- Deutscher Titel: Passage 33
- Original-Titel: Passage 33
- Regie: Nil Boushila
- Land: Deutschland
- Jahr: 2009
- Darsteller:
Matthias Dietrich (Alex), Patrick Heinrich (Martin), Oliver Bender (Gregor), Tanja Ilg (Eva), Manuel Johnen (gammliger Student im Hörsaal)
Vorwort
Martin findet in einer Unterführung eine geheimnisvolle Türe. Diese öffnet sich jede Nacht genau um ein Uhr und schickt jeden, der hindurch geht, eine Stunde in die Zukunft. Ist man mal dort, ist man für die Umgebung weder zu sehen noch zu hören, aber man kann Einfluss nehmen, wie es einem beliebt (Feuerzeuge „schweben“ lassen, Leute unbemerkt niederschlagen, solche Spässe halt). Diese Entdeckung zeigt er seinen drei besten Freunden und schlägt ihnen vor, damit an die Presse zu gehen, um „gross rauszukommen“. Der Physikstudent Alex pflichtet ihm bei, schon allein deswegen, weil ihm die Tür nicht geheuer ist und er das Ding nur zu gern Behörden und Wissenschaftlern überlässt. Gregor hingegen ist dafür, die Sache für sich zu behalten, denn damit muss man doch irgendwas anfangen können. Eva schliesslich schlägt vor, erst einmal eine Nacht darüber zu schlafen – zumindest darauf kann man sich einigen.
Nicht allzu lange danach kommt sie allerdings ums Leben, als sie mit ihrem Kopf unter einen LKW gerät. Autsch. Das Timing ist durchaus etwas verdächtig und als Martin in Gregors Wagen Evas Kette findet, ist für ihn der Fall klar. Er geht mit seinen Erkenntnissen zu Alex und weiht diesen in folgenden Plan ein: unser angehender Physikus bestellt Gregor zu einem heimlichen Treffen in einem verlassenen Club, um ihn dort mit der Kette zu konfrontieren. Martin dieweil geht vorher durch die Tür, um Alex getarnt als Verstärkung beizustehen. Als der Verdächtigte schliesslich auftaucht, kommt es erstens anders und zweitens als man denkt…
Inhalt
Ach, die Freuden des Filzes. Dass ich an dieser Stelle „Passage 33“ bespreche, ist weitgehend darauf zurückzuführen, dass Drehbuchautor Manuel Johnen das Badmovies.de-Forum praktisch vom ersten Tag weg an der Entstehung des Werkes teilhaben liess (er ist schliesslich auch Forumsmitglied der ersten Stunde) und einige der User gar als Sponsoren anwarb, wofür es dann aber auch eine schöne digitale Vorab-Vorführung gab. Hier sitze ich nun also, um daraus dennoch ein neutrales Bit zu stricken (immerhin war ich – knickeriger Schweizer, der ich bin – nie mit Geldspenden involviert, hüstel).
Entstanden als Diplomfilm an der Lazi Akademie in Esslingen (Genaueres kann man auch auf der Website der Jung-Filmemacher nachlesen), soll der Kurzfilm angeblich eine Art Vorgeschmack auf eine für irgendwann mal geplante Langfassung (mit Serienkiller) bieten, aber hier liegt auch schon das Problem: die Idee mag für einen abendfüllenden Spielfilm geeignet sein, bei einem auf zwanzig Minuten runtergedampften Plot steht man als Zuschauer schnell mal vor dem einen oder anderen Rätsel.
Dass Herkunft oder angedachter Zweck der seltsamen Zeitverschiebungstür im Dunklen gelassen werden, ist im Rahmen eines Kurzfilms noch zu verschmerzen, einige klärende Punkte zur Funktionsweise des Dings wären aber nett gewesen: Wo kommt man raus, wenn man durch die Türe geht? Muss man nochmals durch, um zurück in den ursprünglichen Zeitstrom zu gelangen, oder erledigt sich das von selbst? Gibt es allenfalls eine Zeitlimite?
Das Verhalten der Protagonisten ist nicht immer ganz nachvollziehbar… Kann sich Martin für die Tür tatsächlich keine besseren Verwendungszwecke ausdenken, als damit zur Presse zu gehen? Da bin ich ganz auf Gregors Seite (nicht nur wegen dem Namensvettertum). Mindestens die eine, recht heftige Charakterveränderung kommt aus dem Nichts und der Mörder gehört zu der Sorte, die es sich wesentlich komplizierter macht, als es eigentlich nötig wäre. Und darauf, dass das Mädel im Kofferraum nicht Eva ist, muss man erst einmal kommen.
Glücklicherweise war mir der Luxus vergönnt, bei einem der dahinter steckenden Masterminds nachfragen zu können, und tatsächlich macht das Ganze mit einigen Erläuterungen und Hintergrundinfos zumindest theoretisch Sinn – ist halt schade, wenn sich das nicht aus dem Film selbst oder dann erst durch mühsames Zusammenreimen ergibt. Naja, man lebt und lernt (die Beteiligten sind schliesslich Neulinge) und sucht sich das nächste Mal vielleicht einen Stoff aus, der sich bequemer in das angedachte Format übertragen lässt.
Im Übrigen soll sich hier tunlichst nicht der Eindruck einstellen, „Passage 33“ sei völlig unverständlich, denn das ist nun doch nicht der Fall. Es gibt im Lauf der Handlung halt einige Irritationen, im Grossen und Ganzen ist aber durchaus nachvollziehbar, worauf das Filmchen hinaus will. Zumindest macht es gespannt auf eine Langversion, die mit mehr zur Verfügung stehender Zeit hoffentlich ausgewogener erzählt ist und ein paar Fragen mehr beantwortet.
Wirklich auftrumpfen kann „Passage 33“ auf der formal-technischen Seite, denn auch wenn Regisseur Nil Boushila oder Kameramann Tobias Utz ebenfalls Anfänger sind, von der Seite her betrachtet ist der Film von einer ausgewachsenen Profiarbeit kaum zu unterscheiden. Der Look ist stylisch unterkühlt, das diesbezügliche Highlight der vorgezogene Showdown in dem verlassenen Club, mit vernachlässigten Gemäuern und wehenden „Plastikvorhängen“, nur echt mit Blitz und Donner im Hintergrund; das macht was her. Kamerafahrten (mit Kran und Dolly), Handkamera und schräge Winkel sorgen zudem für visuelle Dynamik. So kommt beim Betrachten keine Langeweile auf.
Die Effekte sind für eine Produktion dieser Grössenordnung überraschend gelungen, teils sogar echt gut (das schwebende Feuerzeug, das grünliche „Wabern“, in das die Welt für die getaucht ist, die durch die Tür gehen) und unterbieten nie die Kategorie „immer noch okay“ (die grosse Explosion zum Schluss). Ziemlich cool sind die „Zwischenstücke“ mit den fliegenden Uhren und für die Splädda-Prolls gibt es gar etwas Gore in der Form einer kaputtgefahrenen Rübe. Apropos Rübe kaputtfahren: den entsprechenden Match Cut muss man wirklich mal gesehen haben (fast so gut wie die Bratwurst-Szene in Das Stahlwerk-Massaker schlägt zurück).
Was dem Film auch noch gut tut, ist die Tatsache, dass man nicht irgendwelche Laiendarsteller vor die Kamera geholt hat, sondern es geschafft hat, ein paar Nasen mit echter Schauspielerfahrung zu verpflichten. Die Herren und Frauen Schauspieler sprechen die Dialoge vielleicht ab und an etwas hölzern daher, aber das ist schon etwas ganz anderes als bei Ittenbach, Rose und Co.
Matthias Dietrich (Alex) kennt man aus „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ oder „Verliebt in Berlin“ und ist als nominelle Hauptfigur die ideale Besetzung – zumindest meine Sympathie für ihn litt allerdings ein wenig unter dem Schluss. Ebenfalls aus „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ stammt Oliver Bender (Gregor).
Patrick Heinrich („Rennschwein Rüdi Rüssel“ – die Serie, nicht der Film) kommt in der Rolle des Martin als gemütlicher, grundsympathischer Geselle rüber (der anscheinend wirklich alles gleich mit seinen Kumpels teilt), Tanja Ilg („Drawn in Blood“) spielt im Grunde zwei ganz verschiedene Charaktere, was im Rahmen der Handlung nicht wirklich Sinn macht, von ihr aber überzeugend umgesetzt wird.
Der Score von Carsten Benninghoff synthesizert ein wenig, ist dafür abwechslungsreich und passt in den jeweiligen Szenen – da hab ich bei „richtigen“ Filmen schön weitaus Schlimmeres hören müssen. Selbst einen Popsong (der in der Uni-Szene mal kurz angespielt wird) hat man sich organisiert.
DVD
Eine Silberscheibe des Streifens gibt es noch nicht, ist aber in Planung. Da Bild und Ton bereits als Stream im Internet weder Augen- noch Ohrenkrebs erzeugen, muss man sich für die DVD wohl keine Sorgen machen. Im Bonusmaterial soll zumindest Behind-the-Scenes-Material von 25 Minuten und Audiokommentare enthalten sein. Beizeiten wird es nähere Infos dazu geben.
Update
Inzwischen konnte ich die offizielle DVD in Augenschein nehmen (und habe mit Befriedigung festgestellt, dass sich ein Auszug aus dieser Besprechung auf dem Back Cover findet, hihihi). An Ton und Bild gibt’s nichts zu mäkeln (davon abgesehen, dass es keine Untertitel gibt – den internationalen Markt erobert man so doch nicht), das Zusatzmaterial ist reichlich:
Der Audiokommentar mit Regisseur und Drehbuchautor ist ganz informativ (sowohl, was Infos zum Dreh, als auch, hüstel, Hilfestellung zum Verständnis der Story anbelangt) und recht unterhaltsam. Das versprochene knapp 25minütige Behind-the-Scenes-Feature ist ebenfalls nicht uninteressant, jedenfalls, wenn man sich für so was erwärmen kann – es ist halt kein kommentiertes Making of, aber man kriegt einen schönen Blick darauf, wie es bei so einem Dreh zugeht („Leute, in dieser Einstellung brennen die Lampen nicht; aus welchem Grund sollten wir sie jetzt anlassen, um einzuleuchten; ist doch Schwachsinn!“).
Unter „Matthias’ Magic Show“ zaubert Matthias Dietrich dem Drehteam ein bisschen was vor (Copperfield wird neidisch), „Blamage 33“ versammelt einige (nicht sooo lustige) Outtakes, der „Rohschnitt“ ist genau das (also der Rohschnitt, weitgehend ohne Nachbearbeitung und so). Hinter „Kleiner Scherz“ verbirgt sich eine, ähem, Alternativversion des Filmbeginns und „Matze Deluxe“ zeigt, was reife, erwachsene Männer mit einem elektrischen Megafon anstellen. Trailer und Teaser runden das Programm ab.
Fazit
„Passage 33“ ist nicht unbedingt die grosse Offenbarung, was den Plot anbelangt, da muss man seine Hoffnung wohl ganz auf eine Langversion richten – mit mehr Zeit, die Geschichte zu erzählen, werden sich die storytechnischen Holprigkeiten hoffentlich ausbügeln lassen. Spannend wäre die Idee ja. Was aber das Technisch-Formale anbelangt, haben die jungen Filmemacher so ziemlich das Maximum herausgeholt. Man darf auf zukünftige Werke der Beteiligten gespannt sein.
3/5
(c) 2009 Gregor Schenker