Olivia – Im Blutrausch des Wahnsinns

 
  • Deutscher Titel: Olivia - Im Blutrausch des Wahnsinns
  • Original-Titel: Olivia
  • Alternative Titel: Prozzie | Double Jeopardy | Im Blutrausch des Wahnsinns |
  • Regie: Ulli Lommel
  • Land: USA
  • Jahr: 1983
  • Darsteller:

    Suzanna Love (Olivia), Robert Walker jr. (Michael „Mike“ Grant), Jeff Winchester (Richard), Amy Robinson (Oliva mit 5), Bibbe Hansen (Mutter), Nicholas Love (Der Soldat), Kenneth R. Shippy (Eric), Ulli Lommel (Detektiv)


Vorwort

Die fünfjährige Olivia wird Schlüsselloch-Augenzeugin, wie ihre als Teilzeitnutte amtierende Mutter von einem durchgeknallten Freier umgebracht wird. Das kann nicht ohne Folgen für die zarte Kinderseele bleiben…

15 Jahre später ist Oliva mit einem Arschloch-Ehemann namens Richard verheiratet, spielt tagsüber das verhuschte Hausmäuschen, brezelt sich aber nächtens nuttig auf, stalkt die Straßen Londons und reißt paarungswillige Kerle auf, um sie abzumurksen. Eines Tages gerät sie an den Ami Mike, einen Ingenieur, der ein Gutachten über Abbau und Verschiffung der London Bridge erstellen soll, und verliebt sich in ihn. Die Affäre bleibt nicht unentdeckt – eines Abends folgt Richard seinem Eheweib auf die London Bridge, wo sie mit Mike poussiert. Es kommt zu einem Handgemenge, in dessen Verlauf Richard über das Brückengeländer in die Themse stürzt.

Wiederum fünf Jahre später – der Zufall spült Mike in das Nest in Arizona, das die London Bridge als Touri-Magnet aufgebaut hat. Eine Fremdenführerin kommt Mike mächtig bekannt vor – zwar ist die Haarfarbe anders und der London-Akzent abgelegt, aber das ist doch Olivia, oder nicht? Mike unternimmt Annäherungsversuche, doch die Frau bestreitet, Olivia zu sein. Hindert sie nicht daran, mit Mike zu schlafen und danach zu gestehen, Olivia zu sein. Olivia scheint immer noch unter der mentalen Fuchtel ihrer toten Mutter zu stehen, doch Mikes Präsenz scheint zu helfen. Blöd nur, dass Richard seine Themsebad überlebt hat und mittlerweile auch herausgefunden hat, wo Olivia sich aufhält…


Inhalt

Ulli Lommel. Ja, der Name ist heutzutage nicht mehr als eine Punchline, mit der sich selbst fortgeschrittene Trashologen gegenseitig erschrecken, aber es gab mal eine Zeit, in der man glauben konnte, Ulli könne vielleicht nicht an seine Autorenfilmerzeit als Fassbinder-Schüler anknüpfen, aber zumindest ein einigermaßen kompetenter Gebrauchsfilmer werden. „The Boogeyman“ ist kein Weitwurf, aber ein ankuckbarer Horrorfilm und auch in der Folge gelangen ihm noch einige B-Movies, die keine Filmpreise gewannen, aber als DTV-Klopper durchaus zu gebrauchen waren.

„Olivia“ war das direkte Nachfolgeprojekt zu „Boogeyman“, das Lommel konzipierte, als er auf der Suche nach möglichen „Boogeyman 2“-Locations auf die nach Arizona transplantierte London Bridge stieß und mit Suzanna Love spontan entschied, eine Geschichte rund um die Brücke zu schreiben. „Olivia“, auch unter den Namen „Prozzie“ und „Double Jeopardy“ erschienen, entpuppt sich als Lommels persönlicher Hitchcock-Tribut, oder, in klaren Worten ausgedrückt, als Lommels Variante von „Vertigo“ mit einem Hauch „Psycho“. Natürlich ist Lommel kein Hitchcock, aber ich anerkenne das Bemühen Ullis, nach einem reinrassigen Horrorfilm nicht direkt noch mal den gleichen Acker zu bestellen, sondern sich an einem Psychothriller zu versuchen. Nur kommt sowohl da „Psycho“ als auch das „Thrill“ bei „Oliva“ recht kurz. Obschon Olivias Klatsche aufgrund frühkindlicher Mutterabmurksung die primäre Motivation des Charakters sein soll, bekommen wir als Zuschauer recht wenig von den eigentlichen psychologischen Auswirkungen mit. Ja, sie redet gelegentlich mit ihrer „Mutter“, aber angesichts des Vollidioten, den sie sich als Ehemann ausgesucht hat (und interessant genug wär schon, wie sich diese Beziehung überhaupt entwickelt hat. Olivia seems way out of Richard’s league und Olivia sollte, angesichts ihres Traumes, eigentlich überhaupt kein großes Interesse an einer Beziehung haben) würde es eigentlich gar kein Trauma mehr brauchen, um zum Killer zu werden… Ebensowenig macht Lommel deutlich, was an Mike jetzt so „anders“ ist, dass er Olivia beinahe (zweimal) aus ihrem Wahn befreien kann.

Dadurch, dass „Olivia“ in zwei getrennte Hälften, die London- und die Arizona-Hälfte, zerfällt, stellt sich auch kein rechter Flow ein. Einen Protagonistenwechsel konnte Hitchcock in „Psycho“ durchziehen, Lommels Perspektiv-Änderung von Olivia auf Mike (die dann auch nicht durchgezogen werden kann, weil dem Lommels großer Storytwist im Weg steht) spielt schon in einer deutlich weiter unten angesiedelten Liga. Lommel bringt den Film auch nicht in einen vernünftigen Rhythmus, in ein brauchbares Pacing. Der Film plätschert vor sich hin und wartet auf seine wenigen Höhepunkte, die dann – weil Lommel eben weniger die Splattercrowd bedienen will – relativ zahm bleiben (wie auch der Bodycount mit insgesamt vier, Prolog eingerechnet, auf der konservativen Seite bleibt).

Lommel und seinem Reigen von Kameramännern (wie Lommel sich erinnert, war er so besessen von bestimmten Winkeln und Einstellungen, dass er, nachdem er fünf D.O.P.s verschlissen hatte, selbst zur Kamera griff) gelingen immerhin ein paar recht schöne Bilder (in den Nachtszenen in London gereicht die aus budgetgründen unzureichende Beleuchtung dem Film sogar zum atmosphärischen Vorteil). Suzanna Love ist zuverlässig wie immer und mit vollem Körpereinsatz dabei, ihre Co-Stars Jeff Winchester (Richard) und Robert Walker jr. (Mike) sind dagegen sehr hölzern. Lommel gönnt sich selbst wieder einen kleinen Auftritt als Police-Detective.

Die Blu-Ray von 88 Films bringt als Extra ein ausführliches Interview mit Kameramann David Sperling, der auch an „Cocaine Cowboys“ und „Boogeyman“ arbeitet, sowie eine kurze, fünfminütige Einführung von Ulli Lommel, der „Olivia“ als einen seiner Lieblingsfilme, der seinen Vorstellungen am ehesten entspricht, bezeichnet.

Handwerklich ist „Olivia“ auch nicht schlecht, und die Idee ist, auch wenn sie sich beim ollen Hitch bedient, nicht verkehrt (wenn man schon klaut, dann bei den Platzhirschen), aber die Umsetzung ist nicht sonderlich spannend. Wenigstens ist der Streifen mit 84 Minuten charmant kurz und Suzanna Love immer einen Hingucker wert…

1,5/5
(c) 2016 Dr. Acula


mm
Subscribe
Benachrichtige mich zu:
guest
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments