschauung kenne) halten „Riding the Bullet“ nicht gerade für den größten Geniestreich, den King sich von der Seele geschrieben hat (womit die Geschichte dann auch in guter Gesellschaft mit den letzten ca. 10 Schmökern aus seiner Werkstatt befindet). Nun hat mangelhafte literarische Qualität noch keinen Produzenten daran gehindert, eine King-Geschichte zu verfilmen (mit zumeist eher bedenklichen *filmischen* Resultaten), warum sollte es dieser auch anders ergehen?

Mick Garris, seit „Sleepwalkers“ (der ersten Verfilmung eines Original-Drehbuchs von King) praktisch ein Busenkumpel des Autors (er durfte die TV-Miniserien „Shining“ und „The Stand“ drehen, inszenierte „Quicksilver Highway“ und arbeitet derzeit an TV-Serien zu „Desperation“ und „Nightmares & Dreamscapes“), fühlte sich denn auch bemüßigt, „Riding the Bullet“ mit einer Filmadaption zu ehren und hierfür auch höchstpersönlich das Script zu verfassen. Aus Kings Novelle eine abendfüllende Horrorgeschichte zu stricken, kann nicht einfach gewesen zu sein, denn wie so oft bei King stehen bei „Riding the Bullet“ interne Monologe bzw. Zwiegespräche mit dem „Unterbewußtsein“ des Protagonisten im Mittelpunkt – nicht unbedingt das allerkinematischte Stilmittel, und auch der Plot selbst gibt nicht gerade viel Action her.

Wie schon gesagt – ich kenne die literarische Vorlage nicht und kann die Story nur anhand ihrer filmischen Umsetzung beurteilen. Demnach ergibt sich folgendes Bild: wie des öfteren bei King, speziell, wenn er sich vom Horror weg bewegt („Riding the Bullet“ spielt sich eher wie eine überlange „Twilight Zone“-Folge) steht eine Person im Mittelpunkt, die sich über ihr Leben, ihre Probleme, ihre Entwicklung klar werden muss. Für Alan Parker, den Protagonisten, ist die Reise durch die Nacht selbstverständlich eine schwer metaphorische und symbolische welche – während er mit den verschiedenen Fahrern durch die Nacht schaukelt, sinniert er über sein Leben und speziell die Beziehung zu seiner Mutter, die irgendwie – so wirklich * deutlich * wird das nie, mit einer nie getätigten Achterbahnfahrt (die „Bullet“ heißt, was dem Film seinen trotz aller Enthüllungen kryptischen Titel verleiht, denn so richtig aufgelöst wird nie, was die Achterbahn nun integral mit der Plotte zu schaffen hat) zusammenhängt.

Allerdings besteht dabei das Problem, dass Alan Parker selbst als Charakter nicht wahnsinnig interessant ist, seine seelischen Probleme entweder vernachlässigbar oder aufgesetzt wirken (Spoiler – die zentrale Enthüllung des Films ist, dass sein Vater sich die Rübe weggeschossen hat, was Alan seitens der Mutter verheimlicht wurde, sie selbst wurde zur Teilzeitalkoholikerin. Das mag fraglos betrüblich sein, dennoch vermitteln die inflationär eingesetzten Rückblenden dem Zuschauer nicht gerade das Gefühl, dass Alan eine wahrhaft unglückliche Kindheit zu durchleiden hatte – ja, es gab wohl schwierige Zeiten, aber insgesamt scheint er trotz der Probleme seiner Mutter größtenteils eher Spaß gehabt zu haben. Gleichfalls wird er uns nicht besonders glücklich eingeführt – seine Selbstmordgedanken, nur weil ihm seine Freundin den Laufpass gibt [und sein Kunstlehrer ihn ein bissl verarscht], sind überzogen. Hey, Alan ist attraktiv, offenbar nicht gänzlich blöde und talentiert… normalerweise müssten die Mädels Schlange stehen). Auch wenn Script und Film sich redlich bemühen, der zentrale Charakter des Films bleibt einfach zu blass. Da hilft auch der zugegeben unerwartete Schluss und ein Epilog, der ein wenig so wirkt, als hätte man etwas krampfhaft „Stand by me“-Stimmung zu erzeugen versucht, nicht entscheidend weiter.

Garris gelingt es allerdings ziemlich gut, die Substanzlosigkeit der Geschichte zu tarnen bzw. das Script aufzupeppen – und dies tut er hauptsächlich durch wohltuenden ironischen Humor – die Dialoge sind recht spritzig, die Idee, Alans interne Zwiegespräche umzusetzen, indem man ihn auch bildlich mit sich selbst reden lässt, sorgt für einige witzige Momente. Das mangelnde echte Horror-Potential der Story gleicht Garris durch zwei eigentlich mit der Reststory nur rudimentär verbundene quasi „Film-im-Film“-Segmente aus (recht witzig gemacht ist die als Film aufgemachte Rückblende, in der George Staub die traurige Geschichte seines Lebensendes erzählt, völlig überflüssig allerdings die Sequenz, in der eine – nicht wirklich mit toller Pointe ausgestattete – zusammenhanglose Story, die Staub beiläufig Alan erzählt, auch bildlich dargestellt wird). Der Rest der Laufzeit, der nicht nötigenfalls mit der Geschichte an sich zu tun hat, wird mit althergebrachten, aber immer wieder gern gesehenen Stoner- und Redneck-Klischees gefüllt.

Es ergibt vielleicht nicht immer alles Sinn (und warum die Story unbedingt im Jahr 1969 angesiedelt werden musste, außer, um King in der Vorlage vermutlich wieder die ein oder andere Gelegenheit zu bieten, autobiographische Elemente einzubauen), aber summa summarum ergibt das ein Script, das die Laufzeit zufriedenstellend ausfüllt – obwohl streng genommen kaum etwas, was in der ersten Filmhälfte geschieht, ernstlich notwendig für die Handlung ist, kommt kaum Leerlauf, keine Langeweile auf. Filmisch erweist sich „Riding the Bullet“, obwohl Garris nun bis auf einige Ausnahmen hauptsächlich für’s Fernsehen gearbeitet hat, als ziemlich slick und gutaussehend. Die Szenen, in denen Alan mit sich selbst parliert, sind sehr kompetent, Schnitt und Kameraführung allgemein über den bewußten Zweifel erhaben, das Tempo wie erwähnt flott (man muss ja angesichts des neuen Trends, jeden 30-Seiten-Schmu Kings zu einer sechsstündigen Miniserie aufzublasen, schon froh sein, dass man es hier bei einem soliden 90-Minüter belässt). Unter der Federführung von Nicotero und Berger steuern KNB EFX ein paar hübsche FSK-16-freigegebene Schmoddrigkeiten bei, die auch bei wohlwollender Betrachtung keine echte Begründung aus der Story heraus aufweisen, aber für den Spläddafreund zumindest die Investition in die Scheibe rechtfertigen könnten (schließlich ist der Film selbst kein Horror, sondern bestenfalls in die Mystery-Fantasy-Ecke zu schieben).

Die Darsteller agieren durchaus akzeptabel, wobei ausgerechnet leading man Jonathan Jackson den insgesamt schwächsten Eindruck hinterlässt. Hier mag hereinspielen, dass ich seinen Charakter schon für relativ „bland“ halte, aber Jackson (der einige Jahre im „General Hospital“ verbrachte und eine tragende Rolle in „Dirty Dancing 2“ spielte) schafft es nur nicht durchgängig, die Rolle mit der notwendigen Tiefe zu spielen. Die Highlights seiner Performance sind sicherlich die Zwiegespräche mit sich selbst, die allerdings, je näher wir der Klimax kommen, in den Hintergrund rücken. Ob man David Arquette leiden mag, ist nach allgemeiner Faktenlage wohl Geschmacksfrage – als untoter Kurierfahrer George Staub scheint er ordentlich Spaß zu haben, seine Vorstellung ist, ungeachtet der Tatsache, dass er „tot“ ist und Jackson nicht, wesentlich lebhafter als die des Protagonisten. Cliff Robertson ist amüsant als leicht seniler Farmer, aber im Endeffekt für die Story ebenso verschwendet wie Matt „Max Headroom“ Frewer in einem besseren Cameo als Jacksons Kunstlehrer. Lobend herauszustellen ist Barbara Hershey als Jean Parker, auch wenn mir Hershey (Genrefreunden aus Sidney J. Furies „The Entity“ geläufig) die Rolle weitestgehend im Karen-Black-Modus zu absolvieren scheint. Aber für latent durchgeknallte Frauen fortgeschrittenen Alters gibt es schlechtere role models…

Bildqualität: Wo mcOne drauf steht, ist zumeist ein Qualitätsbildtransfer drin, auch bei „Riding the Bullet“. Der Film wird in anamorphem 1.85:1-Widescreen präsentiert und kann optisch völlig überzeugen. Detail- und Kantenschärfe sind überdurchschnittlich, der Kontrast (nicht unwesentlich bei einem Film, der großflächig in dunkelblauen Nachtfarben gehalten ist) ausgezeichnet, die Kompression gut gelungen. Defekte, Artefakte oder sonstige Verschmutzungen sucht man vergebens.

Tonqualität: Drei Tonspuren stehen zur Auswahl, wobei die deutsche Fassung wahlweise in dts und Dolby Digital 5.1 präsentiert wird, der englische O-Ton in Dolby 5.1. Ausnahmsweise sah ich den Film auf Deutsch – der Dolby-Track ist gut gelungen, kein Feuerwerk der Surround-Effekte, aber sehr angenehm und kristallklar abgemischt. Untertitel haben sich leider nicht auf die Scheibe verirrt.

Extras: Da mir die Disc nur leihweise vorlag, kann ich ausnahmsweise nur vom Cover zitieren… Für einen, King hin oder her, als B-Film einzustufenden kleinen Reißer ist die Scheibe bemerkenswert ausgestattet – zwei Audiokommentare (einer von Mick Garris solo, den zweien bestreitet Garris mit dem Produzenten, dem Kameramann, Star Jackson und den FX-Gurus Nicotero und Berger), ein Making of sowie der Trailer, nebst der obligaten Trailershow. Da die Scheibe, übrigens auch mit einem schönen Pappschuber ausgestattet, für nicht teuer verhökert wird, gibt’s da nicht viel zu meckern.

Fazit: „Riding the Bullet“ muss man nicht heiligsprechen. Die zugrundeliegende Geschichte ist sicher nicht Kings tollstes Geschenk an die Menschheit und bietet sich für eine Verfilmung auch nicht wirklich an, aber Mick Garris macht daraus, womit ich nicht unbedingt gerechnet hatte, einen nicht immer besonders schlüssigen, aber zumindest recht kurzweiligen, nicht unspannenden und optisch durchaus gelungenen kleinen Mystery-Thriller, der sich dank seines angenehm ironischen Tons, einiger gut aufgelegter Darsteller (schön wär’s gewesen, wäre der nominelle Hauptdarsteller darunter) und der insgesamt sehr flüssigen Inszenierung locker im soliden Mittelfeld der King-Adaptionen einreiht. Fraglos kaum echter „Horror“, aber als eine Art „Zwischending“ aus Kings Non-Horror-Geschichten und übernatürlichem Grusler nicht ohne Reiz. Man kann sich anderthalb Stunden wesentlich schmerzhafter um die Ohren schlagen – und da die mcOne-DVD für nicht teuer doch einiges bietet, kann der geneigte Fan hier getrost zuschlagen.

3/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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