Reise ins Zentrum der Zeit

 
  • Deutscher Titel: Reise ins Zentrum der Zeit
  • Original-Titel: Journey to the Center of Time
  •  
  • Regie: David L. Hewitt
  • Land: USA
  • Jahr: 1967
  • Darsteller:

    Scott Brady (Stanton), Anthony Eisley (Mark Manning), Gigi Perreau (Karen White), Abraham Sofaer (Dr. „Doc“ Gordon), Austin Green (Mr. Denning), Poupée Gamin (Vina), Tracy Olsen (Susan), Andy Davis (Dave), Lyle Waggoner (Alien)


Vorwort

Dr. Gordon, Dr. White und Dr. Manning basteln an einer fantastischen Erfindung – ein Zeitfenster, mit dem man, wenn’s denn mal fertig ist, in die Vergangenheit und in die Zukunft kucken können soll (Gordon hält letztgenannte Eigenschaft seltsamerweise für die Fliegerei und die Raumfahrt für wichtig und behauptet, dass Jets „schon heute“ „Futurgeräte“ verwenden würden, die aber nur wenige Sekunden „vorhersehen“ könnten). Bisher können sie aber nur 24 Stunden in die Vergangenheit linsen, was, wie Geldgeber Stanton zutreffend, nichtsdestoweniger aber als offizieller Schurke des Stücks in niederträchtiger Weise, anmerkt, vergleichsweise beschränkt nützlich ist (lustig ist übrigens, dass laut Gordon ein „fliegendes Auge“ – will sagen, ein Satellit – dieser Art bereits über Kuba schwirrt. Wem auch immer 24 Stunden alte Bilder aus Kuba nutzen sollten). Stanton will jedenfalls greifbare Ergebnisse sehen, sonst zieht er de Projekt den Stecker, und damit die Herrschaften auch spuren, will er den nächsten Test gleich persönlich begutachten.

In ihrer Not entscheiden sich Gordon und seine Spießgesellen, Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen und, obwohl in der Hinsicht bislang noch ohne jeglichen Erfahrungswert, in die Zukunft zu glotzen. Funktioniert nicht, so dass Manning die Photonen tanzen und den Laserzyklus voll aufdrehen muss. Das ist jetzt aber auch doof, denn anstatt ein Fenster in die Zukunft zu öffnen, versetzt der rubin-gepowerte Laser das ganze Labor 5000 Jahre nach vorn, wo die drei Eierköpfe plus Stanton sich mitten in einem Atomkrieg zwischen Menschen und Aliens wiederfinden. Überraschenderweise kontaktieren die Außerirdischen – selbst Flüchtlinge von einer sterbenden Welt, die hofften, auf der Erde Asyl zu finden – die Zeitreisenden und verklickern ihnen, dass die Entwicklung von Laserwaffen zur Vernichtung der Erde führen wird. Die Herrschaften mögen doch, bitteschön, in ihre eigene Zeit zurückkehren und die Menschheit vor diesem unschönen Schicksal warnen.

Die Rückreise gestaltet sich jedoch problematisch – zunächst gilt es einem Objekt, das sich im Zeitstrom auf Kollisionskurs befindet, zu entgehen, dann verpasst man leider die „Gegenwart“ und landet in der Prähistorie, wo Stanton sich umschauen will, Gordon ihm nachläuft, Manning, nachdem ein „Dinosaurier“ auftaucht, die beiden zurückholen will und White (erwähnte ich, dass sie „die Frau“ ist?) in Panik mit dem Laser nach dem „Saurier“ ballert und dabei die Energiequelle der Zeitmaschine zerstört…


Inhalt

ch bin es ja gewohnt, dass DVD-Publisher bei der Vermarktung irgendwelcher günstig eingekaufter Güllestreifen so manchen Klimmzug anstrengen, aber David Wizard of Mars Hewitts „Journey to the Center of Time“ in die „Jules Verne Box Vol. 2“ zu packen, ist schon ’ne ziemlich gewagte Maßnahme – der einzige Bezug zu Vernes Schaffen liegt darin, dass der alte Franzmann mal ein Buch geschriebne hat, in dem’s auch um eine Reise zum Mittelpunkt von Irgendwas, und sei’s die Erde, ging…

Sei’s drum – you know you’re in for a treat, wenn der ausführliche Eröffnungsmonolog darüber schwurbelt, dass die Zeit „eine neblige Substanz, ähnlich wie die Milchstraße selbst“ wäre. Ich glaube, good ole Eddie Wood hätte zwei- bis dreimal drüber nachgedacht, ehe er eine solche Zeile in eins seiner Bücher geschummelt hätte. Hewitt, der für diesen Film einen Großteil des von ihm co-geschriebenen Scripts des 64er-Ib-Melchior-Hobels „The Time Travelers“ (der ein geringfügig höheres Budget hatte und seinerseits auch ein wenig als geistiger Urahn der Irwin-Allen-Serie „Time Tunnel“ gilt) wiederverwertete (und auch einen Schwung stock footage aus ebenjendem Streifen plus dem weiteren Melchior-Werk „The Angry Red Planet“) hat solche Hemmungen nicht – die Wissenschaft, die er, nachdem er vermutlich im Wartezimmer seines Zahnarzts mal durch ein Reader’s-Digest-Heft geblättert hat und dort über die Vokabeln „Relativitätstheorie“, „Raumkrümmung“ und „Raum-Zeit-Kontinuum“ stolperte, ohne dass dabei eine gewisse elektrochemische Reaktion in seinem Gehirn stattfand, darf man schon als „suspekt“ bezeichnen. Das gibt sich alles sehr seriös und Hewitt gibt sich auch große Mühe, das, was er falsch bzw. bestenfalls halb verstanden hat, ausführlich und in, hihi, allgemeinverständlicher Weise zu erklären (was im Umkehrschluss bedeutet, dass wir ungefähr die ersten 25 Minuten *ausschließlich* mit dem Versuch wissenschaftlicher Exposition verbringen und Konzepte wie das der Zeit als vierter Dimension breitgetreten werden).

Da Hewitt sein Leben lang nie ernstlich Geld für seine Filme hatte, kommt der Streifen nach der langwierigen (aber aufgrund ihrer „Wissenschaft“ durchaus unterhaltsamen) Auftaktphase (der allerdings eine noch langwierigere Montage vorausgeht, in der Stanton umständlich per Helikopter und Auto zum Labor reist, was uns beinahe in Echtzeit gezeigt wird) noch lang nicht in die Puschen – wir kennen alle das Dilemma von Low-Budget-Filmemachern, die eine GROSSE Story bringen wollen. Im Zweifelsfalle wird halt gelabert, Action mag zwar lauter als Worte sprechen, aber Worte sind eben doch billiger zu filmen. Der Sprung in die Zukunft ist insofern ganz interessant, als die Aliens die „good guys“ sind (und von einer Frau mit beachtlichem Dekolletée angeführt werden), die Reise in die prähistorische Vergangenheit kocht dagegen nur die üblichen Klischees (inklusive des raffgierigen Kapitalisten, der angesichts diverser Edelsteine in ein „wir sind REICH“ ausbricht, obwohl er, gesetzt den Fall, man kehrt in die eigene Zeit zurück, ja eh schon Multimillionär ist) auf (Hewitt mag auch das Herumkrauchen um „Vulkankrater“, das hat er auch im „Wizard of Mars“ schon ausgiebig abgefilmt), baut einen tragischen Tod ein und etabliert seine Denke, dass im Zweifelsfalle die schwachen Frauen an allem schuld sind (es ist Dr. White, als clevere Wissenschaftlerin geschildert, die in Panik den Laser und die Energiequelle für die Rückkehr putt macht und dann hysterisch dem Alphamännchen Manning – Mark Manning! Gibt es einen männlicheren Namen? – nachläuft).

Hin und wieder kratzt Hewitt an verhältnismäßig guten Ideen – die Idee, dass Stanton – als der Zeitmaschine auf dem Weg in die Vergangenheit etwas „entgegenkommt“, wie dämlich das auch ist – sich „später“ selbst abschießt, ist recht pfiffig; allerdings möge mich der Herr Autor unterrichten, wieso durch die Vernichtung Stantons geklauter Zeitmaschine die „ursprüngliche“ plötzlich wieder zur weiteren Verwendung bei Manning und White in der Urzeit steht. Der Umgang mit dem Paradoxon, dass Manning und White bei ihre Rückkehr in die Gegenwart „zu früh“ ankommen und auf sich selbst stoßen, ist direkt aus „Time Travelers“ übernommen (die Helden landen in „frozen time“, sind sich aber sicher, dass die Zeit wieder „aufholen“ wird und sie bis dahin wieder in eine andere Zeit wechseln müssen) und hirnverschlingend, führt aber zur LOLigsten Line des Films (Manning: „Wir müssen ins Labor!“ White: „Warum?“ Manning: „Weiß ich nicht, aber es ist unsere einzige Chance!“) – auch bietet es Hewitt die günstige Gelegenheit, in drei-vier Minuten eine Schnelldurchlaufversion des Films einzubauen – und schlussendlich hat Hewitt auch nie die Chuzpe, den Film unhappy enden zu lassen.

Bis wir du diesem düster-offenen Ende kommen, schlägt Hewitt aber ohne Ende Zeit tot (mit einem praktisch völlig bedeutungslosen Subplot, in dem einige Labortechniker versuchen, die Zeitmaschine zu orten und zurückzuholen) – es spricht für seine positiv zu wertende Inkompetenz, dass die ganze Sache trotzdem recht spaßig (für Trash-Liebhaber, versteht sich) bleibt. Doofe Dialoge, sprichwörtlich leere Sets, eher „symbolisch“ zu nennende „Tricks“ (die Zeitreise verdeutlicht Hewitt dadurch, im Laborset die Kamera mittig zu positioneren und dann kreiseln zu lassen; sehr schön ist auch ein „Kurzschluss“ im Computer-Schaltschrank, der sich darin äußert, dass hinter ein paar hastig zusammengeleimten Dummy-Kulissen zwei-drei Tischfeuerwerke gezündet werden), hanebüchener stock-footage-Einsatz (da muss ich ausführen: ich find’s schon mal lustig, dass beim ersten Testlauf Footage des Spinnenmonsters aus „Angry Red Planet“ auf dem Schirm des Labors gezeigt wird, aber keiner der diversen Weißkittel ein verdammtes RIESENMONSTER auch nur mit einer Erwähnung würdigt; während der Zeitreisen gibt’s dann durch die Bank s/w-Archivkriegsaufnahmen, bei der Reise in die Vergangenheit aber auch Ausschnitte aus Pirsten-, Mantel- und Degen- und Sandalenfilmen – in diese Aufnahmen werden dann immer wieder besorgt kuckende Portraits der Hauptdarsteller eingeblendet. Was natürlich NULL Sinn macht, da diese Footage im Filmsinne eben auf dem Labor-Bildschirm abläuft), ein „Saurier“, der nichts anderes ist als eine kleine Echse, die durch’s Gras läuft (und Hewitt unternimmt keinerlei Anstrengungen, das Tier durch perspektivische Shots etwas GRÖSSER wirken zu lassen. Wie auch, hat er die paar Sekunden Film vermutlich aus irgendeinem Archiv entnommen). Man sieht’s, Hewitt ist einer der wenigen, die Eddie Woods idiosynkratischer Filmerei etwas entgegensetzen können; er ist sicherlich nicht halb so unterhaltsam, aber ähnlich untalentiert (was wiederum darüber grüben lässt, wie um Himmels Willen Cannon auf die Idee kommen konnte, Hewitt für die Special FX von „Superman IV – Die Welt am Abgrund“ anzuheuern).

Überraschend solide sind die schauspielerischen Leistungen (unter Berücksichtigung der Qualität des Materials). Scott Brady, Star der Western-Serie „Shotgun Slade und in den 50ern gut beschäftigt im Western- und Abenteuerkintopp („Johnny Guitar“, „Verdammt ohne Gnade“), der später noch in „The Mighty Gorga“, „Verschollen im Weltraum“ und „Bis die Gänsehaut erstarrt“ Genrefilmen unterschiedlicher Güte seine Referenz erwies, ehe er mit der Tv-Serie „Police Story“, einer wichtigen Rolle in „Das China-Syndrom“ und einem charmanten Part in „Gremlins“ ein spätes Comeback feierte, spielt sowas wie den fiesen Kapitalisten zweifellos im Schlaf (bzw. spielte, er ist ja seit 25 Jahren tot), versucht aber nie, in plumpes Chargieren zu verfallen, sondern seine Figur einigermaßen in der Realität begründet zu halten (einzige Ausnahme ist sein drehbuchbefohlener „wir-sind-reich“-Aussetzer). Anthony Eisley, der den Manning quasi ohne Gefühlsregung als wahres stoneface spielt, hatte schon Erfahrung mit Trash-Kintopp aus „Die Wespenfrau“ und dem unvergänglichen Gassenhauer „The Navy vs. the Night Monsters“, folgte Brady später zu „Mighty Gorga“, geriet in die Fänge von Al Adamson („Dracula vs. Frankenstein“) und Ted V. Mikels („The Doll Squad“), bevor er, wie so viele verdiente Alt-Trashologen, bei Fred Olen Ray Anstellung in „Dead Space“ (und Gary Gravers „Evil Spirits“) fand. Gigi Perreau, schon in den 40ern als Kind vor die Kamera gezerrt und Starlet der späten 50er, sagte der Trash-Branche schnell wieder Adieu (sie war noch im Stock-Car-Rennfilm „Hell on Wheels“ mit von der Partie) müht sich um die seriöse Darstellung einer ernsthaften Wissenschaftlerin (wird aber, wie oben geschildert, vom Script sabotiert). Abraham Soafer („Quo Vadis“, „Taras Bulba“), der eine frappierende Ähnlichkeit zu Henry Kissinger aufweist, und Bühnenstar der 20er und 30er, muss man dazu beglückwünschen, lange, hirnrissige Reden, wie Hewitt sie ihm ins Gebetbuch schreibt, derart straight-faced zu rezitieren. Poupée Gamin tauchte im gleichen Jahr noch im Roy-Orbison-Musical „The Fastest Guitar Alive“ auf, Lyle Waggoner („Wonder Woman“, „Wizards of the Demon Sword“), der einen der Außerirdischen mimt, war nicht nur jahrelang in der „Carol Burnett Show“ beschäftigt, sondern, wie Stammleser wissen, auch berühmt dafür, das erste „Playgirl“-Centerfold gewesen zu sein.

Bildqualität: Der von MiG aufgetriebene Print (4:3) ist okay für Alter und Qualität des Films – gelegentliche Defekte und Laufstreifen sind nicht zu übersehen, die Farben und Schärfewerte sind allerdings ordentlich.

Tonqualität: Deutscher und englischer Ton in Dolby 2.0. Die deutsche Sprachfassung ist überraschend hörbar, annehmbar synchronisiert und trotz Alter und vermutlich dubioser Lagerungsgeschichte nur minimal verrauscht.

Extras: Keine, aber in der Box finden sich noch Die Reise zum Planet des Grauens und „Die Stadt aus Stahl“.

Fazit: David L. Hewitt mag nicht der produktivste Schundologe gewesen sein – von seinen neun Filme entstanden sieben, und darunter seine „berühmtesten“, in hektischen vier Jahren zwischen 1965 und 1969 -, aber er ist zweifellos einer der, äh, mindertalentierteren. Das macht seine Werke für Hardcore-Trashglotzer natürlich zu einem wahren Freudenfest; es fehlt ihnen die manische Energie (und totale Verachtung von Sinn, Zweck und Zusammenhang) eines Ed Wood – andere Leute als moi würden sagen, sie sind einfach langweilig und/oder geschwätzig, aber sie haben einen ungeheuren Charme. Wie „Wizard of Mars“ ist auch „Journey to the Center of Time“ intellektuell mindestens zehn Jahre zu spät dran, unbeholfen-liebenswert inszeniert und erzählt, aber vergleichsweise „gut“ gespielt und von einer erstaunlichen Ernsthaftigkeit, als wäre es Hewitt wirklich ein Anliegen gewesen, zum populären Verständnis hochtrabender wissenschaftlicher Theorien beizutragen anstatt nicht nur einen Schnellschuss für die Drive-Ins loszuwerden. Ich kann mir nicht helfen – ich mag ihn irgendwie, also Mr. Hewitt (und seinen Film auch). Empfehlung für fortgeschrittene Trashfreunde (aber auch nur die).

3/5
(c) 2011 Dr. Acula


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