Pontypool

 
  • Deutscher Titel: Pontypool
  • Original-Titel: Pontypool
  •  
  • Regie: Bruce McDonald
  • Land: Kanada
  • Jahr: 2008
  • Darsteller:

    Stephen McHattie (Grant Mazzy), Lisa Houle (Sydney Briar), Giorgina Reilly (Laurel Ann), Hrant Alianak (Dr. Mendez)


Vorwort

Talk-Radio-DJ Grant Mazzy hat schon am frühen Morgen, vor Arbeitsbeginn, ein mysteriöses Erlebnis – eine Frau rumpelt gegen seit Auto, rhabarbert zusammenhanglos indifferenten Quark und verschwindet im Nebel… Wenn auch sonst nichts, ist das für Mazzy, der schon mal bessere Zeiten erlebt hat, als sich im Provinzkaff Pontypool als Morgenradio-Bequatscher zu verdingen, ein Aufhänger für seine Show, in der ansonsten über Aufreger wie verschwundene Katzen berichtet und mit seinem offensiven „take-no-prisoners“-Moderationsstil für Irritationen – vor allem bei seiner Produzentin Sydney – sorgt.
Aber heute wird alles anders – denn Wetter- und Verkehrsbeobachter Ken Loney, von dem die Zuhörer glauben, er schwirre im Sender-Hubschrauber umher, der in Wahrheit aber nur in seinem alten Dodge durch die Gegend zockelt, berichtet von einer ausgesprochen undiszplinierten Menschenmenge, die vor der Praxis des Medizinmanns Dr. Mendez randaliert. Die Lage dort scheint ernst zu werden, das Militär greift laut Loneys Berichten ein, es gibt Tote und Verletzte. Mazzy hält die ganze Angelegenheit für einen elaboraten Scherz auf seine Kosten, erst recht, nachdem sich ein Reporter von BBC World in seine Sendung klingelt und von ihm genauere Details über die Krise in Pontypool wünscht. Doch weitere, zunehmend verzweifelte Berichte Loneys, kryptische Übertragungen in fremden Zungen, die davor warnen, sich Familienangehörigen zu nähern, und ein leichtfertig vor die Tür geworfener Blick belehren den brummigen DeeJay eines Besseren: In der Tat wird Pontypool von blutrünstigen kannibalischen Gesellen überrannt.
Dr. Mendez, der sich durch ein Fenster ins im Keller einer alten Kirche gelegene Studio rettet, ahnt die Zusammenhänge – die meuchelnden Monster, zu denen sich auch Studiotelefonistin, -technikerin und allgemeine Kriegsheldin Laurel Ann gesellt hat, sind infiziert, aber nicht mit einem herkömmlichen Zombie-Virus, sondern von … Worten an und für sich. Das macht die Sache für Mazzy, der einerseits die noch gesunden Menschen warnen möchte, andererseits aber durch seine Radioübertragungen das killer-linguistische Problem verbreitet, nicht einfacher…


Inhalt

Eigentlich, das erwähnte ich wohl schon beiläufig in ca. 3876 Reviews, kann und mag ich keine Zombie-Filme mehr sehen. Ich meine, fleischfressende Untote sind schön und gut, aber wenn ich jede Woche im 18er-Regal meines Stammdealers gefühlte fünfundzwanzig neue Zombie-DVDs sehe, vergeht mir irgendwann selbst am mean-spiritsten (äh) Gedärmrauspuhlen der Spaß. Wenn jemand also mir eine weitere Variante des Zombie-Genres verkaufen will (ich bin jetzt einfach mal so frei und ignoriere das große „sind-Infizierte-eigentlich-Zombies“-Schisma der Kirche des Heiligen St. Romero. Was aussieht wie drei Wochen im Grab gelegen, rumschlurft und Leute frißt, soll man meinetwegen Zombie nennen, ob’s nun technisch stimmt oder nicht), muss man mir schon ein veritables Gimmick präsentieren. Der Kanadier Bruce McDonald, bisher eigentlich weniger aufgrund blutrünstiger Horrorheuler aufgefallen, sondern vielmehr aufgrund seiner Satiren im Rock- und Punkmillieu (namentlich „Roadkill“ und „Hard Core Logo“), die in seinem Heimatland euphorisch gefeiert wurden, hat ein solches – einen Zombiefilm, der an eine Location gepinnt ist und praktisch ohne die direkte Bedrohung durch die fiesen Fresswänste auskommen muss, sozusagen die Eröffnungsszene von „Dawn of the Dead“ auf Spielfilmlänge ausgedehnt.

Das muss nicht unbedingt gut gehen, ist aber als Hook denkwürdig genug, um mich zur Investition in eine DVD zu reizen. Nicht ganz überraschenderweise basiert „Pontypool“ auf einer Idee, die McDonald im Zusammenhang mit Orson Welles legendärem „Krieg der Welten“-Hörspiel kam, und kaum überraschender ist der Umstand, dass McDonald und sein Team den Stoff parallel zur Filmentwicklung auch als Hörspiel verwursteten (womöglich, der entsprechende Wikipedia-Eintrag war da nicht ganz schlüssig, auch als „Mockumentary“). Vielleicht ist das Thema, schon allein aufgrund des zweiten „Hooks“, der auf den ersten Blick völlig abstrusen Idee der „Wort-Infektion“, geeigneter für’s Radio (obwohl dann eine Phase, in der die Charaktere nur schriftlich miteinander kommunizieren, eher knifflig umzusetzen gewesen sein dürfte), aber auch als Film funktioniert das Ganze nicht schlecht.

Grund hierfür sind ein dichtes Script (klar, es MUSS dicht sein, sonst würde der Film schnell langweilig) und der geschickte Aufbau einer bedrohlichen Atmosphäre, die vieles der Vorstellungskraft des Zuschauers überlässt, nicht zuletzt aber – um meiner üblichen Struktur vorzugreifen – die darstellerischen Fähigkeiten der Hauptdarsteller, die über weite Strecken nicht mal „virtuelle“ Effekte haben, gegen die sie anspielen müssen, sondern nur „Worte“, d.h. wahnsinnig viel davon abhängt, dass vor allem Stephen McHattie über seine Reaktionen auf die zunehmend hysterischer werdenden Berichte und Nachrichten von „draußen“ das Grauen verbildlichen muss.

Über weite Strecken gelingt der Spagat, Horror und Schrecken nur über Dialog und Reaktion zu erzielen, ganz gut. Schwierig wird’s, sobald der Film versuchen muss, für seine Geschehnisse eine Erklärung zu finden. Die Idee der „infizierten“ Sprache klingt auf Anhieb natürlich ziemlich abstrus, obwohl sie eigentlich nicht so „far-fetched“ ist, wie man meinen möchte. Der Film postuliert, dass die Infektion über bestimmte Schlüsselworte erfolgt, und da letztlich das Verständnis von Worten/Sprache letztlich auf eine neurologisch-elektrochemische Reaktion im Gehirn hinausläuft, ist es, rein „technisch“ gesehen, auf einmal gar nicht mehr soooo abwegig, dass solche „zweckentfremdeten“ Schlüsselworte die Betroffenen in blutrünstige Monster verwandeln (in einem, äh, „realistischen“ Szenario würden aus solchen „Infizierten“ freilich keine Pseudo-Zombies, sondern Amokläufer o.ä.).
McDonald hat hier aber zwei essentielle Probleme: Erstens bietet er keinen „Auslöser“, keine „Mythologie“, wenn man so will, hinter der Infektion an – klar, das würde dem Gimmick zuwiderlaufen (und wenn ich das richtig verstehe, ist ein Sequel in Planung, das vermutlich ein wenig Aufklärungsarbeit leisten wird), was den Infektionsvorgang an sich ein wenig unverständlich werden lässt (dass es drei Phasen der Infektion gibt und wie diese sich äußern, habe ich auch erst Äußerungen des Regisseurs entnommen, die ich bei im Zuge meiner Recherche gefunden habe). Zweitens wird der zunächst reizvolle Gedanke der „verseuchten Sprache“ im Schlussakt etwas sehr metaphysisch und wird gleichzeitig inkonsistent (so unterhalten sich die verbliebenen Charaktere zum „Schutz“ eine Weile auf Französisch – stellt sich die Frage, warum gewisse „keywords“, die von den Charakteren zwar als „französisch“ gesagt werden, aufgrund des Akzents aber klar „englisch“ ausgesprochen werden, plötzlich nicht mehr funktionieren. Ist so’n bisschen wie das „eight/ate“-Paradox auf der Scheibenwelt; auch Mazzys Methode zur „Heilung“ deucht mir etwas sehr simpel).

Nicht ganz glücklich bin ich auch mit dem Ende (SPOILER): Nix gegen ein solides düsteres Ende, aber Mazzys „großer Moment“ ist dann doch zu sehr die schlichte „Krieg und Gewalt sind doof, und wer das nicht kapiert, ist auch doof“-Nummer, das hat nicht den Impact, den McDonald sich wohl an der Stelle erhofft hat (kudos aber für die kuriose, ausgesprochen postmoderne Szene nach dem Abspann).

Ein Film, der per Definition an eine Location gefesselt ist, stellt seinen Regisseur vor die Herausforderung, die ganze Angelegenheit optisch interessant zu gestalten. McDonald wählt den logischen Ansatz, bevorzugt mit Großaufnahmen zu arbeiten (nicht ganz klar ist mir allerdings, warum er unbedingt in 2.35:1-Widescreen drehen muss. Das schreit mir jetzt nicht alles so sehr SCOOOOPE, dass es nicht auch 1.78:1 getan hätte), die Kamera (bedient von Land of the Dead- und „Boondock Saints II“-Kameramann Miroslaw Baszak) viel zu bewegen und den Schnitt nicht im Stakkato-Tempo zu setzen, aber immer wieder zu nutzen, um eine Szene aufzubrechen, zu beschleunigen. Dadurch hält der Film, obschon im Wortsinne on-camera nicht wirklich viel *passiert*, durchaus ein ordentliches Tempo und liefert einige eindringliche Segmente und Sequenzen, unterstützt auch durch einen unaufdringlichen, aber effektiven Score von Claude Foisy („White Noise“, „Wrong Turn 3“, „The 4400“).

Auf der Effekt-Seite wird naturgemäß nicht viel geboten – es gibt eine blutige Sequenz (der Abgang Laurel Anns), die einzige „Gewaltszene“ wird überwiegend außerhalb des sichtbaren Bildausschnits gehalten, ansonsten regiert Atmosphäre und latente Bedrohung.

„Pontypool“ steht und fällt mit der Leistung des Hauptdarstellers und Stephen McHattie („Beverly Hills Cop III“, „300“, „Watchmen“, „2012“) liefert eine schlichtweg grandiose Performance ab. McHattie ist Dreh- und Angelpunkt des Films, muss den Film mehr oder weniger im Alleingang tragen und bewältigt dies auf absolut überzeugende Manier (mit einem gewissen Dennis-Hopper-Touch), was ihn auch darstellerisch mühelos die Klippen der weniger überzeugenden Passagen im Schlussakt überspringen lässt.
Als seine wesentliche Stichwortgeberin castete man der Einfachheit halber seine Ehefrau Lisa Houle (unbedeutende Serienauftritte), was die Chemie schon mal stimmen lässt – die beiden ziehen ihre Charakterbeziehung als eine Art House/Cuddy-Ding durch, was ziemlich gut funktioniert.
Newcomerin Georgina Reilly muss nicht viel mehr tun als die „Verkörperung“ der Bedrohung darzustellen, Hrant Alaniak („Robocop“-TV-Serie, „Total Recall 2070“, „Billy Madison“) legt mir seine Human-Exposition-Machine vielleicht etwas zu albern an.

Bildqualität: Die DVD von MIG ist bildtechnisch überzeugend ausgefallen, vielleicht einen Tick zu dunkel, aber von den Schärfewerten einwandfrei, ohne Störungen und Verschmutzungen.

Tonqualität: Gerade bei einem Film, der nicht unwesentlich auch von den verbalen Leistungen der Schauspieler lebt, habe ich mich von der Synchro sicherheitshalber ferngehalten. Der englische Dolby 2.0-Mix ist angemessen, ausgezeichnete Sprachqualität, passabler, aber mangels besonderer technischer Herausforderungen nicht sonderlich bemerkenswerter Mix. Die deutsche Synchro liegt in Dolby 2.0 und 5.1 vor.

Extras: Leider nur ’ne Trailershow. Ein bisschen Begleitmaterial in Form von Making-of, Interviews und/oder Audiokommentar wäre hier hochwillkommen gewesen.

Fazit: „Pontypool“ ist prinzipiell der erfreuliche Versuch, der erfolgreich zu Tode (ähm) gerittenen Untoten-/Infizierten-/Zombies-Thematik neue Facetten abzugewinnen, und das sowohl in formaler als auch inhaltlicher Hinsicht. Letztlich überzeugt der Streifen in der ersten Disziplin stärker – trotz der Beschränkung auf eine Location und den Verzicht auf plakative Horror-Splatteraction läuft „Pontypool“ nicht Gefahr, langweilig zu werden. Was „Pontypool“ daran hindert, in den Olymp der wirklich guten und klugen Horrorfilme aufzusteigen, ist der irgendwie unentschlossene Schlussakt, der es sowohl an interner Schlüssigkeit vermissen lässt als auch zu guter Letzt zu sehr die plumpe Message-Schiene fährt. Ausgeglichen wird das durch die famose Leistung von Stephen McHattie, aber ich kann mich des Gefühls nicht ganz erwehren, dass „Pontypool“, ganz im Sinne seines Settings (und seines Story-Gimmicks) als Hörspiel besser funktioniert. Dennoch: ein nicht ganz geglückter, aber ambitionierter und deswegen allein schon förderungswürdiger Versuch, im Subgenre mal etwas *anderes* zu machen…

3/5
(c) 2010 Dr. Acula


mm
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