Pyro… The Thing Without a Face

 
  • Original-Titel: Fuego
  • Alternative Titel: Fire | The Phantom of the Ferris Wheel |
  • Regie: Julio Coll, Luis Garcia
  • Land: Spanien/USA
  • Jahr: 1964
  • Darsteller:

    Barry Sullivan (Vance Pierson), Martha Hyer (Laura Blanca), Luis Prendes (Police Inspector), Sherry Moreland (Verna Pierson), Fernando Hilbeck (Julio), Soledad Miranda (Liz Frade), Carlos Casaravilla (Frade)


Vorwort

Vince Pearson, ein englischer Ingenieur, reist mit seiner Familie, seinem braven Hausfrau-Eheweib und seiner Tochter, nach Spanien, um dort an einem Wasserkraftwerk zu arbeiten. Beim House-Hunting entdeckt der gute Mann eine interessante Immobilie in einem verlassenen Dorf, die allerdings gerade im Begriff ist, von ihrer aktuellen Eigentümerin, Laura Blanco, abgefackelt zu werden. Vince redet ihr die kleine Brandstiftung aus und bietet an, a) das Haus zu kaufen und b) ihr Geliebter zu werden, obwohl er beinahe ihr Opa sein könnte.

Die Affäre mag dem Männlichkeitsbewusstsein des alternden Ingenieurs dienen, beschädigt aber, Überraschung, sein Familienleben und wirkt sich aufgrund schlafloser Nächte, die er bei Laura verbringt, auch auf die Arbeit aus – weil er im Halbschlaf über die Baustelle torkelt, wird er beinahe versehentlich in die Luft gesprengt. Vince, der sich absolut darüber im Klaren ist, dass die Affäre ziemliche Grütze ist, macht am Silvesterabend Nägel mit Köppen und mit Laura Schluss. Die scheint das zunächst recht gefasst aufzunehmen, doch eine achtlose Bemerkung Vinces, wonach er sich schon vorstellen könnte, Laura zu heiraten, wenn da nicht seine doofe Familie wäre, lässt in ihr ein Vorhaben reifen.

Naja, und schon wenig später steht Pearsons Haus in Flammen, Weib und Kind kommen in dem Inferno um und Vince selbst, der versucht, seine Familie zu retten, landet mit schwersten Verbrennungen am ganzen Körper im Krankenhaus. Vinces Assistent Julio, der Laura aus eigener Anschauung kennt und auch über die Affäre Bescheid wusste, verdächtigt sie der Brandstiftung, doch es fehlen konkrete Beweise.

Laura ist einigermaßen gewissensgepeinigt und schleicht sich, tränenreiche Entschuldigung im Sinn, ins Hospital, wo ihr der angekokelte Vince versichert, sich, sobald wieder einigermaßen bei Kräften, an ihr und ihrer Familie ganz fürchterbar rächen zu wollen. Laura geht angemessen geschockt mit ihrer Tochter Isabell in den Untergrund, und Vince bricht wenig später aus dem Krankenhaus aus und verschwindet ebenfalls auf Nimmerwiedersehen.

Einige Zeit später fackelt das Haus von Lauras Mutter ab, mit derselben und ihrem Hausmädchen drin. Die Polizei nimmt die praktisch schon eingestellten Ermittlungen nach Vinces und Lauras Verbleib wieder auf. Dieweil hat bei einem reisenden Rummel ein Ausländer namens Peter angeheuert, der sich erstaunlich gut mit technischen Dingen auskennt und in den sich die Tochter des Rummelbesitzers, Liz, trotz des immensen Altersunterschieds verliebt. Ein Zufall führt Isabel auf den Rummel und direkt in Peters Arme, und unbefangen erzählt das kleine Mädchen ihm, wo sie mit ihrer Mutter wohnt, justament ungefähr gleichzeitig, als die Polizei und Julio Lauras akuten Aufenthaltsort ermitteln. Wer wird zuerst dort eintreffen – die rettende Gesetzesmacht oder doch der rachedurstige Vince in der Maske von Peter?


Inhalt

Ein weiteres Fundstück meiner Entdeckungsreise durch die Niederungen von amazon prime. Wer bei einem Troma-Team-Release irgendwelchen durchgeknallten Horrorschmu oder Splattercomedy erwartet, liegt hier falsch, denn „Pyro“ ist nicht mal ein Horrorfilm, sondern ein Thriller im Hitchcock-Stil mit dem gewissen Euro-Touch. Verantwortlich dafür zeichnet Produzent Sidney J. Pink, ein amerikanischer B-Mogul, der dafür bekannt war, in Europa produzieren zu lassen, so finanzierte er z.B. auch den dänischen Monsterschinken „Reptilicus“, der sich über die Jahre ein beträchtliches cult following erarbeitet hat.

„Pyro“ ist weniger kurios, hat aber seine Momente, und deutet manchmal ganz vorsichtig leise an, in welche Richtung sich der Eurohorror in den 60ern und 70ern noch entwickeln sollte. Es ist ein Stoff, den man sich ganz grundsätzlich z.B. auch in den Händen von Jess Franco hätte vorstellen können, auch wenn der natürlich mit ganz anderen, ähm, künstlerischen Mitteln an die Sache herangegangen wäre. Julio Coll, dessen im deutschen Sprachraum bekanntestes Werk der Eurospy-Actioner „Sechs Pistolen jagen Professor Z“ sein dürfte, ist ein deutlich konventioneller Regisseur, der die Möglichkeiten an Sleaze und Exploitation, die ihm die Story bieten würde, ignoriert und deutlich mehr an Suspense im Hitchcock-Stil interessiert ist.

Die Geschichte selbst ist gar nicht verkehrt – die erste Hälfte nimmt quasi „Eine verhängnisvolle Affäre“ vorweg. Natürlich muss sich ein solider Mittfuffziger wie Vince (mit einer langweiligen Ehefrau gestraft) geschmeichelt fühlen, wenn eine deutlich jüngere attraktive Frau auf ihn abfährt – auch wenn der meet-cute von Vince und Laura schon sehr, äh, speziell ist und auf der Glaubwürdigkeitsskala knapp vor einer morgigen Godzilla-Attacke in Castrop-Rauxel rangiert. Naja, und Chemistry ist auch etwas anderes als das, was zwischen Barry Sullivan (zweite Wahl nach dem ursprünglich vorgesehen Vincent Price, dem ich die Rolle eher abgenommen hätte) und Martha Hyer herrscht. Immerhin entwickelt sich die Story recht schlüssig dank Vinces ständigen Gewissensbissen und dem foreshadowing, dass Laura ein etwas zu inniges Verhältnis zum Thema Brandstiftung pflegt…

Die zweite Hälfte dient dann der Rachegeschichte, in der Vincent/Peter es Laura in gleicher Münze und mit gleicher Methode heimzuzahlen gedenkt und nebenher noch eine Liebelei mit der zuckersüßen, aber noch nicht zur Jess-Franco-Sexbombe mutierten Soledad Miranda abwehren muss (ich hab die dumpfe Befürchtung, mir wird so etwas im Alter eher nicht passieren. Seufz). Das ist dann alles zwar recht sauber inszeniert und geschrieben, aber auch sehr by-the-numbers und ohne große Überraschungen (wen wird’s wundern, dass Vince bei seiner großen Schlussrache Skrupel bekommt und Isabel nicht den Flammen überlässt), und da der Streifen zudem noch als Flashback-Movie aus der Sicht Julios dargeboten wird, kann auch das melodramatische Ende niemanden mehr schocken, da man’s uns bereits zu Beginn serviert hat.

Barry Sullivan, einer der zahlreichen US-Schauspieler, die im B-Western und -Actionfilm sowie im Fernsehen ein geregeltes Auskommen hatten, aber es noch mal in Europa probierten (u.a. zu sehen in „Mohn ist auch eine Blume“ und Bavas „Planet der Vampire“), gibt sich redlich Mühe, aber die Rolle passt nicht wirklich zu ihm, ihm fehlt der nicht wegzudiskutierende Charme, den eben Vincent Price ausstrahlte, und der es glaubwürdiger gemacht hätte, dass gleich zwei jüngere Frauen ihm mehr oder weniger verfallen. Martha Hyer, auch eine gut beschäftigte Charakterdarstellerin (u.a. in „Hausboot“, „Die Söhne der Katie Elder“ oder „Sabrina“) hat ein ähnliches Problem, allerdings ist es bei mehr der Charakter, der dermaßen unlikeable geschrieben ist, dass es mir ein Rätsel ist, wie ein Verstandesmensch wie Vince sie für mehr als einen one-night-stand halten kann. Sherry Moreland (Marsianerin in „Rakete Mond startet“ und eine der verlorenen Frauen in „Mesa of the Lost Women“) hat als geplagte Ehefrau nicht viel zu tun, der spanische Routinier Luis Prendes („König der Könige“, „Alien Predator“, „Tuareg“) als namenloser Polizeiinspektor und Fernando Hillbeck („Das Leichenhaus der lebenden Toten“, „Der Exorzist und die Kindhexe“) agieren auf solidem Euro-Niveau, wobei beider Rollen letztlich nicht viel zur Geschichte beitragen, sondern eher als Repräsentanten des Zuschauers kommentieren.

An Horror-Effekten gibt’s nicht grad viel – wer sich vom Poster oben links zumindest zünftiges Make-up erwartet (der Film ist im Gegensatz zum Poster in Farbe)… Sullivan ist vielleicht fünfzehn-zwanzig Sekunden im vollen Make-up zu sehen, und diese Sekunden sind die einzigen, in denen der Film einer gruselwilligen Crowd ein wenig entgegenkommt. Auch die Rummelplatz-Atmosphäre wird von Coll nicht weiter genutzt, es ist einfach ein Schauplatz, der im Drehbuch stand, aber nicht dafür eingesetzt wird, selbst etwas zum Feel des Films beizutragen.

Fazit: ein konventionell gestrickter, solide inszenierter Rachethriller, der mit einem etwas besser aufeinander abgestimmten Hauptdarstellerpärchen besser funktionieren würde. Nicht wirklich schlecht, aber auch nicht wirklich aufregend. Soledad-Miranda-Fans mögen ob eines frühen, aber für den Film selbst auch eher unbedeutenden Auftritts des stellaren Starlets mal reinschauen.

2/5
(c) 2016 Dr. Acula


mm
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