Restless Souls – Haus der ruhelosen Seelen

 
  • Deutscher Titel: Restless Souls - Haus der ruhelosen Seelen
  • Original-Titel: Bag det stille ydre
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  • Regie: Martin Schmidt
  • Land: Dänemark
  • Jahr: 2005
  • Darsteller:

    Anne Birgitte Lind (Signe), Jakob Cedergren (Tommy), Dejan Cukic (David), Andrea Vagn Jensen (Marianne), Rebecca Logstrup (Bianca), Lykke Sand Michelsen (Sara), Laura Christensen (Jene), Morten Suurballe (Anders Svendsen), Jens Okking (Polizist)


Vorwort

Eigentlich ist die Villa ja ein Stückchen zu groß und zu teuer für die Jungfamilie Tommy, Signe und Bianca, aber die friedliche Abgeschiedenheit des Landlebens überzeugt die genervten Großstädter, schon allein, weil Töchterchen Bianca vom weitläufigen Garten mit Teich begeistert ist. Auch das Nachbarspärchen Marianne und Michael, äh, David, macht ’nen sympathischen Eindruck, aber schon bald trübt sich das Bild. Zwischen Signe und Tommy herrscht dicke Luft, weil der Hausherr und alleinige Kohleranschaffer praktisch immer auf Geschäftsreise ist, und auch bei den Nachbarn ist nicht alles Peace Fun Pancakes. David ist langzeitarbeitslos und in eine Art depressiv-agressiven Zyklus verfallen, und mit dem Kinderwunsch ist auch Essig, weil David nicht kann…
Zudem häufen sich bald rätselhafte Ereignisse – Gegenstände bewegen sich von selbst, Lebensmittel verfaulen in Windeseile, der Kamin entzündet sich selbst, Bianca verbringt ausnehmend viel Zeit mit ihrem unsichtbaren Freund Oliver, laute Streitgeräusche aus dem Wohnzimmer wecken Signe mitten in der Nacht, aber niemand ist zu sehen. Signe schaltet die Polizei ein – dem alten Beamten fällt nur ein „Oliver“ ein, der sich mal in dieser Gegend rumgetrieben hat, ein Junge, der vor ein paar Jahren mit seiner älteren Schwester bei einem Hausbrand am anderen Ende des Dorfs ums Leben kam. Da die Phänomene nicht nachlassen, wendet Signe sich an einen Spiritisten – Medium Anders stellt auch sofort übernatürliche Präsenz fest und bringt sie in Trance mit dem ominösen Brand in Verbindung, doch sein Versuch, die Geister „ins Licht“ zu führen, scheitert.
Die Situation spitzt sich zu, als die junge Sara als Babysitterin für Bianca engagiert wird und David unverhohlen schöne Augen macht, was nicht auf unfruchtbaren Boden fällt und der dritte Jahrestag des Brandes vor der Tür steht…


Inhalt

Nach dem Totalfiasko mit Alien Warrior dürstete es mir nach Qualitätsware – und wenn man blind nach filmischer Klasse sucht, macht man im Allgemeinen mit dem skandinavischen Kino nicht so arg viel verkehrt. „Restless Souls“ erreichte mich via Epix-Überraschungspaket und wurde für bevorzugte Sichtung vorgemerkt (was im Klartext bedeutet, dass ich mir vorgenommen habe, den Film definitiv innerhalb meiner Lebzeiten zu betrachten).

Inszeniert von Martin Schmidt, der 1995 erstmals mit dem kurios-undurchschaubaren Schulslasher „Final Hour“ auffällig wurde und seitdem hauptsächlich fürs dänische TV arbeitet, und geschrieben von Dennis Jürgensein, einem der populärsten Schriftsteller unserer nordischen Nachbarn, will „Restless Souls“ nichts anderes sein als eine klassische Spukhausgeschichte.

Nun könnte man meinen, das Thema sei wahlweise seit „Bis aufs Blut gefriert“, „Shining“, „Poltergeist“ oder wenigstens den gefühlten 250 „Amityville“-Sequels durchgelutscht, Schmidt und Jürgensen gelingt es allerdings, die nicht originalitätstriefende Thematik so anti-effekthascherisch zu inszenieren, dass es schon wieder frisch wirkt.

Sicherlich wird Jürgensen nicht leugnen können, einige der gerade aufgeführten Subgenre-Klassiker studiert zu haben, denn die üblichen Zutaten einer solchen Spukhausgeschichte sind vorhanden – Poltergeist-Aktivitäten, unkörperliche Manifestationen, sogar das Medium, das versucht, das Haus zu reinigen, all das hakt Jürgensen ab und verleiht ihm dennoch eine eigene, bei aller Paranormalität irgendwie „realistische“ Persönlichkeit. Was schon bei den Protagonisten beginnt – dass Spukhäuser bevorzugt dysfunktionale Familien heimsuchen, ist nichts neues, die atmosphärischen Spannungen zwischen Tommy und Signe sind aber solche, die absolut glaubhaft sind (die große familiäre Krux ist, dass Tommy Alleinverdiener ist, das Haus eigentlich für die Familie zu teuer ist, und er deswegen mehr arbeiten muss, demzufolge noch seltener zu Hause ist als eh schon, und Signe damit nicht zurechtkommt – an der Stelle sei übrigens angemerkt, dass sich „Restless Souls“ im Gegensatz zu z.B. „Shining“ oder „Poltergeist“ wider Erwarten trotz der eigentlich dafür wie gemalten Ausgangssituation nicht auf das Kind kapriziert. Zwar hat Bianca auf Grund ihrer „Freundschaft“ zu Oliver den „engsten“ Kontakt zur übersinnlichen Sphäre, das Mädchen ist aber dennoch eher MacGuffin, ergo ein „plot device“, denn eine zentrale Hauptfigur). Gleiches gilt für das Nachbarspaar Marianne und David, das unter seiner langen Arbeitslosigkeit (und seiner implizierten Impotenz) leidet, ohne dabei irgendwelche übertriebenen Klimmzüge machen zu müssen, um „Drama“ in die Plotte zu injizieren.

(HERE MAY BE SPOILERS) Zu Jürgensens differenzierter Herangehensweise an das Thema passt auch, dass die geisterhaften Erscheinungen – auch wenn Signe das nicht so erkennt – * keine Bedrohung * für die Familie darstellen (das wird schon in einer der ersten Szenen deutlich, in der ein „Geist“ einem ungezogenen Möbelpacker für Respektlosigkeit gegenüber Signe eine klatscht), sondern als Warnung zu verstehen sind, den Geistern bei ihrer Rache aus dem Jenseits nicht in die Quere zu kommen (der einzige Gewaltakt gegen „Unbeteiligte“, ein Anschlag auf Medium Anders, soll ersichtlich auch „nur“ verhindern, dass der diese Rache durch beherztes Einschreiten sabotiert). Auf dem Weg zur nicht extrem überraschenden, aber auch nicht völlig vorhersehbaren Auflösung bauen Jürgensen und Schmidt eine Fülle wirklich einprägsamer kleiner Momente ein… sei es in der Eröffnungsszene, wenn Bianca schaukelt und die zweite Schaukel, obwohl unbesetzt, „mitschaukelt“, sei es der Augenblick, in dem Verstandesmensch Tommy, obwohl er die Geistergeschichte zu diesem Zeitpunkt immer noch für Tinnef hält, auf Geschäftsreise aus Sorge um Signe und Bianca Anders bittet, nach seiner Familie zu sehen, oder die auch schon in die Auflösung spielende Seance des Spiritisten, in der nicht etwa Tommy an Signes Seite sitzt (weil der längst wieder einen wichtigen geschäftlichen Anruf anzunehmen), sondern David. (SPOILERENDE)

Dies alles inszeniert Schmidt in behutsamem, aber dennoch zwingend-schleichendem Tempo – im Bonusmaterial führt Schmidt aus, dass „Schockszenen“ bei langsamem Aufbau wirkungsvoller sind als wenn ein Schockfeuerwerk abgebrannt wird, womit er völlig richtig liegt (was sich viele moderne Horrorregisseure mal hinter die Löffel schreiben sollte – inflationäre Schocks erschrecken nicht, vielmehr lassen sie den Zuschauer abstumpfen). Schmidt braucht keine plakativen Effekte – ein sich von Geisterhand bewegender Gegenstand, plötzlich madenumwuseltes verfaultes Obst, ein kurzer Feuerstoß aus dem Kamin, das ist die Klasse „Schockeffekt“, mit der Schmidt virtuos spielt. Dass dieser leise Ansatz funktioniert, ist auch ein Verdienst des routinierten Kameramanns Jan Weincke („Penn & Teller Get Killed“, „Hello Again – Zurück aus dem Jenseits“), der allein über die Beleuchtung viel erreicht (es spricht viel für den Kameramann, wenn ich eine „geisterhafte Erscheinung“, über die ein Charakter spricht, fünf Sekunden zuvor für eine schlichte optische Täuschung meinerseits hielt) – die Idee, eine Art „Geister-POV“ mit Fischauge-Optik zu gestalten, nimmt dem Film vielleicht etwas vom Mystery (* dass * es im Haus spukt, deckt der Film von Anfang an auf), ist aber eine hübsche und auch irgendwo schlüssige Abweichung von der klassischen Raimi-POV. Im Finale wird’s dann auch etwas fetziger – Pyros, Make-up-Effekte und ein höllisch einprägsames Visual (anbei leider nur unzureichend dokumentiert) sorgen dafür, dass der lange Anlauf auch einen ordentlichen Pay-off bekommt.

Nicht zu unterschätzen ist auch der zurückhaltende, aber effektive Score von Joachim Holbek („Riget – Hospital der Geister“, und allein für dessen markantes Titelthema bin ich Holbek auf ewig verbunden).

An derastellerischen Leistungen scheitert’s bei skandinavischen Filmen sowieso nur selten. Vermutlich haben die Nordlichter ganz einfach den strategischen Vorteil, nicht derart omnipräsent zu sein wie die Hollywood-Nasen, und man daher einer Anne Birgitte Lind und einem Jakob Cedergren die „normale-Leute-von-nebenan“-Rollen leichter abkauft als Angelina Jolie und Keanu Reeves (trotzdem halte ich Lind und Cedergren mal pauschal für bessere Akteure). Lind wurde vom Regisseur quasi von der von ihm inszenierten Krimiserie „Rejseholdet“ mitgebracht – sie ist ausgezeichnet als geplagte Hausfrau und Mutter (mit dem Willen zur weiteren Verselbständigung), laboriert vielleicht etwas am einzigen kleinen dramaturgischen Schwachpunkt (ihr Charakter schwenkt für meinen Geschmack etwas schnell von „holen-wir-die-Polizei“ auf „wir-brauchen-einen-Hellseher“ um).
Jacob Cedergren (Dänische Delikatessen, Stealing Rembrandt ist als Tommy, Vertreter der Ratio, sogar etwas unterfordert, da sein Charakter in der entscheidenden Filmphase nicht wirklich gebraucht wird. Den Part erledigt Dejan Cukic („In China essen sie Hunde“) formidabel – seine Vorstellung des in seinem tiefsten Selbstwertgefühl erschütterten Losers ist bemerkenswert.
Andrea Vagn Jensen („Oskar & Josefine“) macht sich ebenfalls ausgezeichnet und sogar für Kinderdarstellerin Rebecca Logstrup („Brothers – Zwischen Brüdern“) habe ich nur Lob und Preis übrig. Auch Lykke Sand Michelsen („Mord in der Mittsommernacht“) kann überzeugen. In einem kleinen Part ist der heftig gealterte Jens Okking („Riget – Hospital der Geister“, Old Men in New Cars, zudem ehemaliger dänischer Europaabgeordneter) zu sehen.

Bildqualität: Da muss ich leider mit Epix schimpfen. Der anamorphe Bildtransfer (1.85:1) ist leider ziemlich schludrig. Heftiges (und ich meine * heftiges *) Blockrauschen, speziell in größeren dunklen Flächen, ist für einen Nicht-von-Best-Entertainment-Release einfach inakzeptabel, hinzu kommen einige sehr störende Verpixelungen bei schnellen Schnitten; da kommt wohl die Kompression nicht hinterher. Speziell auf modernem Flachbild-Equipment ist das ausgesprochen störend.

Tonqualität: Da gibt’s hingegen wenig zu meckern – beide Tonspuren (deutscher und dänischer Ton jeweils in Dolby 5.1, bei optionalen deutschen Untertiteln) sind völlig klar, ohne jegliche störenden Nebengeräusche, nuanciert abgemischt. Daumen hoch!

Extras: Das Bonusmaterial kann sich auch durchaus sehen lassen. Neben dem Trailer gibt’s ein Rudel Interviews (u.a. mit Jürgensen und Schmidt, insgesamt 13 min), diverse Behind-the-Scenes-Featuretten (25 min), Biographien * und *, worüber ich sehr erfreut bin, den kompletten isolierten Holbek-Score zum Nachhören. Chapeau!

Fazit: Ich werde wohl langsam alt und sentimental – nach The House of the Devil erwischte mich erneut ein ganz bewusst entgegen „modernen“ (sprich: sich an aufmerksamkeitsdefizitsyndrombelastete Zuschauer wendende) Sehgewohnheiten inszeniertes Old-School-Gruselstück, das in ähnlicher Form problemlos auch 1972 gedreht hätte werden können, auf dem „falschen“, sprich absolut richtigen Fuß. Ja, ein Film wie „Restless Souls“ wirkt (und ist) unspektakulär gegen das, was heutzutage unter „Horror“ firmiert, könnte mit gutem Willen sicherlich auch als TV-Film gemacht werden, und ist trotzdem in seinem kleinen, leisen Schrecken so unendlich effektiver als Blitz-Donner-Blut-und-Gedärm-Effektorgien. Daumen hoch für ein glaubhaftes Script, einfühlsame Regie und gute bis ausgezeichnete darstellerische Leistungen. Nur das mit dem Bildtransfer, das üben wir noch mal, ja, Epix?

4/5
(c) 2010 Dr. Acula


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