Raw Nerve

 
  • Original-Titel: Raw Nerve
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  • Regie: David A. Prior
  • Land: USA
  • Jahr: 1992
  • Darsteller:

    Glenn Ford (Capt. Gavin), Sandahl Bergman (Gloria Freedman), Randall „Tex“ Cobb (Blake Garrett), Ted Prior (Jimmy Clayton), Traci Lords (Gina Clayton), Jan-Michael Vincent (Lt. Bruce Ellis), Red West (Dave), Graham Timbes (Sgt. Mancina), Jerry Douglas Simms (Doc), Yvonne Stancil (Laurie)


Vorwort

Profirennfahrer Jimmy Clayton lebt mit seiner scharfen Schwester Gina (18 Jahre jung, sieht aus wie Traci Lords) zusammen und ansonsten recht zurückgezogen. Was Gina angeht, ist er zu ihrem Leidwesen überprotektiv, aber stolz darauf, dass sie zum Medizinstudium zugelassen wurde. Das bedeutet aber auch, dass er zur Finanzierung des Ganzen mehr Preisgelder einfahren muss, also geht’s mit seinem versoffenen Onkel/Mechaniker Blake auf die Dirttrack, zum Stock-Car-Rennen. Jimmy liegt aussichtsreich im Rennen, bis er plötzlich von Visionen des brutalen Mords an einer jungen Frau in einem Spiegelkabinett geplagt wird und sein Auto in die Botanik schraubt.

Jimmy bleibt unverletzt, ist aber begreiflicherweise mental angeschlagen. Erst recht, als er, von Paul nach Hause kutschiert, unterwegs den Tatort seiner Vision entdeckt und auch, dass dieser vom beliebten Polizei-Crime-Scene-Absperrband geziert wird und die Tageszeitung bereits vom schröcklichen Doppelmord im „Funhouse“ berichtet. Jimmy bildet sich ein, dass seine Vision der Polizei helfen kann…

Die Bluttat im Spiegelkabinett hat den Bodycount des Serienkillers, der bevorzugt mit seiner Schrotflinte jungen Frauen das Gesicht wegschießt, bereits auf 6 hochgetrieben. Reporterin Gloria Freedman ist im Polizeirevier auf der Suche nach exklusiven Infos für eine heiße Story, aber der ermittelnde Lieutenant Bruce Ellis ist wenig auskunftsfreudig. Was daran liegt, dass a) Gloria seine Ex ist und man nicht unbedingt in Frieden und Freundschaft geschieden wurde, und ihm b) Captain Gavin, ein harter Hund alter Schule, im Kreuz sitzt und relativ unverblümt vermittelt, dass der Fall schon längst gelöst wäre, wenn Gavin selbst noch auf der Straße aktiv wäre, und zwar auf die Weise, die dem Steuerzahler einen lästigen und kostspieligen Gerichtsprozess erspart. Jimmy ist als vermeintlicher Augenzeuge zunächst sehr willkommen, aber nachdem sich herausstellt, dass der Driver nichts sonderlich gewinnbringendes zur Identifikation des Täters beitragen kann und zudem sein Beaugenzeugen sich auf eine Vision am Steuer bezieht, wird er sanft unter der Ablage „Bekloppti“ herauskomplimentiert. Als Vertreterin der Lügenpresse ist Gloria auch abseitigeren Ansätzen für eine Story aufgeschlossen und macht sich an Jimmy heran. Sie gibt sich dabei als „Ermittlerin“ aus, was Jimmy natürlich so verstehen muss, dass sie ein ebenfalls in die polizeilichen Recherchen involvierter Cop ist und sich mit einem informellen Treffen einverstanden erklärt.

Während Gavin und Ellis couragiert im Dunklen tappen, führt das Informationsgespräch Gloria und Jimmy direktemang in die Kiste. Als Gloria vom postkoitalen Nickerchen erwacht, wird sie prompt Zeugin einer erneuten Vision Jimmys. Dieses Mal sieht Jimmy sein Schwesterherz in den Lauf der Schrotflinte starren. Also nichts wie auf zur Prom Night, wo tatsächlich gerade eine Leiche in die Ambulanz gekarrt wird. Zum „Glück“ nicht Gina, sondern deren beste Freundin Laurie. Gina hat den Killer leider nicht erkannt.

Am nächsten Morgen bringt Blake schlechte Kunde – Gloria hat Jimmys Visionen zur Titelseitenstory gemacht, was zwanglos bedeutet, dass jetzt die ganze Stadt ihn für einen mittelschweren Fall für die Klapse betrachtet. Jimmy stellt Gloria wütend zur Rede und beendet die zart aufgeblühte Beziehung. Dieweil erhalten Ellis und Cops das Täterprofil der hauseigenen Psychoabteilung – antisozialer Schizophreniker mit möglicher Missbrauchshistorie. Und auf wen passt dieses Profil wie eine eins? Natürlich auf niemand anderen als Jimmy, der als Teenie von der eigenen Mutter beschlafen wurde – als sein Daddy sie auf frischer Tat ertappte, schoss er Mama die Rübe von den Schultern und sich selbst ebenfalls in die ewigen Jagdgründe.

Nun hat Jimmy Gloria ziemlich deutlich in die Wüste geschickt, aber sie hat trotzdem noch echte Feelings für ihn und beschließt deshalb, als Ellis ihr ans Knie nagelt, wer sein neuer Hauptverdächtiger ist, den Gutsten zu warnen. Doch an der Claytonschen Wohnstube wird sie schroff von Blake des Feldes verwiesen, Gina allerdings verrät Gloria, wo Jimmy zu finden ist – am Grab seiner Eltern. Dort verrät Jimmy Gloria sein finsteres Geheimnis – er ist nicht nur Ginas Bruder, sondern auch ihr Vater! Schock! Auch die Bullen finden den Weg zum Friedhof. Glorias Einsatz ist es immerhin zu verdanken, dass Jimmy nicht auf Sicht totgeschossen wird, aber während der Festnahme erleidet Jimmy eine weitere Vision – und erstmals offenbart sich ihm ein klares Bild… von Blake!

Und Blake ist mit Gina allein zuhaus! Und, wie Gloria sich erinnert, er ist im Besitz von Flugtickets gen Werweißwo. Grund genug für die Cops, die Verfolgung aufzunehmen. Am Flughafen wird Blake gestellt, doch es gelingt ihm, sich mit seinem Pick-up abzusetzen. Die Cops (mit dem immer noch verhafteten Jimmy auf dem Rücksitz) dengeln hinterher. In der typischen Doofheit eines Verfolgten flüchtet Blake sich in ein Parkhaus, aber wie wir alle wissen, haben Parkhäuser die unangenehme Eigenschaft, irgendwann mal zu Ende zu sein. Sieht so aus, als wäre für Blake das Ende der Fahnenstange erreicht…


Inhalt

David A. Prior hatten wir ja schon einige Male auf diesen Seiten, und aufmerksame Leser erinnern sich, der Meister ist/war ein Spezi für cheap-ass-Actionflicks, inklusive seines Magnum Opus „Deadly Prey“, der einen ewigen Platz im Pantheon der Großen Trash-Hämmer (TM) haben wird. Aber nur weil jemand ein Leib- und Magengenre hat, heißt das ja noch lange nicht, dass er exklusiv dort arbeiten muss – und wir wissen ja auch, dass Prior selbst in seiner „bewährten“ Actionformel gerne mal artfremde Elemente eingebaut hat, wie seine PTSD-Studie in „Night Wars“ oder die kleine Philosophie-Stunde von „Lost at War“. 1991, als Prior vielleicht noch ernstlich glauben konnte, er sei zu größerem Berufen als dem ständigen Filmen primitiven Herumgeballers, gelüstete es ihm offenbar nach höherer Anerkennung und kurbelte, bezahlt von David „Space Mutiny“ Winters, mit dem Prior öfter zusammenarbeitete, seine Version eines „ernsthaften“ Suspense-Psychothrillers herunter. Und man kann sagen, was man will (was ich auch noch tun werde), you can’t fault the man for trying (und für das Zusammenstellen eines eklektischen Casts…).

Das Drehbuch verfasste Prior gemeinsam mit Lawrence L. Simeone (der später selbst unter die Regisseure ging), offenbar nachdem das Duo im Kabelfernsehen „Die Augen der Laura Mars“ gesehen hatte. Es ist kein schlechtes Konzept (auch wenn es mich ein wenig an den gestrandeten TV-Piloten „Baffled!“ mit Leonard Nimoy erinnert, wenn Jimmy während eines Autorennens eine Vision erleidet und verunfallt), aber es bräuchte schon jemanden, der ein bisschen mehr von Psychologie versteht als was in der Selbsthilfekolumne einer Frauenzeitschrift steht… Das Konstrukt, so wie Prior und Simeone es aufbauen, ist alles andere als komplex – letztendlich gibt es nur genau eine mögliche Lösung für das Mystery, und die ist es dann auch, nicht ohne einen vorherigen „Twist“, den Captain Obvious persönlich ins Script genagelt hat. Was der Cover-Blurb der britischen DVD behauptet („All are suspects – few will survive“) ist in jeder denkbaren Hinsicht Blödsinn, alldieweil uns genau zwei Verdächtige angeboten werden und der eine davon so offen als red herring hingeworfen wird, dass es physikalisch unmöglich ist, ihn tatsächlich als Täter zu kaufen, und von den sechs auf dem Cover herausgestellten Charakteren beißen exaktemente 2 ins Gras, was eine „Überlebendenquote“ von 66,66 % ausmacht – schwerlich „few“…

Es stellt sich also weniger die Frage nach dem „wer ist der Täter“ denn nach dem „wie zur Hölle wollen die Autoren es hinbiegen“, und das ist dann alles andere als überzeugend. Aber dass sich keiner der Beteiligten wirklich einen tieferen Kopf über das wie & warum gemacht hat, wird u.a. daran deutlich, dass Gloria eigentlich ohne weiteres Jimmy ein praktisch wasserdichtes Alibi für den Mord an Laurie ausstellen könnte, aber weder sie noch Jimmy selbst daran auch nur einen Gedanken verschwenden. Und dass (hüstel, SPOILER) Blake beim besten Willen kein Motiv für die Morde hat und es nur eine einzige denkbare Erklärung für Jimmys Visionen geben kann, hinterfragt im Filmsinne auch keine alte Sau…

Es ist also von Haus aus nicht sonderlich spannend, und Priors Regie tut auch nicht viel dafür, die Sache interessanter zu machen. Der Auftaktmord im Spiegelkabinett ist noch einigermaßen stimmungsvoll (auch wenn das „Funhouse“ von außen nicht so aussieht wie eine Rummelattraktion, die jemand freiwillig betreten würde), aber danach wird’s schon rechtschaffen dröge, u.a. mit dem langsamsten und -weiligsten Stock-Car-Rennen der Automobilgeschichte (Herrschaftszeiten, wenn man schon an einer echten Dirttrack dreht, kann man doch wohl auch ein richtiges Rennen mitschneiden und nicht nur ein paar Warm-Up-Runden, die man als harte Competition ausgibt).

Auch danach wird’s kein Festival des Tempos oder der Spannung. Prior inszeniert das Treiben zwar durchaus professionell (und handwerklich besser als die meisten seiner Actionfilme), aber eben auch dröge und allenfalls leidlich interessiert. Man merkt, hier ist jemand im beackerten Genre nicht zu Hause. Auf der Plusseite verbucht der Streifen einen ordentlich spektakulären Stunt im vermeintlichen Showdown, aber das ist es dann auch. Und bei aller handwerklichen Professionalität merkt man dem Film natürlich auch an, wie billig er produziert wurde – da muss man nur einen Blick in das „Polizeirevier“ werfen – ein paar Schreibtische, die man in einen Korridor gestellt hat. Sieht sehr echt aus. Bzw. eher nicht.

Wer auf Gore, Blut oder exzessive Gewaltdarstellung lauert, wird von „Raw Nerve“ bitter enttäuscht – ich will nicht sagen, dass die Szene, in der sich Jimmy beim Rasieren schneidet, die blutigste des Films ist, aber wirklich viel mehr tut sich in der Richtung nicht. Die Morde des Killers und die schöne Bescherung, die er anrichtet, bleiben ungezeigt – die 18er-Freigabe der britischen DVD kann sich eigentlich nur auf den zugegeben überraschenden (und nicht weiter ausgespielten) Inzest-Angle beziehen.

Der Score von Greg Turner (überwiegend im Videospiel-Bereich kompositorisch tätig) versucht verzweifelt, Bernard-Herrman-esk zu klingen, aber wie gut ein Herrman-Score klingen würde, wenn er auf einer Bontempi-Orgel eingeklimpert wird, kann sich vermutlich jeder vorstellen (und wenn nicht, dann bietet dieser Film ideales Anhörungsmaterial).

Wie ich schon weiter oben erwähnte, der Cast, den David Winters Prior hier bezahlte, ist für einen Film dieser Kategorie schon ziemlich bemerkenswert. Gut, natürlich steht und fällt der Streifen damit, dass Prior nicht anders konnte, als wie eigentlich immer seinen Bruder Ted mit der Hauptrolle zu bedenken. Komischerweise ist Ted Prior hier gar nicht soooo schlecht – obwohl er als Muckibursche eigentlich prädestiniert für die Rollen tumber C-Actionhelden sein müsste, hat er sich dort ja nur selten mit Ruhm bekleckert. Klar, auch für seine Darstellung des Jimmy Clayton wird ihm niemand Darstellerpreise nachwerfen, aber im Großen und Ganzen ist das okay – ausgenommen sein wüstes Overacting, wann immer ihn eine Vision überfällt. Wenn ihm dann alles entgleist, was entgleisen kann, regt das schon stärker die Lachmuskeln an als dass man Mitleid mit der geplagten Seele bekommt…

Umgeben wird Teddybär aber durch einen Pantheon  mehr oder minder renommierter Akteure. Flagschiff des Casts ist selbstverständlich der große Glenn Ford, Held zahlloser Western der 40er und 50er Jahre, der’s seit den 70ern ruhiger angehen ließ, gelegentlich Fernsehrollen übernahm und nur noch ausnahmsweise in echten Spielfilmen auftrat. „Raw Nerve“ markiert seinen letzten Non-TV-Auftritt, und den absolviert er mit aller Alterswürde – als grimmiger Captain hat er zwar manch doofe Line zu sprechen, aber als verdienter Alt-Mime macht man das dignifiziert, nimmt seine Gage entgegen und geht nach Hause. Und immerhin, ich rechnete damit, dass man Ford ausschließlich hinter seinem Schreibtisch sitzend betrachten darf, aber im Schlussakt erhebt sich der Maestro tatsächlich und nimmt aktiv am Showdown teil. Respekt.

Sandahl Bergman konnte aus ihrem kurzfristigen Ruhm als Kampfamazone in „Conan, der Barbar“ keine lukrative Karriere im A-Bereich anschließen, sondern landete schnell im Sumpf der billigen Cheapos. Nichtsdestotrotz hat sie immer noch einen gewissen Namen, und wenn man Brigitte Nielsen nicht kriegen kann, tja, dann wendet man sich halt an die Frau mit dem Schuhwerkvornamen. Sie ist sicher auch keine große Thespisjüngerin, aber brauchbar für das Anforderungsprofil des Films, und nicht mal nackig machen muss sie sich (aber sie darf immerhin in einem kurzen Nachthemdchem herumlaufen).

Randall „Tex“ Cobb war dereinst durchaus erfolgreicher Profiboxer und eine „weiße Hoffnung“ im Schwergewicht, wurde dann aber in einem WM-Kampf von Larry Holmes nach Strich + Faden 15 Runden lang verprügelt. Da Cobb aber nicht zu Boden ging – eine Art Real-Life-„Rocky“ -, errang er gewissen Ruhm und wurde für den Zeffirelli-Film „Der Champ“ verpflichtet. Daran konnte Cobb eine solide Karriere als „heavy“ anknüpfen, ehe er Mitte der 90er noch mal ein Boxcomeback in Angriff nahm und eine erstaunliche Strecke von 20 Siegen in Folge anhäufte, ehe er seinen endgültigen Rücktritt bekanntgab. Hier ist er dazu da, um eifrig Verdacht auf sich zu lenken und macht das plausibel.

Der Welt beliebtestes underage-Porn-Starlet Traci Lords („The Diamond Killing“, „Der Vampir aus dem All“) war 1991 noch frisch im seriösen Fach und spielt als braves (wenn auch attraktives) High-School-Girl, das nicht mal nen Joint rauchen mag, ein bisschen gegen ihr Image. Optisches Highlight ist sie dank ihrer Outfits aber allemal.

Letzter „big name“ im Cast ist der ewige Huckleberry/Stringfellow Hawke Jan-Michael Vincent. Der vom Schicksal schwer gebeutelte Vincent scheint während des Drehs bessere und schlechtere Tage gehabt zu haben, denn während er z.B. in seiner ersten Szene im Polizeirevier aussieht, als hätte er gerade eine dreitägige Sauftour hinter sich (was jetzt auch nicht SO unwahrscheinlich gewesen wäre), wirkt er in anderen, späteren Szenen regelrecht healthy und gut aufgelegt.

Die mir vorliegende britische DVD drückt sich um jede Publisher-Angabe, und da das Menü auch verdächtig nach einem Shareware-Produkt aussieht, nehme ich mal stark an, dass es sich um einen eher so semi-legalen Release handelt. Die Bildqualität (4:3) ist mau, besonders die Kompression lässt ziemlich zu wünschen übrig. Der Ton (Dolby 2.0) ist okay, aber auch nicht der Rede wert. Extras gibt’s nicht. Im deutschen Sprachraum scheint „Raw Nerve“ zumindest in Scheibenform nie erschienen zu sein. XCess, wie wär’s? 😉

Was ist also das Wort zum Sonntag? Ich respektiere David A. Prior durchaus dafür, dass er versuchte, sich nicht als one-trick-pony zu gerieren und auch mal andere Genres auszuprobieren, und auch wenn „Raw Nerve“ vom handwerklichen Standpunkt her besser sein mag als seine Action-Dumm-Dumm-Geschosse, so ist er doch nicht halb so unterhaltsam – ein insgesamt eher müder Thriller, dessen größter selling point fraglos der wahnwitzige Cast ist…

© 2019
Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 4


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