Rat Pfink a Boo Boo

 
  • Original-Titel: Rat Pfink a Boo Boo
  • Alternative Titel: The Adventures of Rat Pfink a Boo Boo |
  • Regie: Ray Dennis Steckler
  • Land: USA
  • Jahr: 1966
  • Darsteller:

    Carolyn Brandt (Cee Bee), Ron Haydock (Rat Pfink/Lonnie Lord, als Vin Saxon), Titus Moede (Titus Twimbly/Boo Boo), George Caldwell (Link), Mike Kannon (Hammer), James Bowie (Benjie), Mary Jo Curtis (Irma La Streetwalker), Keith A. Wester (Cowboy), Romeo Barrymore (Ape Trainer), Bob Burns (Kogar)


Vorwort

Also nochmal Ray Dennis Steckler. Es gibt ja eh sicherlich nicht viele Filmfreunde, selbst eingefleischte Kenner der Materie, die, konfrontiert mit diesem Namen, nicht nur ein dummes Gesicht machen, sondern mit Müh und Not vielleicht auf THE INCREDIBLY STRANGE CREATURES WHO STOPPED LIVING AND BECAME MIXED-UP ZOMBIES!!? kommen. Aber selbst von denen werden wohl die allermeisten ratlos mit den Schultern zucken, wenn man sie nach einem zweiten Steckler-Film fragt. *Wenn* irgendjemand tatsächlich einen zweiten Titel nennen kann, dann vermutlich RAT PFINK A BOO BOO, Stecklers berüchtigtes (bei den drei Leuten, die ihn kennen) Superhelden-Parodie-Rockabilly-Musical, und dann höchstwahrscheinlich auch nur des kuriosen Titels wegen…
 
Also sollten wir vielleicht grad den vorab erklären. RAT PFINK und BOO BOO sind erst mal nicht mehr als die Namen von Stecklers Ersatz-Batman und –Robin (die selbstverständlich die Vorbilder sind – Steckler war ein Riesenfan des Serials von 1949). „Rat Pfink“ bezog sich dabei auf einen Song von Hauptdarsteller Ron Haydock, die „Boo Boos“ waren ein Softball-Team aus Pennsylvania. Dennoch – das sollte normalerweise titelmäßig bei RAT PFINK AND BOO BOO rauskommen und nicht bei „A“. Die kolportierte Legende lautet, dass die Verunglimpfung des Titels auf einen Fehler des Titeldesigners zurückzuführen ist, Steckler aber die 50 Dollar fehlten, um’s korrigieren zu lassen, aber der Maestro himself, der es eigentlich wissen wollte, gab später zu Protokoll, dass der Titel Absicht gewesen sei – seine kleine zweijährige Tochter sei „Rat Pfink a boo boo“ rufend durch die Gegend gelaufen, und Steckler habe das so süß gefunden, dass er die Verballhornung für den Titel beibehielt.
 
Und wer ist eigentlich Ron Haydock? Ein Multitalent, wenn auch hauptamtlich Rock’n’roller, der 1959 seine erste Single veröffentlichte, zeitlebens aber vom kommerziellen Erfolg verlassen blieb, erst posthum fand Haydocks Musik im Zuge der Wiederentdeckung des Rockabilly als Einfluss und spätere Stilrichtung im Punkrock Anerkennung. Haydock schrieb neben seinen musikalischen Eskapaden und schauspielerischen Experimenten (exklusiv für Steckler) auch pornographische Taschenbücher sowie Comics für Warren Publishing. Haydock starb 1977 im Alter von 37 Jahren bei einem Verkehrsunfall, tragischerweise just nach einem Freundschaftsbesuch bei Steckler.
 
RAT PFINK A BOO BOO markiert sozusagen Haydocks schauspielerisches Highlight – wer schlüpft nicht gern in ein Heldenkostüm und bekämpft böse Verbrecher? Ist der Streifen nun aber ein veritabler Kultfilm oder doch nur eine Zelluloidverschwendung – diese Frage werden wir nun extensiv (aber vermutlich mit einer relativ kurzen Inhaltsangabe. Wie so oft bei Steckler ist die „Story“ nicht das große Alleinstellungsmerkmal des Films…).
 


Inhalt

Es sollte den Trashfilmenthusiasten nicht wundern, dass sein Film von jemandem, der freiwillig und im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten mit Coleman Francis zusammengearbeitet hat (bei LEMON GROVE KIDS MEET THE MONSTERS), mit einem fröhlich daherschwurbelnden Erzähler startet, der uns Dinge vors Knie nagelt, die zum Verständnis des Films nicht wirklich wichtig sind. Jedenfalls stellt uns der Erzähler unsere Hauptfigur vor – Lonnie Lord (eines der zahlreichen Pseudonyme Haydocks, und mithin gespielt von „Vin Saxon“, einem weiteren Haydock-Künstlernamen), seines Zeichens ein wahnsinnig erfolgreicher Rockmusiker, der im vergangenen Jahr 10 Millionen Platten verkauft habe. Deswegen hängt er auch mit seiner Akustikklampfe (ohne die er, wie der Erzähler uns versichert, nie sein Haus verlässt, weil man nie weiß, wann man zur Darbietung eines Ständchens genötigt wird) vor dem Capitol Building in Hollywood rom und befriedigt die (ausgesprochen zivil vorgetragenen) Autogrammwünsche eines Mobs von drei (in Worten: drei) semienthusiastischen weiblichen Fans. Das Superstarleben ist ein hartes.
 
Dieweil Lonnie mit den sechs Saiten, die die Welt bedeuten, über den Hollywood-Boulevard schlendert (ich hätte glatt geglaubt, es wäre die exakt gleiche Sequenz wie in THE THRILL KILLERS, aber Lonnie betrachtet andere Sterne auf dem Walk of Fame), und dann auch endlich ein fröhlich Liedchen zum Besten gibt (begleitet von den mehr oder minder rhythmischen Verrenkungen seines „main squeeze“, der in Steckler-Werken unvermeidlichen Carolyn Brandt), begehen anderswo in den finsteren Gassen der Stadt, die – wie ich durchaus persönlich bestätigen kann, ca. 1 Parallelstraße weiter beginnen – finstere Gestalten finstere Dinge.
 
Die Finsterlinge sind Hammer (Mike Kannon, LEMON GROVE KIDS MEET THE MONSTERS), so benannt, weil er ständig in drohender Manier einen Hammer in den Pfoten trägt, Linc (George Caldwell, THE THRILL KILLERS, DREAMSCAPE, DIE RÜCKKEHR DES UNBEGREIFLICHEN), den man mutmaßlich so nennt, weil er so einen halben Meter Metallkette (chain link, ne?) als persönliche Spezialwaffe mit sich rum schleppt, und Benjie(James Bowie, THE THRILL KILLERS, THE INCREDIBLY STRANGE CREATURES), der leider keine coole personalisierte Waffe hat, dafür aber schwarz ist. Das reicht in manchen Gegenden ja völlig aus. Momentan schwingen Hammer und Linc ihre jeweiligen Totschlagsinstrumente in der Absicht, ein Frauenzimmer mittleren Attraktivitätsgrads (Mary Jo Curtis, in einer Rolle, die der Film als „Irma La Streetwalker“ bezeichnet) flachzulegen und/oder auszurauben. Man weiß es nicht genau.

Wenn ich in meiner bisherigen Steckler-Erfahrung (die sich inzwischen auf 4 Filme beläuft) etwas gelernt habe – the guy sure loves his chase sequences. Kein Wunder… abgesehen von einer Dialogszene gibt’s wohl nichts, was billiger zu filmen wäre, als wenn eine Person (oder mehrere) eine andere verfolgt. Und man kann Zeit damit totschlagen! Zeit totschlagen! Ohne Ende! Auch das muss einem Regisseur, der irgendwie kucken muss, wie er mit seinem mühsam zusammenklabusterten Budget auf eine Laufzeit kommt, die man mit nicht allzu fürchterlich schlechtem Gewissen „abendfüllend“ nennen kann, ausgesprochen sympathisch sein. Nun gut, nach mehreren Minuten couragierten Stalkens durch dunkle Gassen gelingt es La Streetwalkerin vermeintlcih, Hammer und Link durch cleveres Verstecken hinter einer Wand abzuschütteln. Ihr Hideout-Place war allerdings suboptimal gewählt, denn das Ende der entsprechenden Straße ist tot, will sagen, Sackgasse. Der Rückweg ist durch die potentiell dort immer noch rumschlurchenden Verfolger blockiert, und mit dem „Mauern hochklettern“ hat’s Irmchen nicht so. Muss sie aber auch nicht, denn Benjie hat sich, dank des allen schwarzen Männern offenbar innewohnenden sechsten Sinns, bereits in weiser Voraussicht, welchen Weg Irma einschlagen wird, dort in einem Müllcontainer versteckt, hüpft jetzt raus und macht BUH, was natürlich auch seine elenden Komplizen auf den Plan ruft. Tja. Das ist jetzt irgendwie doof für Irma, die den drei Tunichtguten selbstredend nichts entgegenzusetzen hat und um ihre Barschaft erleichtert wird. Das ist offenbar so dermaßen schockierend und verletzend, dass Irma, nachdem ihre Räuber johlend und krakeelend mit der Beute abgezogen sind, ohne sich auch noch Naturalien abzuholen, sich nur noch bäuchlings rutschend fortbewegen kann, ehe sie am Fuße einer Treppe (ich will mal hoffen nur temporär) ihre Lebensgeister aushaucht.
Well… für etwas, was mir als launiges Rock’n’roll-Musical verkauft wurde, war das schon einigermaßen düster…
Das Ganoventrio hockt etwas später in seinem ihrem Hideout und langweilt sich zu Tode. Linc und Hammer spielen mit ihren jeweiligen Werkzeugen, Benjie hat aber, wie gesagt, keins und muss daher notgedrungen quasseln. Und das tut er dann auch. Minutenlang monologisiert er, dass man, sprich die Bande, endlich wieder etwas tun sollte, Spaß haben, Geld beschaffen, etwas tun sollte, Spaß haben, Geld beschaffen… Der Mann ist eine Schallplatte und sie ist kaputt. Irgendwann geht er seinen Kumpanen lang genug auf die Nerven, dass die tatsächlich ihre müden Ärsche bewegen und beschließen, ein neues Opfer aus dem soeben per Wurfsendung angelieferten neuen Telefonbuch zu suchen. Die zufällige Wahl fällt auf Cee Bee (mithin eben Carolyn Brandt). Das kommt davon, wenn man sich im Telefonbuch eintragen lässt. Könnte mir schon mal wieder nicht passieren. 
 
Die Ausgekuckte wird in der Folge von mysteriösen Telefonanrufen belästigt – der Anrufer mit verstellter Stimme fragt stets nur, ob da Cee Bee am Draht ist, was die wahrheitsgemäß bejaht, worauf der Unknown Caller auflegt. Das verunsichert Cee Bee natürlich auf die Dauer (und beweist, dass die Gang einen recht langen Atem hat, was ihre bösen Spielchen angeht), ebenso wie nächtliche Besuche grimassenschneidender Fieslinge am Fliegengitter vor dem Fenster oder eine dezente Verfolgung durch den kettenshakenden Linc am hellichten Tag. Das ist alles zutiefst beunruhigend, aber nicht beunruhigend genug, dass jemand die Polizei einschaltet. Statt dessen zelebriert Lonnie Lord eine Pool-Party (was natürlich wieder dazu führt, dass Carolyn Brandt schüttelt, was an Extremitäten schüttelbar ist), und dazu seinen Schlager „Rat Pfink“ vorträgt. Und nein, ich weiß nicht, was ein „Pfink“ ist, ob man das essen kann, es ansteckend ist, oder was es kostet, der Text erklärt es auch nicht, und ein Slangwort, das jemals in irgendeiner Jugendkultur verwendet wurde, ist es wohl auch nicht (am etymologisch nächsten kommt wohl noch das Wort „fink“, und das bezeichnet eine Petze. Das würde im Zusammenhang mit „rat“ noch Sinn ergeben, weil „to rat out“ ja ebenfalls petzen bzw. verpfeifen bedeutet, aber „Petzenpetze“ ist jetzt ja nicht unbedingt der ideale Superheldenname…).
 

 
Cee Bee residiert in einer schmucken Hütte (dort, wo auch die Poolparty gefeiert wurde). Lebt sie dort mit Lonnie Lord zusammen? Who knows… vermutlich ja, aber warum steht Cee Bee dann als eigener Eintrag im Telefonbuch? Ach, ich stell mir hier schon wieder sinnlose Fragen… Lonnie und seine Klampfe sind aushäusig, Cee Bee wird nur von ihrem mental nicht hochwertig ausgestatteten Gärtner Titus (Titus Moede, THE SKYDIVERS, PIT STOP, HOLLYWOOD SHE-WOLVES) „beschützt“.  Erwartungsgemäß hat der den drei zielstrebigen Gangstern nicht viel entgegenzusetzen. Man haut Titus aufs Maul, klemmt sich die kreischende Cee Bee unter den Arm und gibt Titus noch auf den Weg, dass man sich in Bälde telefonisch bei Lonnie melden werde, um die Modalitäten für die Rückgabe der Schickse zu verhandeln. Das war einfach.
 
Als Lonnie wenig später von seinen anderweitigen Verrichtungen zurückkehrt, findet er nur den gefällten Gärtner im Garten, der dann auch, sobald die Lebensgeister wieder geweckt sind, die frohe Botschaft der Girlnapper übermittelt. Bis die sich melden, bleibt Lonnie nicht viel anderes übrig, als sich auf die Couch zu hocken und akustisch Trübsal zu blasen, indem er eine traurige Weise auf seiner Klampfe zupft („I stand alone“). Oookay, die Bullen anrufen o.ä. kommt nicht in Betracht?
 
Nun, da die Herren Entführer ja tatsächlich Kohle machen wollen, rufen sie tatsächlich an und teilen ihre Bedingungen mit – schlappe 50.000 Kröten bis heute Abend, selbige in einem Lederkoffer in einem Müllcontainer zu hinterlegen. Ist jetzt doch ein echtes Spar- und Sonderangebot, aber Lonnie mauert. Soviel Zaster kann er innerhalb der kurzen Zeit nicht auftreiben. Eh. Knebelvertrag bei Bohlen unterschrieben oder was? Die CeeBee-Napper sind wenig kompromissbereit. Entweder die 50 Riesen in bar oder Cee Bee wird in Einzelteilen zurückgegeben. Und damit buenos dias.
 
Ihr werdet es vermutlich nicht glauben, aber bis wir an dieser Stelle sind, hat der Film tatsächlich bereits 40 seiner 70 Minuten Laufzeit erfolgreich ermordet. Und in diesen 40 Minuten haben wir von einer lustigen Superheldenparodie noch nicht mal ein mikroskopisches Molekül gesehen, geschweige denn etwas „lustiges“ überhaupt. Wäre da nicht der „Rat Pfink“-Song von vorhin gewesen, man könnte auf die Idee kommen, den flaschen Film eingelegt zu haben…
 
But never fear, Steckler has you covered. Denn ob des terrifizierenden Ultimatums der garstigen Entführer wirft Lonnie Titus einen Blick zu und sagt den bedeutungsschwangeren Satz: “This is a case for you-know and who!“ Spricht’s und zieht sich mit dem Gärtner in einen Wandschrank zurück (ich bin mir nicht sicher, ob Steckler sich da jetzt seiner eigenen unbefangenen Doppeldeutigkeit bewusst ist…).  Tja, eine Rat-Höhle haben unsere maskierten Crimefighter nicht, da muss es halt der Schrank tun, auch wenn, wie die Geräuschkulisse nahelegt, es nicht so ganz einfach ist, sich zu zweit in einem Schrank umzuziehen (und wieder aus dem Schrank rauszukommen). Aber da sind sie endlich – Rat Pfink und Boo Boo! Und die Kostüme sind ne Schau… (siehe rechts).
 
An dieser Stelle gibt der Film dann auch auf, einer Art erzählerischem Narrativ zu folgen und degeneriert mehr oder minder in eine einzige „Verfolgungsjagd“ (und „Jagd“ sei hierbei als äu8erst euphemistisch gefasster Begriff verstanden). Nun, Rat Pfink und Boo Boo schwingen sich auf ihre BMW-Seitenwagenmaschine (Boo Boo darf fahren, Rat Pfink *steht* wichtigtuend im Beiwagen und zeigt mit dem becapeten rechten Arm die Richtung an), schmeißen wunschgemäß den Koffer in den Müllbehälter und legen sich auf die Lauer.  Benjie ist der zum dumpster divingg auserkorene (bestimmt nur, weil er schwarz ist!) und bringt den Koffer zum Versteck der Gangster, völlig unauffällig von den Superhelden verfolgt.
Die Kidnapper sitzen mit Cee Bee einigermaßen entspannt und gemütlich im Garten. Der Koffer wird wohlwollend in Empfang genommen, beinhaltet allerdings nur Comic-Hefte. Skandal! Hammer und Linc können sich nicht lang drüber aufregen, denn Rat Pfink und Boo Boo schreiten zur heldenmäßigen Verprügelung der Fieslinge. Eine längere Schlägerei schließt sich an, in deren Verlauf es Rat Pfink gelingt, Hammer mit Handschellen (wo er die in seinem utility belt verstaut haben will, bleibt sein Geheimnis) an ein Treppengeländer zu fesseln. Weil Boo Boo aber überwiegend auf die Fresse bekommt, muss Rat Pfink seinem Sidekick zu Hilfe eilen, was wiederum Linc und Benjie nutzen, sich mit der Geisel in ihren Pick-up zu werfen und vom Hof zu reiten. Das war jetzt ein eher so mittelgroßer Erfolg für das dummnamische Duo.
 
Was letzten Endes aber Steckler wieder die Gelegenheit für eine langwierige Verfolgungssequenz bietet, die sprichwörtlich in die Pampa führt. Irgendwann ist dann halt auch mal die schönste Piste fertig, so dass alle Beteiligten auf Schusters Rappen weiterhasten müssen. Die nächste Schlägerei schließt sich an, und während Rat Pfink und Boo Boo nun einigermaßen die Oberhand gewinnen, naht schon neues Ungemach für die die Helden energisch anfeuernde Cee Bee – Kogar, the swinging gorilla!
 
Ich hab schon schlimmere Gorilla-Suits gesehen als den, den Bob Burns, der semilegendäre Sammler von Filmrequisiten und Gelegenheitsschauspieler, hier trägt (in Farbe zu sehen auch in LEMON GROVE KIDS). Kogar ist hier ein entsprungenes Zootier und der passende Affenwärter (Romeo Barrymore) ist dem Zottelvieh auch hart auf den Fersen, aber nicht hart genug, um zu verhindern, dass Kogar das tut ,was Gorillas in Filmen gemeinhin zu tun pflegen, nämlich sich die weiße Frau unter den Gorillanagel zu reißen. Ratzefink, der nun endlich Linc und Benjie schlafen gelegt hat, kann sich das natürlich nicht bieten lassen, und wenn ein Gorilla sich energisch auf die Brust trommeln kann, kann Rat Pfink das natürlich schon dreimal und besser…
 
Auch diese brenzlige Situation kann schlussendlich für alle Beteiligten befriedigend aufgelöst werden – nachdem Rat Pfink eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass er sich genau so affig aufführen kann wie der Gorilla, bekommt der Affenwärter bekommt selbigen, den Gorilla also, ebenso unverletzt zurück wie Rat Pfink seine Cee Bee. Nur sind dummerweise jetzt erst 59 Minuten um und mindestens 10 braucht Steckler noch, um im groben Gebiet „abendfüllender Spielfilm“ zu landen, also was jetzt tun, wo der, eh, Plot, erfolgreich abgefrühstückt ist?
 
Nun, zum Glück ist Steckler auf jeden Fall eins – erfinderisch. Nicht unbedingt zum Wohle des Publikums, wohlgemerkt, aber zumindest was das Strecken des Opus auf 70 Minuten angeht. Und irgendwo findet doch immer eine Parade statt. Bitches, eeeh, Americans love parades.  Und da kann man sich doch mal mit dem Rat-Bike und in full costume reinschummeln…  See slightly bewilderded people „cheer“ Rat Pfink, Boo Boo and Cee Bee! (Immerhin – ein Teenage-Girl, das von Steckler zumindest halbwegs eingeweiht wurde, lässt sich zu einem fröhlichen „It’s Rat Pfink!“-Ruf herab – im Gegensatz zu den anderen per Nachvertonung eingespielten Begeisterungsausbrüchen zumindest „authentisch“). Damit wären wir dann bei so ca. 65 Minuten angekommen – das reicht uns noch nicht ganz, also behilft sich Steckler dabei, noch eine Art „Musikvideo“ für einen weiteren Haydoc-Song dranzuhängen, der zeigt, wie Lonnie, Cee Bee und Titus am Strand herum-frolicen (und auch Kogar, sein Wärter und Rat Pfink und Boo Boo!). Dann sind wir endlich knapp vor der 70-Minuten-Marke, können einen kurzen Nachspann ablaufen lassen und Feierabend machen…
 
 
 
RAT PFINK A BOO BOO ist wieder einer von der Sorte Film, der mit den Mitteln herkömmlicher Filmkritik nicht wirklich beizukommen ist. Schließlich wäre Ray Dennis Steckler vermutlich der erste gewesen, der zugegeben hätte, dass die erstrangige Zielgruppe, für die er seine Filme drehte, er selbst war. Steckler wollte zeitlebens Filme machen, wie er sie selbst sehen wollte, Dinge imitieren, die er gesehen und die ihn beeindruckt hatten – wie eben z.B. die Bowery-Boys-Slapstick-Komödien, denen er mit seinen LEMON GROVE KIDS-Shorts ein Denkmal setzen wollte. Oder eben das olle BATMAN & ROBIN-Serial von 1949 (fachmännisch zerlegt und kommentiert zuletzt von den Rifftrax-Jungs)…
 
Wobei RAT PFINK A BOO BOO auch ein gutes Beispiel für Stecklers eher frei-flottierende Arbeitsmethode ist. Wie Ihr bei der Lektüre obiger Inhaltsangabe sicher bemerkt habt, ist das ein Film mit einem heftigen Stilbruch so ungefähr zur Filmmitte – was in diesem Fall nicht davon kommt, dass Steckler wie später Tarantino und Rodriguez bei FROM DUSK TILL DAWN bewusst die Erwartungshaltung des Zuschauers brechen und einen Gangsterfilm in eine Vampir-Splatterfarce abbiegen ließen. Steckler begann den Film vielmehr als straightes Gangsterdrama unter dem Arbeitstitel THE DEPRAVED, verlor aber entweder die Lust daran oder fand keinen Weg, nach der Entführungssequenz die Story weiter ernsthaft zu entwickeln, und beschloss also kurzerhand, von jetzt auf gleich seinen „Helden“ und den bis dahin bedeutungslosen Nebencharakter Titus in Superheldenkostüme zu packen und auf der Basis weiter zu filmen.
 
Das fügt sich nicht sonderlich elegant zusammen – in der ersten Filmhälfte gibt’s basically nix zu lachen, was für einen Film, der, wie gesagt, als lustige Superheldenparodie verkauft wird, schon ein bisschen problematisch ist. Steckler ist halt der Typ Regisseur, der sich über einen einheitlichen Ton seines Films keine Gedanken macht und – ob aus Zeit- und/oder Geldgründen oder weil er gar nicht auf die Idee kam nach der Umwidmung des Films zur „Komödie“ das bis dahin abgedrehte Material auch nicht durch ein paar nachträglich eingefügte Jokes auf lustig trimmt. Mehr als die Gesangsnummern Haydocks baut er an „leichter“ Unterhaltung in die erste Halbzeit nicht ein…
 
Was nicht heißen soll, dass RAT PFINK, sobald Lonnie Lord und Titus sich in ihre Superheldenklüfte geworfen haben, sonderlich witziger wird. Vermutlich soll uns einfach der Anblick der zwei Knalltüten in ihren Faschingskostümen (zumindest Titus Moedes bizarres Harlekin-mit-LED-Lampen-an-den-Mützenbommeln-Outfit war im echten Leben des Darstellers leibhaftiges Halloween-Kostüm, an das Steckler nur das „Booboo“-Logo als Reminiszenz an Robins „R“ schraubte; der entscheidende „Kniff“ für Rat Pfinks Strampelanzug, behauptet Steckler, wäre die Skimaske gewesen) per se unterhalten, aber richtige Gags bringt der Film nicht. Die Prügeleien sind einigermaßen unbeholfen, aber nicht in sich witzig oder großartig unterhaltsam, und wiewohl das Auftauchen von Kogar, dem Gorilla, dann einigermaßen aus dem Nichts kommt, macht der Film auch damit nichts besonders Spaßiges.  
 
Naja, und dann, wenn der Film nach 60 Minuten alles erschöpft hat, was ihm an, hihi, kreativen Einfällen so gekommen ist, und dann immer noch nicht abendfüllende Länge erreicht hat, klebt Steckler einfach die zwei völlig zusammenhanglosen Segmente mit der Parade (die zumindest Unterhaltungswert gewinnt, dass sich so mancher Zuschauer am Straßenrand sichtlich fragt, wer die Idioten auf der Beiwagenmaschine sind, die da huldvoll ins Publikum winken) und den Strandspielereien mit Musik dran, was dann schon wieder einen gewissen „home movie“-Charme gewinnt.
 
Filmisch sind die ernst gemeinten, ersten vierzig Minuten gar nicht soooo übel – THE THRILL KILLERS, der ähnliches Terrain beackert (ein Trio von hauptberuflichen Totschlägern bei der Arbeit, verbunden mit Vignetten aus dem Leben des Helden, dort ein Möchtegern-Filmstar, hier ein Rockstar – und beide feiern sie im ersten Akt wilde Partys… man könnte fast glauben, Steckler habe hier zweimal das gleiche Script verfilmt), ist sicher deutlich „slicker“ und kohärenter, aber in dieser Phase macht auch RAT PFINK den Eindruck eines halbwegs durchdachten Crime-Reißers, in dem dann nur die Musical-Einlagen „stören“.  Wenn dann die „masked crimefighters“-Phase beginnt, wird der Streifen dann auch handwerklich loser, bedenkllicher. Was auf jeden Fall wieder auffällt , dass Steckler Verfolgungen wirklich abgöttisch liebt, kann man mit ihnen, wie oben schon erwähnt, nach Belieben Zeit totschlagen…
 
Für die Tonbearbeitung war wieder der spätere sechsfache Oscar-Nominent Keith Wester zuständig. Die Songs von Ron Haydock sind gar nicht so übel – 1965, wo Beatles und Beach Boys den Rock’n’roll revolutioniert hatten, schon ordentlich altbacken, aber auch noch nicht „retro“ genug, um zeitgenössisch damit wirklich punkten zu können, aber in der Rückschau absolut taugliche Rockabilly-Rock’n’roll-Nummern im Stil von Gene Vincent (Haydocks Haupteinfluss), die durchaus Laune machen.
 
Nennenswerte schauspielerische Leistungen werden nicht verlangt und nicht geboten. Haydock ist „als er selbst“ einigermaßen tauglich und hat als Rat Pfink zumindest den erkennbaren Willen, sich zum Gaudium des Publikums zum Horst zu machen. Steckler-Muse Carolyn Brandt hat hier nun wirklich gar nichts zu tun außer sich ekstatisch zu Haydocks Song zu verrenken und ansonsten die kreischige damsel in distress zu spielen (ich bin mir gar nicht sicher, ob sie tatsächlich mehr als zwei-drei echte lines hat), Mike Kannon kann als „Hammer“ nichts von seinem realen komischen Talent (dass er als Leo-Gorcey-Imitator in den LEMON GROVE KIDS-Kurzfilmen durchaus unter Beweis stellte) einbringen, George Caldwell ist als Linc der einzige der drei Bösewichter mit einer wirklich fiesen Ausstrahlung.
 
Die DVD von Media Blasters beinhaltet zwei Fassungen des Films. Die von Steckler präferierte wird als „Hauptfilm“ gezeigt und bringt den s/w-Film in eingefärbter Form, wie es bei Stummfilmen üblich war, um Stimmungen und Handlungs-Phasen voneinander abzugrenzen. Wer will, kann den Streifen auch in handelsüblichem s/w ankucken. Bild- und Tonqualität sind ordentlich. Als Extras gibt’s einen Audiokommentar mit Steckler, Trailer, „Musikvideos“ zu zwei ausgesuchten Songs, sowie ein ausführliches (40+ Minuten) Videointerview mit Steckler zu seiner Karriere im Allgemeinen und RAT PFINK im Speziellen. Rundes Paket.
 
Zusammengefaselt ist RAT PFINK A BOO BOO wirklich kein guter Film und auch kein durch die Bank schenkelklopfförderlicher Trash-Hammer. Ja, mit drei bis fünf Bier macht der sicher mehr Spaß als nüchtern, aber der Film laboriert, um ein Feuerwerk unfreiwilligen Humors zu sein, zu sehr an seiner strikten Zweiteilung in eine ernste Crime- und eine vermeintlich „lustige“ Superhelden-Parodie-Hälfte. Wer lustigen Trash erwartet, sollte dann schon eher zu THE INCREDIBLY STRANGE CREATURES greifen, aber ich kann Steckler letztlich auch diesen Film nicht wirklich verübeln. Der Meister sitzt in einer zwar nicht sonderlich dicht bevölkerten, aber bequemen eigenständigen Ecke des idiosynkratischen Filmemachens. Steckler ist auf seine Weise ein einzigartiger Filmemacher, und das macht dann auch einen insgesamt sicher weniger „gelungenen“ Film wie RAT PFINK A BOO BOO irgendwie schon sehenswert…
 
© 2020 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 8

BIER-Skala: 4


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Diamond Bentley
Editor
Diamond Bentley
4. März 2020 22:01

Die besten Filmtitel die sich je ein Mensch erdacht hat