Public Access

 
  • Original-Titel: Public Access
  •  
  • Regie: Bryan Singer
  • Land: USA
  • Jahr: 1993
  • Darsteller:

    Whiley Pritcher (Ron Marquette)
    Bob Hodges (Burt Williams)
    Rachel (Dina Brooks)
    Kevin Havey (Brandon Boyce)
    Mayor Breyer (Charles Kavanaugh)
    Jeff Abernathy (Larry Maxwell)
    Marge (Margaret Kerry)
    Dealer (Shawn Ellis)


Vorwort

Es gibt in der nunmehr über hundertjährigen Geschichte nur wenige Filme, die sich das Prädikat „anbetungswürdig“ verdienen. Zu dieser schmalen Gruppe gehört zweifellos The Usual Suspects, den man entweder schlichtweg nicht begreifen (was leider auf einen Grossteil des auf Hollywood-Dumm-Dumm-Geschosse abonnierten Publikums zutrifft) oder als den vermutlich cleversten, intelligentesten, subversivsten, irreführendsten und fiesesten Thriller aller Zeiten sehen kann (sollten noch irgendwelche Zweifel bestehen, ich zähle mich zu letzterer Gruppe). Selbst die notorisch engstirnige Academy konnte nicht umhin, dem schwärzesten aller modernen Films Noir zwei der schnuckeligen Trophäen zuzugestehen. Der vom verständigen Teil der Kinogänger allenthalben heiliggesprochene Regisseur Bryan Singer ging mit seinem nächsten Projekt, der Stephen-King-Adaption Abt Pupil ziemlich baden, bevor ihm dann (als bekennendem Nicht-Kenner der Materie) die bestechende Comic-Verfilmung X-Men gelang, deren Sequel für 2003 ansteht.

Nun war Bryan Singer (und mit ihm Christopher McQuarrie, der als Autor von The Usual Suspects mindestens gleichwertigen Kredit verdient) selbst für Experten ein unbeschriebenes Blatt, als The Usual Suspects Kritiker in Begeisterungsstürme ausbrechen liess. Verschwindend klein ist die Anzahl derjenigen, die tatsächlich das Debütfilm des Kreativduos Singer/McQuarrie kennen – selbst in den USA kam Public Access erst nach dem Erfolg von The Usual Suspects in die Kinos, hierzulande gibt es meines Wissens nach nicht einmal eine Videoveröffentlichung. Immerhin aber gewann der Streifen 1993 den begehrten Jurypreis beim Sundance Film Festival, und auch wenn schon viel Schotter aus Sundance kam, schürt das doch die Hoffnung, etwas sehenswertes vorgesetzt zu bekommen (ich muss jetzt wieder mal so tun, als hätte ich den Streifen noch nie gesehen, obwohl er seit gut fünf Jahren in meiner Sammlung steht)… was also haben Singer und McQuarrie für uns bei ihrem Erstlingswerk auf der Pfanne?


Inhalt

Nachdem wir den ersten Teil der Opening Titles bei schwarzem Hintergrund zu einer Alltags-Sound-Collage, die mit Schüssen endet, verarbeitet haben, verfolgen wir einen Truck der Firma „Gemini Electronics“ auf seinem Trip durch die amerikanische Provinz, bis der Laster einen Wandersmann mit seiner Reisetasche überholt. Dies ist unsere Hauptperson (der Wanderer, nicht der Laster), was uns durch einen sehr hübschen Spaghetti-Western-mässigen Music Cue angezeigt wird. Meet Whiley Pritcher, einen vielleicht dreissigjährigen recht durchschnittlich aussehenden Typen, der gerade in Brewster, your perfect all-american smalltown community, eintrifft – man kennt das ja, die Kinder spielen friedlich, alles ist lieb und nett, in den Vorgärten stehen stramm die US-Flaggen (alles in grandioser Kameraarbeit) – eine Zeitung unterrichtet Whiley, dass in Brewster die Verbrechens- und Arbeitslosenstatistiken auf einem Allzeit-Tiefstand dümpeln. Beim schrulligen alten Bob Hodges mietet sich Whiley ein Zimmer („50 Dollar die Woche oder 150 für den Monat“ – „In der Woche ist okay“ – Whiley richtet sich nicht auf dauerhaften Verbleib ein), packt seine spärliche Habe aus und widmet sich dem Fernsehprogramm des lokalen offenen Kanals, wo ein Insektenfreund sein vermutlich nicht sehr zahlreiches Publikum mit einer wahnsinnig charismatischen Schilderung des Konservierens von Schmetterlingen zu Tode langweilt („wir bringen die Insekten nicht um, wir halten sie nur davon ab zu leben“, erklärt der Insektologe und Whiley entlockt das die Andeutung eines diabolischen Lächelns). Whiley sucht umgehend den Fernsehsender auf und kauft sich zur sichtlichen Freude des offensichtlich knapp über dem Existenzminimum operierenden Programmdirektors vier Sendungen zur besten Sendezeit Sonntag abends für seine Show „Unsere Stadt“.

Bevor er auf Sendung gehen kann, muss unser Freund aber noch recherchieren – deswegen stöbert er in der lokalen Bibliothek einen ganzen Tag lang in Mikrofilmen in der lokalen Geschichte, bis ihn die attraktive Bibliothekarin freundlich hinauskomplimentiert. Whiley gibt ihr noch den Tip, am Sonntag seine Show anzusehen und findet im übrigen ihren albernen Hut hübsch.

In seiner Behausung erweist sich der tätowierte Whiley als Sauberkeitsfanatiker und schrubbt im Adamskostüm die wenig vertrauenerweckende Badewanne. Then it´s showtime. Whiley pflanzt sich im feinsten Anzug ins Studio und stellt seinem Publikum erst sein Sendekonzept vor – „die Show soll Brewster seinen Bewohnern wieder vorstellen – seine glorreiche Vergangenheit, die florierende Gegenwart und die potentielle Zukunft“ – und dann die alles entscheidende Frage für seine Call-in-Show: „Was ist falsch in Brewster?“ Die Telefonleitungen überbieten sich nicht wirklich im Klingeln und nach einer gewissen Wartezeit stellt Whiley fest, dass offensichtlich alles perfekt ist und damit sein Job getan wäre – demonstrativ packt er seine Tasche, doch da klingelt doch eine Leitung. Eine anonyme Anruferin, die Whiley „Mary“ nennt fragt sich und Whiley, was er mit „falsch“ meint, denn eigentlich wäre doch nichts so richtig falsch. „Vielleicht sehen wir das Falsche nicht oder wir geben nicht zu, dass es falsch ist,“ gibt Whiley einen Tip und vereinfacht dann die Frage: „WER ist falsch in Brewster?“ Da fällt Mary dann doch jemand ein – ihre Nachbarn, die sich dauernd lautstark streiten, vor den Kindern, und man sollte doch das Jugendamt alarmieren.

Die Zuschauer hängen sich ans Telefon und fangen sofort an wild zu tratschen, wen Mary denn da gerade live on air denunziert. Ein neuer Anrufer meldet sich, ein gewisser Pete und blafft Mary an, dass sie kein Recht habe, über andere zu urteilen, deren Situation sie nicht kenne. Warum so feindselig, fragt Whiley, und Pete gibt zu Protokoll, dass er sich mit den Angeschuldigten identifizier. Mary und Pete beginnen sich heftig zu streiten und die ganze Stadt hört mit…

Am nächsten Tag besucht Vermieter Bob seinen Hausgast, ist recht angetan von dessen Show, meint aber, dass etwas fehle – Interviews und Gäste. Whiley entgegnet, dass er dafür das geeignete Subjekt bräuchte und Bob, von seiner Bierflasche kaum zu trennen, meldet sich sofort freiwillig – immerhin sei er mal Bürgermeister der Stadt gewesen, damals, 1952… „Meine Show ist weit offen für sie,“ freut sich Whiley und der alte Süffel sich ein Loch in den Bauch. Bob besäuft sich erst mal und pennt zu den Klängen eines alten Charleston-Fetzers (auf Endloswiederholung) friedlich vor sich hin, während Whiley von der antiken Musik nahezu in den Wahnsinn getrieben wird und heftigen Industrie-Lärm halluziniert. Yep, we start to suspect, dass bei Whiley doch das ein oder andere Rädchen nicht ganz sauber ineinandergreift.

Das nächste Wochenende, im Fernsehstudio. Während die alte Strickoma, die in ihrer Geschichte „Tatting Tales“ blöde Alte-Strickoma-Geschichten erzählt und schlussendlich über ihrem eigenen langweiligen Gelabere einpennt, entern Whiley und sein Studiogast das Areal und gehen auf Sendung. Whiley fragt den alten Ex-Bürgermeister, von welchem Stamm die Pfeilspitze denn sei, die er um den Hals trägt und Bob gibt die Kopfpatsch-Antwort „American Indian“ (Whiley kann sich eine entsprechende Reaktion nur knapp verbeissen). Aber immerhin, Bob meint zu wissen, was in Brewster falsch ist: „Uns fehlt der Stolz, Individuen zu sein. Die Menchen glauben, nichts mehr wert zu sein. Wir müssen wieder fähig sein, uns auf uns selbst zu verlassen.“ Dazu führt er eine alte Story von 1985 ins Feld, als die Stadt kurz vor dem totalen Ruin stand und der Bürgermeister Breyer es mit beispiellosem Einsatz geschafft habe, neue Industrie anzusiedeln und neue Jobs zu schaffen. „Er half uns, unseren Stolz wiederzuentdecken.“ Nun sei es wieder an der Zeit für eine ähnliche Aktion. Wer kann den helfen, will Whiley wissen und nachdem der alte Zausel bislang ja durchaus nicht sinnlos dahergelabert hat, macht er sich nun zum Affen: „Aliens! Die könnten uns ihre neue Technologie überlassen und uns alle zu Supermenschen machen!“ Bevor Bob Hodges sich noch lächerlicher machen kann, als er es eh schon geschafft hat, rettet Whiley die Situation mit der Annahme eines Anrufers. Ein gewisser Jake meint, dass Bob mit seinem „individual thing“ falsch liege – „Meinungen sind wie Arschlöcher,“ meint Jake, „jeder hat eine“. Der nächste Anrufer ist schwieriger zu handlen – er nennt sich Henry und verlangt, dass Whiley in seiner Show die Wahrheit bringt, genauer gesagt, die Wahrheit über Tom Breyer, den Bürgermeister. Henry redet sich in Rage und vermutet, dass Whileys Frage „was ist falsch an Brewster“ nur von den wahren Problemen der Stadt ablenken soll – ganz im Sinne des Bürgermeisters. So lange die Leute nur gegenseitig über sich herziehen, bleiben die wichtigen Probleme der Stadt unangetastet, so Henry, er kenne diese Probleme, aber er verrate sie Whiley nicht.

Mehr Anrufer melden sich und einige schlagen sich auf Henrys Seite: „Viele Leute haben Angst, Fragen zu stellen…“ Dann ruft eine gewisse Rachel an. Auch sie weiss etwas, was in Brewster falsch ist: „Die Stadt ist voller Ignoranten. Ein unschuldiger Mann wird zum Opfer. Die Menschen hier sehen in die andere Richtung, bis das Problem verschwindet. Deswegen verlassen viele die Stadt, so wie ich.“ Whiley beginnt, Rachel, die ein Stipendium an einer New Yorker Uni antreten will, zu manipulieren. „Die grosse Stadt kann unfreundlich sein. In Brewster kann EINER einen Unterschied machen.“

Bis jetzt könnte man meinen, dass Whiley nur ähnlich wie der Satanas persönlich in Stephen Kings Needful Things daran gelegen ist, die friedlichen Bürger aufeinander zu hetzen, doch nein, da steckt mehr dahinter…

Whileys Redekünste schinden jedenfalls Eindruck, denn Rachel macht seine Privatnummer ausfindig und verrät ihm, was sie ihm on the air nicht sagen wollte (nicht nur, dass sie die huttragende Bibliothekarin ist) – einer ihrer Lehrer wurde gefeuert, weil er schwul ist. Whiley lenkt das Gespräch in eine eher romantische Richtung („Hast du jemals geliebt?“) und aus dem Telefonat wird ein trautes gemeinsames Pizzaessen in der Bibliothek. Als Whiley Rachel nach Hause bringt, begegnen sie einer Bande angetrunkener Kids, die ihn aus dem TV erkennen und natürlich auch ihre Meinung zum Brewster-Problem haben: „Die Eltern sind schuld. Sie glaubten an alles, was sie hörten oder lasen, bis sie bemerkten, dass alle lügen, die Regierung, die Medien – dann gaben sie auf und resignierten und nun geben sie diese Resignation an uns weiter.“ Für einen heftig angetrunkenen Jugendlichen ist das eine recht eloquente Darstellung der Sachlage, aber Whiley will nix hören, sondern lässt die Kids einfach stehen, die aber fleissig weiterdiskutieren („Wir sind alle blind!“ – „Nein, unsere Eltern sind blind – wir haben nur die Augen zu!“). Auf dem Wegesrest ist Whiley auffällig still, so dass sich Rachel genötigt sieht, nachzufragen. „Ich halte es nicht aus, Leute so auseinanderfallen zu sehen, wie diese verwirrten Kinder,“ erklärt Whiley, „denn ich liebe diese Stadt!“ Scheint als Anmache zu funktionieren, denn Rachel leistet dem folgenden Kussversuch keine Gegenwehr.

Als Whiley nach Hause geht, wird er von einem Drogendealer, der mit den Kids herumhing, angesprochen und provoziert. Wie´s scheint, belässt es Whiley bei einer kurzen angetäuschten Drohgeste, doch des Nächtens plagen Whiley Alpträume – und zwar gewalttätige, mörderische Träume von einer Bahnunterführung…

Neue Show, neues Glück… doch Whiley scheint verändert und auf einmal sehr agressiv. Der Anrufer, der die Probleme auf die Kinder schiebt, die zu viele Freiheiten hätten, so wie damals, in den Flower-Power-Zeiten mit Sex und Drogen, bekommt die volle Breitseite des Show-Hosts ab: „Es ist leicht, jemanden zu beschuldigen – die Kinder, die Gesellschaft, die Regierung. Niemand beschuldigt sich selbst. Was zum Beispiel ist falsch an Ihnen? Welchen Virus verbreiten Sie? Sind sie ein Perverser?“ Der geschockte Anrufer legt auf, aber Whiley ist noch nicht fertig. „Oder sind Sie ein Feigling? Sie können bei der Realität nicht auflegen…“ Henry ruft wieder an und stellt fest, dass Whiley das ist, was an Brewster falsch wäre – „Sie sind voller Hass und Angst!“ Henry rät Whiley, sich selbst in Ordnung zu bringen – Leute wie er und Breyer würden die Stadt zerstören… Zur gleichen Zeit findet ein Streifenbulle in einer gewissen Bahnunterführung eine übel zugerichtete Dealer-Leiche…

Whiley setzt sich derweil noch mit Henry auseinander: „Breyer hat die Stadt gerettet. Leute wie Sie, Henry, sind gegen Werte und Fortschritt!“

Eine äusserst gelungene Musiküberleitung bringt uns zu einer lokalen Festivität – dem Gründertag, der mit einem grossen Nachmittagstanz in der Sporthalle zelebriert wird (und die Städter zu den Klängen von „Rosamunde“ ´ne Polka aufs Parkett legen). Bob Hodges, der als ältester noch lebender Ex-Bürgermeister die Begrüssungsrede halten darf (und dabei jede Menge blöder Witze reisst und beweist, dass er wirklich nicht mehr alle Latten am Zaun hat), heisst Whiley offiziell willkommen und übergibt dann das Wort an Bürgermeister Breyer, der eine engagierte Wahlkampfrede hält und von einem Wirtschaftskrieg redet, auf den Amerika nicht vorbereitet sei – was er selbstredend im Alleingang ändern werde, sei er erst mal Senator. Doch da gibt es einen Störenfried – den Anrufer „Henry“, im wahren Leben der gefeuerte schwule Lehrer Jeff Abernathy, der dem Bürgermeister üble Vorhaltungen macht. „Das einzige, wofür Sie gekämpft haben, ist, dass Gemini Electronics in die Stadt kommt.“ Und dabei, so deutet Abernathy ab, sei nicht alles mit rechten Dingen zugegangen. Während die Ordnungsmächte Abernathy schon aus der Halle befördern, schreit der noch ein „Betrüger“ und „Lügner“ in die Menge, während Whiley nachdenklich zusieht.

Whiley folgt Abernathy zu dessen Haus und überredet den Party Pooper zu einem Gespräch über die Machenschaften des Bürgermeisters: „Man sollte etwas tun!“ Abernathy ist überrascht, aber willig und breitet die Story aus: Breyer habe gleich mehrfach am Gemini-Deal verdient – nicht nur sei er Aufsichtsrat der lokalen Bank und habe sich für Kredite an Gemini stark gemacht, nein, er sei auch noch Grossaktionär und Aufsichtsrat bei Gemini selbst und wusste daher, dass die Firma marode sei und in weniger als einem halben Jahr bankrott sei – und damit auch die Stadt. Whiley scheint unaufmerksam zu lauschen, sondern fordert Abernathy vielmehr auf, sein Hemd auszuziehen, und als Abernathy dem nicht gleich nachkommt, verleiht Whiley der Forderung mit seiner Bleispritze etwas mehr Autorität. Der verängstigte Abernathy rambled weiter, doch Whiley packt in aller Seelenruhe eine schon vorgeknüpfte Schlinge vor. Nun weiss Abernathy, was ihm blüht: „Niemand wird glauben, dass ich mich umgebracht habe.“ „Es ist kein Selbstmord, es ist ein Fehler,“ kryptisiert Whiley (all das zu den Klängen von „Peer Gynt“). Whiley legt Abernathy die Schlinge um den Hals und macht ihm dabei bittere Vorwürfe: „Selbstsüchtige Subjekte wie Sie ziehen den guten Namen von Leuten wie Breyer in den Dreck. Abschaum wie Sie vergiften kleien Städte – ich habe es schon so oft gesehen, und dagegen muss man etwas tun!“ Und dann hilft Whiley dem vorgetäuschten Selbstmord etwas auf die Sprünge… und da man, wenn man den Schaden hat, bekanntlich jeder Beschreibung spottet, verpasst Whiley dem Verblichenen noch eine hübsch schwuchtelige Karnevalsmaske mit Feder…

Dann geht er nach Hause und knallt seine liebe Rachel ordentlich durch. Während er, wie wir Kerle halt so sind, nach Verrichtung den Schlaf der Ungerechten schlafen will, will Rachel noch labern. „Ich könnte es in der Stadt aushalten, aber ich bräuchte die Sicherheit, dass du auch hier bleibst,“ meint sie, aber Whiley entzieht sich einer Beantwortung der entsprechenden Frage durch gezieltes Wegschnarchen.

Und so macht sich Whiley einmal mehr auf gen TV-Studio, wird aber von einem Anruf Rachels davon abgehalten. Whiley findet sie in Tränen aufgelöst in der Bibliothek – jep, sie hat von Abernathys Abgang gehört und daraufhin in dessen Wohnung seine Aufzeichnungen gefunden – und aus denen ergibt sich, dass Abernathys Vorwürfe absolut gerechtfertigt waren. „The fucker was right,“ stellt Whiley verblüfft fest, „er wollte es mir gestern erzählen, aber ich hab´s nicht geglaubt.“ Bei Rachel schrillen einige Alarmglocken: „Wann?“ „Gestern, in seinem Appartment,“ gibt Whiley bereitwillig Auskunft. „Du machst mir Angst,“ bekundet Rachel und Whiley wird klar, dass er sich soeben verplappert hat: „Uh-oh!“

Dann treffen wir ihn im Fernsehstudio wieder, wo er als speziellen Gast niemand anderes als Bürgermeister Breyer begrüssen kann. Tjaaa… wer nun erwarten sollte, dass Whiley in einem dramatischen Showdown den betrügerischen Politiker vor laufender Kamera in der Luft zerreisst oder wenigstens umbringt, wird bitterlich enttäuscht – ein freundschaftliches Gespräch, dessen Inhalt uns nicht verraten wird, da nur von Musik untermalt, findet statt – doch Aufnahmen von leerstehenden Geschäften und verfallenden Häusern zeigen uns, dass dafür kein Anlass wäre. Und in kurzen Flashbacks verfolgen wir, wie Whiley Rachel in der Bibliothek das Genick bricht… Mit einem freundlichen Händeschütteln endet das Bürgermeister-Interview…

…und auch Whileys Arbeit in Brewster. Bob Hodges findet sein Zimmer leer vor und ist tieftraurig über den Verlust seines solventen Mieters, der ihn zum Fernsehstar machte. Whiley macht sich auf den Weg in eine andere Stadt…
Bewertung
UK-DVD-Artwork
Public Access ist ein faszinierender Film – kein hundertprozentig gelungener Film, aber verdammt nahe dran und das, was Stephen King vielleicht als „sozial-wirtschaftlichen Horrorfilm“ klassifizieren würde (wenn ich nach seinen in Danse Macabre aufgestellten Kriterien gehe). Möglicherweise übertreibe ich in meiner Verehrung ein wenig, aber ich versteige mich zu der These, dass Public Access neben Sam Mendes´ brillantem American Beauty vielleicht die perfideste Dekonstruktion des „american dream“ der jüngeren Filmgeschichte ist. Wo Mendes allerdings den Mikrokosmos einer Middle-Class-Familie durch den Wolf drehte, sezieren Singer und McQuarrie genüsslich die oberflächlich heile Welt einer so scheinbar perfekten Kleinstadt-Idylle mit ihrer Doppelmoral, Scheinheiligkeit und Oberflächlichkeit.

Man kann sicherlich darüber streiten, ob es der Weisheit letzter Schluss war, die subtile und hintergründige Jeder-gegen-Jeden-Kleinstadt-Satire zum Finale hin in ein eher plakatives Kill-and-Thrill-Szenario umzufunktionieren, jedoch gelingt es den Autoren und dem Regisseur, diesen scheinbaren Bruch und den Wechsel vom schleichenden zum mehr oder weniger offenen Terror recht schlüssig und flüssig umzusetzen – möglicherweise wäre der Streifen noch effektiver, hätten Singer und McQuarrie das anfänglich angedeutete Konzept durchgezogen, allerdings wäre der Stoff dann wohl eher für eine Miniserie als für einen einzigen Spielfilm geeignet gewesen (das Problem plagte übrigens auch die Verfilmung des angesprochenen King-Romans Needful Things – wo sich im Roman der Schrecken über 400 Seiten langsam anbahnte, wirkt der Film, den ich dennoch zu den besseren King-Adaptionen zähle, gelegentlich etwas gehetzt), so dass man auch verstehen kann, warum die Autoren es für nötig hielten, den Fokus der Story ein wenig zu verändern, ohne ihr vermeintliches Grundanliegen, die Abgründe, die hinter Heile-Welt-Fassaden lauern (sowohl was die Gebäude als auch die Menschen selbst angeht), aufzuzeigen.

Obschon Public Access wesentlich geradliniger erzählt ist als The Usual Suspects (der ja nur aufgrund der raffinierten nichtlineaeren Erzählweise funktionieren konnte), besticht auch dieser Film durch eine eigentümliche Atmosphäre – geschaffen durch grossartige Kameraführung und einfühlsame, ausgezeichnet unterstützend eingesetzte Musik (für die Singers Hauskomponist John Ottman, wie auch bei allen anderen Singer-Filmen für den exzellenten Schnitt zuständig). Von der ersten Sekunde des betont in Erdfarben gehaltenen Auftakts an wird eine Atmosphäre des Unbehagens erzeugt, der Zuschauer hat nahezu sofort die Gewissheit, dass sich eine Katastrophe anbahnt, leise, schleichend, durch die Hintertür, aber dennoch bedrohlich und tödlich. Diese Atmosphäre sorgt dafür, dass der Zuschauer trotz der nicht wirklich temporeichen ersten Stunde in den Bann des Films gezogen wird – einfach ob der Erwartung, dass die Explosion des Pulverfasses nun bald kommen muss – Singer und seine Co-Writer erweisen sich hier als Meister der Suspense.

Fans von The Usual Suspects werden jede Menge Stilmittel aus dem Über-Thriller wiedererkennen – seien es ungewöhnliche Kameraeinstellungen (anstelle einer Kaffeetasse starrt die Kamera z.B. in ein Wasserglas) oder der bewusste Einsatz von Ton und Dialogfetzen als Stilmittel (wie auch in The Usual Suspects gibt es Szenen, die von sich mehrfach überlagernden Dialogen, eh, überlagert werden).

Dennoch – Public Access ist kein perfekter Film. Das Drehbuch, von dem sich Chris McQuarrie inzwischen einigermassen distanziert, wirkt insgesamt ein wenig unausgegoren. Die eigentliche Ambition Whileys wird nie wirklich klar – wo steckt seine Motivation, was ist sein Hintergrund, welche persönlichen Ziele verfolgt er? Ist er einfach ein Reaktionär, ein Kind der Reagan-Ära, dass den Niedergang der US-Wirtschaft nicht verkraftet? Singer selbst meinte in einem späteren Interview, dass eine Erklärung unnötig sei. Ich bin halbwegs geneigt, dem Maestro zuzustimmen und die Idee des mehr oder weniger gesichtslosen „Racheengels“ hat was, dennoch hätte ich mir eine gewisse Aussage einfach gewünscht, ein bisschen Grundlage für Spekulationen, welche Botschaft, wenn überhaupt eine, der Streifen vermitteln soll.

Ein weiteres kleines Manko ist die enorme Dialoglastigkeit des Streifens – es wird wirklich endlos viel geredet und wer bei seinem Filmvergnügen auf ein wenig Action und hohes Tempo setzt, wird bei Public Access nicht wirklich auf seine Kosten kommen – nahezu alles an Character Development und Exposition wird in Dialogform bewältigt. Ich bin zwar oft und gern mit dem Tadel zur Hand, dass ein wenig mehr an Character Development und Exposition für so manchen Film besser wäre, aber dieser Film erledigt nun wirklich 95 % seiner Arbeit in Worten – würde ein gutes Hörspiel abgeben…

Nichtsdestoweniger findet Singer auch in einem ausgesprochen geschwätzigen Script (das klingt gehässiger als es gemeint ist) genügend Anlässe, später in The Usual Suspects perfektionierten Style auszuprobieren – die Traumsequenz, die Flashbacks, die gekonnte Montage gen Finale hin, das alles erledigt Bryan Singer vorzüglich und deutet mehr als nur sein Talent an.

Nun sind aber Scripts, die weitestgehend auf den Dialogen basieren, reichlich abhängig von den Schauspielern, die diese zu rezitieren haben – und surprise, surprise, obwohl der Cast dieser billig und schnell verwirklichten Produktion nun wirklich ein absoluter No-Name-Cast ist, leistet er grosses.

Ron Marquette ist beängstigend gut in der Titelrolle – sowohl den überfreundlichen Höflichkeitsperfektionisten als auch den beängstigenden Psychopathen bekommt Marquette bestens hin – schon erstaunlich für jemanden, der ansonsten u.a. in der Softsex-Reihe Red Shoe Diaries beschäftigt war. Weniger lustige Trivia am Rande: wenn man Internet-Gerüchten glaubt, beging Marquette 1995 Selbstmord (zumindest das ist belegt), nachdem er sich selbst in Public Access sah – da war ihm wohl seine Performance für seinen Geschmack zu gut gelungen. Marquettes früher Tod ist jedenfalls wirklich schade für die Zunft, denn da lag wirklich Star-Potential.

Dina Brooks spielt als Rachel ihre bislang einzige Filmrolle. Sie überzeugt durch Charme und natürliche Ausstrahlung und kann sicher so manchem überschätzten Starlet locker das Wasser reichen. Charmant auch die Leistung von Burt Williams, dessen Filmkarriere kurioserweise zwar vier Jahrzehnte überspannt, aber gerade drei Filme umfasst – neben diesem einen vermutlich sehr obskuren Streifen namens The Wild Women of Wongo von 1958 und Angel Baby aus dem Jahr 1961. Den leicht versponnenen offiziellen Stadt-Opa nimmt man Williams jedenfalls sofort und unbesehen ab.

Nähern wir uns also mal wieder den berühmten letzten Worten: Public Access ist ein Film, den ohne Zweifel jeder, der The Usual Suspects gut gefunden hat, unbedingt sehen muss. Es mag nur eine Fingerübung für zukünftige Grosstaten gewesen sein, aber als solche ist sie outstanding – und auch für sich allein ist der Film hervorragend genug, um dem anspruchsvolleren Filmfreund ein echtes Aha-Erlebnis zu bescheren – zwar kann man hier und da ein wenig an einzelnen Drehbuch-Ecken und -Enden herumkritteln und feststellen, dass nicht alles einen hundertprozentigen Sinn ergibt, aber ganz andere grosse Regisseure haben ganz andere Debütfilme in ihrem Sündenregister stehen. Public Access ist vielleicht kein Meilenstein, aber ein exzellenter kleiner Thriller mit vielen Tricks, Kniffen und Überraschungen. Definitiv die Suche wert!

Die Suche allerdings könnte sich etwas schwierig gestalten, da derzeit selbst in den USA Video und DVD out-of-print sind und, wie gesagt, der Film in Deutschland wohl nie einen offiziellen Release erlebt hat. In Grossbritannien ist der Streifen auf DVD erschienen, das könnte eine mögliche Quelle sein. Sammler können vielleicht nach der Laserdisc von Image stöbern, die einen nicht ganz sauberen 1,85:1-Widescreen-Transfer hat (der scheint ganz leicht nach links verrutscht zu sein) und deren Ultra-Stereo-Ton gelegentlich etwas matschig rüberkommt. Aber das sollte im Falle dieses Films absolut sekundär sein…

(c) 2004 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 3

BIER-Skala: 8


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