Pyaasi

 
  • Original-Titel: Pyaasi
  • Alternative Titel: Pyaasi Bhootni |
  • Regie: Kanti Shah
  • Land: Indien
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Sapna, Amit Pashori, Anil Nagrath, Joginder, Vinod Tripathi


Vorwort

Das wird mal wieder etwas schwieriger… wie den meisten obskuren Käse aus Bollywoods Hinterhöfen gibt’s „Pyaasi“ nur in Hindi ohne Untertitel zu sehen, und im Gegensatz zu Darwaza hat dieser Film nicht mal einen IMDb-Eintrag mit hilfreichen User-Kommentaren (genau genommen hat der Film *gar keinen* IMDb-Eintrag). Normalerweise bin ich zwar ganz gut darin, auch aus in fremdländischen Zungen vorgetragenen Lichtspielwerken zumindest ungefähr die inhaltliche Essenz zu destillieren, aber „Pyaasi“ macht’s einem da nicht leicht. Versuchen wir also unser Glück und weisen darauf hin, dass die Inhaltsangabe ohne jegliche Gewähr dafür ist, mit dem tatsächlich intendierten Storygehalt auch nur rudimentär etwas zu tun zu haben.

Ein indischer Swami o.ä., der in einer fürstlichen Villa nahe eines Friedhofs (übrigens sicherlich des schönsten Friedhofs seit Plan 9 From Outer Space) residiert, wird von einem gräßlichen Dämon (ein Monster im Gorillakostüm, dem man das Hindi-Äquivalent einer alemannischen Fassnachtsmaske auf die Rübe geschraubt hat) angegriffen und getötet-und-oder-in-ein-ebensolches Monstrum transformiert. Jedenfalls geht das Affenmonster von Stund an auf dem Friedhof und, so sich die Gelegenheit bietet, in der Villa seinem Handwerk nach, welches wenig überraschenderweise darin besteht, jeden zu meucheln, der dort absichtlich oder versehentlich lebenden Fußes vorstellig wird.

Anderswo gibt es offensichtlich zwischenweiblichen Zores, ausgetragen von Sapna, der heißen Tochter des örtlichen Polizeiobergeneralwachtmeisterkapitäns, und einer noch heißeren (und durchaus da kurvigen, wo’s Männern gefällt) Braut, die, so mich mein Holzohr nicht trübt, auf den typischen Hindi-Namen Chantal hört (jaja, das kann auch „Shanti“ heißen. Ich brauch Chantal aber noch für einen Gag…). Was genau der Anlass für die Verstimmungen ist, vermag ich mangels Sprachkenntnissen nicht entscheidend zu klären – jedenfalls aber scheint Chantal bereits in diesem Stadium mit finsteren übernatürlichen Mächten im Bunde zu sein und in Fällen akuter Langeweile ihre jeweils aktuellen Liebhaber abzumurksen. Man braucht seine Hobbys.

Durch die mir erwähntermaßen unbekannte Verbindung zwischen den beiden Schnuckis gelingt es Daddy Polizeiadmiralchef augenscheinlich, Sapna als Lockvogel einzusetzen und dat Schantall hinter indische Gardinen zu bringen, was bei Chantibaby begreiflicherweise eher unpopulär ist. Da man in Indien offenbar alle eingekäschten Mörder erst mal ohne größere Bewachung in ein Hospital verbringt, gelingt Chantal die Flucht relativ unproblematisch.

Auf dem bewussten Friedhof konfrontiert Chantal Sapna, die gerade von einer Party kommt (Memo: Abkürzungen über Gebeinstätten waren noch in keinem Horrorfilm dieses Universums eine gute Idee). Sapna gelingt es, ihre Party-Freunde zu alarmieren, die, als Chantal einen Dolch zückt, aufgrund zahlenmäßiger Überlegenheit für swift indian justice plädieren und Chanti fernab jeder Notwehr mit ihrem eigenen Dolche abmurksen (dass man ihr vorher noch die Bluse aufreißt, soll bei der Zahmheit, die Bollywood in Sachen Sex & Violence an den Tag legen muss einerseits und der zuletzt international berüchtigten indischen Mentalität andererseits, wohl nahelegen, dass die Jungs zuvor noch die Gelegenheit für eine kleine Gangbangparty witterten).

Dank ihrer von mir vermuteten okkulten Kräfte und des Umstands, dass auf dem Friedhof ja eh ein Monster umgeht, kehrt die hastig Verbuddelte alsbald ins Reich der Lebenden zurück, um sich gar grausam an ihren Mördern zu rächen, wobei ihr zupass kommt, dass sie nunmehr auch noch shapeshiften und sich bei Bedarf in das Affenmonster transformieren kann. Für den ersten Racheakt bedient sie sich noch eines recht elaboraten Planes – sie bringt die Freundin eines ihrer Mörder um und befördert den so aufgrund chronischen Verdachts hinter Gitter (bzw. in das bereits erwähnte Spital), wo sie ihn dann selbst umlegt.

Der Rest der Blase ist fällig, als er sich – warum auch immer – für ein lauschiges Wochenende mitsamt jeweiligen Partnerinnen (d.h. auch inklusive Sapna) in der friedhofsbenachbarten Villa versammelt, wo der Haufen selbstredend easy pickings für ein klauenbewehrtes Monster ist. Am Ende muss es dann doch Sapna richten…


Inhalt

Indische Genre-Filme sind bekanntlich meistens „something else“ – was daran liegen mag, dass die großen Bollywood-Studios nur selten ihre Fingerkuppen in die Horror-Brühe tauchen (eher mal wagen die sich an Science fiction oder Superhelden-Krams, allerdings gerade auch eine aktuelle und offenbar recht großbudgetierte „Dracula“-Adaption – sogar in 3D – erstanden, mit der ich mich demnächst mal befassen werde), und das durchaus vorhandene Bedürfnis der einheimischen Bevölkerung nach, ähm, blutrünstiger Unterhaltung mehr oder weniger kampflos mehr oder weniger talentierten B-Produzenten und -Regisseuren überlassen (und da besonders den Vertretern der diversen regionalen Filmzentren – „Bollywood“ beschreibt ja, wenn man’s genau nimmt, nicht die gesamte indische Filmindustrie, sondern nur das, was in den großen Studios von Mumbai erzeugt wird). Zu den Ramsays, der wohl führenden Horror-Dynastie des Subkontinents, hab ich mich schon im „Darwaza“-Review ausgelassen, heute reden wir mal über Kanti Shah, der seit gut 20 Jahren im Geschäft ist und sich auf Horror und Sex (soweit man in Indien von „Horror“ und „Sex“ reden kann, auch bei gutem Willen seitens der Filmemacher sind sie halt gesellschaftlichen Zwängen ausgesetzt, die ziemlich genau festlegen, was „akzeptabel“ ist und was nicht) spezialisiert hat, gerne mit seinem Lieblingsstarlet Sapna in der Hauptrolle.

„Pyaasi“ (vermutlich identisch mit „Pyaasi Bhootni“) stammt aus dem Jahre 2003 und sieht, wie es für Low-Budget-Kram aus Indien gute Sitte ist, aus wie aus 1963. Mit 82 Minuten ist das Ding geradezu echauffierend kurz (ich bin wirklich sicher, dass eine solche Laufzeit in Indien als Kurzfilm durchgeht) und beinhaltet nur eine einzige Musical-Nummer, die auch noch dadurch „gedeckt“ ist, dass die Protagonisten da gerade eine Party feiern und sich selbst durch Gesang und Tanz bespaßen (der Haken an dieser Nummer ist, dass die musikalische Begleitung verdächtig nach 39-Euro-Casio-Keyboard klingt. Trio klangen voluminöser). Nichtsdestotrotz packen Shah und seine Genossen durchaus genug Plot für einen soliden Dreieinhalbstünder in die knappe Laufzeit – vor allem der erste Akt, der versucht, sowohl die Backstory des Affenmonsters als auch das Beziehungsgeflecht der diversen Protagonisten zu etablieren, ist das wohl hektischte und zusammenhangloseste, was sich seit dem Opening von Turkish Star Wars vor meinen entzündeten Pupillen absielte. „Pyaasi“ ist generell ein Film, der keine Sekunde lang zur Ruhe kommt und IMMER noch einen unnötigen Schnitt oder einen hämmernden Score drauflegt, ganz egal, ob sich die Charaktere in der entsprechenden Szene vielleicht nur über’s Wetter unterhalten, aber diese Auftaktphase ist geradezu bilderbuchmäßig undurchschaubar. Figuren, die wir nie kennen lernen, tauchen auf, werden abgemurkst, Konsequenzen gibt’s scheinbar keine (ich war z.B. relativ lange sicher, Sapna und ihre ominöse Rivalin wären die aufgewachsenen Babys eines Paares, das in diesem Opening Act vom Monster ermordet wird – was eine gewisse geschwisterliche Verbindung einerseits verständlich machen würde, andererseits aber auch erklären würde, warum Sapna, vom Polizeichef gerettet, ein anständiges Mädchen wurde und Chantal unter der Fuchtel des Monsters ihre übernatürlichen Kräfte entwickelt. Allerdings scheint der Film vom Zeitablauf her nahezulegen, dass sich die geballten Ereignisse des Films über zwei oder drei Tage ziehen, mithin also kein Zwanzig-Jahres-Zeitsprung zwischen dem ersten Auftauchen des Monsters und dem Einsetzen der, hämpt-hämpt, Handlung liegt. Wiederum andererseits ist es, siehe „Darwaza“, bei Hindi-Horror auch nicht unbedingt vorauszusetzen, dass wir einen solchen Zeitsprung als Zuschauer notwendigerweise mitbekommen würden, also KANN meine Theorie durchaus doch noch hinhauen)… was uns nahtlos (da ich mich mit Plot, Charakterisierungen – abseits der Feststellung, dass man angesichts der Kaltblütigkeit, mit der unsere „Helden“ Chantal umbringen, nicht unbedingt mit den Genossen fraternisiert; auch wenn Chantal schon vorher eine Killerin ist, ich glaube, man ist überwiegend auf ihrer Seite, beabsichtigt oder nicht – und Dialogen aus bekannten Gründen nicht weiter aufhalten kann) zum Filmhandwerk bringt.

Oioioi, ist das Ding ein technisches Schlachtefest – ich bin es von indischer B-Ware durchaus gewohnt, dass da die grobe Kelle regiert und dramaturgische, inszenatorische und visuell gestalterische Feinheiten als überflüssiger Zierrat betrachtet werden, aber „Pyaasi“ lässt sich wirklich maximal mit dem schon erwähnten „Turkish Star Wars“ vergleichen, mit dem feinen Unterschied, dass die Inder ihren Kram wenigstens komplett selbst drehen. Praktisch alles, was im Filmhochschulhandbuch unter „BLOSS NICHT MACHEN!!!ELF!“ steht, zelebriert Kanti Shah als gäbe es kein Morgen. Szenen werden durch überflüssige Zwischenschnitte zerhackt (weil man ja unmöglich drei Sekunden damit verschwenden kann, dass eine Figur zwei Schritte geht, das MUSS man hart schneiden), selbst größte Belanglosigkeiten wie ein Typ, der im Pool schwimmt, müssen hochgespeedet werden, der sicherlich 200-mal eingebaute stock-footage-Blitz dient sowohl als Schockeffekt, Ankündigung eines solchen oder sturzgewöhnliche scene transition, die Darsteller labern unbefangen direkt in die Kamera, als wäre die fourth wall in Indien nie erfunden worden, die Kameraführung selbst ist abenteuerlich (wobei ich natürlich nicht weiß, ob der DVD-Transfer, der das Ganze in ein ca. 1.85:1-Ratio packt, dem intendierten Format entspricht), wie gesagt hämmert der permanent mit einem seiner abgezählt zwei Themen agierende Score jeden Hauch etwaiger Atmosphäre zu und trägt mit dem hektischen Schnitt zur generellen Unruhe des Films bei – und was die Special FX angeht… weia.

Nun gut, der einzige ernstliche „Spezialeffekt“ ist nunmal das Monsterkostüm und, seien wir ehrlich, dagegen sieht Ro-Man richtig gut aus (bei dem sah man wenigstens nicht, dass das Gorillafell aus dezidiertem Ober- und Unterteil besteht). Wenn Chantal „teleportiert“ oder shapeshifted, wendet Shah die bewährte „Aufnahme-mit-Darsteller“/“Aufnahme-ohne-Darsteller“-Schnittechnik an, die ungefähr zwei Sekunden nach Erfindung des bewegten Lichtbilds erfunden wurde (wir erinnern uns – dieser Film entstand 2003, als sich sogar der letzte Z-Filmer vom Skagerrak einen Morphing-Effekt leisten konnte), und wenn’s ans Meucheln geht, reicht halt zur Not ein roter Strich über den Hals als „Kehlenschnitt“ (interessant übrigens, dass das Monster zwar gewisse vampirische Tendenzen hat, aber auch mit jeder Art von Hieb- und Stichwaffe zulangt, wenn’s die Situation erfordert).

In Sachen Freizügigkeit muss sich Shah an die üblichen Konventionen halten – nackte Frauenbeine sind okay, auch ein midriff darf gezeigt werden, ein Bikini-Top oder BH sind allerdings unverhandelbar (in einer Szene, in der Chantal sich auf ihrer Couch räkelt, ist aber beinahe FAST ein Nippel zu sehen. Racy!). Ein Kuriosum sind übrigens die Kostüme – während die Herren der Schöpfung den gesamten Film im gleichen Zwirn bestreiten müssen (sogar Schlafzimmerszenen), darf Madame Sapna Frisur und Klamotten praktisch im Minutentakt wechseln (vom silbernen Space-Minikleid bis hin zum Flowerpower-Hosenanzug geht Sapna dabei modische Fehlleistungen der letzten 50 Jahre durch), selbst wenn Szenen (zumindest vermute ich das) direkt aneinander anschließen. Scheinbar hat Kanti Shah eine Truckladung Frauenkleider gestiftet bekommen und sich geschworen, jedes einzelne Stück einzusetzen…

Die schauspielerischen Leistungen sind überwiegend schauderhaft, wobei die Beteiligten den strategischen Vorteil haben, dass ich keine Ahnung habe, wer wen spielt und ich somit niemanden namentlich in die Pfanne hauen kann (was ich besonders beim dicken Polizeichef nämlich gern tun würde). Die Ausnahme ist Sapna, die, wenn ich das recht überblicke, sowohl den Charakter Sapna als auch Chantal spielt – die Dame ist ein echter Hinkucker – Shiva-sei-dank hat sich das Hollywood-Next-Topmodel-Magersuchtsschönheitsideal noch nicht bis Indien durchgesprochen, Sapna darf noch ein bissl was auf den Rippen haben, weibliche Kurven pflegen (man erlaube mir mal den für mich Frauenversteher vööööllig untypischen chauvinistischen Ausbruch: Wahnsinns-Möpse!!!) und wenn Shah für ihre Auftritte als Chantal auch mal die Windmaschine anwirft, kann man sich durchaus verlieben. Ob die Dame schauspielern kann? Wayne interessierts… speziell als böse Chantal allerdings hat sie durchaus eine nicht zu verleugnende Ausstrahlung. Dass Kanti Shah sehr gerne mit dem Mädel arbeitet, kann ich jedenfalls verstehen.

Bildqualität: Errr… naja, man sieht was. Es ist bekannt, dass speziell indische B-Filme nicht mit den qualitativen Maßstäben zu messen sind, die wir an „unsere“ aktuellen Filme ansetzen, und auch „Pyaasi“ macht, wie schon ganz oben angedeutet, keine Ausnahme – wir hatten beim B-Film Basterds-Festival 35-mm-Kopien von 1959, die wesentlich besser aussahen. Aber das verleiht dem Treiben natürlich auch einen gewissen räudigen Grindhouse-Charme, wenn das Bild mal minutenlang völlig unscharf wird…

Tonqualität: Hindi in Dolby 2.0. Klingt auch, wie vor’m Großen Vaterländischen Krieg auf Schellack aufgenommen…

Extras: Nix, aber in diesem Falle, also dem Release von Ultra, bekommt man ja drei Filme auf einer Scheibe für praktisch kein Geld…

Fazit: Indischer Horror ist ein Fall für fortgeschrittene Trashologen – soweit waren wir ja schon. Wer sonst würde sich auch solchen Kram im Original ohne Untertitel antun? Wo „Darwaza“ aber seinen Wahnsinn aber über zwei Stunden verteilte und eine im Kern recht klassische (und daher auch ohne Sprachkenntnisse verfolgbare) Geschichte erzählte, packt „Pyaasi“ den Irrwitz in konzentrierte 80 Minuten – die handwerkliche Unbeholfenheit, das darstellerische Unvermögen, der dramaturgische Wahn (inklusive des vermutlich lächerlichsten „Autounfalls“ seit Erfindung des Verbrennungsmotors) , das alles fügt sich in der Tat zu einer keine Sekunde langweiligen Totalkatastrophe zusammen, der – um noch einmal den Vergleich zu „Turkish Star Wars“ zu ziehen – nur die Frechheit fehlt, noch zwanzig Minuten Fremdmaterial einzubauen. Eklektischer crazy madhouse fun für diejenigen, denen es nach Türkploitation und Godfrey-Ho-Ninjafilmen nach einem neuen Betätigungsfeld dürstet… Langsam fühle ich mich reif für „Shaitaani Dracula“.

Meine Ultra-DVD kommt mit zwei anderen Kanti-Shah-Werken und kostet bei induna.com ungefähr einen Euro. Da lohnt für den experimentierfreudigen Trashgourmet der Großeinkauf, zumal sich die Versandkosten im Rahmen halten und die Liefergeschwindigkeit amazon.com um Welten schlägt.

For the record: Die Bewertung ist wieder ausschließlich, exklusiv und expressiv als Trash-Wertung zu verstehen.

4/5

(c) 2014 Dr. Acula


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