Orca – Der Killerwal

 
  • Deutscher Titel: Orca - Der Killerwal
  • Original-Titel: Orca
  •  
  • Regie: Michael Anderson
  • Land: USA/Italien
  • Jahr: 1977
  • Darsteller:

    Nolan (Richard Harris)
    Rachel Bedford (Charlotte Rampling)
    Jakob Umilak (Will Sampson)
    Annie (Bo Derek)
    Novak (Keenan Wynn)
    Ken (Robert Carradine)
    Swain (Scott Walker)
    Paul (Peter Hooten)
    Priester (Wayne Heffley)
    Tankwart (Vincent Gentile)


Vorwort

Abt. Ab zu den Fischen

Meine letzte Grabbeltischexpedition ist zwar mittlerweile auch schon wieder ´ne ganze Weile her, aber, Schelm der ich bin, hab ich mir von dem eingekauften Billigkram bis auf die ZZ-Top-Best-of-DVD bis heute nichts angesehen. Warum auch? Filme auf Vorrat kann man nie genug haben, wer weiß, welch´ schlechte Zeiten noch auf uns alle zukommen werden (dafür wird schon die Angie sorgen). Aber man kann ja auch langsam mal mit dem Aufarbeiten anfangen.

Wenden wir uns daher mal wieder der, ähm, Klassikerabteilung zu. Rückblende in die 70er und zum guten alten Weißen Hai von Spielberg. Wo ein kassenträchtiger Trend die Rückenflosse aus dem Ozean streckte, ist der dreiste Imitator stets nicht weit, und in vielen Fällen trägt er einen italienischen Personalausweis in seiner Brieftasche spazieren. Soweit, so bekannt und in der Tat gehen die Italo-Hai-Rip-offs, wie wir ja erst kürzlich mit Joe D´Amatos erbarmungswürdigem Squali erkundet haben, zu Zwölft aufs Dutzend. Nun versuchten sich aber nicht nur die Dilettanten aus der dritten Liga an dem Thema, sondern auch der vielleicht letzte große Filmmogul der Geschichte, der multiple Pleitier Dino de Laurentiis, der 1976 bereits das King Kong-Remake mit viel Gedöns auf die Leinwand gebracht hatte (und in den 80ern das Publikum mit einem ganzen Rudel mittelmäßig budgetierter Stephen-King-Adaptionen, inklusive der vom Meister selbst inszenierten Trashperle Maximum Overdrive, von Kollege manhunter auf diesen Seiten auch schon seziert, behelligte).

De Laurentiis gehört zu der Spezies Filmproduzent, die auf die „mehr ist mehr“-Karte setzen – weswegen sein Kong auch nicht aufs Empire State Building, sondern aufs World Trade Center kraxelte (weil: höher). Und wenn so ein Schelm auf den Trichter kommt, einen wässrigen Tierhorrorfilm zu produzieren, gibt der sich nicht mit schlichten weißen Haien oder gar possierlichen Piranhas zufrieden, nein, da muss was GROSSES her. Da das Gefährdungspotential durch Pott- oder Blauwalangriffe anscheinend nicht als ausreichend hoch angesehen wurde, gab´s eigentlich nur eine Möglichkeit – Orcas, gemeinhin auch als Killerwale bekannt (ersatzweise auch als Knuddeltiere zum Liebhaben aus der Free Willy-Reihe). Don´t we feel scared already? De Laurentiis rief den routinierten Regisseur Michael Anderson (Logan´s Run) und versammelte einige mehr oder weniger prominente Nasen für den überschaubaren Cast. Orca war, wie so viele der von Dino geförderten Filme, kein überragender Kassenerfolg, landete daher auch schon recht bald im Fernsehen (will sagen: ich erinnere mich aus den 80ern daran) und beeindruckte das hierfür anfällige Publikum speziell durch eine (noch im folgenden ausführlich zu würdigende) Szene (sprich: das ist die, die eigentlich allen einfällt, wenn man den Filmtitel in den Raum wirft).

Da Kinowelt ihre DVD-Adaption in der Budget-Range verhökern, wollte ich doch mal nachprüfen, ob der Film einigermaßen würdevoll gealtert ist. Womit wir dann auch endlich beim Thema und Review wären.


Inhalt

Nach dem Vorspann (Einblendung eines Radarschirms mit sinnlosen Positions- und Entfernungsangaben, akustisch untermalt von Walgesang) haut uns der Film gleich mal die Pathoskelle mit Schmackes um die Ohren – mehrere Minuten lang dürfen wir uns ansehen, wie ein glückliches Orca-Pärchen im Ozean umherschwimmt und sich´s sichtlich gut gehen lässt (der Score von Ennio Morricone lässt nichts unversucht, uns plausibel zu machen, dass wir es hierbei mit einer herzerweichenden Szene zu tun haben).

Okay, wir haben begriffen. War ja auch nicht so ´ne Denksportaufgabe. Also können wir uns der Geschichte zuwenden – wir befinden uns an der zerklüfteten Felsküste Neufundlands (oder Njuffland, wie sich Kanadier phonetisch ausdrücken würden). Hier wird einmal mehr seriöse Wissenschaft betrieben. Die Walforscherin Rachel Bedford (die uns in der Folgzeit mit heftigen voice-over-Monologen über wesentliche Entwicklungen, die wir vielleicht auf Anhieb nicht mitbekommen haben, auf dem Laufenden halten wird, und deren Vornamen wir ungefähr in einer guten Stunde erfahren werden – den Nachnamen dafür aber nie) spielt auf einem Tonbandgerät die Top-10 der Walfisch-Charts ab und leitet den groovigen Sound per Kabel und Unterwasserlautsprecher in die Fluten. Offenbar scheint Ms. Bedford daran gelegen zu sein, unschuldige Wale ins grausame Schicksal des auf-dem-Strand-krepierens zu lotsen, oder warum versucht sie, Wale in Spuckweite zum Festland zu locken? Nun gut, das kann sie ja machen, wenn´s der Sache dienlich ist, auch wenn das bedeutet, dass sie in vollem Scuba-Gear taucht.

Das stört die fischfangenden Aktivitäten des Trawlers „Bumpo“, bemannt vom seewasserzerfurchtgesichtigen Kapitän Nolan, seinem weißbärtigen und -haarigen Opa-Maat Novak, Steuermann Paul und Annie (von der erfahren wir den Namen auch erst vieeel später), deren primärer Zweck an Bord des Schiffs zu sein scheint, ein paar Titten darzustellen (da sie von Bo Derek gespielt wird, ist uns ja auch allen klar, dass es sich kaum ziemt, der Dame eine sinnvoll-produktive Aufgabe zuzubilligen). Nolan ist auf der Jagd nach Haien (man mag mich jetzt wieder für eine unterbelichtete Trübtasse halten, aber Haie vor Neufundland? Ich hielt die Jungs nun doch eher für Warmwasser-Getier), hat auch einen Großen Weißen ins Visier genommen und lässt sich von lächerlichen Lappalien wie dem Schlauchboot, in dem Rachels Gehilfenkollege Ken verzweifelt gestikuliert und blökt, dass man wegen der Abgetauchten fischermannseits doch ein wenig vorsichtig sein solle, kaum beeindrucken (Rachel versucht dieweil unter Wasser, sich in einem Korallenriff einzumauern, schmeißt aber dummerweise ein Stück Fels direkt vor des Hais Nase und kann grad noch rechtzeitig auftauchen). Vielmehr ist Nolan wegen der personifizierten Sabotage seines Beutezugs persönlich angepisst und will den Inhalt des aufgetauchten Neoprenanzugs gerade ordnungsgemäß in bestem Seebärenslang zur Minna machen, doch bringt er das nicht über´s Herz, als er realisiert, dass es sich dabei um ein weibliches Wesen handelt. Frau hin, Schlauchboot her, die „Bumpo“-Crew ist säuerlich – der Hai wäre glatt 25.000 Dollar wert gewesen (10.000 Steine pro Fuß Hai. Hm, dann wär das Tier ja nicht mal ´nen dreiviertel Meter lang und bestenfalls ein Großes Weißes Baby) und dass man diesen Betrag jetzt in den rauhen Wind schieben kann, findet das Wohlgefallen der Fischersleut nicht. Scheinbar ist der Hai suizidär veranlagt oder ein Gutfisch vor dem Herren, er kommt jedenfalls zurück. Das schockiert wiederum Ken so sehr, dass er ohne weitere Veranlassung aus´m Schlauchboot in die Suppe fällt und damit auf dem besten Wege wäre, zu Hai-Fodder zu werden. Aus Gründen der Genpool-Selektion hätte er das möglicherweise verdient, aber was rauscht da schwarz-weiß an wie der geölte Blitz auf Kufen? Nein, nicht badmovie-kater Pucki mit´m Außenborder am Schwanz (obwohl der farblich durchaus als Orca durchgehen würde und was den Umfang her angeht… auch), sondern der Menschenfreund unter den Killerwalen, der aus dem angreifenden Hai Haifischflossensuppe mit Geschnetzeltem macht (so explizit das einem FSK-12-Film möglich ist, also nicht sehr). Hoho, da habt Ihr´s dem Herrn Spielberg aber mal so richtig gegeben, Producers! Nolan staunt Bauklötze.

Wenig später hält Rachel vor einem mäßig interessiert wirkenden Auditorium einen Vortrag über Orcas – mehr oder weniger ein rezitierter Lexikoneintrag, mit ein paar handlungsrelevanten Ergänzungen. Orcas sind hervorragende Eltern (besser als Menschen), haben größere Gehirne als unsereiner, sind demzufolge auf manchen Gebieten wahrscheinlich schlauer als Homo Sapiens-Vertreter, ihre Föten haben erstaunliche Ähnlichkeit mit menschlichen Embryos (Hände mit fünf Fingern) und können mit ihren komplexen Gesängen („viermal mehr Informationen als die Bibel“, jubiliert Rachel. Dann heirate doch ´nen Wal!) weltweit kommunizieren. „Sie sehen unsere Sprache womöglich als zurückgeblieben an“, spekuliert sie (um einen alten Witz abzuwandeln: Wenn die Viecher so schlau sind, wieso verrecken sie dann alle Nase lang an irgendwelchen Stränden und lassen sich auch sonst von Japanern und Norwegern abschlachten?). Unter den Zuhörern hockt Nolan, der für einen erfahrenen Hochseefischer (zumindest sollen wir das ja glauben), eine bemerkenswert verblödete Flachbirne ist, alldieweil er von Orcas, wie er gesteht, praktisch noch nie was gehört hat und schon gleich mal überhaupt nichts weiß (! Und sowas verdient sein Geld als Fischer?). Rachel fühlt sich scheinbar von Blödheit magisch angezogen: „Seine Neugier und seine aus Unwissenheit entstehende Verwundbarkeit machten ihn attraktiv!“ (So zieht man also Akademikerinnen an Land. Ich wußte immer, die Kontaktanzeigen „Akademikerin sucht Akademiker“ sind Fälschungen).

Vielleicht hätte sie aber nicht so auskunftsfreudig sein sollen, denn schon am nächsten Tag bastelt Nolan in einer nahen Buch ein provisorisches Walgehege, zu Rachels Entsetzen. Nolan gesteht freimütig, ein Exemplar der Spezies fangen und gegen solide Dollars an ein Aquarium verticken zu wollen. Rachel reitet darauf herum, dass die Gefangenschaft für einen Orca noch viel schlimmer sei als bleistiftsweise für einen Löwen, aber Nolan lässt sich sowas nicht sagen, und schon gar nicht von einer Frau. Rachel tröstet sich damit, dass Nolan vermutlich eh zu blöde ist, um einen echten lebendigen Wal zu fangen, sorgt sich aber andererseits, dass er beim Versuch unschuldige Orcas aus Versehen „abschlachten“ könnte. Unmöglich, grinst Nolan, er ist Profi und ihm passieren keine Versehen (jawoll, immerhin wusstest du bis gestern nicht mal, was ein Orca * ist *).

Nachdem wir ein wenig dabei zuschauen dürfen, wie eine Orca-Herde fried- und glücklich herumtollt, schalten wir zur „Bumpo“, die bereits ausgelaufen ist. Annie hat second thoughts – es könnte doch sein, dass man im Erfolgsfalle der Waleinkäschung eine glückliche Familie zerstört und das wäre doch irgendwie auch nicht soo okay, oder, wo Orcas doch monogam sind? Nolan befiehlt ihr, die Waffel zu halten und ihren Job zu tun (worin immer der auch bestehen mag; okay, aha, sie dosiert das Betäubungsmittel). Die unglückselige Walgroßfamilie wird geortet – freudig greift Nolan zur mit Tranquilizern bestückten Harpune und schießt sie ab. Dem Zielobjekt ratscht er leider nur ein Stück Rückenflosse ab, die eigentliche Harpune bohrt sich in den Leib eines arglos neben dem ausgekuckten Opfer schwimmenden anderen Wal, welcher umgehend verdammt menschlich klingende Schmerzenslaute von sich gibt und panisch herumplatscht. Nolan, und das muss man ihm dafür, dass er in gewisser Weise der Schurke unseres Stückes ist, positiv anrechnen, ist sofort entsetzt, zumal ihm Annie mitteilt, dass es sich bei dem getroffenen Wal um ein Weibchen handelt (das sagt ihr nicht nur die geschlechtliche Verbundenheit, sondern auch die Form der Rückenflosse. Sogar dieses dumme Blondchen kennt sich also mit Killerwalen aus, aber nicht der Käpt´n Iglu). Mrs. Orca versucht dieweil, Selbstmord zu begehen (und das ist jetzt kein blöder Witz von mir, das postuliert der Film so) und versucht sich, mit der Schiffsschraube der „Bumpo“ endgültig in die ewigen Waljagdgründe zu befördern (? Warum sollte sie das tun? Die Verletzung durch die Harpune mag schmerzhaft, aber keinesfalls tödlich sein, schließlich ist es ja Nolans Bestreben, einen Orca lebend zu fangen. Also nur, um der Gefangenschaft zu entgehen?). Das hält Nolan sichtlich für einerseits ziemlich krank und andererseits geschäftsschädigend – solange sich die Walkuh noch nicht endgültig zu Frikassee verarbeitet hat, soll sie doch bitte eingeholt werden. Dies wird unter den gestrengen Blicken des Walmännchens (dem mit dem Stück abgerissener Rückenflosse) vollzogen.

Damit kommen wir auch gleich zu der schon oben erwähnten Szene, die auf den jungen Doc seinerzeit schweren Eindruck gemacht hat (im Sinne von „wüüääh, wie eklig“). Kaum über Deck aufgehangen, beschließt die Walkuh nämlich, den Menschen auf sehr definitive Art mitzuteilen, trächtig zu sein, nämlich in Form einer spontanen Frühgeburt. Das, was da aus lichter 5-Meter-Höhe aufs Deck plumpst, ist ein rosa-graues Etwas, das mit einem Wal sehr wenig Ähnlichkeit hat, dafür aber, ein wenig bildliche Fantasie vorausgesetzt, mit einem menschlichen Fötus. Dem harten Seebären Nolan wird schlecht (ich muss allerdings zugeben – ich fand die Szene zwanzig Jahre jünger dann doch deutlich härter), dieweil Papa Wal lautstark röhrt (können Wale röhren? Ich weiß es wirklich nicht). Angewidert befiehlt Nolan, den Walembryo sofortamente von seinem schönen Schiff zu entfernen und als seine Crew aus unerfindlichen Gründen nicht sofort spurt, greift er zur Selbsthilfe und zum Wasserschlauch und spült den Fötus über Bord. Der verhinderte Walvater quetscht sich eine Träne aus dem Auge (zumindest soll der wässrige Augen-Close-up sicherlich dies versinnbildlichen) und lässt einen weiteren Röhrer hören. Der alte Novak wundert sich, warum Nolan so aus dem Leim geht und versucht´s mit ein paar halbseidenen „ist ja gut, jetzt ist es ja weg“-Worten, aber der Kapitän ist bis ins Mark erschüttert.

Was ihn nicht daran hindert, die Walmama am Kran über der Bordwand hängen zu lassen und mit ihr gen Heimathafen zu schippern, selbstverständlich ohne zu ahnen, dass der penetrante Ehemann stehender Flosse folgt und nach Einbruch der Nacht seinen stabilen Walschädel gegen den Kiel der „Bumpo“ donnern lässt. Auf der Brücke des Trawlers herrscht Verwirrung – der Ozean ist hier doch ewig tief und Riffe oder ähnlicher Krempel sind weder dem Kartenmaterial noch dem Radarschirm zu entnehmen? Woran ist man also hängengeblieben? Paul, bislang nicht gerade als Denker (oder sonst wie…) in Erscheinung getreten, zieht den richtigen Schluss: „Nicht wir haben etwas getroffen, etwas hat UNS getroffen!“ Und es trifft gleich noch mal und rüttelt die tapferen Fischer mächtig durch – Annie bricht sich dabei eine Stelze. Nolan zählt zwei und zwei zusammen und ist entgeistert, dass die Walmama trotz des stundenlangen mit-dem-Kopf-nach-unten-hängen noch lebt. Novak wird dazu verdonnert, riskanterweise auf den Ladekran zu klettern und den Nicht-Kadaver loszuschneiden. Die waidwunde Walkuh platscht ins Wasser, aber ihr zukünftiger Witwer ist damit nicht zufrieden, jumpt aus dem Wasser und beißt mit seinem beeindruckenden Zahnset den Kranausleger samt Novak ab. Nolan und der Killerwal starren sich sekundenlang in die jeweiligen Augen. Dann wendet sich der Wal seinem Weibchen zu und schubst es per Nasenstüber zurück in die heimatliche Herde, wo das Weibchen stirbt. Gram vor Trauer schiebt ihr Gemahl die Leiche in mühseliger Nasenarbeit an Land (das ist eine erstaunliche sportliche Leistung, ganz abgesehen davon, dass er sogar richtig geraten hat, wohin genau er den Kadaver transportieren muss).

Toter Wal in der Bucht fällt auf, insbesondere, wenn´s die ist, in der Rachel ihr Forschungscamp aufgeschlagen hat. Da hat sie gleich was zu untersuchen. Auch Paul und Nolan bemerken den gestrandeten Wal – Nolan ruft Dendaoben an und möchte sich zunächst unauffällig verdünnisieren, bemerkt dann aber Rachel und stattet einen Kondolenzbesuch ab. Dass er nicht gerade mit Blütenkränzen und Willkommens-Cocktails begrüsst wird, hätte er sich eigentlich denken können. Rachel is not a happy camper. Nolan gibt sich beeindruckt, dass das verwundete Weibchen noch soweit geschwommen ist, aber Rachel weiß Bescheid: das Männchen hat sie hierher geschoben (woher weiß sie das? Ist das ein erforschtes Verhaltensmuster bei Orcas?). Nolan ist glaubhaft zerknirscht ob des Unglücksfalls, würde die Sache aber ansonsten abhaken wollen. Nicht mit Rachel, die ihm versichert, dass der Wal ihn verfolgen wird. Einen Kronzeugen für ihre These hat sie auch schon aus dem Ärmel geschüttelt (die Frau ist gut vorbereitet, das muss der Neid ihr fraglos lassen).

Für weise Ratschläge an lernresistente Unholde greifen wir gerne mal auf das gern gesehene Gimmick des naturverbundenen Ureinwohners, in diesem Fall der klassischen Rothaut, zurück – Will Sampson, Hollywoods Vorzeige-Indianer-Nebendarsteller, muss ja auch seine Miete zahlen (gott behülf, dass man dem armen Kerl mal eine Rolle gegeben hätte, die nicht auf seine native american heritage abstellt), hier heißt er Jakob Umilak (das kommt mir schon fast wie ein Inuit-Name vor), ist seines Zeichens Lehrer (aha, darum hat Nolan den auch noch nie gesehen, obwohl das Fischerkaff, in dem er, wie später noch etabliert, seit 16 Jahren lebt, nicht so aussieht, als würde man sich da nicht täglich über den Weg laufen) und eben zuständig für weise Ratschläge an lernresistente weiße Unholde. Jakob kennt nämlich eine alte Geschichte von seinem Opa – zu dessen Zeiten hätten mal Männer seines Stammes einen Wal getötet und da sei dessen Lebenspartner auch nachtragend gewesen. „Sie erinnern sich an die, die sie verletzen“, doziert er und gibt Nolan, der sich immerhin auf die Frage, ob er denn ursächlich für die verendete Walkuh zuständig sei, als „schuldig“ (wörtlich) geoutet hat, den dringenden Ratschlag, sich aus dem Territorium des Wals herauszuhalten. Und der Wal hat Nolan ja schließlich gesehen. Nachdenklich räumt Nolan ein, dass er diesen Tipp womöglich befolgen werde. Die Läuterung hat bereits eingesetzt. Die Moral von der Geschicht hätten wir damit eigentlich abgehakt und könnten theoretisch auch aufhören.

Aber so schnell betätigen die Nordostdeutschen nicht den Abzug am Gewehr. Novak wird unter Erde gebracht (bzw. mangels eines verbuddelbaren Leichnams eine Trauerfeier in der Dorfkirche gehalten) – nach der Zeremonie nimmt Nolan den Pfaffen beiseite und spendet mangels erbberechtigter Angehöriger Novaks Lohn dem Seemannsfond. Das ist aber nicht sein Hauptanliegen; nach einigem Herumdrucksen, dass der Priester für unspezifizierte Suche nach seelischem Beistand hält und ein paar „ist-doch-nicht-deine-Schuld“-Sprüche vom Stapel lässt, rückt Nolan mit der entscheidenden Frage raus: Kann man sich gegen ein Tier versündigen? Man kann sich sogar gegen einen Grashalm versündigen, theologisiert der Gottesmann, schließlich sei eine Sünde in erster Linie eine Sünde gegen sich selbst. Damit ist Nolan zwar auch nicht wesentlich schlauer, aber so ist das mit der Religion, als praktische Lebenshilfe in Krisenzeiten stets wortreich zur Stelle, jedoch selten mit brauchbaren Ratschlägen.

Am Hafen wird Nolan von Al Swain, dem örtlichen Häuptling der Fischergewerkschaft, zur Rede gestellt. Nolan wird doch den Wal baldmöglichst killen? Hat er eigentlich nicht vor, bescheidet unser Antiheld. Swain düstert vor sich hin – in diesem Teil der Wälder sei das gemeine Fußvolk ein wenig abergläubisch und da der draußen rumschwimmende Killerwal die Fische verscheucht, werde Nolan doch verstehen, oder??? Nolan versteht nicht wirklich, worauf Swain hinauswill.

Der Orca hüpft indes vor der Hafeneinfahrt aus dem Wasser und entscheidet sich zu einem neuerlichen Angriff. Er schwimmt ins Hafenbecken und rammt eine Fischerjolle, die sofort sinkt. Ihr Besitzer kann gerettet werden. Schiffe versenken ist ein lustiges Spiel und macht auch Killerwalen mächtig Frohsinn, also benutzt der Orca seine Birne ein weiteres mal als Rammbock und schickt einen weiteren Kahn ohne großes Federlesen auf den Grund. Allgemeine Panik – Nolan schaut dem Untier ins Antlitz. Der Wal ist der Meinung, sein Anliegen deutlich gemacht zu haben und schwimmt von hinnen.

Am nächsten Tag (oder so) ist Rachel mit ihrem Gehilfen dabei, die Walleiche vom Strand zu bergen und Nolan hilft dabei. Man will das Tier „beerdigen“ (hui, das wird ´ne große Grube). Rachel schenkt Nolan ein Buch über „Wale und Delfine in Wissenschaft und Mythologie“ (bei letzterem Wort hat Primitivling Nolan Verständnis- und Ausspracheschwierigkeiten). Nolan nimmt den Schmöker nicht unbedingt begeistert, aber dankend an und amüsiert sich über den Klappentext, wonach sich das Buch mit der „am wenigsten bekannten Intelligenz“ befasse. „Das muss über mich sein“, scherzt er. Rachel, nicht zu billigen Witzen aufgelegt, stiert ihn schweigsam und finsteren Blickes an. Rätselhafterweise scheint Nolan dies für einen Freifahrtschein zum fröhlichen Baggern zu halten und lädt Rachel auf einen Drink oder zwölf ein. Die traute Date-Anbahnung wird durch Al Swain empfindlich gestört, der Nolan mitteilt, dass die Reparatur der „Bumpo“ im Hafen zur obersten Priorität erklärt wurde. Unser Käpt´n ist verdutzt – er hat´s doch gar nicht eilig? Swain muss es ihm in der Tat buchstabieren – die Dorfgemeinschaft erwartet von ihm, gefälligst seinen Hintern auf´s Meer zu schieben und den Wal zu massakrieren. Dazu hat Nolan aber, als geläuterter Sünder, keine Lust, mag sich aber auch nicht als Feigling outen und schiebt daher zweifelhafte Argumente wie „beschädigter Rumpf“ (ähm, daran werkeln die Hafenarbeiter gerade, das erzählte Swain doch eben) und einem mit Gipsbein immobilisierten Crewmitglied (also, ich weiß nicht, ob Annie nun wirklich ein entscheidender Faktor ist. Dass Novak hin ist, deucht mir schwerwiegender) vor. Swain sieht sich gezwungen, noch deutlicher zu werden – zwei Schiffe versenkt, die Fische weg, wg. Nolans Wal, deswegen ist alles auch Nolans Schuld und darum ist es seine gottverdammte Seemannspflicht, die Sache auch wieder aus der Welt zu schaffen. Und als hätte Nolan nicht schon genug zu schlucken, revidiert Rachel angesichts der neuen Lage ihre vorher gegebene Zustimmung zum Gemeinschaftsbesäufnis (die ist aber auch launisch… naja, Frauen).

Immerhin hat Swain noch durchblicken lassen, von wo aus der Wal zu sichten ist; trotz des energischen Rats Rachels, sich dort eben nicht sehen zu lassen, marschiert Nolan direktemang gen justament da. Der Wal brüllt Nolan an und löst damit Flashbacks bei Nolan aus – zum einen die krude Frühgeburt des Walbabys und, für uns zunächst eher zusammenhanglos, einen vehementen Autounfall.

Wieder ist ein Tag vergangen – die Fischer versammeln sich zur Anti-Nolan-Protestdemonstration. Die Regierung bzw. ihre lokalen Vertreter haben ersichtlich nicht vor, etwas gegen die Walbelagerung zu unternehmen, weshalb heftige Missstimmung herrscht. Nolan hält sich raus und hockt in seiner Bleibe, wo er von Jakob aufgesucht wird. Der Indianer setzt Nolan über die gereizte Dorfatmosphäre in Kenntnis und gibt sich verständnisvoll, als der Käpt´n insistiert, aus nicht öffentlich breitzutretenden Gründen keinen Bock auf ein Rückspiel gegen den Wal zu haben, schließlich hat der weise Naturvolksmann erkannt, dass der Wal ein böser Geist sei. Letzten Endes, resümmiert Jakob, wird Nolan aber keine andere Wahl bleiben, als den Wal zu jagen. Besondere indianische Hilfsmittel kann er allerdings nicht anbieten – der von seinen Vorvätern verwendeten Anti-Walfetisch ist aufgrund der allgemeinen Veränderung der Welt nicht mehr zu empfehlen. Man scheidet schiedlich-friedlich und im gegenseitigen Respekt.

Nolan blättert in seinem Wallexikon und scheint dort eine epochale Entdeckung zu machen, die er unbedingt sofort und auf der Stelle mit Paul teilen möchte. Der Steuermann poppt allerdings grad im Nebenzimmer mit Annie (macht das Spaß, wenn ein Bein vollständig eingegipst ist? Naja, es gibt seltsame Vorlieben. Und ja, die ganze Crew scheint im gleichen Haus zu leben) – Nolan sieht sich zwei erschreckten Augenpaaren gegenüber.

Man muss also alles alleine machen, denkt sich Nolan und installiert am Wal-Aussichtspunkt einen lebensgroßen Dummy seiner selbst, um den Wal damit anzulocken. Rachel hält ihn ob dieser zumindest denkwürdigen Tätigkeit für mittelschwer ausgeklinkt, erst recht, weil Nolan außerdem ein Schießgewehr spazierenträgt und seinem Plan, dem Wal beide Augen auszuschießen, Ausdruck verleiht. Wird sowieso nix helfen, glaubt Rachel, der Wal wird nämlich nicht kommen. Wieder einmal muss man dem begriffsstutzigen Nolan erklären, was Sache ist: Dass der Wal zwar zwei Boote im Hafen, mithin aber eben nicht Nolans Kahn versenkt hat, ist der Beweis dafür, dass das Meeressäugetier die Entscheidungsschlacht auf offener See sucht. Nolan stellt starrsinnig fest, eine solche finale Auseinandersetzung zu verweigern. Rachel fällt für einen Moment völlig aus ihrem Charakter und beschuldigt Nolan, die „Aufregung“ einer solchen Jagd nicht zu berücksichtigen (?? Bitte?? Sie als Schützerin des Meeresgetiers sollte doch nicht vom Nervenkitzel der Jagd fabulieren?). Jetzt springt Nolan der Draht aus der Kapitänsmütze. Hier geht´s nicht um Aufregung und Spannung, sondern darum, dass Nolan mittlerweile zum Schluss gekommen ist, das Vieh aus moralischen Gründen eh nicht plätten zu können – das Schicksal des Wals hat ihn nämlich daran erinnert, das er auf ähnliche Weise Weib und ungeborenes Kind verloren hat, als sein angetrauter Ehebesen auf dem Weg ins Hospital von einem besoffenen Autofahrer ins frühe Grab geschickt wurde (das erklärt den Autocrash von vorhin). Nolan steht nur noch nach einer Entschuldigung der Sinn und hofft, dass der Wal ihm vergibt (!). Rachel kuckt ob dieser emotionalen Einlassung wie ein unbeschriebenes Blatt Papier, ergo irgendwie braindead. Nicht gerade die Reaktion, die sich Nolan vermutlich gewünscht hat (nicht das erste Mal, dass ich mich über die Performance der Rampling wundere).

Nolans Hoffnung auf Walfischgnade erfährt einen empfindlichen Dämpfer, denn der Orca randaliert mal wieder im Hafen – erst demoliert er einige Benzinleitungen, dann sorgt er durch einige gezielte Kopfstöße gegen die Stützpfähle eines Hauses dafür, dass in der Hütte eine Öllampe umfällt und ein Feuer nebst anschließender Explosion der Leitungen und, im schönsten Kettenreaktionsprinzip, das mächtige Krawumm der etwas außerhalb des Orts angesiedelten Großtanks auslöst (dieses Tier beeindruckt mich. Woher wusste das Vieh, in welchem Haus zufällig eine offen brennende Lampe steht, die man durch ein paar Rüttler an den Fundamenten umschmeißen kann?).

Die Konsequenz dieses heimtückischen Anschlags auf die örtliche Infrastruktur besteht darin, dass am nächsten Morgen ungefähr das halbe Dorf enthusiastisch an der „Bumpo“ arbeitet. Ich glaube fast, die möchten, dass Nolan bald ausläuft, und ich meine nicht primär seine Körperflüssigkeiten. Während Paul und Bo, Stichwort Körperflüssigkeiten, gerade den Austausch von solchen vorbereiten, unterbreitet Swain Nolan die frohe Kunde, dass der Kahn beim nächsten Sonnenaufgang fix und fertig sein wird und dann doch umgehend in See sticht, sonst könnten üble Dinge passieren. „Well, that decides it“, gibt sich Nolan wirbellos und scheucht Paul hinfort, um das Auto aufzutanken. Nolan steht also weniger nach Walkampf denn nach heimlicher Flucht. Paul schimpft: „Ich werde meiner Mutter nicht erzählen, dass ich wegen einem Fisch aus der Stadt vertrieben werde!“ (Muss er ja auch nicht, schließlich sind Wale Säugetiere).

Aus Nolan wird man nicht so recht schlau – konnte man die letzte Szene noch so interpretieren, dass er sich verdrücken möchte, ist es nun, eine Einstellung weiter, im Gespräch mit Rachel, wieder anders gelagert – jetzt will er nur, dass Paul und Annie sich verpissen, er selbst will als großer Solo-Jäger den Kampf mit dem Wal aufnehmen. Das ist Rachel, die aus nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen mittlerweile einen mittleren Narren an Nolan gefressen hat, jetzt auch wieder nicht recht – nur, weil der Wal ein Match auf hoher See möchte, heißt das ja noch lange nicht, dass man ihm diesen Wunsch auch erfüllen muss (auf welcher Seite stehst du, Baby?). „Wenn er ein Mensch wäre, würdest du dann nicht versuchen, ihn vor sich selbst zu schützen?“, zieht sie unangebrachte Parallelen (vor allem möchte ich nicht wissen, was der Orca davon hält). Außerdem soll er sich doch bitte überlegen, wem er mehr schulde – dem Wal oder dem Dorf (die Frage kapiere ich ehrlich gesagt nicht ganz – das ist doch summa summarum eine Soße, alldieweil sowohl Wal als auch Dorf schwer dafür sind, dass Nolan es austrägt). Nolan schweigt Rachel ausdrucksvoll an und bekundet schließlich, es sich wieder einmal anders überlegt zu haben und jetzt doch nicht hinausfahren zu wollen (der Mann hat die totale Unentschlossenheit erreicht. Oder auch nicht).

Entweder hat er den neuerlichen Sinneswandel Rachel nur vorgespielt oder er hat sich´s bis zur Rückkehr in heimische vier Wände * noch mal * anders überlegt, jedenfalls weist er die nervösen Annie an, sich auf ihre vier Buchstaben zu setzen (mit der Manöverierfähigkeit der Blonden ist´s aufgrund der handlichen Krücken nämlich nicht so weit her), während er Ausrüstung zusammenpacken will (sie will ihn dabei nämlich begleiten). Der Wal schwimmt vor´m Hafen rum und Paul, der sich ersichtlich die am weitesten entfernte Tanke des Ortes ausgesucht hat (immerhin hat die Zeit für Nolan gereicht, ein Gespräch mit Rachel zu führen), macht dort die Erfahrung, dass Service etwas ist, was anderen Leuten passiert. Der Tankwart verweigert den Spritkauf unter der launigen Angabe, dass kein Benzin mehr da wäre (ich würd´s ihm angesichts der gestrigen Tankexplosion beinahe glauben wollen, aber, wie auch Paul bemerkt, für den letzten Kunden hat´s noch gereicht). Jakob, als weiser Indianer immer da, wo ein stupider weißer Mann fachkundigen Rat braucht, weiß Bescheid: „Wenn du zum Busbahnhof gehen würdest, gäbe es dort keine Tickets mehr“. Sprich: die clevere Dorfbevölkerung will unter allen Umständen dafür sorgen, dass Nolan gegen den Wal antritt und sich nicht kampflos aus dem Staub macht. Für den Falle der Waljagd bietet Jakob sich als Helfer an. Paul kommt zu dem verständlichen Schluss, von Bekloppten umgeben zu sein.

Auch der Wal sieht sich ob Nolans Wankelmütigkeit veranlasst, seine Herausforderung nochmals zu verdeutlichen – er attackiert Nolans Haus, in dem, wir erinnern uns, die durch stabilen Ganzbeingips behinderte Annie rumsitzt. Hierfür bedient er sich der bereits bewährten Taktik, den Schuppen in seinen Grundfesten zu erschüttern, was insofern leicht ist, als auch Nolan einen Pfahlbau bewohnt; das Haus kippt langsam seewärts weg und Annie rutscht bedenklich Richtung Wasser und gierig geöffnetem Walfischmaul. Nolan und der von seinem erfolglosen Tankausflug zurückgekehrte Paul versuchen die Rettungsaktion – sie werfen Annie ein Netz zu, an dem sie sich in Sicherheit hangeln soll. Dank der Sabotageakte des Wals gelingt das nur eingeschränkt – zwar ist Annie beinahe auf der Land- und Ausgangsseite angekommen, dafür aber Nolan selbst abgestürzt. Allerdings greift für Nolan noch die HDE (Hero Death Exemption), weil wir noch lange nicht im Showdown sind. Statt dessen stellt der Wal eine weitere respektable sportliche Leistung auf, springt aus dem Wasser und beißt Annie die eingegipste Laufkufe komplett ab. Guten Appetit, ich hoffe, der Orca hat ´nen robusten Magen. Annie verabschiedet sich in ein schockinduziertes Koma (und aus dem Film) und aufmerksame Beobachter können die schlecht getrickste Bein-ab-Aufnahme (als Adlerauge erahnt man, dass Bo Derek ihren Haxn einfach durch ein Loch im Set-Boden steckt) genießen.

Im Hafenbecken vollführt der Orca Freudensprünge und Nolan ist jetzt endlich soweit: „Du gewinnst, du Hurensohn! Ich kämpfe mit dir!“ Man muss die Leute halt nur richtig motivieren.

Also bricht die „Bumpo“ am nächsten Morgen auf – die Besatzung besteht neben Nolan aus Paul, der die Sache nun wohl auch persönlich nimmt, Jakob, Rachel (!) und Ken (!! Der fragt sich wahrscheinlich am allermeisten, was er hier eigentlich tut). Die komplette Dorfbevölkerung steht schweigend an der Mole Spalier.

Rachel informiert uns per voice-over, warum zum Henker sie auf dieser zu vermutenden Kamikaze-Mission teilnimmt. Erstens fühlt sie sich persönlich verantwortlich, weil sie erst Nolan den Floh mit den Orcas ins Ohr gesetzt habe, zweitens hofft sie, sowohl Nolan als auch den Orca vor den Folgen ihrer jeweiligen Dachschäden schützen zu können (und wer schützt sie vor ihrem? Ach, deswegen ist Ken dabei…). Nolan hat einen Hellseher gefrühstückt und weiß genau, wo er hin muss – an den Ort, an dem er die Walkuh harpuniert hat. Rachel soll sich mit der Funktionsweise eines Gewehrs vertraut machen. Sie weist darauf hin, dass sie bei aller Liebe nicht auf Wale schiessen werde, aber Nolan erklärt, dass sie das wohl tun werden müsse, falls der Orca ihn zuerst erwischt (ich denke eher, dann können alle nach Hause gehen, weil der Orca dann seine Rache hatte).

Herr von und zu Killerwal bestätigt zumindest die Koordinaten-These und rammt das Boot, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Paul schickt sich an, dem Orca mit dem Schießeisen auf den Pelz zu fühlen, fängt sich aber einen Rüffel Nolans ein; außer ihm selbst schießt hier niemand auf den Wal. Und auch das stimmt nur eingeschränkt, denn Nolan hat nicht unbedingt vor, dem Fair-Play-Gedanken zu huldigen, sondern entzündet ein Dynamit-Paket. Rachel hält das für grob unsportliches Verhalten und es für eine prima Idee, mit Nolan um das Sprengstoffpaket zu rangeln. Voraussehbare Folgen – die Krachbummspargel landen auf dem Deck und Rachel kann sie nur in allerletzter Sekunde über Bord werfen. Das nimmt sie so schwer mit, dass sie sich über die Reling hängt und Neptun opfert (? Okay, das war aufregend, aber gleich kotzen deswegen?). Der Film suggeriert einen Moment lang, aus „Rachels Rübe ragt über die Reling“ könnte eine Suspense-Sequenz werden, alldieweil Wal-Bilder dazwischengeschnitten werden, aber der Orca tobt sich einige Meter entfernt vom Boot aus. Und zwar nicht von ungefähr, denn sein couragiertes Flossengewedel und -geplantsche interpretiert Nolan zutreffend als Aufforderung, dem Wal zu folgen. Ken hängt sich in grob fahrlässiger Manier halb über die Reling (was hat er vor? Will er ´nen besseren Blick auf den Wal haben?) und wird verdientermaßen sofort vom Orca gefressen (als hätten wir geahnt, dass er doch nur überflüssiges cannon fodder sein wird), was niemanden gesteigert zu betrüben scheint (inklusive Rachel, die ihn vermutlich überhaupt erst mitgeschleppt hat).

Gut, die Stimmung an Bord ist ein wenig gedrückt, was Rachel aber nicht davon abhält, Aufzeichnungen des Orca-Gesangs zu machen und Nolan blöde Fragen zu stellen: „Was sagt er (gemeint ist der Wal) dir?“ „Du bist ich und ich bin du“, behauptet Nolan und zieht erneute Parallelen zu seinem eigenen Verlust. Rachel stellt die Umkehr zum Hafen zur Diskussion, aber natürlich ist es „zu spät für mich“, wie Nolan düstert. Rachel löst angesichts dieser Aussage doch lieber Paul am Steuer ab (? Hat die überhaupt ´nen Bootsführerschein?). Paul fragt sich und sie, ob Nolan denn Kens Tod an die Behörden gefunkt habe. Wohl eher nicht, ist der Konsens, denn sonst hätte man die „Bumpo“ sicher zur Rückkehr aufgefordert.

Man folgt also dem Wal und stellt fest, dass dieser aufs ganz offene Meer, mithin also den Nordatlantik, hinauszieht und speziell die nördliche Richtung, geradewegs ins arktische Eismeer einschlägt. Das Eis könnte das Boot mühelos zerquetschen, gibt Jakob den Berufsoptimisten, aber Nolan hat mittlerweile etwas über Wale gelernt – die müssen als Säugetiere zwecks der Atmung notgedrungen ab und zu auftauchen und das gestaltet sich bei einer geschlossenen Eisfläche schwierig. „Der Wal ist nicht so schlau wie ich dachte“, frohlockt Nolan (für meinen Geschmack unangebrachterweise, denn wieso sollte der Wal SO dämlich sein und Nolan in ein Terrain lotsen, in dem der Mensch Vorteile hätte?).

Die Odyssee der „Bumpo“ geht jedenfalls weiter und führt tatsächlich ins eisige Nordmeer, wo die Eisberge treiben und Eisbär und Robbe sich gute Nacht sagen. Bei Paul frieren langsam die Synapsen ein, er ist kurz vor´m Durchdrehen. „Das ist genau das, was er will“, warnt Nolan, „er versucht, uns in den Wahnsinn zu treiben“ (hm, beim ein oder anderen hat er´s schon geschafft). Jakob kommt mit schlechten Nachrichten aus dem Maschinenraum – für eine Rückreise hat man nicht mehr genügend Sprit (mit´m Segelschiff wär das nicht passiert). Auch keine große Sache, meint Nolan, im Falle des Falles soll einfach jemand SOS funken und ´nen Hubschrauber bestellen.

Tage vergehen – die Gegend wird immer unwirtlich-eisiger und auch die „Bumpo“ ist schon eine einzige schockgefrostete Tiefkühltruhe. Den Temperaturen entsprechend ist auch die Atmosphäre an Bord eisig und schweigsam. Aufgrund Pauls Bräsigkeit beim nächtlichen Ausleuchten der Fahrrinne kollidiert die „Bumpo“ mit einem Eisberg. Paul hat jetzt die Faxen dicke und will für den seine Ansicht nach anstehenden Untergangsfall das Rettungsboot klar machen. Nolan sucht dies zu unterbinden – es kommt beinahe zu Handgreiflichkeiten, ehe Jakob schlichtend eingreift und Paul zu verstehen gibt, dass es tatsächlich sinnvoller ist, das Rettungsboot nicht ins Davit (für Nichtnautiker: das Gestänge außen am Schiff, von dem das Boot ins Wasser gelassen wird) zu hängen. Paul will nicht hören und muss daher fühlen. Der Orca, der sichtlich etwas dagegen hat, dass sich hier jemand abseilt, schnappt Rettungsboot samt Paule. „Nein“, kreischt Rachel unenthusiastisch.

Nolan macht sich erbitterte Vorwürfe und Rachels Versuche, ihm Trost zu spenden, verlaufen im Sand bzw. im Eis. „Ich wollte doch nur genug Geld, um das Schiff abzubezahlen und zurück nach Irland zu gehen“, greint Nolan, der hinzufügt, in Amerika (hm, eigentlich ja in Kanada, gell?) nie richtig angekommen und nur hiergeblieben zu sein, weil ein alter Herr ihm den Kahn samt Novak vererbt habe (wieso muss er das Schiff dann abbezahlen? Hypothek drauf?). Und nun hat er drei Tote und ein für ihr Leben gezeichnetes Mädel (sprich Annie) an der Backe. Aber morgen ist der Tag der Entscheidung, ahnt er.

Der Wal beschäftigt sich am nächsten Morgen mit einem Eisberg und bearbeitet ihn mit gezielten Kopfstößen. Warum? Gleich! Nolan bereitet sich auf´s letzte Gefecht vor und schärft seine Harpune, nicht ohne dabei festzustellen, dass der Wal seine Familie ja noch mehr lieben würde als er, also Nolan, seine eigene. Tja, Wale sind halt doch die besseren Menschen. Der Gedanke rührt Nolans Herz so sehr, dass er die Harpune Harpune sein lässt – „das wird ein fairer Kampf unter gleichen Bedingungen!“ (In dem Fall würde ich sagen, dass der Orca ein paar scharfzähnige Vorteile hat, 48 Stück, genau gesagt). Dem Wal ist es mittlerweile gelungen, ein vermutlich ungefähr 1000 Tonnen schweres Stück Eisberg abzubrechen, das er mit der bewährten Nasenschubsertaktik vorwärts bewegt (!). Aus mir völlig unbegreiflichen Gründen ist Jakob genau JETZT der Ansicht, man hätte lange genug seine Zeit verplempert und könnte jetzt rasch nach Hause tuckern (äh, erstens mal, Sprit? Ist doch keiner da… und zweitens: hey, du bist der offizielle weise Indianer, du kannst jetzt nicht in die „feige-Sau“-Fraktion wechseln!). Dieses freundliche Ansinnen unterbreitet er Nolan mit vorgehaltener Harpunenspitze und meint´s daher eher weniger als lockeren Vorschlag denn als knallhartes Ultimatum. In dieser gespannten Situation fällt Rachel plötzlich auf, dass ein Eisberg a) gegen die Strömung und b) genau auf die „Bumpo“ zuschwimmt. Dies deucht dem Trio seltsam und ändert die Sachlage gravierend. Nolan vergisst seinen gerade getroffenen „fairer Kampf“-Gedanken, schnappt sich die Harpune und sprinten an Deck, um dem Wal beim Auftauchen nach Luft eins überzubraten. Jakob funkt schon mal das SOS, um die etwaigen Überlebenden aufpicken zu lassen.

In der Tat muss der Orca sein grimmiges Haupt an die frische Luft stecken, Nolan schleudert und ritzt die empfindliche Walhaut tief. Der Wal stellt scheinbar überraschend fest, dass das weh tut und jodelt einen Schmerzensschrei (bis jetzt hielt ich das Vieh ja noch für intelligent, aber ich neige dazu, diese Ansicht zu revidieren). Weil leider aufgrund der dramatischen Kampfhandlungen niemand daran denkt, das Boot zu steuern, wird es vom Eisberg gerammt. Eine Lawine aus Eisbrocken geht ab und begräbt Jakob unter sich (tja, das mit der Umkehr hätte er sich früher überlegen sollen). Zumindest bleibt er lange frisch…

Die Ratten verlassen das sinkende Schiff – Nolan und Rachel hüpfen auf eine Eisscholle, Nolan hat sogar daran gedacht, ein Gewehr mitzunehmen (ja ja, Kampf unter Gleichen, ich verstehe…). Der momentan scheinbar etwas planlose Orca versucht in Fünf-Meter-Abständen von unten durch die Scholle zu brechen, scheitert aber am massiven Widerstand des Gefrorenen. Nolan und Rachel kraxeln von der Scholle auf den Eisberg, Nolan rutscht allerdings aus und gleitet elegant auf die Scholle zurück. Der Wal erkennt die Gunst der Stunde, dengelt gegen die Scholle und löst sie so vom Rest des Eisbergs. Rachel kann dem plötzlich von jeder Fluchtmöglichkeit abgeschnittenen Fischer gerade noch das Gewehr zuwerfen. Der Orca umkreist die Scholle mehrmals. Nolan stellt Mutmaßungen über die Herkunft der Bestie an und Rachel, die ihre Tierliebe für den Moment auf Eis gelegt hat, drängt Nolan, das Untier doch nun endlich abzuknallen. Darauf hat der Wal nun aber keinen Bock und taucht ab – aber er hat einen raffinierten Plan. Er unterquert die Scholle, packt sich mit seinem halben Körper auf die Scholle und drückt diese, nach dem Prinzip einer Kinderspielzeugwippe, mit seinem Gewicht nach unten und damit die gegenüberliegende Seite, auf der Nolan dumm kuckt, in die Höhe. Nolan hat leider keine Ausbildung als Balancekünstler, verliert auf der glatten Oberfläche (dass da auch wieder keiner gestreut hat) den Halt und rutscht ins Wasser, mitnichten aber in den Orca-Schlund, denn das wäre unserem Killerwal nun doch zu einfach. Statt dessen zirkelt er ein paar Mal um den strampelnden Nolan (hab ich nicht mal gelernt, dass kaltes Nordmeerwasser in Windeseile zum Erfrierungstod führt? Und sei´s bei Titanic?), taucht unter ihn, holt mit der Schwanzflosse aus und – I don´t make this shit up – klatscht Nolan per gekonntem Flossenschlag in hohem Bogen gegen den unnachgiebigen Eisberg (es gäbe… cleverere Wege, diesen Film zu Ende zu bringen). Der Aufprall killt Nolan, womit der Orca seinen Job erledigt hat und befriedigt unter den Eisschollen nach Hause schwimmen kann, während gleichzeitig ein Hubschrauber um die Ecke biegt (also, der war ECHT SCHNELL, denn ich gehe mal davon aus, die letzten Filmminuten haben sich quasi in Echtzeit abgespielt) und Rachel abholt. Dann läuft auch schon der Abspann, zu dem sich eine schauerliche Vokal-Version des Morricone-Themes aus den Boxen quält…

Wenn Sportsfreund Dino de Laurentiis einen Film produziert, erwarten wir, spätestens seit so um 1974 rum, als leidgeprüfte Cineasten kaum einen GUTEN Film (gelegentliche Ausnahmen wie die Tatsache, dass Dino auch Sam Raimis Army of Darkness finanzierte, können als statistische Aussetzer getrost ignoriert werden). Orca macht da keine echte Ausnahme – der Film bemüht sich darum, kein bloßes Weißer Hai-Rip-off zu sein, verzettelt sich aber in seiner Aussage und in der Umsetzung.

En detail – für eine de-Laurentiis-Produktion ist das Script, verbrochen von Co-Produzent Luciano Vincenzoni (Schreiberling von allerhand Spaghetti-Western inklusive Zwiebel-Jack räumt auf, dem Deodato-Trasher Cut and Run und dem wohl singulär schlechtesten Schwarzenegger-Epos Raw Deal) und Sergio Donati (u.a. Autor des dramatisch üblen Perry-Rhodan-Films SOS aus dem Weltall, dem fiesen Omen-Klon Holocaust 2000 und Sergio Martinos beliebtem Heuler Insel der neuen Monster), zumindest laut der IMDB aufpoliert von Chinatown-Autor Robert Towne, unerwartet anspruchsvoll und vielschichtig. Anstelle einer schlichten Tierhorrorgeschichte des Gustos „Killertier metzelt sich durchs Leben und wird vom aufrechten Helden entsorgt“ schufen die Autoren ein zutiefst düsteres, existentialistisch angehauchtes Schuld-und-Sühne-Drama, in dem es eigentlich, wenn man hinter die Oberflächlichkeiten, die ein mordender Killerwal eben verbreitet, sieht, gar nicht so sehr um Tierhorror als um die psychologische Aufarbeitung von Schuld und Verantwortung geht, wobei man als Schablone sicherlich lose den Robert-Shaw-Charakter des fanatischen Haijägers aus Jaws hergenommen und versucht hat, einer solchen Figur Inhalt und Tiefe zu geben.

Wie schon angedeutet, ist der Kampf Mann gegen Wal in Orca mehr oder minder nur eine Metapher für den inneren Kampf Nolans gegen sich selbst. Nolan ist, wie wir im Filmverlauf erfahren, eine zutiefst tragische Figur – er hat selbst Frau und ungeborenes Kind verloren, ist mit seinem Leben unglücklich und sucht eigentlich nur nach einem Ausweg aus seiner sinnentleerten Existenz. Gleichzeitig ist er gefühlsmässig abgestumpft, unwillig, die Verantwortung für seine Taten zu übernehmen – bis der Orca kommt und ihm begreiflich macht, dass Nolans Handlungen Konsequenzen haben, für die er einstehen muss (Orca fügt dem ganz greifbaren Horror, dass Nolan für den Tod seiner Crewmitglieder verantwortlich ist, noch eine „wirtschaftliche“ und „soziale“ Komponente hinzu. Aufgrund Nolans Waljagd droht der Fischergemeinde der ökonomische Bankrott, was wiederum zu seiner gesellschaftlichen Ausgrenzung führt; anders als bei Jaws und den meisten Nachziehern steht hier also kein „eingebildeter“ wirtschaftlicher Schaden durch das Ausbleiben von Touristen oder die Absage einer umsatzträchtigen Veranstaltung im Raum, sondern ein realer, existenzbedrohender Verlust)

Man kann also konstatieren, dass die Autoren durchaus erkannt haben, dass auch Jaws nur vordergründig ein „Monsterfilm“ war, sondern darüber hinaus universellere Metaebenen ansprach (bei Spielberg, wie so häufig, ging es um das drohende Auseinanderbrechen einer Familie), und versuchten, ebenfalls nicht nur einen plumpen Tierhorrorfilm, sondern etwas mit Aussage und bleibendem Wert zu schaffen. Es geht nur deswegen (teilweise) in die Hose, weil der Versuch, eine Reflektion über sich aufzuladende Schuld und das Eingestehen der Verantwortung hierfür, zwar prinzipiell auch im Rahmen eines Tierhorrorfilms valide ist, aber zu plump geschieht.

In gewisser Weise nimmt Orca einen Plotpunkt vorweg, den sich das Jaws-Franchise in der Ausformulierung für das ungeliebte Stiefkind der Reihe, Jaws – The Revenge aufgehoben hat: das Motiv der persönlichen Rache der geschundenen Kreatur an ihrem mutmasslichen Peiniger. Der Orca agiert gezielt gegen Nolan, allerdings nicht, um ihn einfach zu töten, was er mühelos im Filmverlauf mehrmals hätte erledigen können, sondern um ihn zum Duell unter den Bedingungen des Wals zu diktieren. In Jaws – The Revenge etabliert das dortige Franchise, dass der Hai persönliche Rache an allen Angehörigen des Brody-Clans, dessen Häuptling Roy Scheider den ersten Großen Weißen getiltet hat, üben will. In Orca klingt das wesentlich weniger idiotisch als in Jaws – The Revenge (schon allein, weil der Grundgedanke, dass der Hai eine ganze Familie, die er nicht einmal von Angesicht zu Angesicht kennen kann, in Sippenhaft nimmt, abstrus ist. Aber man muss halt als Autor Klimmzüge machen, um das dritte Sequel zu einer eigentlich im ersten Film befriedigend abgeschlossenen Plotte plausibel zu machen), auch wenn es dem Wal ein Abstraktions- und Assoziationsvermögen (note: ich will nicht zwingend auf das Thema „Intelligenz“ hinaus) zutraut, das ich beim besten Willen mit der üblichen suspension of disbelief nicht akzeptieren kann (wie kann der Wal beurteilen, dass seine Schiffeversenkungsaktion im Dorfhafen dazu führen wird, dass die Bevölkerung Nolan anfeindet und ihn auf See treibt? Und, anderes Beispiel, woher weiß der Wal, was Benzinleitungen sind und mit welchem Wile-E.-Coyote-Plan er sie zur Explosion bringen kann?). Ich halte Wale in der Tat für außerordentlich intelligent, aber hier überträgt das Script „menschliche“ Intelligenz auf „tierische“ Intelligenz, ohne ins Kalkül zu ziehen, dass ein Orca ganz zwangsläufig eine völlig andere Art „Intelligenz“ entwickeln muss als ein Mensch – selbst wenn wir, um dem Film den benefit of doubt zu geben, davon ausgehen, dass die Denkvorgänge des Wals vergleichbar wären mit den unseren, ist es hanebüchen anzunehmen, dass er mit den Begrifflichkeiten der menschlichen Welt und sogar den gesellschaftlichen Prinzipien des Mikrokosmos Fischerdorf etwas anfangen könnte, das seinen Plänen in die Karten spielt (nur mal als kleiner Diskussionsbeitrag in die Runde geworfen – man vergleiche das mit dem beliebten und gern mal verfilmten „Wolfskind“-Syndrom, z.B. in Nell. Selbst einem Menschen, der in einer nicht-menschlich dominierten Umgebung aufwächst und lebt, muss [ob man es sollte, ist die andere Frage] in einem langwierigen, psychologisch gestützten Prozess die Welt des „zivilisierten Menschen“ und konsequenterweise die dort bestehenden Zusammenhänge soziologischer und technologischer Natur erklärt werden. Und jetzt übertragen wir das mal auf einen Wal, der Zeit seines Lebens im Ozean schwimmt).

Ich weiß, dass ich hier wieder mal einen als Unterhaltungsfilm konzipierten Streifen dafür rüge, dass er etwas * mehr * sein möchte als ein bloßer Unterhaltungsfilm, aber gerade, weil Orca mit einer geradezu akademischen Ernsthaftigkeit abläuft, wirkt die auf allersimpelste Weise eingeführte postulierte Parallelität zwischen menschlichem und „walischem“ Verhalten albern. Man kann nun mal Wale und Menschen nicht einfach „austauschen“ – die Prämisse des Films ist mithin also falsch (auch wenn die Vermenschlichung von Tieren ein altbekanntes Problem von Filmen ist; aber Orca ist an vielen Stellen enzyklopidarisch, was vermittelte Daten und Fakten über Orcas angeht – hier schießt sich der realistischer Anspruch ins Knie, weil die eigentliche Story vollkommen unwissenschaftlich ist), und das muss man einfach erwähnen.

Zu aufdringlich ist auch ökologisch gutherzige Botschaft des Films (simplifiziert „Wale sind die besseren Menschen“ – sie wissen ein intaktes Familienleben noch zu würdigen, sind treu und stellen den Familienverbund über alles), die ihrer Zeit zwar knapp voraus sein mag, aber mit der Subtilität einer Dampfwalze ins Hirn des Zuschauers planiert wird. Wenn Rachel über den Orca als „besten Freund des Menschen“ schwadroniert und in langen Monologen über die Vorzüge, die diesen Meeressäuger auszeichnen, palavert, überstrapaziert das die Geduld des Zuschauers ein ums andere Mal. Der Film hätte sich hier durchaus darauf verlassen können, dass die Bilder genügen – auch wenn die Szene, in der Nolan die Walkuh anschießt, wie noch zu bewerten sein wird, ihre Schockwirkung über die Jahre verloren hat, macht sie die zentrale Aussage, dass es schlicht und ergreifend ein himmelschreiendes Unrecht ist, diese Tiere zu jagen (verdammt, diesen Satz muss ich vermutlich zurückziehen, wenn jemand herausfindet, dass ich nicht vegetarisch lebe), effektiver und eindrucksvoller als jede Gutmenschenrede.

Mit Michael Anderson sass auf dem Regiestuhl zumindest jemand, der sich mit dem Filmemachen auskennt. Der routinierte Veteran begann seine Regiekarriere bereits 1949 und feierte 1956 mit 1984 und 1957 mit der vielfach ausgezeichneten Verne-Adaption In 80 Tagen um die Welt beachtliche Erfolge. In der Folgezeit war seine Karriere gewissen Höhen und Tiefen unterworfen. In den Schuhen des Fischers (1968) gilt als gut gemeinte, aber erschreckend langweilige Positiv-Utopie, Doc Savage: Man of Bronze (1975) mit dem selten tumben Ron Ely in der Titelrolle kann man auf den Dunghaufen der Filmgeschichte (den mit den Legendenschändungen) werfen, 1976 folgte mit Logan´s Run („Flucht ins 23. Jahrhundert“ ein Semiklassiker (d.h. eine Hälfte ist ein Klassiker, die andere kann man vergessen). 1980 partizipierte er am ambitionierten, aber auch ambitioniert gescheiterten Projekt, Bradburys Mars Chroniken in drei abendfüllenden Fernsehfilmen zu adaptieren, mit Murder by Phone lieferte er 1982 einen Beitrag zur Horror-Welle ab und wurde 1989 mit dem SF-Zeitreise-Heuler Millenium auffällig. Seine bislang letzte Regiearbeit war 1999 Die neuen Abenteuer des Pinocchio mit der kultigen Besetzung Martin Landau und Udo Kier (letzterer in drag).

Es macht – wer hätte es gedacht – halt doch einen Unterschied, ob ein Profi, auch wenn er nicht unbedingt in seinem Steckenpferd-Metier arbeitet, am Werke ist oder ein italienischer Dünnbrettbohrer a la Mattei/L. Bava/D´Amato. Orca ist grundsolides Handwerk – selten bis nie Kunst, zumal auch Anderson nicht sonderlich weltbewegendes einfällt, um den Streifen wirklich innovativ zu gestalten (die Kamera bedienten der langjährige James-Bond-Fotograf Ted Moore über und J. Barry Herron, Spezialist für Unterwasseraufnahmen, eben unter Wasser, was für stellenweise eindrucksvolle Aufnahmen bürgt. Allerdings sind eindrucksvolle Natur- und Unterwasseraufnahmen nicht per se innovativ). Wo Spielberg aus dem Weißen Hai praktisch das Muster, die Blaupause für einen gelungenen, uhrwerkartig konstruierten Spannungsfilm ablieferte, beschränkt sich Anderson auf ein Abfilmen der äußeren Ereignisse, ohne der * inhaltlich * eigentlich wichtigeren * inneren * Ebene, also dem psychologischen Kampf Nolans mit sich selbst, den notwendigen Raum zu geben – so kommen Nolans jeweilige character turns immer recht plötzlich und unvorbereitet: Nolan hört von Orcas – sofort bricht er auf, um welche zu jagen. Toter Orca am Strand – Nolan ist sofort gebrochen. Swain redet ihm ins Gewissen – Nolan ist bereit, zu jagen. Rachel redet´s ihm aus – und schon gibt er zumindest vor, auf sie zu hören. Obwohl die Psychologie der Figur Nolan sicher interessant ist, ist ihre Entwicklung zu abgehackt, und das liegt nicht ausschließlich am Script, das hätte Nolan auch filmisch besser umsetzen, mithin stärker auf das Trauma der Figur (den eigenen Verlust) abstellen können.

Anderson scheitert als Regisseur am Schlussakt – während die beiden ersten Filmdrittel recht flott vorangetrieben werden (hier spielt sich auch de facto der komplette Plot ab), kommt der Streifen im letzten Abschnitt, wenn sich das Geschehen immer stärker auf das, ähm, „Psychoduell“ zwischen Nolan und dem Wal konzentriert und einen fast schon meditativen Anstrich gewinnt, zum Stillstand. Die Odyssee ins Eismeer ist, es tut mir leid, langweilig – die Punkte sind gemacht, das Feld ist metaphorisch bereitet, alles, was sich jetzt noch abspielt, ist pure Verzögerungstaktik, um den Showdown mit Müh und Not nicht vor der minimal abendfüllenden 85-Minuten-Marke abspulen zu müssen. Zwar gelingen auch hier noch eindrucksvolle Naturaufnahmen (und die völlig vereiste „Bumpo“ ist ein sehenswertes Set), aber * filmisch * tut sich bis zum Schlusskampf nichts wesentliches (außer, dass die unnötigen Nebencharaktere, die für die Story eh völlig überflüssig sind, beiläufig entsorgt werden). Sicherlich steckt dieser Filmabschnitt voller ambitionierter Symbolik (Nolans innere Reise zur Selbsterkenntnis parallel zur Reise der „Bumpo“ ins Eismeer, was aber auch streng genommen nur Ballast ist, alldieweil Nolan bereits allerspätestens mit Annies Beinverlust realisiert hat, was Sache ist – auch, wenn er sich vielleicht erst im Eismeer klar wird, dass er diesen Kampf nicht gewinnen kann und wird), aber wie so oft, wenn die „Botschaft“ für eine Weile lang wichtiger wird als der Film an sich, den Zuschauer bringt diese existentialistische Fabuliererei nicht entscheidend weiter (vor allem, weil, ich wiederhole mich, die stoische Ernsthaftigkeit vom Zuschnitt einer griechischen Tragödie von ihrer Wirkung her durch den alberen Showdown mindestens neutralisiert wird). Hier führt sich der Spannungsbogen des Films ziemlich ad absurdum, weil die größte Spannungssequenz (der Angriff des Wals auf Nolans Haus) insofern zu früh kommt bzw. vom Nachfolgende nicht mehr übertroffen werden kann (dem Zuschauer ist der Ausgang des Films spätestens beim Auslaufen der „Bumpo“ klar – und wer überlebt, kann man sich ja schon daran zusammenreimen, dass die Rampling den voice-over in der Vergangenheitsform spricht).

Technisch gesehen haben wir es, trotz aller Tiefgründigkeit und Moral, mit einem Tierhorrorfilm zu tun. Allerdings einen mit einer FSK-12-Freigabe, so dass klar ist – wir waten nicht in Blut und Eingeweiden, nicht mal in denen von Fischen (bzw. Walen). Die krudeste Effekt-Szene ist zweifellos die Wal-Frühgeburt zu Beginn – ein Image, das anno 1977 sicherlich heftig beeindruckte (und, wie gesagt, auch mich in jungen Jahren ziemlich mitnahm), aber heutzutage kaum mehr schockieren kann (das haben wir sicher auch Greenpeace zu verdanken, die den realen Horror der echten Walfängerei ins kollektive Bewusstsein der Öffentlichkeit gedroschen haben, and a good thing, too). Die Kills sind unblutig und eh meist durch den Schnitt getarnt – den blutigsten Tod erleidet der Hai zu Beginn; der einzige Versuch eines halbherzigen Splattereffekts (Annies Bein) wird durch die eher unbeholfene, aber wenigstens noch ansehbare Umsetzung leicht untergraben. Trotz der noch zu würdigenden Bo Derek im Cast ist der Streifen übrigens auch in erotischer Hinsicht jugendfrei. Ein Großteil der Wal-Aufnahmen entstand mit echten Orcas, wenn Miniaturen oder lebensgroße Modelle (im Schlußfight) übernehmen müssen, wird dies sehr passabel gelöst (die Miniatur-Tricks, die angewendet werden, wenn Orcalein seine Zerstörungsorgien abfeiert, stehen Lichtjahre über dem, was die italienischen Billigheimer ihrem Publikum zumuteten).

Der Soundtrack von Legende Ennio Morricone zählt nicht zu den absoluten Großtaten des Meisters und muss ohne große memorable Themes auskommen, ist stellenweise etwas zu pathetisch (speziell, wenn Morricone Walaufnahmen beschallt – da sollte man vorsichtshalber eine Schüssel zum Schmalzauffangen vor die Lautsprecher stellen), aber insgesamt angemessen. Wer es allerdings für eine gute Idee hielt, das Closing-Credits-Theme singen zu lassen, wurde hoffentlich seinen Job los.

Zu den Schauspielern: Richard Harris, Der Mann, den sie Pferd nannten, einem jüngeren Publikum als Dumbledore aus den ersten Harry Potter-Filmen bekannt, ehe er terminal unpässlich wurde, ist die Idealbesetzung für den wind- und wettergegerbten (und nicht gerade intellektuellen) Fischer. Harris laboriert zwar an den oben angesprochenen Schwächen im filmischen Umgang mit dem Charakter, grantelt sich aber insgesamt recht gelungen durch den Film – die Wandlung des Charakters vom materialistischen Schuft über den weinerlichen Feigling bis hin zum opferbereiten Anti-Helden nimmt man Harris jedenfalls ab.

Recht erschütternd ist dagegen die Performance von Charlotte Rampling – gut, man mag ihr zugestehen, dass ihre Rolle, obwohl´s die zweite Hauptrolle ist, völlig unwichtig ist (außer als Katalysator für die Ereignisse hat sie im weiterem Filmverlauf bestenfalls noch die Funktion des „greek chorus“), aber von einer Darstellerin ihres Kalibers, die mit Visconti und Woody Allen filmte, klassischem Arthouse-Kino wie dem Night Porter begeisterte, sich nicht dafür zu prüde war, in einer Komödie (Max, mon Amour) die Geliebte eines Schimpansen zu spielen und Sean Connery die Windeln wechselte (Zardoz), darf man etwas mehr (read: viel mehr) erwarten als eine Vorstellung, die mit den Worten „auf Autopilot“ sehr wohlwollend umschrieben ist. Klar, die Rampling (übrigens langjährige Ehefrau von Jean-Michel Jarre) sah´s möglicherweise als unter ihrer Würde an, in einem De-Laurentiis-Hobel mitzuspielen, aber ihre Leistung, praktisch den kompletten Film mit einem einzigen (desinteressierten) Gesichtsaudruck herunterzuleiern (und „leiern“ trifft auch auf ihre Rezitation von Dialogen zu), verdient den Steven-Seagal-Gedächtnisaward.

Hollywoods Chef-Vorzeige-Indianer, der zu früh verstorbene Will Sampson (das rechnen einige Abergläubische ja dem Poltergeist-Fluch an), mimt den weisen Indianer – etwas, was der gute Mann vermutlich auch schlafwandeln konnte. Tragisch, dass ein durchaus guter Akteur wie Sampson Zeit seines Lebens auf ethnische Stereotypen festgelegt war (als Vorzeige-Indianer sah man ihn u.a. in der TV-Serie Vegas, in Feuerwalze, oder eben Poltergeist II).

Orca markiert das Filmdebüt von Bo Derek, die zwei Jahre später durch die Komödie 10 – Die Traumfrau zum Weltstar wurde; weniger wegen ihrer schauspielerischen denn ihrer anatomischen Qualitäten (mein Typ war sie nie). Nach dem Giganto-Flop Tarzan, The Ape Man, den ihr Ehemann John auf die Beine gestellt hatte und in dem ein gewisser Miles O´Keeffe nicht nur die Liane schwang, versandete ihre Karriere in in seltener Einmütigkeit sowohl von Kritikern als auch vom Publikum verlachten und gemiedenen Softsexern wie Bolero. John Dereks Tod 1998 ermöglichte ihr scheinbar endlich, sich von ihrem Sexbombenimage zu emanzipieren – mittlerweile agiert sie hauptsächlich in B-Actionthrillern (und in Horror 101 von James Dudelson). Bereits hier deutet Bo an, keinesfalls mit einer Schauspielerin verwechselt werden zu können.

In weiteren Nebenrollen zu orten sind der B-Film-Veteran Keenan Wynn (hierzulande vermutlich aus seinen Gastauftritten in Dallas als „Diggler“ Barnes bekannt) und Robert „mein Bruder ist bekannter als ich“ Carradine – beide weden Walfutter.

Die grabbeltischpreiskompatible DVD von Kinowelt besticht mit einem gelungenen anamorphen 2.35:1-Widescreen-Transfer, der die beeindruckenden Naturaufnahmen exzellent wirken lässt – gelegentlich schleichen sich ein paar etwas verrauschte, wie nachträglich aus minderwertigem Quellmaterial eingefügt wirkende Frames ein, was aber nicht wirklich stört (vor allem – hey, 5 Euro, was nehmen wir da sonst an Transferkatastrophen in Kauf). Detail- und Kantenschärfe liegen absolut im grünen Bereich, dito die Kompression.

Akustisch stehen die englische Originaltonspur sowie deutsche und spanische Synchronfassungen zur Wahl, allesamt im ursprünglichen Mono-Format – auf Spielereien wie einen Surround-Upmix oder -Split hat man verzichtet. Dolby-Anlagen-Besitzer werden also wenig Freude daran haben, mir ist´s im Zweifel aber lieber als künstliche nachträgliche Aufmotzereien. Der englische Ton verfügt über ein leichtes Rauschen im Dialogton und ist insgesamt leiser als die etwas kräftiger, dynamischer klingende deutsche Fassung. Untertitel gibt´s in Vielzahl.

Als Extras findet sich leider nur der Originaltrailer, aber – Budget-Range, wir sind zufrieden mit dem was wir kriegen. Insgesamt verdient sich die DVD angesichts des Preis-/Leistungsverhältnisses allemal ein „empfehlenswert“ (wieso meine DVD allerdings ein anderes und für meine Begriffe wesentlich schöneres Cover hat als das von amazon.de angepreiste mit dem Moby-Dick-Imitat-Motiv, weiß ich nicht).

Oha, noch vor, ähm, drei Stunden dachte ich, mir würde in der Nachbetrachtung gar nicht so viel einfallen. Boy, was I wrong. Kommen wir also etwas überhastet zum Schluss, bevor dieses Review noch länger wird als unbedingt nötig. Orca hinterlässt einen etwas zwiespältigen Eindruck – natürlich ist der Film, speziell, wenn man berücksichtigt, wer ihn produziert hat, gut gemeint. Er versucht sich von den gängigen Tierhorrorklischees so weit wie möglich zu lösen und eine eigenständige, genrefremde Geschichte zu erzählen. Löblich, aber wegen der plumpen Gleichsetzung Wal/Mensch realistisch betrachtet bereits im Ansatz gescheitert. Was bleibt, ist eine gute darstellerische Leistung von Richard Harris, schöne Bilder, und ein zumindest eine Stunde lang ziemlich flott inszenierter Streifen, der durch die lustlose Rampling und den langatmigen Schluss etwas heruntergezogen wird. Wer auf uninspirierten Jaws-Aufguss, womöglich noch mit Blut & Titten garniert, hofft, sollte lieber zu einem direkten Rip-off wie Killer Crocodile & Co. greifen – Orca ist dagegen pures intellektuelles Kopfkino, unspektakulär, aber eine interessante Fußnote in der Tierhorror-Historie.

(c) 2006 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 6


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments