Rabies

 
  • Original-Titel: Kalevet
  •  
  • Regie: Aharon Keshales, Navot Papushado
  • Land: Israel
  • Jahr: 2010
  • Darsteller:

    Lior Ashkenazi (Danny), Danny Geva (Yuval), Ania Bukstein (Adi), Menashe Noy (Menashe), Ran Danker (Mikey), Henry David (Ofer), Ofer Schechter (Pini), Liat Harlev (Tali), Yael Grobglas (Shir), Efrat Boimold (Rona), Yaron Motola (Man in overalls)


Vorwort

Mikey, Pini, Adi und Shir, vier Teenager, sind eigentlich auf dem Weg zu einem Tennisturnier, dank der zweifelhaften Kartenleserkünste Pinis haben sie sich allerdings hoffnungslos in den Wäldern (Wälder? In Israel. Color me surprised!) verfranzt. Mitten in der schönsten „wir-kommen-zu-spät-und-du-bist-schuld“-Stimmung springt dem Teeniequartett ein junger Mann vor’s Auto. Der ist zwar blutbesudelt, aber ansonsten noch einigermaßen heile, jedenfalls heile genug, um ihnen seine eigene wilde Story ans Knie zu nageln: seine geliebte Tali (wie wir als Zuschauer erst später erfahren, nicht *nur* seine Geliebte, sondern auch noch seine Schwester… wollen die zukünftige Inzest-Mutanten züchten?) sei in eine Erdloch-Falle geraten und schwebe in akuter Lebensgefahr. Ob die Herrschaften nicht vielleicht hilfreich eingreifen möchten? Nicht völlig davon überzeugt, dass das ’ne wirklich clevere Idee ist, ziehen Mikey und Pini mit Ofer, so heißt der temporär Unbeschwesterte, in den Wald, dieseil die Mädels Adi und Shir die Cops herbeihandyfonieren sollen. Durch den Wald schleicht aber nicht nur der mädchenfangende Tunichtgut im Overall, sondern auch Parkranger o.ä. Menashe (nebst, aber getrennt von Angetrauter Rona), der Tali eher zufällig, aber immerhin, vor dem Overalltypen rettet (auf Kosten seines geliebten Schäferhundes). Was natürlich dazu führt, dass Tali nicht mehr im Erdloch steckt, Ofer auf einer Suchaktion besteht, Mikey und Pini sich ausgesprochen uneins sind, wie, was und warum nun getan werden soll. Den Mädels geht’s eher noch schlechter – Danny und Yuval, die herbeigerufenen Bullen, glauben kein Wort von der Story und speziell der dezent psychopathische Yuval, der bei Shirs Leibesvisitiation gaaanz besonders gründlich vorgeht, macht keinen Hehl daraus, dass er die beiden Schlampen am liebsten festnehmen und flachlegen möchte, Reihenfolge verhandelbar. Ein-zwei Kalamitäten später hat Adi Yuval einen Finger abgeschossen, ist Danny im Streifenwagen ans Lenkrad gefesselt und Yuval rachedurstig auf der Verfolgung der in den Wald geflüchteten Girls. Ein Wald, in dem Mikey und Pini sich mittlerweile mächtig gegenseitig auf den Keks gehen, Ofer Menashe erspäht hat, wie er die bewusstlose Tali wegträgt und überdies zur allgemeinen Erheiterung Bärenfallen und Minenfelder versteckt sind. Das wird noch heiter werden…


Inhalt

Israel. Kann ich also noch ein Land auf meiner imaginären Weltkarte abhaken. Ich hab, ehrlich gesagt, keine Ahnung, ob Israel genrefilmtechnisch irgendeine Tradition hätte, von der man wissen müsste, aber das ist ja bekanntlich auch egal. Für das Writer/Director-Duo Keshales/Papushado stellt „Rabies“, produziert für die schmale Summe von einer knappen halben Million Dollar (IMDb-Schätzung), jedenfalls das Debüt dar.

In Gestalt einer schwarzen Komödie präsentiert sich „Rabies“ als eine Art Horror-Version eines Altman-Films, ein Ensemblefilm, in dem ungefähr vier Handlungsstränge, die sich immer wieder überlappen, parallel laufen und den man grundsätzlich als „Murphy’s Law“-Film interpretieren könnte. Wann auch immer eine Figur etwas tut, kann man davon ausgehen, dass es die schlimmstmöglichen Konsequenzen mit sich bringt. Es ist sicherlich nicht die hohe Schule des Storytelling, die unsere israelischen Freunde hier zelebrieren (zumal’s letztlich, und da hab ich jetzt kein schlechtes Gewissen wegen etwaiger Spoiler, „nur“ darum geht, so ziemlich alle Charaktere auf das Publikum erheiternde Weise um die Ecke zu bringen, oder sollte man ob des geographischen Zusammenhangs hier lieber die „über-den-Jordan-schicken“-Metapher wählen? Ich denke man sollte), aber für den selbstgestellten Anspruch reicht’s.

Egal, ob’s nun der rasch ins Grundsätzliche degenerierende Zwist zwischen Mickey und Pini, Ofers verzweifeltes Bemühen, seine geliebte Tali wiederzufinden, Adis und Shirs Kampf mit dem sexistischen Psychocop Yuval oder Dannys Versuch, irgendwie trotz aller widrigen Umstände noch rechtzeitig nach Hause zu kommen, um eine unpassende Nachricht auf dem Anrufknecht zu löschen, bevor seine Frau sie abhört, alles sind ins Groteske übersteigerte Situationen, die im Zweifelsfalle in einer lustigen Splatterszene zu Lasten der Beteiligten kulminieren. Das ist manchmal bissig, manchmal hemmungslos albern (speziell, da unsere Tenniscracks in ihrem Tennisoutfit, also notwendigerweise kurzen Hosen, durch den Wald pilgern), manchmal richtig fies (da hier auch mal wieder diejenigen ihr Fett abbekommen, die sich aus streng moralischer Sicht nichts zu Schulden haben kommen lassen) und zumeist reichlich unterhaltsam.

Sicher ist „Rabies“ kein Film mit hohen production values – er spielt die längste Zeit im Wald und ist daher nichts für Forst-Allergiker, im Vergleich zu den meisten einheimischen Indie-Filmen, die sich darauf beschränken, ihre Figuren durch die Botanik zu scheuchen, lässt’s „Rabies“ aber nicht an Tempo und lustig-brutalen Einfällen missen (und, SPOILER, die Schlusspointe, dass der böse „Mann im Overall“ der einzige ist, der letztlich mit heiler Haut aus der ganzen Sache herauskommt und das letzte Wort hat, ist durchaus gelungen). Die Schmoddereien erfolgen dabei auf akzeptablem Niveau und sind ruppig genug, um auch den Gorebauern zufriedenzustellen, haben dabei bei aller Härte durchaus eine Funsplatter-Attitüde (problematisch ist höchstens, dass praktisch alle Charaktere ziemliche Nervensägen sind, auch diejenigen, die, wie angemerkt, moralisch „unschuldig“ sind, aber das macht’s dafür aus Zuschauersicht auch einwandfrei tragbar, sich über ihr Ableben mächtig zu beömmeln).

In filmhandwerklicher Sicht werden keine Bäume ausgerissen (man soll sich ja auch nicht an den Kulissen vergreifen, newa?), ich habe sicher schon Indie-Filme, die für vergleichbar viel oder weniger Kohle realisiert wurden, die slicker ausgesehen haben, aber man merkt, dass sowohl vor als auch hinter der Kamera Leute mit Herzblut bei der Arbeit waren, und wenn unsereins realisiert, dass die Beteiligten vielleicht nicht das beste Equipment zur Verfügung hatten, nicht die große Erfahrung haben, aber mit gesundem Spaß und viel Enthusiasmus an der Sache werkeln *und* (das ist der Unterschied zu vielen Amateurschmodderanten, denen ich Spaß und Enthusiasmus nicht absprechen möchte) diese Attitüde dann auch ins Endprodukt retten, kann man über die ein oder andere technische Unzulänglichkeit auch mal hinwegsehen.

Große Schauspielerschelte will ich jetzt auch nicht loswerden – zum einen sind die Kämpen hierzulande ja völlig unbekannt, zum anderen ist ein Splatterspaß ja jetzt auch nicht die Bühne für große Thespiskunst. Es zahlt sich aber schon aus, dass zumindest einige Aktive ein gerüttelt Maß Film- oder TV-Erfahrung mitbringen – Lior Ashkenazi („Hochzeit wider Willen“, „Übers Wasser wandeln“) und besonders Danny Geva als Cop-Duo leisten im Genrekontext durchaus beachtliches, Ania Bukstein („The Secrets“) und Yael Grobglas machen als die beiden ungleichen Mädchen auch viel Spaß und auch Ofer Schechter und Ran Danker müssen sich für ihre Leistungen nicht schämen.

Fazit: Es muss nicht immer Kaviar bzw. große hohe Filmkunst sein – für den anspruchslosen Splatterspaß ist im Fall des Falls immer noch ein Plätzchen frei gewesen, und selbst ohne den Exotenbonus hat man mit „Rabies“ schon ’ne solide Fuhre Spaß. Man wird sich vermutlich nicht über Jahre mit Freudenpipi in den Augen dran erinnern, kurzweiliges, blutiges Entertainment ohne Tiefgang darf aber eben auch mal ohne lange Halbwertzeit auskommen. Ein netter Snack für Zwischendurch, ohne großen Nährwert, aber eben auch flott, lustig und schön böse. Warum auch nicht?

tl’dr-Version: Lustiger sterben im israelischen Mischwald.

3/5

(c) 2011 Dr. Acula


mm
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