Operation Dance Sensation

 
  • Deutscher Titel: Operation Dance Sensation
  • Original-Titel: Operation Dance Sensation
  •  
  • Regie: Thilo Gosejohann
  • Land: Deutschland
  • Jahr: 2003
  • Darsteller:

    Thilo Gosejohann (Jackson), Simon Gosejohann (Atlas), Alexander Clarke (Ralf Eden), Oliver Piper (Zorc), Wolfgang Butzlaff (Dr. Herbert Ost), Catrin Hansmerten (Janet), Michael Kupczyk (Genscher Washington), Anke Engelke (Veronica Rell), Bela B. Felsenheimer (Dr. Rüdiger Steffen), Sylvia Hesse (Steffi), Sina Maria-Gerhardt (Renate Körner), Jan Hendrik Meyer (Ramirez), Alexander Swoboda (Private Brian), Jasmin Wagner (Schwester Stefanie)


Vorwort

Vietnam 1969 – Jackson, der gottverdammt beste Soldat der Armee, wird mit einer heiklen Spezialmission beauftragt: Er soll nicht nur einen gewissen Private Brian (!) heil nach Hause bringen, sondern quasi auf dem Weg noch die Überläufer Zorc und Atlas dingfest machen, die sich mit einer Fuhre ehrlich geklauter Superwaffen zum Feind abgesetzt haben. Die Operation wird, sagen wir mal, ein Teilerfolg…

20 Jahre später – Atlas kloppt auf Staatskosten Steine, Zorc hat sich als steinreicher Multimillionär neu erfunden, ihr einstiger Bundesgenosse Ralf Eden (!) betreibt – allerdings unter Amnesie leidend – eine Disse nahe der amerikanisch-irakischen (!!) Grenze, und Jackson schlägt sich mangels passender Kriege damit durch’s Leben, als Kopfgeldjäger massenweise Ninjas, die in schöner Regelmäßigkeit in seinem Garten vorstellig werden, abzumurksen, um sich und seine kleine Tochter Meike durchzubringen. Weil Zorc weiß, dass Ralf dereinst die Superwaffen ausgeschmuggelt und in seiner Disco versteckt hat (Ralf ist das aufgrund eines bedauerlichen Unfalls im Getränkelager, wie gesagt, nicht mehr so erinnerlich), und er, also Zorc, den Kram – mit der Zugabe eines von Dr. Herbert Ost (!!) entwickelten Supertreibstoffs – nun gern an die Iraker verticken würde, kauft er nicht nur Atlas aus dem Steinbruch frei, sondern auch Ralfs Disco auf, um die dort gelagerten Waffen zu finden und an die Iraker zu verscherbeln, die ihm dafür nicht nur haufenweise Bares zuschanzen, sondern ihn auch auf den lokalen Bürgermeisterposten putschen sollen. Sofern sich im Zuge dieser Aktivitäten der glückliche Zufall ergeben sollte, dass man Jackson dekorativ killen kann, soll das speziell Atlas‘ Schaden nicht sein. Und so nimmt der Wahnsinn seinen Lauf in TV-Talkshows, bei Kindergeburtstagen und Disco-Tanzwettbewerben (mit Ninjas!)…


Inhalt

Manchmal verstehe ich mich selber nicht – da kaufe (!) ich mir Marcel-Walz-Filme und hab‘ spätestens drei Tage später meinen Unmut in ein umpfzigseitiges Review kanalisiert und gräme mich für den Rest meines Lebens über die verlorene Zeit, aber „Operation Dance Sensation“, das magnum opus der Gosejohann-Brüder, die dereinst mit dem von Troma Deutschland vertriebenen „Captain Cosmotic“ in der Indie-Szene für Aufsehen sorgten, kaufte ich mir erst nach ewiger Zeit – und nachdem mir everyone and his brother versichert hatte, dass man das nicht bereuen würde -, nur um die DVD dann noch so Stücker zwei Jahre im Regal versauern zu lassen. Angebrachte Skepsis? Vollendete Doofheit? Typische Orientierungslosigkeit eines unorganisierten Totalchaoten? Vielleicht von allem etwas…

Vor allem aber wohl gesundes Misstrauen gegen Hype, speziell im Bereich des deutschen Amateur-/Independentfilms. Viel zu viel von dem, was von Fanzines und in Webforen hochgejubelt wurde, entpuppte sich dann doch wieder nur als der gleiche Schotter (nicht von ungefähr sind die meisten Amateur-/Indiefilme, denen ich wohlwollend gegenüberstehe, solche, die sich eben nicht der Propaganda durch Gorebauern- und Splatterhead-Medien bedienen konnten). Nun, ich muss zugeben, beim stolzen Werk der Gosejohänner, die vom Schicksal mit dem harten Los gestraft wurden, im Gütersloher Ortsteil Niehorst (was zumindest den Namen „Neverhorst“ ihrer Filmproduktion hergab) aufzuwachsen, waren diese Befürchtungen weitgehend unbegründet, denn „Operation Dance Sensation“ ist tatsächlich der völlig durchgeknallte Mix aus 80er-Jahre-Äktsch’n, Discotanzfilm und Splatter, der mir vorab versprochen wurde.

Allerdings halt schlechterdings auch ein quasi unreviewbarer Mix, denn wie soll man einem Film und einem Script zu Leibe rücken, in dem schlicht und ergreifend alles geht? Hier liegt der Irak direkt neben den USA, von denen aus man aber ostwärts nach Vietnam schippert, da spielt der ganze Film gewollt in den Staaten, und trotzdem hat es Ralf Eden (für diejenigen, die in Tratsch & Klatsch nicht so bewandert sind, eine, äh, „Parodie“ auf den Berliner Discotheken- und C-Promi-Papst Rolf Eden) mit eindeutig deutschen Neonazis von der „DVD“ (Deutsche Vereinigung Deutschlands, natürlich) zu tun; da kann Zorc, der Oberbösewicht, Atlas, seinen Unterbösewicht, ganz einfach per „Kautionszahlung“ nach 20 Jahren aus dem Steinbruch kaufen, da kann ebenjender Atlas Ninjas quasi in Großhandelsabgabemengen telefonisch ordern („schick mal vier, fünf, sechzig Ninjas zur Unterstützung“), da schnupft Ralf Eden Koks kiloweise durch Staubsaugerohre…
Unter diesen Umständen kann Euer guter alter Doc schlecht auf Schlüssig- und Nachvollziehbarkeit des Drehbuchs pochen, eine sinnvolle Dramaturgie im Sinne der Drei-Akt-Struktur einfordern, wenn das schlichte Bestreben der Macher ganz eindeutig war, jeden abgedrehten Einfall, der ihnen gerade durch die Gehirnwindungen kroch, spontan in den Film zu integrieren. Einen echten Plot hat das Ding jedenfalls nicht, das ist mehr ein Aneinanderreihen lose verbundener Episödchen, ehe sich grad so rechtzeitig zum Schlussakt so etwas ähnliches wie eine Story vorstellt; Dialoge klingen oft und gern improvisiert, ob eine Szene dramaturgisch gerade passt, ist mal eben grad wurscht, da wird einfach zusammengesetzt, was nicht zusammengehört, und hat man sich mal auf die anything-goes-laissez-faire-Attitüde des Streifens eingelassen, funktioniert das über weite Strecken ganz prima. Wie könnte ich einen Film verdammt, in dem Ninjas (allerdings die wohl inkompetensten der Filmgeschichte) geradezu rudelweise auftauchen und nicht nur als – unfähige – Tötungsmaschinen fungieren, sondern auch Aufwertung jedes Kindergeburtstags, perfekte Juroren für Tanzwettbewerbe und Teilnehmer an solchen sind? Bonuspunkte verdienen sich u.a. die grandiose Szene, in der Jackson in einer Krawall-Talkshow seinen ehrbaren Berufsstand des Kopfgeldjägers gegen die psychologischen Angriffe des Medienwissenschaftlers Dr. Rüdiger Steffen zu verteidigen hat, die Einspieler einer „Exclusiv“-artigen Reporterin zum großartigen Disco-Eröffnungsevent und natürlich die Idee des Showdowns, (SPOILER voraus) dass die streng geheimen Superwaffen schlichte zigfach vergrößerte Pistolen bzw. Gewehre sind, die dann Projektile verschießen, die allerliebst an sichtbaren Fäden durch die Landschaft gezogen werden (Frauenlager der Ninja-Hommage? Ich will’s doch schwer hoffen)…

Bei aller Freundschaft will ich allerdings ein nicht zu übersehendes Manko des Scripts und konsequenterweise des Films nicht verschweigen – aller Abgedrehtheit zum Trotz und auch mit einer ganzen Fuhre schräger Einfälle im Gepäck hat „Operation Dance Sensation“ nicht *die* Gagdichte, die die Gosejohänner wohl im Sinn hatten – es vergeht schon mal ein Stückchen Zeit zwischen zwei Brüllern und das führt in der Folge dazu, dass „Operation Dance Sensation“ mit seiner für einen Indie-Film geradezu epischen Laufzeit von 108 Minuten sicherlich gut und gerne 20 Minuten zu lang ist – um’s auf gut Englisch zu sagen, „it overstays its welcome a bit“, manche Sequenzen wirken dann doch aufgeblasen, gerade die Actionszenen (vor allem im breit ausgewalzten Showdown), in denen zugegebenerweise Leichenberge aufgetürmt werden, die einer City Cobra würdig sind, ein wenig ermüdend, auch aufgrund des zweifellos verständlichen, aber auf die Dauer arg repetetiven Einsatzes billigster Digitaleffekte für Mündungsfeuer und kleinere pyromanische, äh, -technische Eskapaden. Ein Sonderlob verdient sich die für einen chronisch unterfinanzierten Amateurfilm schon regelrecht spektakulär dynamische Kameraführung, mit der die Gosejohanns beweisen, dass man auch mit beschränkten technischen Mitteln einen Film auf Video zaubern kann, der *nicht* eine Orgie statischer Einstellungen ist; nicht ganz so gelungen ist der oftmals hektische Schnitt. Der Score wartet erstaunlicherweise mit weniger Disco-Geschmacklosigkeiten auf, als ich eigentlich gehofft hatte, dafür ist der punkige Titelsong ein echter Ohrwurm.

Erstaunlicherweise fiel selbst der almighty FSK auf, dass „ODS“ alles andere als ernst gemeint ist, und winkte den Streifen trotz einiger derber, aber cartoonesk gestalteter Splattrigkeiten (Sam-Raimi-Gedächtnis-Bauchdurchschüsse, fliegende Köpfe etc.) mit einer 16er-Freigabe durch. Das ist technisch alles eher schlicht, aber recht effektiv gestaltet (wie ich immer sage – lieber einfache Tricks, die ich kann, als FX, für die mir die Mittel und Möglichkeiten ganz einfach fehlen).

In den Hauptrollen brillieren die Gosejohanns selbst – Thilo und Simon (letzterer dank Shows wie „Die Comedy-Falle“ und „Elton vs. Simon“ mittlerweile ja echter TV-Star mit Gütesiegel) sind sicherlich – auch im Amateur-/Indiebereich – nicht die größten darstellerischen Lichter unter der Sonne, aber sie verfügen beide über gutes komisches Timing, sind in der Lage, völlig absurde Dialoge mit angemessenem „deadpan“-Ausdruck zu rezitieren und übertragen viel von dem Fun, den der Dreh sicherlich gemacht haben muss, auf den Zuschauer, da ist’s dann auch egal, wenn sich grad Simon ab und zu mal in den Lines verheddert (Thilo griff die Rolle übrigens in City Kill wieder auf, was den Film ja regelrecht zu einem inoffiziellen Sequel von „ODS“ macht; übrigens ähneln sich „City Kill“ und „ODS“ in look, feel und Herangehensweise enorm).
Oliver Piper („Captain Cosmotic“) erinnert mich als Zorc irgendwie an eine Mischung aus Tim Curry und Stephan Jürgens; Alexander Clarke („Captain Cosmotic“, ich fürchte, das wird sich durch diesen Absatz ziehen…) und der Captain himself, Jan Hendrik Meyer, erledigen ihre Aufgaben angemessen, ebenso Wolfgang Butzlaff als chinesischer Schweizer Dr. Ost (nicht fragen, kucken) und Catrin Hansmerten („Captain Cos-„, ach, das habt Ihr bereits vermutet?).
Michael Kupczyk (mittlerweile selbst unter die Filmemacher gegangen und Regisseur eines „kleinen Fernsehspiels“ für’s ZDF namens „Diamantenhochzeit“) hat ebenso ein paar nette Szenen wie Jens Gößling („Captain-„, schon gut, ich geb Ruhe) als Wiener DJ „Wolfgang Jack“. Sina Maria-Gerhardt („Das iTeam – Die Jungs an der Maus“) ist als Ilona-Christen-Talkshow-Host-Parodie eine Schau.
Dazu gibt’s einen Schwung Gaststars: Bela B. Felsenheimer, Trommelarzt aus Berlin, ist sich bekanntlich für keinen Auftritt in einem Amateurfilm zu schade und hat als ganzheitlich eingestellter Medienwissenschaftler Dr. Steffen das, was man so gern einen „field day“ nennt – eine seiner bisher besten Filmrollen. Anke Engelkes Auftritte als Klatschreporterin Veronica Rell hätten auch in „Ladykracher“ nicht deplaziert gewirkt und Popsternchen Jasmin „Blümchen“ Wagner ist in einer Mini-Rolle als Krankenschwester mit von der Partie.

Bildqualität: Klar, dass sich für die Veröffentlichung von „ODS“ aus alter tromalogischer Verbundenheit Legend Home Entertainment zuständig fühlte, die den Streifen dann prompt in einer geradezu rappeldickevoll gepackten 2-DVD-Edition auf den Markt warfen. Der anmorphe 1.85:1-Print ist so gut, wie man das von einer Produktion ambitionierter mehr-oder-weniger-Amateure erwarten darf. Videolook, aber gestochen scharf, solide Kontrastwerte, verschmutzungsfrei (allerdings mit einem leichten weißen Streifen am unteren Bildrand auf non-16:9-Equpment), gute, unauffällige Kompression.

Tonqualität: Geboten wird gutklassiger deutscher Dolby-Digital-5.1-Ton, der auch die alte Amateurkrankheit gelegentlich unverständlichen Dialogtons vermeidet. Effekte und Musik haben durchaus den nötigen Wums. Untertitel gibt’s auf Deutsch und Englisch.

Extras: Hier punktet der Release in jeder nur denkbaren Hinsicht. Neben einem reichhaltig bebilderten Booklet findet sich auf Disc 1 ein Audiokommentar sowie eine ausführliche Trailershow, während Disc 2 eine knappe Stunde Making-of, 26 Minuten deleted scenes, einen Rundgang durch das „Neverhorst“-Museum, ein Feature über die Kinopremiere und über 100 Fotos in vier Bildergalerien bietet. Und dann gibt’s dazu noch drei Neverhorst-Kurzfilme („Master of the Fist“, „Invasion Neverhorst“ und „Mörderball“) sowie einen Trailer für ein nie realisiertes Projekt namens „Celluar Genomic“ und den kompletten Soundtrack inklusive des von Bela B. persönlich eingesungenen Titelsongs. Value for Manni, und für andere Käufer auch…

Fazit: Ich hätte mich doch früher an „Operation Dance Sensation“ wagen müssen, dann wäre ich jetzt nicht der gefühlt Letzte, der lobende Worte über das größte Werk der Gosejohanns (und eine ihrer letzten gemeinsamen Arbeiten, nachdem Simon nun den Weg des professionellen Film- und Fernsehcomedians gegangen ist) verliert. Klar, der Streifen hat Schwächen (vor allem, wie gesagt, dass ihm für die beinahe zwei Stunden Wegstrecke dann doch die Substanz fehlt – 90 Minuten, und dat Ding wär perfekt), aber er macht einfach auch jede Menge Spaß, was an den nicht oscar-verdächtigen, aber gut aufgelegten Darstellern und der völlig hysterischen Attitüde liegt. Da kann man nur als extrem böswilliger Mensch meckern, und vor allem – Ninjas! Jede Menge Ninjas! Freunde des Indie-Trashs müssen den Film auf jeden Fall ihrer Sammlung hinzufügen, da macht man nix verkehrt…

4/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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