Rancid – Treibjagd durch die Nacht

 
  • Deutscher Titel: Rancid - Treibjagd durch die Nacht
  • Original-Titel: Rancid
  • Alternative Titel: Treibjagd durch die Nacht |
  • Regie: Joaquim Ersgard
  • Land: Schweden/USA
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Matthew Settle (James Hayson), Fay Masterton (Monica Klein), Currie Graham (Crispin Klein), Patrick Ersgard (Andy Fell), Jay Acovone (Captain Peters), Michael Wiseman (Det. Kent), Jennifer Jostyn (Det. Olson), Pernilla August (Bergquist), Paul Setterfield (Richard Desmond), Siena Goines (Angela Morris)


Vorwort

Der erfolglose Schriftsteller James Hayson steckt in einer wirklich blöden Situation – er ist am Tatort eines brutalen Mordes, dem Haus seines alten Klassenkameraden, Intimfeinds und Nachfolger in der Belegung seiner Jugendliebe Monica, Crispin Klein, einem anrüchigen Geschäftsmann, gefangen und ist dringend tatverdächtig. Mit Müh und Not gelingt ihm die Flucht in die Nacht. Verzweifelt versucht er, mit Freunden Kontakt aufzunehmen – seiner Teilzeit-Arbeitgeberin Angela und dem Cop Andy Fell, beides ebenfalls alte Schulbekanntschaften. Ironischerweise ist gerade Fell mit seinem Partner Kent beauftragt worden, den Fall zu knacken. Während James versucht, sich seine Verfolger vom Hals zu halten, entblättert sich in Rückblenden die Kausalkette, die James in seine nicht beneidenswerte Lage gebracht haben. Alles begann vor drei Wochen bei einem Klassentreffen bei Crispin Klein, wo er Monica nach über sechs Jahren erstmals wiedersieht. Monica bringt James absichtlich in eine kompromittierende Situation, wodurch er sich Crispins Zorn ausgesetzt sieht. Mit ein paar Schlägertypen taucht Crispin in James‘ Wohnung auf, demoliert die Bude und James‘ Visage. Als wenig später Monica vorbeischaut, ist James verständlicherweise mies gelaunt, doch Monica offenbart ihm, dass auch sie selbst unter Crispins Tyrannei zu leiden hat. Hastig wird die jahrelang unterbrochene Liebelei wieder aufgenommen – James kann nicht ahnen, dass nicht nur Monica ein doppeltes Spiel spielt…


Inhalt

Nanu, da kommt ein Lebenszeichen von einem, den ich schon längst abgeschrieben hatte… Joaquim „Jack“ Ersgard erschien in grauer Vorzeit, im Jahre 1989, mit einem ambitionierten kleinen Phantastik-Drama namens „The Visitors“ auf der Szene, heimste für das Low-Budget-Debüt gute Kritiken und positive Publikumsreaktionen aus und ging prompt a) nach Hollywood und b) Billigheimer Charles Band auf den Leim, der ihn zügig nach Rumänien weiterschickte, wo Ersgard für Bands Full Moon-Imperium den grützigen Schnarcher „Mandroid“ und dessen überraschend flottes back-to-back geschossenes Sequel „Invisible: The Chronicles of Benjamin Knight“ abdrehte. Da jeder, der „Mandroid“ gesehen hatte, von der Sichtung der Fortsetzung Abstand nahm (mit Ausnahme des Schreibers dieser Zeilen, der beide Filme blind im Paket kaufte, und den Horror-Lexika-Koniferen Bertler und Lieber, in in ihrer Aufklärungsschrift „Hölle auf Erden“ gar nicht realisierten, dass die beiden Filme inhaltlich zusammenhängen), schloss sich die erhoffte große Karriere nicht an – in zehn Jahren realisierte Ersgard grad mal drei oder vier Filme und ein TV-Projekt, und nichts davon errang auch nur die geringste internationale Bedeutung.

Da erstaunt es schon, dass Ersgard uns nun mit einem ziemlich kompetenten Thriller daherkommt, der zwar zweifellos auch nicht gerade auf finanzielle Rosen gebettet wurde, aber dafür verdammt slick aussieht.

Seine Schwächen hat „Rancid“ (der Titel bezieht sich übrigens auf James‘ Einschätzung seines Lebens) im Script, das von Regisseur Ersgard nebst zwei seiner Brüder erdacht wurde. Prinzipiell ist das set-up nicht übel, und die non-lineare Erzählweise wäre zwar dramaturgisch nicht unbedingt nötig gewesen, aber sie erlaubt dem Film, seine set pieces recht gleichmäßig über den Film zu verteilen (der Coverblurb will unbedingt stilistische Verbindungen zu „CSI“ herstellen, aber die erschöpfen sich darin, dass der Hergang der Mordtat im Filmverlauf durch Flashbacks erklärt wird); die ersten zwanzig Minuten gehören sogar zum packenderen Stuff, der sich mir in letzter Zeit vorgestellt hat. Leider geht dem Film unterwegs ein wenig die Puste aus, da die parallele Flashback-Handlung ein wenig vor sich hinplätschert (und streng genommen, MINOR SPOILER VORAUS für die Auflösung des Films nicht wirklich wichtig ist). Je näher wir dem Finale und damit notgedrungen der Lösung des Rätsels kommen, desto mehr tendiert der Film, „too clever for its own good“ zu werden – das Ränkespiel der diversen Charaktere wird teilweise undurchschaubar, um überhaupt irgendwie zum Ende zu kommen, müssen sogar diverse „deus-ex-machina“-Momente bemüht werden (der zweite sogar erst als quasi letzte Dialogzeile, aber wenigstens wird damit ein bis dahin recht fragwürdiges Logikloch zugedeckt), und sogar von der Genfer Konvention längst verbotene Klischees wie „einer der Guten wird erschossen, trägt aber eine kugelsichere Weste und reißt sich im Anschluss das Hemd auf, um die Einschüsse zu inspizieren“ werden herbeizitiert. Ganz geschickt hält der Film relativ lange die Frage offen, WER überhaupt ermordet wurde, aber die letztliche Antwort hierauf lässt die Aktionen eines Charakters (des wahren Täters nämlich) sehr, eh, wenig zweckdienlich erscheinen. Nichtsdestotrotz gewinnt die Story auch und gerade wegen ihrer mittelschweren Verworrenheit ordentlich Spannung (ich war mir zwar zur Filmmitte relativ sicher, wer der Täter ist, wurde aber durch die diversen Twists und Turns heftig verunsichert). Man muss halt damit leben können, dass man, wie Truman Capote in „Eine Leiche zum Dessert“ lästern würde, entscheidende Informationen erst kurz vor Toresschluss erhält. Nicht immer überzeugen können die Dialoge, die manchmal etwas gestelzt wirken (was daran liegen mag, dass die Autoren nicht in ihrer Muttersprache am Werk waren bzw. die Übersetzung aus dem Schwedischen nicht absolut auf Spur lag).

Der Streifen punktet aber weniger über seine Story denn über seine brillante Optik. Ersgard, der mit einer größtenteils schwedischen Crew arbeitete, zaubert im Verbund mit seinem Kameramann Kjell lagerboos herausragende Bilder auf die Leinwand bzw. die Mattscheibe – atemberaubende Kamerafahrten (da hat der Coverblurb ausnahmsweise mal ins Schwarze getroffen) werden en gros serviert, großartige Nacht-Aerials über New York erinnern an Michael Manns ähnlich imposante Bilder aus L.A. in „Collateral“, da wird doch einiger Augenschmaus geboten. Respekt, das hätte ich Ersgard nicht zugetraut. Dramaturgisch hält Ersgard das Niveau nicht ganz – besonders in den Rückblenden wird das eigentlich recht hohe Tempo der Geschichte ordentlich verschleppt, eine Straffung um gut zehn Minuten hätte dem Streifen vermutlich nicht geschadet.

Auch die Freunde ruppiger Effekte kommen auf ihre Kosten – die FX werden dezent, aber wirkungsvoll eingesetzt und rechtfertigen jedenfalls die FSK-16-Freigabe.

Exzellent ist der treibende, energetische Soundtrack von Mikael Sandgren und Trevor Morris, und für die closing credits steuern Lambretta einen feinen Song bei.

Ganz große schauspielerische Namen kann Ersgard sich nicht leisten, aber Matthew Steele ist immerhin einer auf der up-and-coming-Liste – von der Rolle des Killers in „Ich weiß immer noch, was du letzten Sommer getan hast“, hat er sich über die TV-Serie „Band of Brothers“ zu größeren Parts in Major-Produktionen wie „U-571“ hochgearbeitet. Den Loser James bekommt er ziemlich gut hin; er wirkt recht sympathisch, fällt in seinen Charakterszenen nicht ab und liefert insgesamt einen guten Job ab. Currie Graham sah man zuletzt im Remake des Carpenter-Klassikers „Assault on Precint 13“ und bietet hier eine nicht herausragende, aber sachliche Vorstellung eines miesen zwielichtigen Geschäftsmanns ab. Fay Masterson („Eyes Wide Shut“) hat die Herausforderung, als Monica eine Rolle darzustellen, die gleichermaßen berechnend wie zerbrechlich gezeichnet ist und löst die Aufgabe souverän. Als Cop Andy Fell feiern Ersgard-Fans ein Wiedersehen mit dem Bruder des Regisseurs, Patrick, der in praktisch jedem Ersgard-Film eine gewichtige Rolle spielt. Der schlechtesten Schauspieler einer ist er nicht, aber einen Oscar wird er so schnell auch nicht abstauben.

Bildqualität: Jubel, Hurra und Amen, meine Gebete wurden erhört, selten lief eine Sunfilm-Scheibe derart flüssig und problemlos wie diese. Der anamorphe 2.35:1-Widescreen-Transfer ist von erlesener Güte, was bei einem Film, der hauptsächlich auf seine Optik abstellt, schon mal die halbe Miete ist. Die Schärfewerte sind ausgezeichnet, der Kontrast ebenfalls, die Kompression ohne Makel. Der Print selbst ist frei von jeglicher Verschmutzung oder Störung. Sehr schön!

Tonqualität: Drei Tonspuren stehen zur Wahl, die deutsche Synchronfassung Sunfilm-typisch in Dolby Digital 5.1 und dts, der englische O-Ton in Dolby 5.1. Ich habe mich, wie so oft, für die englische Sprachfassung (mit optionalen deutschen Untertiteln) entschieden, die mit ausgezeichneter Sprachqualität und einem sehr angenehmen Musik-/Effekt-Mix voll überzeugen kann.

Extras: Hier herrscht leider Magerkost vor. Außer dem Trailer haben sich nur Biographien für Settle, Masterton und Ersgard auf die Scheibe verirrt (neben der üblichen Trailershow).

Fazit: „Rancid“ ist ein optisch teilweise spektakulärer, ansprechend gespielter Thriller, dem leider im Scriptwriting etwas die Luft ausgeht – irgendwie scheinen die drei Autoren sich ein wenig in den von ihnen selbst gelegten Fallstricken verfangen zu haben und kommen am Ende nur mit aus dem Hut gezauberten Notlösungen wieder heraus. Wäre die Story ein wenig runder, ein wenig stimmiger, und hätte man den etwas gezogenen Mittelteil in den Rückblenden um ein paar Minuten gestrafft, wüsste ich nicht, was gegen eine uneingeschränkte Empfehlung sprechen würde. So aber gibt’s aus den geschilderten Gründen ein paar Abzüge in der B-Note. Joaquim Ersgard aber, den ich eigentlich schon in die „gestrandete Hoffnungsträger“-Schublade einsortiert hatte, beweist recht eindrucksvoll, dass man ihn doch noch auf der Rechnung haben muss. Fans doppelbödiger Thriller und Optik-Gurus sollten reinschauen!

4/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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