- Deutscher Titel: Playing God
- Original-Titel: Playing God
- Regie: Andy Wilson
- Land: USA
- Jahr: 1997
- Darsteller:
David Duchovny (Dr. Eugene Sands), Timothy Hutton (Raymond Blossoms), Angelina Jolie (Claire), Michael Massee (Gage), Peter Stormare (Vladimir), Andrew Tiernan (Cyril), Gary Dourdan (Yates), John Hawkes (Flick), Will Stewart (Perry), Phillip Moon (Casey), Pavel Lychnikoff (Andrei)
Vorwort
Weil er während der Operation (wie eigentlich immer) unter Drogen stand, ist Dr. Eugene Sands erstens die betreffende Patientin abgenippelt und zweitens die Zulassung entzogen worden. Da er nun nicht mehr einfach ins Medizinschränkchen greifen kann, um seinen Bedarf zu decken, muss Eugene wohl oder übel in zwielichtigen Spelunken verantwortungsvolle freischaffende Arzneimittelberater, sprich Dealer, finden. Bei einem dieser Clubbesuche gerät er in eine Gangster-Schießerei und rettet, weil seine werten Herren Gangsterkollegen ihn ansonsten zweckmäßigerweise verbluten lassen würden, dem Angeschossenen das Leben. Der Boss des Bleifängers, Raymond Blossoms, ist beeindruckt, stiftet Eugene 10.000 Dollar plus einen Besuch bei den Lakers – und stellt weitere Beschäftigung in Aussicht. Schon bald muss Eugene wieder zum Skalpell greifen und Raymonds, äh, „Geschäftspartner“ Vladimir eine Kugel aus den Rippen puhlen, erneut zur Zufriedenheit Blossoms, der allerdings Vladimir umgehend wieder killt, nachdem der ausgespuckt hat, wo die von Blossoms gelinkte Russenmafia die revanchehalber geklaute Ware (Blossoms betätigt sich auf dem Gebiet Im-/Export von Produktfälschungen aller Art) verstaut wurde. Davon ahnt Eugene nichts, bekommt aber Besuch vom FBI, die ihn gerne anwerben würden, um seinen neuen Freund und noch lieber seine angedachten neuen chinesischen Abnehmer einzukäschen. Weil Eugene sich in Blossoms Mädchen Claire (und ihre Brüste) verschossen hat, lässt er sich auf die Spitzeltätigkeit ein, mit den üblichen fatalen Folgen. Vladimirs Boss Dimitri stürmt rachedurstig Blossoms traute Hütte und ballert probehalber Claire um, ehe er von Blossoms Leibwache getiltet werden kann. Eugene stellt bei den lebensrettenden Maßnahmen fest, dass auch Claire schon Spitzeldienste für FBI-Agent Gage verrichtet, täuscht sicherheitshalber ihren Tod vor und geht mit der vermeintlichen Leiche stiften. Blossoms, zwischenzeitlich AUCH vom FBI rekrutiert, verlangt als Preis für seine Mitarbeit die Rückgabe von Claire, tot oder lebendig. Zum Glück kann dieser Wunsch, weil Eugene und Claire die Feds mittlerweile informiert haben, erfüllt werden, Blossoms glaubt aber die ausgedachte Märchengeschichte dazu keinen Meter Feldweg weit und schwört blutige Vergeltung an allen und jedem, bevorzugt während des Deals mit den Chinesen…
Inhalt
David Duchovny wird jenseits der „X-Akten“ ja gemeinhin ein Händchen für erlesen besch…eidene Rollenauswahl nachgesagt, und das nicht wirklich zu Unrecht (ich meine, der Mann hat mehr „Red Shoe Diaries“-Softsexanthologiekram gedreht als irgendwas anderes. Sexsucht can damage your career); erst mit „Californication“ scheint er auf einen soliden Pfad zurückgekehrt zu sein. Und doch, zwischen Gastauftritten in Fernsehserien wie „Frasier“, „Millennium“ und „Sex and the City“ und voice acting für Zeichentrick und Computerspiele tummelt sich doch ab und an was Interessantes – „Evolution“ beispielsweise und der hierzulande recht unbekannte Thriller „Playing God“, der Duchovny mit einem soliden Cast, z.B. einer jungen Angelina Jolie, zusammenspannt.
„Playing God“, geschrieben von Mark Haskell Smith, dessen anderweitige größte Taten vereinzelte Episoden von „Martial Law“ und „Star Trek: Voyager“ sind, bedient sich einer recht interessanten Prämisse – drogensüchtiger Arzt, der ausnahmsweise nicht Dr. Gregory House heißt, gerät zufällig in Gangsterkreise, die seine Bredouille ausnutzen -, aus der er letztlich aber rein storytechnisch zu wenig macht; Sands‘ Drogensucht ist eigentlich kaum ein Thema, zumindest keins, das für die Plotte entscheidend von Belang wäre (man gönnt ihm immerhin einen Entzug, der aber recht locker wirkt – zwei Tüten Süßigkeiten und Dr. Sands sind seine Drogenprobleme wurscht); die Sucht ist nicht die Motivation für Sands, für Blossoms Organisation zum Skalpell zu greifen. Vielmehr macht das Script die Konsequenzen der Sucht, nämlich den Verlust der Approbation und damit schlichtweg die Unmöglichkeit der ärztlichen Tätigkeit, zur zentralen Motivation des Dottores, der also weniger unter seiner Abhängigkeit leidet als unter dem Umstand, nicht mehr operieren zu dürfen – deswegen steigt er bei Blossoms ein, er will den Kick des Operierens, sozusagen die Herrschaft über Leben und Tod (ersichtlich deswegen der Titel „Playing God“) wieder erleben. Das ist immerhin auch ein interessanter psychologischer Punkt, aber auch der bleibt nur halbherzig ausgearbeitet, weil Sands sich schon nach seinem zweiten Einsatz (bei dem er zu zwei Surfer-Idioten auf Blossoms Lohnliste geschickt wird, die verlangen, er möge doch bitte einen offensichtlich totgestochenen Kameraden wieder zusammenflicken) von diesem „Kick“ wieder verabschiedet und nur deswegen zu Blossoms zurückkehrt, weil FBI-Mann Gage ihn dazu zwingt. Der Streifen verschenkt also seine psychologische Komponente zugunsten der oberflächlichen Thriller-Handlung und vernachlässigt das inhärente moralische Dilemma des Arztes aus Leidenschaft, der zu Recht nicht mehr schnippeln darf. Nun gut, der Film wird auch nicht als Psychodrama, sondern als Thriller verkauft, wollen wir daraus mal keinen Strick drehen.
Problematischer ist da für mich zumindest die strikte Dreiteilung des Films – die erste Stunde spielt sich als gefälliges Thrillerdrama, das geradlinig mit den Charakteren arbeitet (abgesehen mal von Claire, die eine ziemliche Non-Entität ist. Braucht halt einen Satz Möpse, damit Herr Duchovny was zu bekucken hat); der Background von Sands und Blossoms wird ausgelotet, wir erhalten Informationen über Blossoms Fehde mit den Russen, weil er nun mit den zahlungskräftigeren Chinesen Geschäfte machen wird, das funktioniert alles recht gut, recht glaubhaft. Die dramaturgischen Probleme beginnen mit Dimitris Überfall auf Blossoms, Sands anschließender Flucht mit der vermeintlich toten Claire und seinem flockigen Entzug – diese Phase bringt den Film effektiv zum Stillstand und dieweil ich durchaus verstehe, dass Autor Smith und Regisseur Wilson eine „Atempause“ vor dem vergleichsweise hochoktanigen Schlussakt einlegen wollen, muss man konstatieren, dass die versuchte Charakterarbeit mangels irgendwelcher Chemie zwischen Duchovny und Jolie recht sinnlos ist. Eine wie auch immer geartete emotionale Beziehung zwischen Claire und Sands wird nicht glaubwürdig vermittelt, und demzufolge erweist sich dieser Part als recht langweilig. Das Finale macht in Sachen Tempo (und Bodycount) einiges wett, allerdings verkompliziert Smith das Drehbuch unnötig durch die „jeder-arbeitet-als-Spitzel-für’s-FBI“-Masche (ich hatte ehrlich noch erwartet, auch der chinesische Käufer wäre noch ein undercover-Agent).
Die Struktur des Drehbuchs ist dann auch die Krux, mit der Regisseur Andy Wilson, eine recht kuriose Wahl (da er zuvor hauptsächlich zwei Comedy-Specials fürs Briten-TV inszeniert hatte und sich in der Folge, wiederum für das britische Fernsehen, als Spezialist für Agatha-Christie-Neuverfilmungen einen Namen machte), ein wenig zu kämpfen hat. Bedenkt man, dass der Film sich im Schlussakt doch recht eindeutig für den Ansatz eines plakativen Action-Thrillers entscheidet, mag man die ersten beiden Drittel für zu betulich, zu langsam halten – was aber im Umkehrschluss nur wieder heißt, dass man vom krawummenden Blockbuster-Kino oder den selbstreferentiellen Tarantino-Gewaltorgien versaut wurde (trotzdem ist, wie erwähnt, der Mittelpart arg problematisch). Völlig verzichten können hätte man jedoch auf den dummschwallenden voice-over aus Sands‘ Sicht, der selten wirkliche Einsicht ins Innenleben des Charakters erlaubt, sondern sich zumeist nur in blumigen Platitüden ergeht, die, wenn sie besonders aus- und abschweifend werden, schon zum Aufrollen der Zehennägel beitragen können. Wie fast zu befürchten war, ist der Schlussabschnitt, in dem Wilson dann heftig aufs Gaspedal tritt und auch eine passable (wenngleich nicht mit den spektakulären Stunt-Blechsalaten der etwas aufwendigeren Actionthriller zu vergleichende) Verfolgungsjagd (mit einer hübschen Idee: Autoverfolgung als „Hütchenspiel“ mit drei identischen „Fluchtfahrzeugen“) einbaut, in Relation zum bedächtigeren set-up ziemlich hektisch, aber immerhin unterhaltsam.
Gewaltfreunde können sich zudem an einigen ruppigen Erschießungen erfreuen, die die FSK 16 durchaus rechtfertigen, interessanterweise bleibt aber, obwohl angesichts der Story naheliegend, „OP-Gore“ praktisch völlig außen vor. Angelina Jolie lässt (weil wir ja Nudity und Gewalt gern im gleichen Absatz abhandeln) die Möpse eingepackt.
Der Soundtrack besteht aus verhältnismäßig anhörbaren Hip-Hop-Stücken, einer eher ungefragten Coverversion von Lee Hazlewoods großartigem „These Boots Were Made for Walkin'“ und einem eher unmemorablen Score von Richard Hartley, den Insider als Co-Komponisten von Richard O’Briens Shock Treatment kennen könnten.
Das Ensemble ist, wie wir schon eingangs festgestellt haben, für einen sicher nicht auf finanziellen Rosen gebetteten Independent-Thriller ausgesprochen namhaft. Duchovny ist, da wird sicherlich kaum jemand widersprechen, kein überwältigend großer Schauspieler und so verwundert es kaum, dass er mit der eigentlich nicht uninteressanten Rolle des Eugene Sands nicht viel anstellen kann; er ist zu eindimensional für eine Rolle, die eine relativ große Bandbreite verlangt (weder Sucht noch „Kick“ beim Operieren noch die Beziehung zu Claire kann man ihm wirklich abnehmen). Der normalerweise stets zuverlässige Timothy Hutton („Stark“, „Das geheime Fenster“, „Wehrlos – Die Tochter des Generals“, „Mimzy“) versucht’s als Raymond Blossoms manchmal etwas zu heftig mit der overacting-Karte, gibt aber im Finale einen überzeugend-hemmungslosen Psychopathen ab. Angelina Jolie beschränkt sich – wie in ihrer Frühphase oft und gern – auf die Rolle des optischen Beiwerks und zeichnet sich, wie auch schon gesagt, durch zip chemistry mit Duchovny aus. Michael Massee („Lost Highway“, „24“, Momentum) hat als FBI-Agent Gage ein paar der witzigeren Szenen, als russischer Mafiosi Vladimir gibt’s ein (leider zu kurzes) Wiedersehen mit dem immer coolen Peter Stormare („Fargo“, Bruiser, „Prison Break“, Premonition), der mal wieder alles gibt.
Bildqualität: Bei einer MCP-Grabbeltischscheibe ist man gemeinhin auch schon auf alles vorbereitet – „Playing God“ kommt in non-anamorphem 1.66:1-Widescreen mit insgesamt gerade durchschnittlicher Transferqualität. Keine Defekte oder Verschmutzungen, aber bestenfalls eben akzeptable Schärfe- und Kontrastwerte. Mittlerweile gibt’s wohl auch eine Neuauflage von Kinowelt, zu deren technischen Meriten ich nichts aussagen kann, im Zweifelsfall aber wahrscheinlich vorzuziehen ist.
Tonqualität: Ausschließlich die deutsche Tonspur in Dolby 5.1 wird geboten. Die zieht die Wurst nicht vom Teller, fällt aber auch nicht entscheidend negativ auf. Kein Rauschen, klare Sprachqualität und sogar eine recht vernünftige Synchro.
Extras: Außer einer Trailershow auf drei andere MCP-Titel wird nichts geboten.
Fazit: „Playing God“ hätte das Zeug zu einem interessanten Psycho-Thriller, entscheidet sich aber letztendlich dann doch dafür, den Weg des geringeren Widerstands zu gehen und sich den Konventionen des Actionkinos zu ergeben. Muss deswegen noch nicht automatisch schlecht sein, sorgt aber dafür, dass der Film insgesamt etwas uneinheitlich wirkt und im Tempo zu sehr schwankt. Garniert mit einem zwar von den Namen her bemerkenswertem, jedoch nur eingeschränkt überzeugenden Cast, bei dem eben vor allem die fehlende Chemie zwischen Duchovny und Jolie (die ja irgendwo der zentrale Punkt des Streifens ist) stört, sortiert sich „Playing God“ letztlich im breiten Genre-Mittelfeld ein. Eine ganz nette Abwechslung zu überkandideltem Blockbusterkino und pseudocoolen Tarantino-Imitationen, aber es bleibt der nagende Verdacht, dass man aus dem Stoff mehr hätte machen können. Daher das Resümee: „Kann, muss aber nicht…“.
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(c) 2009 Dr. Acula