Quiet Earth – Das letzte Experiment

 
  • Deutscher Titel: Quiet Earth - Das letzte Experiment
  • Original-Titel: The Quiet Earth
  •  
  • Regie: Geoff Murphy
  • Land: Neuseeland
  • Jahr: 1985
  • Darsteller:

    Bruno Lawrence (Zac), Alison Routledge (Joanne), Pete Smith (Api)


Vorwort

Zac Hobson wacht eines schönen Morgens auf und muss feststellen, dass er offensichtlich der letzte Mensch auf Gottes Erdboden ist. Der Rest der Menschheit hat sich in Luft aufgelöst und nur ein gepflegtes Chaos aus Autounfällen, abgestürzten Flugzeugen etc. hinterlassen. An seinem Arbeitsplatz, einem Geheimlabor, entdeckt Zac die grauenhaft verunstaltete Leiche eines Kollegen und beginnt zu mutmaßen, dass „Operation Flashlight“, das Projekt, an dem er arbeitete, möglicherweise leicht schief gelaufen sein könnte. Aber das ist ihm relativ egal, er hat momentan andere Sorgen, nämlich die Anpassung an das Leben als einsamer Überlebender. Nachdem er sich einige Jugendträume wie das Lokführern erfüllt und eine Konsumorgie durchgezogen hat, naht der Wahnsinn auf leisen Sohlen. Zac zieht sich Frauenklamotten an und hält Pappmaché-Hitlers und Nixons im Vorgarten wirre Reden. Gerade rechtzeitig bekommt sein Verstand aber die Kurve – kaum hat er sich generalüberholt und ist in eine schicke Villa umgezogen, platzt auch schon die hübsche Joanne in sein trautes Domizil. Die Freude ist groß – zumal das ein Arrangement ist, mit dem man(n) einen Weltuntergang schon mal begeistert akzeptiert, speziell, wenn man vor der globalen Katastrophe nicht gerade ein renommierter Schürzenjäger war. Könnte also alles wunderbar sein, wenn sich nicht zwei Dinge ereignen würden: das Auftauchen eines dritten Überlebenden, des jungen Maori Api, das umgehend starke Spannungen, speziell zwischen den beiden Männern, auslöst, und die sich ankündigende Wiederholung des menschheitsauslöschenden „Effekts“. Aus der Entdeckung der Antwort auf die Frage, warum unsere drei Helden eigentlich überlebt haben, folgt zwangsläufig die Erkenntnis, dass Zac über den „Effekt“ und seine Ursache mehr weiß, als er zugeben wollte…


Inhalt

Es gab in Neuseeland ein Kino-Leben vor Peter Jackson – ob man es glaubt oder nicht. Einer der größten Erfolge des neuseeländischen Kinos war dann auch „The Quiet Earth“, ein leises postapokalyptisches Drama, das subsequenterweise seinem Regisseur Geoff Murphy den Weg nach Hollywood ebnete (wo er u.a. „Freejack“ und „The Last Outlaw“ inszenierte). Speziell die memorable Schlussszene hat sich in so manches Gedächtnis eingebrannt (im Gegensatz zum Filmtitel, denn der gehört traditionell zu den meist-nachgefragtesten in aller Herren Filmforen) – Danny Boyle hingegen orientierte sich lieber am Filmauftakt und klaute die ersten zehn Minuten quasi direkt (inklusive der full frontal male nudity) in seinen es-sind-keine- Zombies-sondern-Infizierte-Schocker „28 Days Later“. Da der Streifen sich über die Jahre nicht nur zu einem ordentlichen kommerziellen, sondern auch Kritiker- und Fan-Erfolg mauserte, ist es schon ein wenig verwunderlich, dass es bis zu einem amtlichen DVD-Release bis heute (d.h. bis Juni 2006) gedauert hat. Anchor Bay hat sich schlussendlich der Sache angenommen, zu den technischen Aspekten wie gewohnt an üblicher Stelle.

Die Story, basierend auf einem Roman des neuseeländischen SF-Autors Chris Harrison (wobei der hauptamtliche Drehbuchautor Sam Pillsbury die eigentliche Ursache der Katastrophe dankenswerterweise von gentechnischen Spielereien an Fruchtfliegen hin zu vage erklärter Anzapfung kosmischer Energien änderte), ist natürlich ein enger Verwandter der klassischen Post-Doomsday-Filme wie „Die letzten Fünf“, „Die Welt, das Fleisch und der Teufel“ etc. pp. Wo die „Klassiker“ aber gerne noch spekulative externe Bedrohungen wie Mutanten u.ä. auspackten (Ausnahme: der schon erwähnte „Die Welt, das Fleisch und der Teufel“ mit einem jungen Harry Belafonte, der sich als verkapptes Anti-Rassismus-Stück präsentierte), konzentriert sich „The Quiet Earth“, neben seiner nicht wirklich subtil aufgetragenen und mit einer Prise kaum verhüllten und völlig beabsichtigten Anti-Amerikanismus garnierten „großen“ Anti-Atom-Message (in kaum einem Land der Erde ist die Anti-Atomkraft-Bewegung so felsenfest im kollektiven Bewußtsein der Bevölkerung verankert wie in Neuseeland), auf die glaubhaften psychologischen Reaktionen eines potentiellen Weltuntergangs-Überlebenden, exemplarisch festgemacht an der zentralen Figur des Zac – ein gesellschaftlicher Außenseiter, ohne Freunde und Familie, der an seiner (Mit-)Schuld schon VOR der Katastrophe schwer zu knabbern hat, scheint ihm das Schicksal post-doomsday überraschend hold zu sein. Nachdem er sich mit der Situation abgefunden und das Abgleiten in den Wahnsinn verhindert hat, gelingt ihm sogar die ultimative Erfüllung – er findet eine Frau. Doch sobald sich mit Api ein junger, viriler Nebenbuhler (und, auch das durchaus beabsichtigt, in Erfüllung der finstersten Alpträume eines weißen Mannes, ein Farbiger noch dazu) einstellt und die Frau wieder eine Auswahl hat, ist Zac sexuell wieder abgemeldet; er ist wieder der Außenseiter, das fünfte Rad am Wagen.

Das Script zeichnet diese Phasen eindrucksvoll nach – der beste Part des Films ist zweifellos der erste Akt, in dem Zac noch alleine durch die verlassenen Städte streift (und in der der Film naturgemäß weitgehend ohne Dialoge auskommt). Writer Pillsbury gibt durchaus zu, dass Story und Film anschließend nachlassen, aber, wie er sich ausdrückt „fiel uns einfach nichts mehr ein, was Zac noch alleine hätte machen können“, also mussten zwangsläufig zusätzlich Charaktere her, um dem Film Dynamik zu verleihen (übrigens waren sich lustigerweise nach Drehschluss alle Beteiligten ziemlich sicher, einen kolossalen Flop fertiggestellt zu haben und waren dementsprechend überrascht, wie gut „Quiet Earth“ dann doch noch lief). Und „schlecht“ wird’s eh nicht – der Kunstgriff der neu auftauchenden Figuren verhindert, dass „Quiet Earth“ sich noch vor der Halbzeitmarke tot läuft, und ehe der Streifen in ein „gewöhnliches“ Beziehungsmelodram umschlagen kann, erinnert das Script sich dann an seine SF-Geschichte und baut für den Schlussakt ein, trotz der halbseidenen Erklärungen, funktionierendes Spannungsszenario auf (in dem allerdings einige der fragwürdigeren Szenen des Films zu finden sind – so z.B. eine Liebesszene zwischen Api und Joanne zur definitiven Unzeit). Ein großes Plus sind die glaubhaften, nie überzeichneten Charaktere, deren Konflikte untereinander sich nicht konstruiert-gewollt, sondern nachvollziehbar entwickeln.

Regisseur Geoff Murphy, der in Hollywood mit „Freejack“ einen sehr FX-lastigen SF-Film abliefern sollte, kommt in „Quiet Earth“ ohne großangelegte Special FX und rasante Action aus (auch wenn man sich eine Autoverfolgung nicht verkneifen konnte). Die wenigen Effekte sind technisch schlicht, aber eindrucksvoll (bis auf die Prosthetic-Leiche, die nicht nur ein Plothole an sich darstellt, sondern auch anno 1985 nichts anderes als lächerlich war). Murphys Regiestil an sich ist bedächtig – er lässt Bilder sprechen und verzichtet auf selbstzweckhafte Mätzchen. Einige der provokanteren Ideen des Films (so z.B. der Umstand, dass Zac für eine gewisse Zeit in einem Damen-Unterkleid rumläuft, ebenso die Szene, in der Zac Gott „herausfordert) stammen von Murphy selbst und verfehlen ihre Wirkung nicht. Kameramann James Bartle gelingen eindrucksvolle Bilder der verlassenen Städte (manch einer wird jetzt wieder behaupten, das wäre ein Selbstgänger…) und der gefühlvolle Score von John Charles findet die richtige Mischung aus Pathos und leisen Tönen.

Ohne adäquate Schauspieler wäre ein Film wie „The Quiet Earth“ natürlich aufgeschmissen, aber er hat sie ja. Bruce Lawrence, im neuseeländischen Film zumeist als hemdsärmeliger Arbeitertyp besetzt und damit hier völlig gegen sein Image anspielend, wurde für seine Darbietung als zerrissener intellektueller Outsider mit einem der acht neuseeländischen „Oscars“, die „Quiet Earth“ kassierte, bedacht und das, auch wenn ich mir vorstellen könnte, dass die Konkurrenz nicht gerade historisch zu nennen gewesen sein dürfte, völlig zurecht. Lawrence agierte u.a. auch in Murphys couragiertem historischen Rassismus-Drama „UTU“, dem Horrorfilm „Death Warmed Up“ und der neuseeländischen „Mad Max“-Variante „Der Kampfkoloss“ von Harley Cokliss (quasi am entgegengesetzten Ende der Post-Doomsday-SF-Qualitätsskala angesiedelt). Alison Routledge, quasi eine neuseeländischer Nicole-Kidman-Klonversuch, legte trotz ausgezeichneter Performance keine große Kinokarriere hin. 1990 sah man sie in dem mir unbekannten Horrorstreifen „The Returning“, danach legte sie eine zehnjährige Auszeit ein und ist erst seit wenigen Jahren wieder im Geschäft. Pete Smith, der ohne Filmerfahrung quasi „von der Straße“ gecastet wurde (wie Pillsbury sich im Audiokommentar erinnert, fragte man Smith, ob er denn schon einen neuseeländischen Film gesehen habe. Smith antwortete, ja, „Goodbye Pork Pie“ zur Hälfte, als er sich auf der Flucht vor der Polizei in einem Kino versteckt habe), schaffte mit „The Quiet Earth“ den Karrieresprung vom Gelegenheitskriminellen zum Schauspieler, war u.a. in „Das Piano“ und „Die letzte Kriegerin“ (vom späteren Bond-Regisseur Lee Tamahori, bei „Quiet Earth“ assistant director) und „Rapa Nui“ zu sehen und 2003 immerhin noch Ork in der „Rückkehr des Königs“. Smith bringt, wie erhofft, sowohl schauspielerisches Talent als auch die erhoffte Natürlichkeit des Nichtgelernten mit.

Bildqualität: Anchor Bay präsentiert den Film in anamorphem 1.85:1-Widescreen und hat sich bei der Restauration des Bildmaterials durchaus Mühe gegeben. Sicherlich ist das kein High-End-Transfer, der jeden Beamerbesitzer in Ekstase versetzen wird, aber es geht schwer in Ordnung. Das Bild ist insgesamt leicht auf der soften Seite und könnte in Punkto Kantenschärfe etwas zulegen, ein minimalstes Bildrauschen ist zu bemerken, aber nicht störend, dafür ist der Transfer aber frei von Verschmutzungen, Artefakten oder Defekten. Kontrast und Kompression bieten keinen Anlass zur Klage.

Tonqualität: Anchor Bay gehört erfreulicherweise zu den Labels, die sich zwanghafte Surround-Aufmöbelungen per Upmix oder Split grundsätzlich sparen und so kommt „Quiet Earth“ ausschließlich mit dem englischen 2.0-Surround-Ton daher, was für den Film, der nun ganz gewiss kein brachiales Soundgewitter veranstaltet, auch völlig angemessen ist. Der Dialogton ist leicht auf der knarzigen Seite, dafür ist die Tonspur rauschfrei.

Extras: Leider scheint sich Anchor Bay mit der Produktion des extrem schicken Steelbooks verausgabt zu haben – das Bonusmaterial ist nicht gerade rekordverdächtig umfangreich. Neben dem Trailer und einem achtseitigen, etwas großspurig als „collecticble“ angepriesenen Booklet von bescheidenem Informationswert findet sich wenigstens noch ein informativer und anekdotenreicher Audiokommentar von Co-Autor und -Produzent Sam Pillsbury (der später als Regisseur u.a. „Knight Rider 2010“ und „Free Willy 3“ verbrach – auch ’ne Karriere). Statements von Geoff Murphy oder den noch lebenden Darstellern (Bruno Lawrence ist leider zwischenzeitlich verstorben) hätten sich zwar angeboten, fehlen aber leider. US-typisch gibt’s Untertitel leider nur für Closed-Caption-Decoder- Besitzer.

Fazit: Von mir ein wirklich objektives Urteil über „The Quiet Earth“ zu erwarten, ist ziemlich unfair – ich habe den Film vor 20 Jahren im Kino gesehen und halte ihn seitdem für einen der größeren Würfe des zeitgenössischen SF-Films. Mag sein, dass er manch einem zu metapysisch-verschwurbelt ist, weil er sich vor definitiven Erklärungen drückt, aber das ist auch nicht der Anspruch des Films – „hard science“ interessiert „The Quiet Earth“ nicht. Vielmehr funktioniert der Streifen sowohl als bedrückende (wenn auch „getarnte“) Atomkriegswarnung als auch, primär, als packendes Psychodrama. Wer von seiner SF-Kost mehr erwartet als nur vordergründige Effekte und viel Remmidemmi, der dürfte mit diesem ruhigen Genrevertreter seine Freude haben. Der Rest soll dann halt „Freejack“ kucken…

5/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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