Raumschiff Enterprise – Der Käfig

 
  • Deutscher Titel: Raumschiff Enterprise - Der Käfig
  • Original-Titel: Star Trek: The Cage
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  • Regie: Robert Butler
  • Land: USA
  • Jahr: 1964
  • Darsteller:

    Jeffrey Hunter (Captain Christopher Pike), Susan Oliver (Vina), Majel Barrett (Number One), Leonard Nimoy (Mr. Spock), John Hoyt (Dr. Phillip Boyce), Peter Duryea (Lieutenant Jose Tyler), Laurel Goodwin (Yeoman J.M. Colt), Jon Lormer (Dr. Haskins), Clegg Hoyt (Transporter Chief Pitcairn)


Vorwort

Die Enterprise befindet sich auf dem Rückweg von Rigel VII, wo die Crew in Kampfhandlungen verwickelt wurde und einige Tote und Verletzte zu beklagen hatte, zur nächsten Starbase. Die Stimmung könnte besser sein, speziell Captain Pike plagen Gedanken an den vorzeitigen Ruhestand. Daher will er auch mangels eindeutiger Beweise einem achtzehn Jahre alten Notruf aus dem Talos-System nicht nachgehen, da man nicht davon ausgehen könne, dass irgendjemand den Absturz des betreffenden Schiffes überlebt habe. Aber kaum hat Pike den Weiterflug-Befehl erteilt, tickert ein follow-up aus dem Funkgerät – es hat tatsächlich Überlebende gegeben. Obwohl streng genommen nicht viel dagegen spricht, trotzdem erst mal die Starbase anzulaufen und die eigenen Wunden zu lecken (wer 18 Jahre auf einem fremden Planeten überlebt hat, schafft’s vermutlich auch noch drei Tage länger), wird mit „Timewarp“-Faktor 7 (weiß Frank’N’Furter davon?) gen Talos IV gebrettert, wo sich tatsächlich ein Rudel ältlicher Wissenschaftler ein Behelfscamp errichtet hat. Die Augen des Landeteams richten sich aber bevorzugt auf die hübsche Vina, ein junges Ding, das justament so um die Absturzzeit rum zur Welt gekommen sei.
Vina bietet sich an, dem Captain das „Geheimnis“ des Überlebens der Schiffbrüchigen zu verraten, aber – es handelt sich um eine Falle. Pike findet sich im unterirdischen Zoo der Talosianer wieder, einer Rasse mit ungeheuren Mental-Fähigkeiten, die die ganze Scharade um Notrufe und Überlebende nur als Illusion inszeniert haben, um einen brauchbaren Specimen für ihre Zwecke aufzutreiben. Den brauchen sie aus zweierlei Gründen – erstens ist das Kabelfernsehen auf Talos IV wohl echt scheiße (die kennen unseres nicht), weswegen sie bevorzugt mit ihren telepathischen und illusionistischen Fähigkeiten Erinnerungen und Erlebnisse ihrer Gefangenen nach- und miterleben, außerdem soll er zweitens mit Vina gemeinsam für Nachwuchs sorgen, denn die handwerklich unbedarften Talosianer brauchen dringend eine Sklavenrasse, die für sie die niederen Tätigkeiten verrichtet. Trotz des attraktiven Geräts, das man ihm als potentielle Eva an die Seite stellt, ist Pike begreiflicherweise wenig enthusiastisch – während er versucht, die Schwachstelle der talosianischen Geisteskräfte auszuknobeln, versuchen seine Leute ihn mit roher Phasergewalt herauszuhauen, aber ohne großen Erfolg…


Inhalt

Hach, Star Trek. Ich war ja mal, ich gebe es gerne und immer wieder zu, ein Hardcore-Trekker (nicht „Trekkie“, wir seriösen Trekker legten auf diese Unterscheidung immer großen Wert. Trekkies sind doofe Groupies, Trekker dagegen seriöse Analytiker) – das hat sich über die Jahre hinweg gelegt (nicht zuletzt „dank“ Voyager, dem unerträglichen Schmarren, der’s trotzdem, wie auch immer, geschafft hat, die meisten Folgen von allen Trek-TV-Serien runterzureißen), und zwar so sehr, dass ich trotz der euphorischen Kritiken den neuen Kino-Reboot ausgelassen habe. Wenn der Film wirklich gut ist, ist er’s auf DVD auch noch… (Mann, hätte man mir vor zehn Jahren gesagt, ich würde bei einem Star Trek-Film auf’s Video warten – ich hätte vermutlich Anweisung gegeben, mich in diesem Falle sofort zu erschießen). Das heißt aber nicht, dass Captain Janeway mir das Franchise komplett verleidet hat, in meinen diversen Reliquien kann ich nach wie vor schwelgen (ich lese mich zur Zeit mal wieder durch meine Sammlung adaptierter und originaler Trek-Literatur), und nebenher komplettiere ich per Sammelheft-mit-DVD meine „Next Generation“-Sammlung. Was mich langsam zum Thema bringt, denn als Abonennten-Gutzi bekommt man bei „STAR TREK – Das Magazin“ auch den originalen, ursprünglichen Pilotfilm der gaaanz alten Serie.

Ich weiß nicht, in wie weit es Allgemeinwissen ist (sollte es zwar sein, aber man weiß ja nie) – „Star Trek“ und Gene Roddenberry hatten es in den 60ern nicht leicht. Genes erster Versuch, seinen „Wagon Train to the Stars“ ins Fernsehen zu bekommen, wurde zugunsten von „Lost in Space“ übergangen, aber 1964 gab NBC auf der Basis seines Konzepts einen Pilotfilm in Auftrag. „The Cage“ wurde pflichtschuldigst produziert, von NBC aber rundweg abgelehnt – erstens war’s den almighty Fernsehbossen „too cerebral“ (weil Roddenberry keine Raumschlachten oder sonstige Action ins Script schusterte), zweitens wäre eine Frau als Erster Offizier ja völlig undenkbar und drittens sollte Roddenberry gefälligst den spitzohrigen Spock loswerden. Aber interessiert genug, um einen zweiten Piloten in Auftrag zu geben, war man beim Sender dann doch.
Roddenberry knickte beim weiblichen Offizier ein (und schanzte seiner späteren Ehefrau ersatzweise die Weibsvolk deutlich angemessenere Rolle der Schwester Chapel zu), bestand aber auf Spock, der es somit schaffte, trotz der Senderbedenken einziger Akteur zu sein, der seine Rolle (sogar deutlich erweitert) im zweiten Piloten, „Where No Man Has Gone Before“ (hier gelaufen als „Spitze des Eisbergs“, aber auch bekannt als „Vorstoß zur Unendlichkeit“ oder „Neuland“), wieder aufgriff. Der zweite Anlauf gefiel NBC (aber aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen lief er dann erst als dritte Episode, wohingegen als erste Folge „The Man Trap“, produzierte Episode Nummer 6, ausgestrahlt wurde, was für ein paar Kontinuitätsprobleme sorgte, da Nichelle Nichols und DeForest Kelly erst mit der „regulären“ Produktion in die Crew einstiegen. Bei Nichols fiel’s nicht so auf, aber in Sachen Bordarzt musste man sich was einfallen lassen – in den Buch-Adaptionen erklärte man McCoys Abwesenheit damit, dass Pille dringend irgendwelche Schulungen zu besuchen hatte, in der offiziellen Star-Trek-Timeline Paramounts behalf man sich einfach damit, zu behaupten, dass „Where No Man Has Gone Before“ schlicht und ergreifend die erste Geschichte ist). Aber eigentlich sind wir ja bei „The Cage“, dem ursprünglichen Piloten, der vermutlich der Obskurität verschollener TV-Projekte anheimgefallen wäre, wenn nicht im Verlauf der Produktion der ersten Staffel ein Problem aufgetreten wäre – Zeitdruck! Roddenberry erinnerte sich daran, dass die ganze teure Footage von „The Cage“ ja noch vorhanden war und entschied sich in einem Corman-würdigen Geniestreich dafür, das Material mit einem neu geschriebenen „framing device“ aufzupeppen und in der einzigen Doppelfolge der Original-Serie, „The Menagerie“, zu verwursten. Der Notnagel (der nebenher etabliert, dass „The Cage“ dreizehn Jahre vor den Abenteuern der Kirk-Crew spielt) gewann lustigerweise einen der zwei HUGOs, die „Star Trek“ in seiner ersten Inkarnation für sich verbuchen konnte (den zweiten gab’s für die von Harlan Ellison verfasste Episode „Die Stadt am Rande der Ewigkeit“).

Lange Jahre schien „The Menagerie“ die einzige Möglichkeit zu sein, Material aus „The Cage“ zu sichten (immerhin 52 der 63 gefilmten „Cage“-Minuten finden sich in „The Menagerie“) – alle 35-mm-Kopien wurden bei Paramount im Laufe der Jahre vernichtet, die 16-mm-s/w-Kopie in Roddenberrys Privatbesitz war aufgrund der Tatsache, dass er sie immer wieder bei Vorlesungen oder Conventions zeigte, ordentlich abgewirtschaftet. 1987 tauchte dann überraschend eine brauchbare Farbkopie der neun „fehlenden“ Minuten auf und Paramount konnte aus dieser sowie dem teilweise neu synchronisierten „Menagiere“-Material eine ordentliche, sendetaugliche Version restaurieren. Die lief ein paar mal im Fernsehen, erschien auf VHS-Video und wurde auch für die jüngste Neuauflage der Originalserie mit neuen Digitaleffekten versehen (dabei aber auf die übliche 47-Minuten-Laufzeit zusammengekürzt), aber auf die Idee eines stand-alone-DVD-Releases ist bei Paramount bislang noch niemand gekommen (was mich ehrlich gesagt bei der Abzocker-Mentalität, die Paramount gegenüber Star-Trek-Fans seit Jahren pflegt, nicht wundert). Nun, wie gesagt, als glücklicher Abonnent der TNG-DVD-Reihe darf man sich freuen und „The Cage“ in seiner ursprünglichen Form und Glorie bewundern.

Womit ich, wo mindere Reviewer von der Wortzahl her langsam zur Bewertung schreiten würden, dann auch endlich beim Film an sich bin. Da könnte ich mich jetzt eigentlich kurz fassen, da die Story von „The Cage“ ja durch die Verarbeitung in „The Menagerie“ hinlänglich bekannt sein sollte. Und auch wenn’s Gene Roddenberry nicht gern hören würde, ich muss den NBC-Strategen zumindest im Resultat zustimmen – als Pilotfilm für eine Serie ist „The Cage“ denkbar ungeeignet. Nur bei der Begründung liegen die TV-Bosse und ich ziemlich weit auseinander…

Zu hochgeistig mag der Plot für den durchschnittlichen Fernseh-Executive (und ja, ich geb’s ja zu, für die durchschnittliche Couchkartoffel) ja sein, das ändert aber nichts daran, dass es ziemlich gute SF ist – etwas, das im Fernsehen ungefähr so häufig vorkommt wie eine heiße Liebesnacht mit fünf Supermodels im badmovies.de-Hauptquartier; von Roddenberrys ursprünglicher Idee eines Wildwest-Wagentrecks im Weltraum zwar mindestens soweit entfernt wie die Erde von Rigel VII, fraglos aber eine gute Idee, die ihrer Zeit ungefähr zwei Jahrzehnte voraus war (das Gimmick des „Nacherlebens“ fremder Erinnerungen und Emotionen tauchte später im ambitioniert-verunglückten „Projekt Brainstorm“ und wiederum etliche Jahre später in „Strange Days“ wieder auf), die im Rahmen der beschränkten Möglichkeiten des 60er-Jahre-Fernsehens auch respektabel umgesetzt wurde. Um für das gemeine Publikum nicht *zu* metaphysisch-abgehoben zu werden, baute Roddenberry die zweite Motivation der Talosianer (den eher weltlichen Wunsch nach einer Sklavenarmee, die für die vergeistigten Schwellköppe die anstrengende Drecksarbeit macht) ein, was dem „abgehobenen“ Plot um Mentalkräfte, fremdkonsumierte Erinnerungen und Illusionen eine zusätzliche bodenständige Ebene verleiht. Recht interessant ist der Gedanke, dass der vermeintliche Schlüssel zum „Sieg“ über die Talosianer – entgegen der von Roddenberry oft und oft auch nur herbeigeredeten Botschaft um friedliche Verständigung und Toleranz – rohe, primitive negative Emotionen sind. Blanke Wut, blinden Haß – durch diese Gefühle können die Talosianer nicht „hindurchsehen“, es ist also gerade die agressive Komponente des menschlichen Gefühlsspektrums, die die Schwachstelle der talosianischen Geisteskräfte ausmacht (man könnte natürlich argumentieren, dass Liebe und Zuneigung ebenfalls „primitive“ Emotionen sind – der Spock der „richtigen“ Serie würde mir da wohl beipflichten, aber Haß und Wut sind in einer Situation wie der, in der Pike sich befindet, zweifellos einfacher herbeizuköcheln). Auch sind die Talosianer nicht „böse“ an sich – sie kämpfen um das Überleben ihrer Spezies und bieten, worauf Pike später in „The Menagerie“ zurückkommen wird, ihren Gefangenen, so sie denn mitspielen, alle erdenklichen Annehmlichkeiten (müssen aber im Endeffekt einsehen, dass der „Freiheitsdrang“ des Menschen nicht zu überwinden ist, egal, wie vorteilhaft und wohlgemeint das Leben in den Illusionen der Talosianer auch sein mag). Übrigens finde ich es recht lustig, dass das Konzept der Erinnerungs-Illusionen viel viel später in Form des Nexus in „Star Trek – Treffen der Generationen“ quasi als Naturgewalt wieder aufgegriffen wurde (und lustig ist auch, dass es hier, als „Superkraft“ einer fremden Zivilisation, deutlich stimmiger skizziert ist).

Die „Schwächen“ des Pilotfilms liegen eher darin, dass „The Cage“ kaum Rückschlüsse auf eine nachfolgende Serie zulässt – als Ensemblestück fällt die Episode flach, da abseits von Pike und Gaststar Susan Oliver die Enterprise-Besatzung auf bessere Statistenrollen reduziert wird. Niemand, auch nicht Majel Barrett als „Nummer Eins“ oder Nimoy als Spock, haben gehaltvolle Szenen zu spielen – und die wenigen Szenen, die Barrett (und Laurel Goodwin als Proto-Rand-Yeoman Colt) zu spielen haben, nehmen auf augenscheinlich schon lange etablierte Beziehungs- und Charakterkonstrukte Bezug, die unbelastete Zuschauer gehörig verwirren dürften (wenn die Talosianer z.B. davon reden, dass „Nummer Eins“ hinter ihrer geschäftsmäßigen Logik Gefühle für den Captain hegt). Die Charakterisierung Pikes als „world-weary“, vom dauernden Druck der Verantwortung über Leben und Tod gebeutelten Captain am Rande des, naja, nicht Nervenzusammenbruchs, aber Ausstiegswillens, ist zwar ein hübscher Kontrast zu den üblichen forschen Haudrauf-Helden der klassischen Pulp-SF, aber eine solche Sinnkrise deucht mir nur eingeschränkt tauglich als Vorstellung eines neuen Seriencharakters – eine solche auf die Amtsmüdigkeit des Captains fokussierende Episode könnte man m.E. irgendwann mal in einer zweiten Staffel bringen; ein Pilotfilm sollte von Haus aus nun mal repräsentativ für die kommende Show sein und alle wesentlichen Charaktere vorstellen (aber in die Falle, aus einer Pilotepisode eine Ego-Episode für den Captain zu machen, tappten die „Star Trek“-Autoren später auch bei „Deep Space Nine“). Es ist eine schwierige Aufgabe, diese Voraussetzung zu erfüllen und nebenher noch eine spannende Geschichte zu erzählen (an der scheiterten die Trek-Strategen später auch bei „Mission Farpoint“, der zwar alle Hauptfiguren ausführlich vorstellte und durchaus auch einen Ausblick auf den kommenden „scope“ der Serie hatte, nur leider mit dem Farpoint-„Mystery“ eine ausgesprochen banale Story brachte), aber wie bei später die „Emissary“-Schreiberlinge kapitulierte Roddenberry hier mehr oder weniger kampflos vor den Bedingungen eines Piloten.

Sicherlich interessant sind die Unterschiede zwischen „The Cage“ und der späteren Serie – auf den ersten Blick fällt natürlich die praktisch komplette Umbesetzung der Crew (auf die in der Schauspielerschelte noch einzugehen sein wird) auf, und hier insbesondere die Tatsache, dass Roddenberry für die Serie die Charaktere von „Nummer Eins“ und Spock in Form des Vulkaniers verschmolz. In „The Cage“ ist es noch „Nummer Eins“, die von den Talosianern als „computerhaft“, gefühlskalt und „logisch“ beschrieben werden, während Spock, dessen Andersartigkeit in keiner Sekunde thematisiert wird, offenbar noch ein paar Stufen vulkanischen Logiktrainings fehlen; angesichts einer Pflanze, deren Blattbewegungen eine Art „Musik“ hervorbringen, darf er sogar einmal breit grinsen. Die Enterprise-Sets sind schon sehr nahe an dem, was später in der Serie gezeigt wurde – gewisses Feintuning wurde noch vorgenommen (vor allem im Besprechungs- und Transporterraum), die Brücke dürfte aber schon zu 98 % dem „richtigen“ Set entsprechen. „The Cage“ verzichtet weitgehend auf Weltraumeffekte – verständlich, denn die wenigen Modelltricks sind bedenklich schwach; wenn die Enterprise an der Kamera vorbeizoomt, sieht das wirklich nach nichts anderem aus als einem 20 cm langen Plastikmodell. Zu vermerken ist, dass die Terminologie noch nicht hunderprozentig hinhaut (anstelle des gewohnten Warp-Faktors heißt’s hier „Timewarp“, die Entdeckung des Warp-Antriebs wird in die Zeitspanne zwischen Absturz des Schiffes auf Talos IV und der „Gegenwart“ gelegt), die Besatzung der Enterprise mit 203 (anstatt rund 400) angegeben wird und bei den Uniformen auf Ranginsignien bewusst verzichtet wurde, um die nichtmilitärische Natur der Enterprise-Mission zu betonen. Erwähnenswert ist auch ein kurzer und für Originalserienverhältnisse wohl recht einmaliger Blick auf das „zivile Leben“ an Bord der Enterprise (in der Anfangssequenz laufen ein paar Crewmitglieder in Zivilklamotten durch die Gänge – im Kanon etablierte eigentlich erst die „Next Generation“, dass an Bord der Starfleet-Schiffe auch Zivilisten leben; passt aber hier zu der schon durch die Uniformen angedeuteten Ent-Militarisierung).

Was die Talos-IV-Sets angeht, so liegt die Planetenoberfläche im Standard der Original-Serie, wobei die Matte Paintings vielleicht sogar eine Ecke besser sind, der Untergrund-Zoo der Talosianer und speziell die schwelgerisch ausgestattete Orion-Illusion (mit dem legendären Tanz des grünhäutigen orionischen Sklavenmädchens) sogar am oberen Ende der Skala. Das Talosianer-Make-up ist überraschend gut gelungen, dafür muss der Zuschauer aber auch mit zwei sehr primitiven Monstern (einer Art Affen-Schweine-Monster und einem Vogel-Monster, Ausstellungsstücke im Talosianer-Zoo) leben.

Aus Pilotfilmsicht ist problematisch, dass die Story zwar nicht gerade langweilig, aber eben auch nicht sonderlich actionhaltig und damit nicht eben schnell oder temporeich inszeniert wäre. Robert Butler, ein junger TV-Regisseur, der schlappe drei Jahrzehnte später den Ray-Liotta-Action-/Katastrophenthriller „Turbulence“ inszenieren sollte, tut mit dem eher betulichen Material was er kann, aber es regiert die Story, nicht der Schauwert (wobei auch die diversen Phaser-Effekte, die teilweise mit schlichtem Zeichentrick gelöst werden, nicht dazu angetan sind, sie noch stärker herauszustellen als es eh schon getan wird). Der Flow der Episode ist sehr natürlich, sehr rhythmisch, aber eben nicht sonderlich intensiv oder mitreißend; es ist eine Charakter-, eine Story-, keine Action- oder Spannungsepisode. Unter den Voraussetzungen des Scripts (und der überschaubaren finannziellen Möglichkeiten einer unabhängig hergestellten TV-Produktion) erledigt Butler einen soliden Job (ich merke aber mal an, dass ich 64 Minuten für eine kuriose Laufzeit halte – für einen 90-Minuten-Sendeplatz mit Werbung kommt mir das zu wenig vor, wenn man das Verhältnis 47:60 für 1-Stunden-Programme betrachtet).

Zu den Schauspielern – Jeffrey Hunter wäre womöglich ein interessanter, aber wahrscheinlich kein sonderlich populärer Captain geworden. Sein Pike ist ein eher unzugänglicher Geselle, im Vergleich zum leutseligen Kirk, eigentlich der „militärischere“ Typ. Das hätte sicherlich Möglichkeiten für gutes Drama geboten, aber ein Triumvirat mehr oder weniger „gleichberechtigter“ Leads wie Shatner/Nimoy/Kelly erscheint bei Hunter undenkbar. Das Problem stellte sich aber gar nicht erst, da Hunter kein Interesse daran hatte, für den zweiten Pilotfilm wiederzukommen (ebensowenig war er bereit, noch ein paar Szenen für „The Cage“ zu drehen, als Roddenberry sich mit dem Gedanken trug, aus dem fertigen Material einen Kinofilm zu klöppeln; die gleiche Abfuhr kassierte Gene, als er Hunter bat, für „The Menagerie“ einzuspringen). Hunter, Roddenberrys zweite Wahl nach Leslie Nielsen (den Gene wohl aufgrund seiner Vorstellung in „Alarm im Weltall“ für geeignet hielt), hatte schon eine gescheiterte (und eigenproduzierte) TV-Westernserie hinter sich und sah seine Zukunft auf der großen Leinwand (er hatte bereits Erfolge als Jesus in Nicholas Rays Monumentalfilm „King of Kings“ und im WK-II-Epos „Der längste Tag“ gefeiert). Falsche Entscheidung – Hunter versandete in Europa (wo er u.a. in Deutschland „Frau Wirtin hat auch einen Grafen“ abdrehte), erlitt auf der Rückkehr vom Dreh des spanisch-italienischen Gangsterfilms „Viva America“ einen Schlaganfall, von dem er sich noch erholte, erlag aber dann den Verletzungen, den er sich bei einem durch einen zweiten Schlaganfall verursachten Sturz zuzog, im Alter von 43 Jahren. Man kann nur spekulieren, was passiert wäre, hätte Hunter die Rolle behalten…

Gaststar Susan Oliver, schnucklig anzusehen und für die Rolle der Vina mit der nötigen Mischung aus Naivität, Verzweiflung und (harmloser Fernseh-) Erotik ausgestattet, war aufgrund ihres dem Vernehmen nach spektakulären Stint (vor allem ihrem dortigen Ableben) in der Soap „Peyton Place“ ein TV-Begriff. Im Kino sah man sie in „Telefon Butterfield 8“, außerdem war sie ausgezeichnete Pilotin. Ihre letzte Rolle spielte sie 1988 in einer Episode von „Freddy’s Nightmares“.
Majel Barrett ist als kühle, berechnende „Nummer Eins“ eine imposante Erscheinung – fast ein wenig schade, dass Roddenberry in dieser Frage vor den NBC-Oberen einknickte, die Rolle der Schwester Chapel (und der Computerstimme) kann nur ein schwacher Trost gewesen sein.
Leonard Nimoy, dessen Make-up noch deutlich diabolischer wirkt als in der „richtigen“ Serie, leidet darunter, dass Spock in „The Cage“ noch überhaupt nicht definiert ist – er ist zwar durchaus zuständig für harte Fakten, aber auch noch emotional; der „populäre“ Spock der Serie wurde erst aus dem Charakter, als man ihm die kalte Logik der „Nummer Eins“ implantierte.
Die weitere Crew muss ohne das Charisma, das ihre Nachfolger in der Serie auszeichneten, auskommen. John Hoyt („Der Mann mit den Röntgenaugen“, „Cleopatra“, „Flesh Gordon“) deutet an, dass sein Dr. Boyce der engste Vertraute von Captain Pike/Hunter hätte werden können, aber ihm fehlt DeForest Kellys Ausstrahlung. Peter Duryea („Blood of the Iron Maiden“, „Catalina Caper“) ist nur ein blasser „Ersatz“ für Sulu und/oder Chekov, und Laurel Goodwin – bah, diesen ständig traurigen Rehäuglein in Verbindung mit nicht unbedingt rascher Auffassungsgabe (ja, ich werfe hier Schauspielerin und Charakter in einen Topf und rühre kräftig drin rum) hätte ich nicht jede Woche zukucken können – ich war schon nie ein Fan der Yeoman-Figur an sich („Yeomen“ sind, für in der Hinsicht nicht ganz so firme Leser, im Navy-Slang „halb-zivile“ Sekretäre/Assistenten der Kapitäne). Goodwin spielte später noch einige wenige TV-Rollen (u.a. in „Beverly Hillbillies“) und produzierte 1983 den debilen, aber lustigen Burt Reynolds-Autorenn-Film „Der rasende Gockel“.

Bildqualität: Respekt, was Paramount aus dem Material herausgeholt hat – bildmäßig sieht „The Cage“ aus wie aus dem Ei gepellt. Perfekte Farben, ausgezeichnete Schärfe, guter Kontrast, keinerlei Verschmutzungen, Defekte oder Störungen. So sieht mal ein amtliches Bild-Remastering aus. Kudos.

Tonqualität: Auf der DVD aus der „Star Trek – Das Magazin“-Reihe liegen drei Tonspuren vor, die französische und deutsche Synchronisation wurden neu erstellt und klingen dementsprechend prima, aber etwas steril. Der englische O-Ton ist knarzig und in der Lautstärke etwas schwankend, außerdem irritiert, dass der Haupt-Talosianer mit zwei unterschiedlichen Stimmen spricht (was an der Neubearbeitung für „The Menagerie“ liegt. Der ursprüngliche Sprecher spielte nämlich zufälligerweise eine Gastrolle in der „Menagerie“-Rahmenhandlung, so dass man produzentenseits davon ausging, dass das Publikum verwirrt sein würde, wenn der gleiche Schauspieler später einen der Talosianer spricht. Also wurden die Passagen aus „The Cage“, die auch in „The Menagerie“ verwendet wurden, mit einem anderen Sprecher nachsynchronisiert. Da die Originaltonspuren des „Menagerie“-Materials nicht mehr vorlagen, musste das Remaster beide Quellen verwenden).

Extras: Da die ganze Scheibe quasi ein „Extra“ zur TNG-Kollektion der Heftreihe ist, gibt’s leider kein weiteres Bonusmaterial.

Fazit: Als Pilotfilm, gestehe ich, hätte ich „The Cage“ auch abgelehnt – dafür ist die Episode zu „character driven“, zu sehr auf Captain Pike und Vina (bekanntlich einen nie mehr wiederkehrenden Charakter) fokussiert, zu wenig von dem, was Roddenberry eigentlich anzupreisen gedachte, nämlich eben den „Star Trek“ an sich. Als SF-Geschichte hingegegen ist „The Cage“ wohl eines der besten Fernsehstücke speziell der ansonsten meist simplen, abenteuer- und actionorientierten 60er (der HUGO an sich ist im SF-Fandom zwar recht renommiert, aber insgesamt nicht sonderlich ehrfurchtgebietend, aber ab und zu fand auch das HUGO-Kommitee mal ein Korn und zeichnete, wie hier die spätere Bearbeitung „The Menagerie“ aus). Ohne plakative, vordergründige Action erzählt „The Cage“ eine vergleichsweise anspruchsvolle, intelligente Geschichte, die sicherlich zu den Höhepunkten früher Trek-Geschichte gehört. Man kann darüber streiten, ob die Story und ihre (bittersüße) Pointe im Kontext der „Menagerie“-Rahmenhandlung vielleicht sogar noch gewinnt, aber auch und gerade in der uneditierten Originalfassung ist „The Cage“ fraglos ein Stück große Fernsehgeschichte, schon allein, weil man herzlich spekulieren kann, in welche, vielleicht sogar noch humanistischere, weniger actionlastige Richtung eine „Star Trek“-Serie tendiert hätte, wäre bereits dieser erste Pilotfilm abgenommen worden. Ob wir dann auch ein Franchise bekommen hätten, das vier Jahrzehnte überdauert und ein halbes Dutzend TV-Serien, elf Kinofilme, hunderte Romane, Comics und Sekundärliteraturtitel produziert hat und seine Stars zu Popkultur-Ikonen macht? Vielleicht – ich denke sogar wahrscheinlich – nicht… aber man wird ja mal fragen dürfen.

4/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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Mucki
Mucki
6. August 2023 19:25

Wo kann man diesen (nicht existierenden Film) schauen?