Ravenwolf Towers

 
  • Deutscher Titel: Ravenwolf Towers
  • Original-Titel: Ravenwolf Towers
  •  
  • Regie: USA
  • Land: 2017
  • Jahr: Charles Band
  • Darsteller:

    Evan Henderson (Jake), Shiloh Creveling (Mary), Maria Olsen (Mabel), Michael Citrinti (Dr. Lorca), George Appleby (Dr. Ivan Ivanov), Sonny King (Manager), William Paul Burns (Mr. Mascaro), Arthur Roberts, Jesse Egan, Robert Cooper (Samson), Nihilist Gelo


Vorwort

Die Ravenwolf Towers haben schon mal bessere Zeiten erlebt – in Hollywoods goldener Ära war der Komplex ein Hotel für die Reichen, Schönen und Wichtigen, mittlerweile ist es ein heruntergekommenes Apartment-Gebäude für eine unstete Klientel, die sich mal einen Monat oder so lang einmietet und dann wieder auf Nimmerwiedersehen im Moloch L.A. verschwindet. Hier tritt Jake seinen neuen Job als „assistant manager“ an, was ein vornehmer Euphemismus für die erfüllende Position eine Hilfshausmeisters ist. Immerhin, Jake bekommt ein Apartment im achten Stock gestellt und den dringlichen Hinweis, dass die elfte Etage off limits ist. Dort hat sich eine eigenbrötlerlische reiche Familie eingenistet, und die wünscht ungestört zu bleiben. Zugang zu dem Stockwerk ist nur mit einem Spezialschlüssel notwendig und darf Jake auch nur verwenden, wenn er von oben ausdrücklich angefordert wird.

Wobei auch ganz ohne Blaubart-Etage das Gebäude und seine Mieterschaft wohl dazu in der Lage sind, Jake auf Trab zu halten. So ganz sauber ist von den wenigen Dauermietern nämlich kaum einer, weder Dr. Lorca, der seine Bude mit allerlei antiken Apparaturen vollgestopft hat und ganz besonders eine zweitausende Jahre alte Maschine hegt und pflegt, die, einmal eingeschaltet, nicht mehr bewegt werden darf. Auch eher seltsam ist der neueste Mieter, Dr. Ivan Ivanov, ein Zwerg, der abgesehen von seiner Vokuhila aussieht, als wäre er direkt aus dem 19. Jahrhundert vorbeigestiefelt, lästige Formalitäten wie das Ausfüllen des Meldebogens lässig mit ein paar auf den Tresen gelegten Hundertern abwimmelt und auch sonst irgendwie… komisch rüberkommt.

Indes gehen im elften Stock gar grauslige Dinge vor sich. Die Family, die dort residiert, ist nämlich auch alles andere als normal. Der Patriarch der Sippe liegt offensichtlich im Dauersterben und wird von seiner Tochter Mabel und deren Kids, einer Dreierbande ganz entzückender Inzest-Mutanten, mit einem Serum am Leben erhalten, das die Freaks aus arglosen Hotelgästen gewinnen, die vom ungeschlachten Samson und seinen nicht minder degenerierten Geschwistern, die sich nur in einer Brabbelsprache verständigen können, aus ihren Zimmern ins Labor verschleppt werden. Ehrensache, dass die unfreiwilligen Saftspender die Prozedur eher nicht überleben.

Jake kommt schneller in den Kontakt mit der Sippe als gedacht – niemand anderes als Dr. Lorca reklamiert ein Wasserleck, das aus dem elften Stock in seine Bude und gefährlich nahe an seine Maschine ploddert, und begehrt umgehende Abstellung des unerwünschten fließend Wassers. Also macht Jake sich auf und fühlt den lecken Rohren mit seinem Schraubenschlüssel auf den Pelz. Doch mitten in der schönsten Reparatur schleppt sich ein malades, dafür aber um so attraktiveres Frauenzimmer in seinen Dunstkreis und plädiert auf Hilfeleistung. Jake kann nicht an sich halten und trägt die geplagte Maid in sein Zimmerlein. Dort wieder zu Kräften gekommen kunftet die Blondine aus, noch nie in ihrem Leben den elften Stock verlassen zu haben, schon gar nicht etwa das Hotel. Schon schräg, hindert Jake aber nicht, mit Mary, so heißt die Guteste, eine heiße Liebesnacht zu verbringen.

Marys Absenz bleibt in höheren Gefilden nicht unbemerkt und schon steht der vorzeigbarere Teil des Clans (und auch das heißt nicht viel) vor Jakes Tür und beansprucht die Herausgabe Marys. Die fügt sich, entgegen Jakes energischem Protest. Klar, Jake kann nicht wissen, dass Mary keine damsel in distress ist, sondern die Chefin der Operation Eleventh Floor…

Und das dort finstere Ränke geschmiedet werden, das glaubt auch Dr. Ivan Ivanov. Der lässt gegenüber Jake durchblicken, dass er a) von vielerlei ungeklärten Verschwindensfällen in und um die Ravenwolf Towers weiß, die sich b) auf spirituelle Weise auch nachvollziehen lassen (dafür hat er spezielle Spezial-Geisterguckis), und überdies c) professioneller Vampirjäger sei. Der seltsame Clan da oben steht auf seiner Abschussliste. Der Zwerg ist nun aber auch wieder den Fieslingen vom elften Stock unheimlich bis -sympathisch. Sie beauftragen daher Dr. Lorca, mit dem sie zusammenarbeiten, Erkundigungen über Ivanov einzuziehen… Unfreiwillig gibt Jake Lorcas beauftragter Privatdetektivin wertvolle Informationen…


Inhalt

Charles Band ist ein Mann vieler Ideen. Gut, 98 % davon drehen sich um irgendwelche Killerpuppen, aber bei den zwei restlichen Prozent ist ab und zu sogar mal ein Einfall dabei, bei dem man anerkennend nickt und sich fragt, warum da nicht schon früher jemand drauf gekommen ist, bevorzugt jemand mit mehr Geld und mehr Willen, ein vernünftiges Produkt abzuliefern. Die Idee hinter „Ravenwolf Towers“ ist so einfach wie beinahe genial. Nachdem Band mit der Webserie „Trophy Heads“ (mittlerweile auch in Spielfilmform erschienen) einen – für seine Verhältnisse – überraschenden Erfolg sowohl bei Fans als auch Genre-Kritikern erzielt hatte, schien es logisch, das Konzept weiterzuentwickeln. „Ravenwolf Towers“ sollte nach Bands Willen eine „Horror-Soap“ werden, angelegt auf sieben Episoden, die in regelmäßigen Abständen auf Full Moons Streaming-Service und Hulu erscheinen sollten.

Mir ist ehrlich gesagt nicht ganz klar, ob das Projekt tatsächlich beendet werden wird – herausgekommen sind bis dato gerade mal drei Episoden und das, was ich heute bespreche, ist der mittlerweile nachgeschobene „feature cut“, der diese drei Halbstünder zu einem achtzigminütigen Film vereinigt (für moderne Full-Moon-Zeiten praktisch ein Epos von „Herr der Ringe“-Ausmaßen). Ob die verbleibenden Folgen noch kommen werden, ersatzweise ein Fortsetzungsfilm nachgeschoben wird, der die offenen Fragen (und das sind praktisch alle) beantwortet, oder das Experiment als gescheitert abgelegt wurde und die Filmfassung ein Versuch ist, Verluste durch physischen Vertrieb und Bereitstellung auf anderen Streaming-Kanälen (so, wie von mir gesichtet, im Full-Moon-Kanal von amazon prime) auszugleichen, steht, so wie ich die Lage momentan peile, völlig in den Sternen. Das deswegen schon mal vorangeschickt, damit Konsumenten, die auf „closure“ Wert legen, also eine abgeschlossene Geschichte, mit Anfang, Mitte und Ende, sich schon mal notieren können, sich „Ravenwolf Towers“ erst nach einer etwaigen Vollendung der Serie zuzuwenden. „Cyborg Warriors“-gestählte Trashologen, die gut damit leben können, wenn eine Story einfach in der Mitte aufhört, haben’s in diesem Falle leichter.

Das Konzept der Serie finde ich nach wie vor ziemlich knorke – die unheimliche(n) Geschichte(n) eines alten Mietshauses, dessen Geister – im realen und übertragenen Sinn – bis in die Stummfilmzeit zurückreichen, bevölkert von verschrobenen und skurrilen Charakteren, die allesamt finstere Geheimnisse verbergen, untereinander Allianzen schmieden, sich gegeneinander ausspielen, und den einzig „normalen“ Menschen, hier also unseren lieben Hilfs-Janitor Jake, als Spielfigur umherschieben, das ist ’ne wirklich schnuffige Idee, die tatsächlich als die ursprünglich veranlagte „supernatural soap opera“ funktionieren könnte. Seit „Dark Shadows“ selig hat das m.W. niemand mehr versucht, aber… „könnte“ ist das Zauberwort, denn ein bisschen (sehr) schießt sich die Konzeption halt doch ins Knie – sieben Folgen, das macht gerade mal drei Stunden Zeit für Plot, und Seifenopern leben nun mal davon, dass sich gleichzeitig achtundreißig Plots abspielen, die, wenn man Pech hat, über Jahre hinweg angelegt sind, sich kreuz und quer verbinden, aufspalten etc. D.h. man hat im Genre einen sehr breiten canvas, eine Unzahl von Charakteren, und ausreichend Zeit, Beziehungsgeflechte, wechselseitige Abhängigkeiten usw. zu konstruieren.

Band MUSS sich also zwangsläufig auf einen Plot konzentrieren (was nicht der Todesstoß für eine auf mehrere Staffeln angelegte Serie wäre, man könnte dann immer noch pro Staffel eine Geschichte erzählen, die halt im gleichen Haus angesiedelt ist, mit anderen Charakteren im Mittelpunkt) und damit sind wir schon aus der eigentlich interessanten Prämisse heraus und bewegen uns im Rahmen eines konventionellen Horror-Plots, der nur deswegen noch als „soap“ durchgeht, weil jede Menge gequasselt wird und nicht viel im kinematischen Sinne „passiert“. Die Katze beißt sich da halt in den Schwanz – die tragfähige Idee um die verschrobene Inzest-Familie, die mit Hilfe der verschiedenen skurrilen Charaktere im Hotel an ihren eigenen finsteren Ränken schmiedet, dieweil der Vampirjäger, ohne genau zu wissen, wer seine Gegner nun wirklich sind und welche Möglichkeiten sie haben, vor sich hin ermittelt, könnte spannende Unterhaltung bieten, wenn dem das Serienformat nicht im Weg stehen könnte. So sieht’s eben so aus, als wolle Charles Band seinen Kuchen haben und essen, sprich im bescheidenen Rahmen das berühmte „vertical storytelling“ betreiben, aber andererseits eben doch der konventionellen Spielfilmdramaturgie, nur langsamer und ausgewalzter, folgen. Ein Problem ist auch, dass sein Protagonist, Jake, eine der blassesten Jammergestalten ist, die jemals im Full-Moon-Universum die Heldenposition einnahmen, und da waren, wie wir alle wissen, schon ein paar selten trübe Tassen dabei. Jake ist nicht mal die Karikatur eines Pappcharakters – über ihn erfahren wir praktisch nichts. Die beiden einzigen Informationen, die wir bekommen, sind: a) er war nicht auf dem College und b) er hat keine Freunde. Erschöpfende Charakterisierung sieht anders aus, und irgendwelches character development zeichnet die Figur im Verlauf der drei verwursteten Folgen nicht aus, ganz im Gegenteil, sein finaler Schwur, den Monstern aus dem 11. Stock den Garaus zu machen, kommt absolut aus dem Nichts und wirkt angetackert (wohl auch, weil er dies höchstwahrscheinlich schlicht und ergreifend ist). Die Fieslinge fahren – wie üblich – etwas besser. Zwar erfahren wir hier auch nicht geradezu in lexikalischer Breite, was ihre Motivation ist, aber, hey, das sehe ich ein, das ist das zentrale Mystery, und das kann das Serienformat nicht schon zur Halbzeit aus dem Sack lassen.

Recht putzig ist übrigens Bands weiterhin vorhandenes Bestreben, so viele seiner Schöpfungen wie möglich in ein „shared universe“ zu pressen. Dr. Ivan Ivanov sollte Full-Moon-Alleskuckern aus „Puppet Master: Axis Termination“ bekannt vorkommen (und der Charakter, wenn auch damals gespielt von Full Moons früherem go-to-Zwerg Phil Fondacaro, amtiert auch in „Decadent Evil“, aus „Hideous!“ und „Demonic Toys 2“ importierte Charlie die Figur des Dr. Lorca, und in Lorcas Refugium stehen die Puppen aus „Doll Graveyard“ rum. Die Nebenfigur Mr. Mascaro stammt aus „Blood Dolls“. Da die „Demonic Toys“-Reihe etablierterweise im gleichen Universum wie „Dollman“ und „Bad Channels“ spielt, gehören auch die Filme in die gleiche Continuity, und via „Ooga Booga“ aus „Doll Graveyard“ hängen auch „Evil Bong“, „Gingerdead Man“ und „Killjoy“ dran, und über diese Connection bringen wir sogar noch „Zombies vs. Strippers“ und, ta-daa, die „Trancers“-Reihe ins Universum. Nein, ich bin mir nicht sicher, ob ich damit alles erwischt habe, und nein, ich habe erst recht keine Ambition, daraus eine schlüssige Timeline zu basteln… das funktioniert schon innerhalb *eines* Full-Moon-Franchises nicht (at least I’m halfway sure, dass die „Subspecies“-Reihe nicht das gleiche Universum bevölkert).
Von der technischen Seite kann man immerhin konstatieren, dass Charlie, mal wieder seine eigener Regisseur, den billigen daily-soap-Look schon recht gut hinkriegt. Das soll nicht unbedingt ein Kompliment sein… wie die meisten modernen Full-Moon-Filme ist auch „Ravenwolf Towers“ strikt set-gebunden, eine Handvoll Zimmer (bzw. vermutlich maximal zwei, die man zwischen den Takes schnell umdekoriert), ein par establishing shots, die daran scheitern, „scope“ vorzugaukeln, aber immerhin ein paar nette Props (nichts aufregendes, aber zumindest sind die Sets nicht leer). Die make-ups schwanken zwischen lächerlich (für die Inzest-Zwillingen) und recht beeindruckend (Samsons entstellte Visage), und für die Teaser-Sequenz (die auch den Nudity-Faktor gleich mit abhakt) hat man sich wenigstens einen recht kompetenten Splattereffekt aus dem Kreuz geleiert, dem in der restlichen Laufzeit allerdings nichts mehr gesteigert blutiges folgt. Der Score von Richard Band ist passabel und eine seiner besseren Arbeiten der letzten Jahre (wenngleich er, wie die meisten Full-Moon-Richard-Band-Scores, stark davon profitieren würde, wenn er von einem echten Orchester gespielt würde).

Schauspielerisch verschließt sich hier natürlich nicht gerade die erste Garde. Evan Henderson (Jake) hat zumindest gewisses natürliches Charisma, das ein klein wenig über die überhaupt nicht ausgearbeitete Rolle hinweghilft. Newcomerin Shiloh Creveling schlägt sich als Mary ganz wacker. George Appleby („Game of Thrones“) macht sich als Vampirjägerzwerg ebenfalls ganz achtbar, Charaktergesicht Maria Olsen („Percy Jackson: Diebe im Olymp“, „Paranormal Activity 3“) hat die creepy Ausstrahlung, die’s für ihren Part braucht. Arthur Roberts (das sieche Oberhaupt der Inzestler) war immerhin in Wynorskis „Der Vampir aus dem All“ die Titelfigur, außerdem sah man ihn in „Die Rückkehr der Ninja“, „Sharkman“ und „Little Miss Magic“. Michael Citrinti debütierte einst in „Psychos in Love“ und war auch in Gorman Bochards Folgefilmen „Galactic Gigolo“ und „Cemetary High“ am Start, den Dr. Lorca gab er schon in „Hideous!“ und „Demonic Toys: Personal Demons“. Sonny King (Jakes Boss) kennt de Asylum-Fan aus „A Haunting in Salem“. Den Sinn darin, William Paul Burns nach achtzehnjähriger Schauspielpause zu reaktivieren, um seinen „Blood Dolls“-Charakter Mr. Mascaro wieder aufleben zu lassen, erschließt sich mir bei den anderthalb Zeilen Dialog und zwanzig Sekunden Screentime nicht wirklich.

Zu sehen ist der ganze Spaß in ordentlicher Bildqualität und (ausschließlich) Originalton auf amazon prime in Full Moons hauseigenem Channel.

Sollte man sich die Zeit nehmen? Als beinharter Full-Moon-Fan kommt man natürlich nicht daran vorbei, schon allein weil die Plotte über ihre Charaktere in praktisch allen wichtigen Full-Moon-Franchises mit drinhängt, und da will man ja irgendwo schon den Überblick behalten. Abgesehen also vom Komplettismuswahn und dem Goodwill, den man Charlie für die Schaffung seines großen integrierten Full-Mooniverse entgegenbringen kann, bleibt nicht mehr zu sagen, als dass die Idee deutlich besser ist als die Umsetzung, denn „Ravenwolf Towers“ ist am Ende nix halbes und nix ganzes – für den gewünschten Horror-Soap-Ansatz fehlt’s an der „Vertikalität“ und als Filmfassung ist die Nummer dann einfach etwas zu lahm, vom fehlenden Ende ganz zu schweigen. Dennoch – ich bin ein ganz klein wenig gespannt, ob Charlie die Geschichte doch noch zu Ende erzählt. Ich würd’s dann halt doch wieder kucken…

(c) 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 4


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