Prison Train

 
  • Original-Titel: Prison Train
  • Alternative Titel: People's Enemy |
  • Regie: Gordon Wiles
  • Land: USA
  • Jahr: 1938
  • Darsteller:

    Frankie Terris (Fred Keating)
    Louise Terris (Linda Winters (=Dorothy Comingore))
    Sam (Clarence Muse)
    Maxine (Faith Bacon)
    Mannie Robbins (Alexander Leftwich)
    Joe Robbins (James Blakely)
    Red (John Pearson)
    Sullen (Val Stanton)
    Bill Adams (William Moore (=Peter Potter))
    George (Sam Bernard)
    Morose (Nestor Paiva)
    Bull (George Lloyd)
    Hardface (Harry Anderson)
    Fingers (Eddie Coke)


Vorwort

Ich hab ja schon ab und an ausgeführt, dass ich es ja nicht nur als eine meine primären Aufgaben ansehe, monumentale Zelloloidschändungen, die einzig und allein unter Trash-Gesichtspunkten das Ansehen rechtfertigen, zu filettieren, sondern gelegentlich mal auch das Augenmerk auf weithin unterschätzte bzw. schlicht und ergreifend unbekannte B-Filme zu lenken, und heute ist mal wieder so ein Tag.

Prison Train ist ein kleiner, eigentlich unbedeutender Programmer aus den Enddreissigern und entstand, wie sich Drehbuchautor Traube in den Liner-Notes zum DVD-Release erinnert, als das Produzententeam Zeidman und Manuel im Bestreben, ins Filmgeschäft einzusteigen, eine Liste reisserischer Titel an Kinos verkauft hatte und sich nun schlechterdings genötigt sah, auch die Filme dazu zu liefern – zwölftausend Dollar Budget (damals zugegebenermassen mehr als heute, aber trotzdem nicht wirklich viel) und sechs Tage Drehzeit pro Streifen standen zur Verfügung. Für die anderen dieser Filme kann ich nicht sprechen, aber Prison Train konnte zumindest bei Orson Welles soviel Eindruck schinden, dass er sich vor der Realisierung von Citizen Kane unseren kleinen B-Fetzer gründlich ansah und dann gleich mal die weibliche Hauptdarstellerin für die Rolle von Mrs. Kane verpflichtete. Und da Citizen Kane als Grossvater aller modernen Filme gilt, könnte man Prison Train also glatt den Uropa des Kintopps, wie wir ihn heute kennen, bezeichnen…


Inhalt

Herzig aus heutiger Sicht ist das per opening crawl eingeblendete Vorwort, dass uns erinnert, dass Frankie Terris, der in der Folgezeit unser Protagnoist sein wird, ein echt schlimmer Finger und Krimineller ist, der schon in der Prohibition sein Unwesen trieb und sich nach Ende der alkoholischen Trockenzeit einen lukrativen, aber nie näher erläuterten Lotterieschwindel ausgedacht hat – wichtige Info, denn sonst könnte uns der Knabe womöglich noch ans Herz wachsen und moderner Film her oder hin, in den dreissiger Jahren gab´s ganz einfach gewisse moralische Werte. Jetzt, wo wir in die Handlung einsteigen, hat Terris gewisse Probleme, denn ein neuer Staatsanwalt hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, sein schändliches Treiben zu beenden und rekrutiert dafür die Hilfe und Aussagebereitschaft Terris´ Kompagnons Manny Robbins, der hofft, durch die Ausdemverkehrziehung des weisungsbefugten Partners rein monetär besser abzuschneiden. Mannys Sohn Joe, aufstrebender Junganwalt, ist wunderlicherweise (oder auch nicht, schliesslich ist ein Anwalt nach gemeiner Ansicht nicht mehr als ein Krimineller im Anzug, der legal operiert) der Zusammenarbeit seines Papas mit dem Arm des Gesetzes skeptisch gegenüber eingestellt.

Terris tut, was man in solchen Situationen als erstes tut, er schickt sein Mädchen aus der Schusslinie – sein Mädchen ist in diesem Fall, was aber erst ein wenig später deutlich wird, seine Schwester. Schon bald blöken die Zeitungsschlagzeilen, dass der Staatsanwalt Terris hinter Gitter zu bringen beabsichtigt und der Crimelord vermutet zutreffenderweise Manny Robbins als Wurzel des Übels (nicht zum ersten Mal werden uns interessante und später oft kopierte ungewöhnliche Kamerawinkel wie von schräg oben etc. präsentiert – pretty influental stuff). Terris stattet seinem Geschöftspartner einen Besuch ab und gibt ein paar unspezifizierte Drohungen von sich.

Zu Terris legalen Geschäftsbereichen gehört ein „Glamour Club“, dessen Hauptattraktion die rather risque´ bekleidete Tänzerin Maxine ist (allerdings würde ich sagen, mehr „risque´ bekleidet“ als „Tänzerin) – Maxine tut weiter nichts zur Sache, als Terris´ Schwesterherz Louise, die ob der ersten schlechten Zeitungsnachrichten auf dem Fusse umgekehrt ist, um ihrem Brüderchen zur Seite zu stehen, einen dummen Spruch reinzureichen und sie dann zu Terris selbst zu schicken. Gerührt von so viel Geschwisterliebe gesteht er dem bis dahin unwissenden, aber ahnungsvollen Schwesterlein nicht nur die Akkurattesse der Anschuldigungen, sondern verspricht ihr auch noch, innerhalb von 48 Stunden seine halbseidenen Geschäfte einzustellen und ein neues Leben zu beginnen. Und so sucht er mit Louise den „Swing Club“ auf (noch allgemeiner ging´s wohl nicht?), den Manny leitet. Joe schleppt umgehend, zu Terris´ überschaubarer Begeisterung, Louise auf die Tanzfläche und anschliessend noch in einen anderen Club ab, damit die Partner sich in Ruhe unterhalten können (ganz sicher nur deswegen). Und unter vier Augen überrascht Terris Manny damit, dass er ihm unbürokratisch seine ganze Lotterie-Operation schenkt (hm, dem Typen, den ich im Verdacht habe, mit der Staatsanwaltschaft zu kooperieren, würde ich vermutlich nicht soviel Gutes angedeihen lassen), was Manny sichtlich in einen Gewissenskonflikt bringt…

Spät am Abend, nach einem offenbar recht fidelen Abend, bringt Joe Louise nach Hause und macht eindeutige Avancen, die Louise zurückweist – für den Geschmack von Terris, der das ganze mit Argusaugen beobachtet, wohl nicht eindeutig genug, denn der verfolgt den sich gefrustet zurückziehenden Möchtegern-Liebhaber (höchst unauffällig…) und stellt ihn in einer Dunklen Gasse TM. Joe reagiert auf die üblichen „lass das“-Sprüche des auf Anstand und Moral bedachten Gangsters wie ein wahrer Anwalt – er haut ihm eine aufs Maul. Derart provoziert kann Terris nicht an sich halten und lässt sich auf eine Schlägerei ein (erneut rather interesting geflimt, mit viel Schattenspiel), bei der er überraschenderweise auf der Loserseite steht und sich deshalb einen praktischerweise herumliegenden Schraubenschlüssel o.ä. greift, letzteren Joe auf die Rübe haut und ausgesprochen überrascht feststellt, dass der Anwalt einen Glasschädel hat und an Ort und Stelle den Löffel reicht, was natürlich überhaupt nicht im Sinne des Erfinders ist, zumal ein Streifencop zufällig des Weges kommt und Terris an Ort und Stelle arrestieren kann.

Papa Robbins ist sprichwörtlich devastated ob des terminalen Abgangs seines Lieblingssohnes und schwört Rache: „He didn´t do nothing – and he killed him“ (darüber könnte man zumindest diskutieren), „he was going to be a big lawyer someday – and now he´s dead“ (sounds to me, als hätte Terris eine Medaille verdient – jeder Anwalt weniger macht diese Welt zu einem besseren Platz für uns alle, in my most humble opinion, and I should know, I worked for them). Quintessenz seiner Litanei: Terris soll teuer für Joes Tod bezahlen und damit meint Manny mit Sicherheit nicht den Preis, den ein ordinäres Gericht aussprechen wird. In der Tat sitzt Manny schon bald im Gerichtssaal auf der Zuschauerbank, zuckt nervös herum und hat ein Pistölchen unterm Revers – da hat einer wohl einen Jack Ruby vor. Die Jury befindet Terris des Mordes zweiten Grades für schuldig, was Louise in Tränen ausbrechen lässt. Als Terris abgeführt wird, zieht Manny seine Knarre und plättet irrtümlicherweise statt des anvisierten Anwaltskillers den eskortierenden Polizeibeamten – für die, die´s im Film verpasst haben, blendet der Streifen erfreulicherweise das ganze nochmals als Schlagzeile ein (und im Gegensatz zu Myriaden anderer Billigfilme, die Zeitungsschlagzeilen als handlungsförderndes Element einsetzen, macht man sich hier wenigstens noch die Mühe, zumindest den Anfang eines dazu passenden Artikels in Bild zu bringen). Highly ironischerweise findet sich Manny im selben Zellenblock wie Terris wieder, zusammen mit dem schon etwas früher vorgestellten comic relief character Red. Zu allgemeiner Überraschung soll Terris seine Haftstrafe auf „The Rock“, sprich Alcatraz, absitzen, was umso verwunderlicher ist, als der Ort der Handlung bislang New York war – aber irgendwann müssen wir ja mal im wahrsten Sinne des Worte zum Zug kommen, gelle… Terris freut sich ein Loch in den Bauch, dass Manny ihn dorthin begleiten wird, aber der Copkiller kommt auf Kaution frei und rekrutiert noch in der Haft mit dem fies aussehenden Nick (möglicherweise „Hardface“ aus den Credits) und Red zwei willfährige Helfer für seinen absolut noch bestehenden Rachefeldzug. Terris schiebt Sorge, dass Manny sich vergeltungstechnisch an Louise vergreifen könnte und bittet sie beim Besuchstermin, doch nach Europa zu verreisen (ein Jahr später wäre er auf die Idee auch nicht mehr gekommen, hehe), was Louise hoch und heilig verspricht (you bet). Also, endlich, auf an Bord des Prison Train. Der Prison Train ist mehr oder weniger ein Prison Car, der an einen x-beliebigen Dampfpassagierzug von New York nach Never-Ever-Call-It-Frisco unterwegs ist. Louise kuckt der Verladung ihres Bruders an der Seite dessen Bodyguards Bull zu und wäre eigentlich abgesehen von genereller Depression friedlich, würde nicht ein dümmlicher Vertreter der Terris-Gang Bull vermitteln, dass Manny verbreiten lässt, Terris würde nie lebend in San Francisco ankommen. Derart angespitzt reisst sich Louise los und erspurtet den abfahrbereiten Zug, der auch gerade vom jungen Polizisten Adams, verantwortlich für den sicheren Transport der Gefangenen-Fracht, geentert wird.

Im Gefangenenwagen hockt die Meute in Gefängniskluft, abgesehen von Red, der als „Regierungsgefangener“ in Zivil reisen darf (? – und wieso wird Red auch nach Alcatraz gekarrt?) – immerhin gelingt Red eine der lustigsten Lines des Films, als einer der Aufseher ihm androht, ihm ordentlich eins auf „the brains“ zu geben, so er nicht seine Klappe hält: „Do you think if I got brains, I´d be here with this lowlifes?“ (zitiert aus´m Gedächtnis, also vermutlich nicht ganz akkurat). Louise löst derweil beim Kondukteur ein Ticket nach San Francisco (immerhin 107,66 $, also war Zugfahren damals auch in den USA nicht billig), stellt den Schaffner aber vor das Problem, dass kein Schlafabteil mehr frei ist (und die Fahrt dauert mindestens vier Tage). Adams spielt den Generösen und lädt Louise nicht nur ein, das Abteil mit ihm zu teilen, sondern stellt ihr auch Nachtwäsche seiner Tante zur Verfügung (ich will NICHT wissen, warum er die überhaupt dabei hat!!). Bei den Gefangenen versuchen Nick und Red Terris nach Kräften zu provozieren.

In Buffalo steigen nicht nur weitere Gefangene, sondern auch das all-black Zugservicepersonal-Team zu (nur der Obersteward ist selbstredend weiss), darunter auch ein neues Gesicht, ein gewisser Sam. Während Robbins, der der Zugfahrt folgt, seine Henchmen nach Kansas City hetzt, versucht Louise verzweifelt, ihrem Bruder eine Nachricht zukommen zu lassen, scheitert aber an den Sicherheitsbestimmungen. Adams ist nicht blöd und kabelt an seinen Boss, dass „Terris´ girlfriend“ an Bord des Zuges sei (Dummbatz – Schwester! Er weiss es doch eigentlich, wie wir nicht viel später erfahren werden). Während Adams unauffällig versucht, Louise näher zu kommen, plaudert Nick ohne Not aus, dass „Freunde von mir“ sich mit Terris beschaffen werden; Red mag´s nicht hören, da er wirklich der Denker unter den versammelten Crooks ist und ahnt, dass der vermeintlich schlafende Terris die Lauscher absolut eingeschaltet hat.

Louise überredet Sam, den Steward, eine Nachricht, genauer gesagt eine Warnung, zu Terris in den Gefangenenwagen zu schmuggeln, aber Sam, der selbstredend auf der anderen Seite spielt, deponiert den Zettel bei zwei wenig vertrauenserweckenden Passagieren, die sich genauso gut ein Schild „Ich bin ein von Robbins bezahlter Killer“ um den Hals hängen könnten und auch nicht auffällig wären. Adams verwickelt Louise einmal mehr in ein Gespräch, während den Gefangenen von Sam das Essen serviert wird – instinktiv lehnt Terris die ihm zugedachte Schüssel leckerer Haferflocken ab, erkennt er doch in Sam einen Vertrauten seines neuen Intimfeindes Robbins und vermutet Gift, wohl nicht ganz zu Unrecht.

Kansas City – auch Robbins ist dort eingetroffen und vertraut seinen Schergen neue Einzelheiten seines Planes ab – nach der Stadt Junction City laufen Bahn- und Autotrasse fünfundsiebzig Meilen parallel buchstäblich durchs Nirgendwo, und dort soll die Falle zuschnappen. Adams ist mittlerweile aufgefallen, dass einige von Robbins´ Crooks an Bord sind und kabelt das an seinen Boss, aber er ist sich sicher, die Sache allein regeln zu können (Superbulle, elender). Nick schenkt Terris ein paar weitere provokante Sprüche ein, indes offenbart Robbins seinen Spiessgesellen, dass sein teuflischer Plan auch die illegale Benutzung einer Weiche beinhaltet (gefährlicher Eingriff in den Bahnverkehr, ist doch sicher auch ´ne Straftat an sich). Adams stellt Louise zur Rede, gibt sich als Polyp zu erkennen und dass er weiss, wer sie und warum sie im Zug ist. Louise verbittet sich zwar die „wie-kommt-ein-nettes-Mädel-wie-sie-zu-so-einem-Schurken-von-Bruder“-Routine, die Adams versucht, ist aber ansonsten schon erleichtert, dass sie endlich einen Verbündeten gefunden hat.

Am Bahnhof von Junction City nimmt das Unheil seinen Lauf – Robbins´ bewaffnete Schläger besetzen den Führerstand und übernehmen das Zug-Kommando, Robbins fährt neben dem Zug her und tauscht mit Sam Lichtsignale aus, die im Gefangenenwagen Nick und Red korrekterweise als Startschuss für demnächst anstehende Aktivitäten sehen (und dies aber, im Gegensatz zu dem, was ein vernünftiger Mordbube tun würde, lautstark rausblöken). Terris versucht die Wachen zu alarmieren, aber der geheimnisvolle signalisierende Wagen ist natürlich verschwunden, als die Uniformierten Terris´ Hysteriegrund („sie wollen mich kriegen!!“) verifizieren wollen. Sam, eine wahre Frohnatur, ärgert den Chefsteward mit dem vermeintlichen Wunsch der Wachen, zu unchristlichen Nachtzeiten Kaffee zu begehren, bietet sich aber zur Freude des geplagten Oberkellners (in einer deutschen Fassung hätte den vermutlich Hans Moser gespielt) an, das Gebräu persönlich zu servieren. Uh-oh. Adams checkt kurz die Lage im Gefangenenwagen, findet alles zufriedenstellend vor und rempelt auf dem Rückweg zu seinem Abteil sowohl den kaffeetragenden Sam als auch einen von Robbins Henchmen an und strengt einige Denkprozesse an.

Der Kaffee, den Sam den pokerspielenden Wachen einflösst, ist selbstredend drugged, mit einem Schlafmittel. Sam ist sich nicht zu cool, um den langsam einpennenden Polizisten noch ein Schlaflied zu singen (!). Adams interviewt den Chefsteward wg. des angeblichen Kaffeewunsches seiner Untergebenen und wird dann auch noch vom Schaffner unterrichtet, dass Louise verschwunden ist! Nun, letzteres ist kein grosses Problem, denn anhand der Passagierliste kombiniert Adams, dass das Mädel von Robbins´ Fieslingen in einem unbesetzten Abteil gefangengehalten wird (ich dachte, es gibt keins?) und überwältigt dort ohne grosse Müh und Not die beiden Schurken und rettet die damsel in distress sehr unspektakulär.

Die bewusste Weiche naht und mit Waffengewalt erzwingt Robbins die Umleitung des Zugs auf ein Nebengleis, wo er auch anhält. Sam entwendet den schlafenden Wächtern die Bleispritzen und schickt sich an, Terris zu entleiben, aber der ist vorbereitet, kann Sam ohne gesteigerte Probleme entwaffnen und sich aus dem Gefangenenwagen abseilen (man möchte meinen, Red, Nick und Sam könnten zu dritt eine gewisse Opposition zu diesem Unterfangen darstellen, aber weit gefehlt). Robbins versucht den Zug zu besteigen, wird aber auf Sicht von Terris erschossen. Der Zug fährt, warum auch immer, wieder an, und Terris, der die Gelegenheit zur Flucht nutzen will, stürzt dabei unglücklich durch die offene Tür und unter den Zug, was bekanntlich eher ungesund ist und, zumindest wie der eingespielte Schrei vermuten lässt, fatale Konsequenze hat. Während die wieder zu sich gekommenen Wärter den eigentlich nicht vorhandenen Aufruhr unter den Gefangenen mit Trängengas beruhigen, wird Louise von grosser Traurigkeit übermannt: „Es musste wohl so enden. Ich glaube, er hat es gewusst.“ Adams spielt den Seelentröster: „Es wird Zeit, dass du dich um dich selbst kümmerst,“ fordert er und bietet sich ganz galant als hilfreiche Hand für die kommenden schweren Zeiten an. The End.

Analyse

Man kann wirklich noch echte Entdeckungen im Fundus der Filmgeschichte machen. Prison Train ist zweifellos kein perfekter Thriller, aber für seine Zeit ein erstaunlich reifes Werk, so dass mich wirklich wundert, dass sich hier noch niemand an ein Remake gemacht hat (es sei denn, man rechnet Under Siege 2 oder Con Air und seinem TV-Epigonen Con Train als Remake; und ja, ich weiss, dass sich die Zeiten seit 1938 geändert haben und daher ein paar Voraussetzungen nicht mehr so ganz hinhauen, aber das hat Hollywood-Strategen ja noch selten an etwas gehindert). Ähnlich wie das Original von Narrow Margin (der z.B. von Peter Hyams neuverfilmt wurde) ist auch Prison Train ein Musterbeispiel für exzellentes Spannungskino aus den guten alten Tagen – extrem „tight“, wie man so schön sagt, geschickt uhrwerksmässig auf das Finale konstruiert und darüber hinaus, ganz besonders, wenn man die widrigen Begleitumstände wie niedriges Budget und lächerliche Drehzeit betrachtet, ausgesprochen exquisit gefilmt.

Sure, der Streifen hat einige Flaws in der Story, aber man muss bewundern, wie Drehbuchautor (und nach einigen Quellen Co-Regisseur) Traube es in der spartanischen Laufzeit von etwas über einer Stunde schafft, sowohl die Spannungsschraube anzuziehen, die Geschichte trotz der Tatsache, dass verhältnismässig wenig passiert, in einem vergleichsweise mörderischen Tempo (im Gegensatz zu den damals üblichen Konventionen, wohlgemerkt) weiterzustricken und darüber hinaus den Charakteren noch Tiefgang und echte Entwicklung mit auf den Weg zu geben – you see, aspring moviemakers of now, es ist möglich, auch in einem vergleichsweise kurzen billigen B-Film mehr zu installieren als einfache Pappkameraden von Schablonencharakteren, man muss es nur wollen (und können, natürlich).

Die Geschichte ist eigentlich schlicht (ich will jetzt nicht von der „klassischen Tragödie griechischen Zuschnitts“ reden, aber ganz von der Hand zu weisen ist es nun eigentlich auch nicht), aber wie die ganz grossen Thriller späterer Zeiten einfach perfekt auf den Höhepunkt hin ausgerichtet und, wie auch schon gesagt, sie tickt wie ein Chronometer bester Schweizer Fertigung; mustergültiger Spannungsaufbau, wobei immer wieder angedeutet wird, die „Katastrophe“ würde im nächsten Moment losbrechen, nur um uns dann noch einmal ein paar Minuten länger auf die Folter zu spannen – wo lesser directors und Drehbuchautoren überflüssigen Murks und Subplots einbauen, um die Laufzeit zu strecken, haben Traube und Wiles das nicht nötig – sie vertrauen der Konstruktion der Story und geben sich nicht mit unnötigem Tinnef ab – die Story ist im besten Sinne des Worte „bare bones“, ohne Tand und Beiwerk, und so wird sie auch filmisch umgesetzt. Wenn man überhaupt ein wenig herummäkeln will, könnte man anführen, dass das Finale selbst, wie so oft bei B-Filmen, ein wenig gehetzt daherkommt (die Klimax wird in maximal drei Minuten abgehandelt).

„Bare bones“ soll nun aber nicht heissen, dass keine filmische Raffinesse vorhanden wäre, ganz im Gegenteil, für einen Streifen aus dem Jahr 1938 bedient sich Prison Train geradezu revolutionärer Stilmittel. Ich muss jetzt mal ein wenig mit Superlativen um mich werfen, aber die Kameraführung ist superb, lotet für die damalige Zeit geradezu unglaubliche Möglichkeiten der Positionierung und der Winkel aus, und der Schnitt steht dem in Nichts nach. Dadurch gewinnt der Film eine Dynamik, für die manche Regisseure nowadays dankbar wären – man muss sich immer wieder vor Augen halten, dass dieser Film mittlerweile zarte 65 Lenze auf den Buckel hat, und wenn man dann wieder vergleicht, wie „gewöhnliche“ Filme dieser Ära normalerweise aussehen, bleibt einem bei Betrachtung von Prison Train gelegentlich die Spucke weg. Kein Wunder, dass Orson Welles augenscheinlich begeistert war und sich das ein oder andere Stilmittel „ausborgte“.

Abstriche muss man, wenn überhaupt, was angesichts der Handelsklasse des Films nicht übermässig ungewöhnlich ist, bei den darstellerischen Leistungen machen, aber so schlecht ist das nicht, was die Hauptakteure uns hier bieten. Fred Keating, hauptberuflich ein wohl recht populärer Bühnen-Magier, der sich hin und wieder im Film versuchte, zeigt eine recht eindrucksvolle Performance in einer Rolle, die auch einem Humphrey Bogart nicht schlecht zu Gesicht gestanden hätte. Keating ist gut in der Lage, mit seinem vergleichsweise tiefgründigen Charakter umzugehen (unterstützt durch den ein oder anderen stilistischen Kunstgriff von Regie und Kamera), fast zu gut, denn es fällt schwer, nicht mit ihm zu sympathisieren (vielleicht auch ein Grund für das moralisierende Vorwort). Linda Winters, die ausser Citizen Kane erstaunlicherweise keine grossen Auftritte zu verzeichnen hat, kann ebenfalls überzeugen, wobei sie auch davon profitiert, dass ihre Rolle für eine Frauenrolle aus den 30ern erstaunlich differenziert ist. Ebenso kann Alexander Leftwich als Schurke Robbins brillieren. Amüsant auch die Performance von Clarence Muse, in den 30ern offenbar ein gefragter Star des Kinos „für“ Schwarze, der mit sichtlicher Spielfreude zu Werke geht. Selbst der comic relief von John Pearson ist erträglich, da kein Holzhammer-„Witz-komm-raus“-Humor serviert wird, sondern vergleichsweise subtil gearbeitet wird. Unter der weiteren Besetzung findet sich noch der hier gerade eben in Tarantula gewürdigte Nestor Paiva, aber ich hab ihn zu meiner Schande nicht erkannt – na gut, da war der Knab´ auch noch wesentlich jünger als in den Fetzern, in den ich ihn bislang gesehen habe.

Bass erstaunt ist man nicht nur ob der blossen filmischen Qualität des Dargebotenen, sondern auch von der Präsentation desselben in Form des DVD-Release (paired mit dem hier schon besprochenen The Sin of Nora Moran – ein absolut edler s/w-Print, vom Original-35-mm-Negativ gezogen (Fullframe, of course), der nur zum Ende hin ein paar sichtlich alterungsbedingte Ausfallerscheinungen zeigt, die aber kaum ins Gewicht fallen, eigentlich unfassbar, dass ein nahezu vergessener Billigreisser von anno dunnemals in einer solch fantastischen Form einer neuen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann. Der Mono-Ton ist recht gut verständlich. Angesichts der wirklich bemerkenswerten Präsentation kann man über den Mangel an special features (woher nehmen, wenn nicht stehlen?), abgesehen von interessanten und recht ausführlichen liner notes nicht klagen.

Prison Train ist ein echter Gewinner – ein rasanter, spannender Thriller aus einer Zeit, in der das Genre noch gar nicht erfunden war, der im Gegensatz zu seinem DVD-Companion The Sin of Nora Moran nicht hauptsächlich wegen seiner filmhistorischen Bedeutung bemerkenswert ist – es handelt sich einfach um ein verdammt gutes Stück Spannungskino, das seiner Zeit mit Sicherheit um Lichtjahre voraus war – so gut können B-Filme sein, wenn Kreativabteilung mit Herzblut bei der Sache ist. Eine fette Überraschung für jeden Filmfreund, die die minimalste BOMB-Wertung, die mir möglich ist, locker rechtfertigt! Absolut uneingeschränkte Empfehlung!

(c) 2002 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 1

BIER-Skala: 8


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