Return to Sender

 
  • Deutscher Titel: Return to Sender
  • Original-Titel: Return to Sender
  •  
  • Regie: Bille August
  • Land: Kanada/USA/Dänemark/Großbritannien
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Aidan Quinn (Frank), Connie Nielsen (Charlotte), Kelly Preston (Susan), Mark Holton, Timothy Daly


Vorwort

Frank Nitzche verdient seine Brötchen auf schon ziemlich infame Weise – er führt Brieffreundschaften mit Todeskandidaten, um nach deren Exekution die Briefe für teuer Geld zu verkaufen (welcher Markt für diese Ware besteht, würde mich glatt interessieren). Als eherne Regel hat er sich gesetzt, keinen persönlichen Kontakt mit den Häftlingen aufzunehmen (verständlich), doch die Aussicht auf extraordinären Reibach lässt ihn im Falle Charlotte Cory diese selbstauferlegte Hemmschwelle übertreten. Charlotte wurde wegen Entführung und Ermordung eines zweijährigen Mädchens zum Tode verurteilt und wünscht sich, ihren Brieffreund vor ihrer Hinrichtung zu sehen. Wie nicht anders zu erwarten, wird Frank, der sich für Charlotte eine falsche Identität als ehemaliger Army-Kumpel ihres Daddys zugelegt hat, von der Begegnung mit der Todgeweihten emotional überwältigt, aus dem rein beruflichen wird persönliches Interesse – Liebe? Jedenfalls beginnt Frank sich entgegen seiner Angewohnheiten für die Fakten des Falles zu interessieren – justament allerdings, als er tatsächlich auf Hinweise auf Charlottes Unschuld stößt, findet deren Anwältin Susan heraus, wer Frank wirklich ist… und das 48 Stunden vor dem angesetzten Exekutionstermin!


Inhalt

Huch? Sind wir mit dem Film nicht ein bissl spät dran? Todeszellendramas jeglicher Couleur, von „Dead Man Walking“ über „Last Dance“ bis „Just Cause“ hatten wir doch vor ein paar Jahren abgehandelt?

Nun, solange (*politisches Plädoyer halt*) die Todesstrafe immer noch praktiziert wird, solange wird man wohl Filme drüber machen, dann erlauben wir halt auch Bille August („Das Geisterhaus“, „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“) seine Variante des Themas. Der Name des Regisseurs dürfte allein schon Indiz dafür sein, dass wir’s nicht mit einem wirklich superspannenden Thriller zu tun haben, dafür ist er grundsätzlich nicht der richtige Mann (schließlich ging er mit „Smilla“, im Vergleich zur Romanvorlage, tüchtig baden, obwohl er das Buch auf seine Thrillerelemente destilliert hatte), „Return to Sender“ (übrigens ein reichlich doofer Titel, auch wenn der Aufhänger der Story die Briefe aus der Todeszelle sind, lässt der Titel eher auf eine Rock’n’Roll-Komödie schließen denn auf ein ernsthaftes Drama) spielt sich denn über weite Strecken konsequent als Psychodrama, das beinahe vollständig aus Franks Perspektive geschildert wird und, wenn überhaupt, am ehesten mit dem Sharon-Stone-Vehikel „Last Dance“ zu vergleichen ist (wobei „Last Dance“ wiederum der Thrillerpart stärker interessierte als das Dramatische).

Die Story ist, an und für sich betrachtet, nicht neu – Held mit zweifelhafter Vergangenheit und Intention wird durch die schicksalshafte Begegnung mit Person X geläutert, überdenkt und re-arrangiert sein Leben. D.h., und das dürfte auch sein, was August, der nun nicht gerade einer der großen Spannungsfilmer unserer Generation ist, am Film interessiert hat – die psychologischen Implikationen – Frank, dessen Leben durch das reale, „in person“-Zusammentreffen mit Charlotte as seiner zynischen Weltanschauung gestoßen wird und wieder an etwas zu glauben beginnt. Wie erwähnt, nicht die Originalität in Tüten, zumal sich die ein oder andere Frage aufdrängt – zwar erfahren wir im Filmverlauf, was Frank getan hat, bevor er zum „Leichenfledderer“ wurde, aber nicht, welches spezielle Ereignis ihn so vom Idealisten zum Zyniker gemacht hat, dass er mit toter Leute Briefe Geld verdient (und schon gar nicht, wer ihm den Kram abkauft? Die Medien? Presse? Dann müsste er doch aber irgendwann mal zumindest in einschlägigen Kreisen bekannt sein? Oder gibt’s reiche Perverslinge, die sich gern die melodramatischen Abschiedsbotschaften von Todeskandidaten über den Kamin nageln?).

Eine Schwierigkeit bei einer eher psycho-dramatischen Herangehensweise ist zwangsläufig, dass die wir in der ersten Filmhälfte uns eigentlich kaum mit dem zugrundeliegenden Kriminalfall befassen, der aber doch in der zweiten Filmhälfte, der thriller-lastigen „race-against-the-clock“-Hälfte, in den Vordergrund geschoben wird. Die verbleibende Zeit reicht dann nicht mehr, um diesen Plot noch vernünftig in Gang zu bekommen, zu sehr ist das Script dann von Zufälligkeiten und deus-ex-machina-Lösungen abhängig, die aber notwendig sind, um die Geschichte vernünftig abzuschließen. Je weiter der Filmverlauf voranschreitet, desto mehr ergibt sich der Streifen den üblichen Hollywood-Gesetzmäßigkeiten. Es kommt dann zwar in der Tat gewisse Spannung auf, das liegt ganz in der Natur der Sache, aber es lässt Franks Katharsis psychologisch zu sehr nach einer schlichten, äh, Schwanzsteuerung aussehen.

Natürlich stellt sich die Frage – bezieht der Film Stellung pro oder contra Todesstrafe? Letztlich wohl eher contra, obwohl eindeutige Statements fehlen; selbstredend steht und fällt die Prämisse des Films damit, die Todesstrafe – zumindest in Fällen ohne eindeutige Beweislage – abzulehnen und bauen August und seine Autoren boshafterweise eine Gruppe Demonstranten ein, die vor dem Gefängnis biwakiert, um FÜR die Exekution die Werbetrommel zu rühren, was eine bewußte Pervertierung der immer wieder abgehaltenen Mahnwachen darstellt. Letztlich aber wird die Frage, ob die Todesstrafe grundsätzlich abzulehnen ist, vom Film nicht eindeutig beantwortet.

Handwerklich ist der Streifen natürlich ausgezeichnet – August weiß, was er tut und braucht keine großartigen Mätzchen und Gimmicks, um sich persönlich zu profilieren. Bei ihm steht die Geschichte im Vordergrund und bis auf ein paar – streng genommen völlig überflüssige – s/w-Aufnahmen aus Überwachungskameraperspektive verzichtet der Streifen auf regie- oder kameratechnische Kabinettstückchen – die Streifen ist schön, aber „altmodisch“ fotografiert und inszeniert. Tempomäßig wird, wie geschildert, nicht wirklich aufs Gaspedal gedrückt, selbst in der Schlussphase.

Schauspielerisch steht Aidan Quinn („Mary Shelley’s Frankenstein“, „Haunted“, „Michael Collins“), den wir schon ein paar jahre nicht mehr in ganz großen Rollen bzw. ganz großen Filmen gesehen haben, im Mittelpunkt. Quinn bringt mir den Wandel von Saulus zu Paulus nicht ganz so überzeugend rüber, wie es nötig wäre, um den Film auf einer psychologisch-dramatischen Ebene funktionieren zu lassen. Ausgezeichnet agiert dagegen Connie Nielsen („Soldier“, „Mission to Mars“, „Gladiator“) als undurchsichtige „hat-sie-oder-hat-sie-nicht“ Todeskandidatin Charlotte. John-Travolta-Ehefrau Kelly Preston spielt relativ unauffällig Charlottes Anwältin Susan, Mark Holton („Gacy“) verkörpert einen in Susan verschossenen Streifenpolizisten, Timothy Daly („Die Promoterin“, „Basic“) spielt eine nicht spoilerfrei zu würdigende Schlüsselrolle recht überzeugend, wobei den Darstellern neben Quinn und Nielsen nicht viel Raum zur Zurschaustellung ihrer Kunst bleibt.

Bildqualität: „Return to Sender“ erscheint von Sunfilm im anamorphen 1.85:1-Widescreen-Format. Der verwendete Print ist blitzsauber und störungsfrei, gestochen scharf und auch im Kontrast auf einem guten Niveau. Insgesamt ein sehr angenehmer, qualitativ hochwertiger Bildtransfer.

Tonqualität: Zum Test lag mir ein Presse-Exemplar vor, das noch keine Rückschlüsse auf die endgültige Ausstattung der Scheibe zulässt, was sich auch auf die Tonformate bezieht. Bei Sunfilm können wir allerdings getrost davon ausgehen, dass neben der deutschen Fassung (die auf dem mir vorliegenden Rezi-Exemplar in tadellosem 5.1er-Mix vorliegt, wobei „Return to Sender“ ein Film der leisen Töne ist), auch der O-Ton in guter Qualität auf die fertige Scheibe finden wird.

Extras: Siehe oben. Die Ausstattung der Scheibe kann ich nicht beurteilen, in der Bewertung bleibt dies also unberücksichtigt.

Fazit: „Return to Sender“ gewinnt der Materie keine grundlegend neuen Erkenntnisse ab – und das ist wohl das größte Problem des Films; er erzählt nichts wesentlich neues, weder auf der oberflächlichen Thriller-Ebene als auch auf der des psychologischen Dramas. So ist das alles zwar sicherlich gut gemeint und auf einem ausgezeichneten handwerklichen Niveau, aber mangels einer wirklich innovativen Geschichte nicht besonders emotional „involving“. Wenn ich spontan selbst „Last Dance“ diesem Film vorziehen würde, spricht das nicht gerade für „Return to Sender“. Was nicht heißen soll, dass das August-Werk schlecht wäre, ihm fehlt nur einfach das gewisse Etwas, das ihn von anderen vergleichbaren Filmen entscheidend abhebt.

3/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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