Oliver Stone’s Menschenjagd

 
  • Deutscher Titel: Oliver Stone's Menschenjagd
  • Original-Titel: Cold Around the Heart
  •  
  • Regie: John Ridley
  • Land: USA
  • Jahr: 1997
  • Darsteller:

    David Caruso (Ned), Kelly Lynch (Jude), Stacey Dash (Beg), John Spencer (Mike), Chris Noth (T), Richard Kind (Nabbish), Pruitt Taylor Vince (Cokebottles)


Vorwort

Ned und Jude sind ein Pärchen wie dereinst Bonnie und Clyde. Naja. Sowas ähnliches. Wobei Bonnie beim Sex mit Clyde sicher nicht darüber philosophierte, ob Gott und die „Bezaubernde Jeannie“ sich streiten würden… jedenfalls sind Ned und Jude auch Ganoven und weil Ganoven nun mal solche Dinge tun, klauen sie einem Provinzjuwelier die wertvollsten Klunker. Das aber macht noch nicht genug Spaß und so killt Jude im Rahmen dieses Raubüberfalls drei Leute und schmeißt auf der Flucht dann auch noch den armen Ned aus dem Fluchtauto. Liebe muß was herrliches sein – da ist unsereins doch für sein Singledasein mal wieder dankbar. Während Jude also solo, dafür aber mit Juwelen, das Weite sucht, landet Ned im Krankenhaus und unter polizeilicher Bewachung, der er sich aber schnell entzieht – Rache ist bekanntlich Blutwurscht, und so schwört Ned sich beim Grab seiner noch lebenden Großmutter, die treulose Tomate Jude aufzutreiben und unter die Erde zu befördern. Auf seiner Flucht gabelt er die Ausreißerin Beg auf, die fortan nicht von seiner Seite weicht – was natürlich Probleme bedeutet, und zwar schon, als Ned seinen alten Kumpel Mike aufsucht und der dem Junggemüse unbürokratisch an die Wäsche will…
Als Ned schließlich Jude gegenübersteht, ist’s mit dem Allemachen auf einmal gar nicht mehr so eilig, denn nur Jude weiß schließlich, wo die Juwelen sind…


Inhalt

First things first. Der deutsche DVD-Titel „Oliver Stone’s Menschenjagd“ ist nicht nur grammatikalisch falsch (das mußt DU sagen – der Setzer), sondern natürlich schwachsinniger Schwachfug – mehr als daß Oliver Stone Regisseur John Ridley, der für Stone das Script zum einzig ansehbaren J.-Lo.-Film „U-Turn“ verfaßte, als executive producer unter die Arme griff, hatte der Schöpfer von „JFK“, „Platoon“ und „Natural Born Killers“ mit dem Streifen nicht zu tun, aber deutsche Videoanbieter waren sich ja seltenst für den offensichtlichsten Marketingschachzug zu schade – im Original heißt der Streifen „Cold around the heart“, was ein gar nicht mal so unpassender Titel ist.
Denn, und das habt Ihr sicherlich schon der obigen Zusammenfassung entnommen, wir haben’s mal wieder mit einem Vertreter der Post-Tarantino-New-Wave-Gangsterfilme zu tun, der uns die übliche Mischung aus Road Movie und Thriller mit den zu erwartenden hip-zynischen Dialogen um die Ohren schlägt und dessen Drehbuch mit den drei einfachen Worten „jeder verarscht jeden“ erschöpfend umschrieben ist. Im Gegensatz zu dem gerade erst besprochenen Baldwin-Vehikel „Die Falle“ funktioniert „Menschenjagd“ aber dann doch relativ gut, auch wenn das Script nach all den „True Romance“ dieser Welt keinen Blumentopf für Originalität mehr gewinnt – mit den auch dort schon angesprochenen Meilensteinen des Genres kann der Film in keiner Teildisziplin mithalten, aber ein raffiniert konstruiertes und schlüssiges Script verleiht dem Film dennoch einen nicht zu vernachlässigenden Unterhaltungswert. Die ein oder andere Wendung kommt doch überraschend, das gelegentliche Aufblitzen von Humor lockert die Sache auf und ein paar ernsthaftere Themen wie sexueller Mißbrauch oder sich konsequent daraus entwickelnde Unterdrückung von Frauen, die dem als einzige Waffe ihren Sex gegenüberstellen können, werden zumindest angerissen und verleihen dem Streifen ein wenig Tiefgang.
Das alles kann aber nicht gänzlich darüber hinwegtäuschen, daß manche Dialoge etwas gekünstelt wirken und der Film insgesamt ein wenig arm an Action und Thrill ist – es wird nie richtig langweilig, aber ein paar aktionsgeladenere Szenen hätten insgesamt sicher nicht geschadet – Ridleys Regiestil ist zudem ein wenig bieder – kann man insofern auch positiv sehen, als er sich nicht krampfhaft an den Stil seines Mentors Stone (oder den von Tarantino himself) anbiedert, aber visuell bietet der Streifen vergleichsweise wenig Reize mit Ausnahme derer von Kelly Lynch…
Womit wir beim Thema Schauspieler wären. Kelly Lynch ist einem großen Publikum spätestens seit ihrer lederintensiven Schurkinnenrolle aus „Drei Engel für Charlie“ ein Begriff und macht auch hier als fiese femme fatale in allen Gesichtspunkten eine gute Figur (lechz) – womit gesagt sein soll, daß Kelly nicht nur verteufelt gut aussieht, sondern auch schauspielerisch durchaus zu überzeugen weiß. David Caruso hingegen… naja, ich werde wohl niemals mehr sein spezieller Freund werden. Nicht nur, daß Caruso hier mit einer Frisur gestraft ist, die allenfalls wahlweise a) bei Boris Becker oder b) einer Vogelscheuche durchgehen würde, insgesamt mag ich ihm den Charakter des charismatischen Machos, bei dem die Frauen schier dahinschmelzen (etwas übertrieben, ich weiß, aber man wird ja mal dramatisieren dürfen), nicht abnehmen. In einem anderen Tarantino-Rip-off, „Body Count“ (dem mit Linda Fiorentino und Ving Rhames) gefiel er mir deutlich besser.
Stacey Dash macht ihre Sache als Beg, die unverhofft in die Gangsterfehde reingezogen wird, recht gut und in kurzen, aber prägnanten Auftritten geben sich Mark Boone jr. (vorzüglich in „Trees Lounge“) und „Chaos City“-Chaot (eh) Richard Kind (in der Sitcom spielt er den Bürotrottel Paul Lassiter) die Ehre.

Bildqualität: Der Print, den Laser Paradise aufgetrieben hat, ist nicht von schlechten Eltern – zwar konnte sich das Label wohl einmal mehr nicht dazu durchringen, ganz das ursprüngliche 2.35:1-Widescreen-Format auf die Scheibe zu bannen (mir war so, als würde ab und an an den Seiten etwas fehlen), dafür beeindrucken Bildschärfe und Farben in absoluter Klarheit und ohne jegliche Störung (trotzdem wäre es kundenfreundlich von Laser Paradise, wenn man dort mal die Entscheidung treffen könnte, die Bildformate explizit auf die Box zu schreiben). Summa summarum aber doch eine sehr ansehnliche Präsentation.

Tonqualität: Den gerade beim Bild ausgeteilten prinzipiellen Rüffel muß ich in dieser Sparte noch mal ausdrücklich wiederholen – etwas mehr als „Ton: Dolby Digital“ könnte LP schon auf seine Hüllen picheln, denn hinter der Bezeichnung kann von Mono-Sound bis einem 5.1-Feuerwerk sprichwörtlich alles stecken. Letztendlich verbirgt sich bei „Menschenjagd“ tatsächlich ein sehr akzeptabler 5.1-Mix – auch wenn der Streifen nicht gerade ein reiner Toneffekte-Showcase ist, überzeugt die Abmischung allemal – klare Trennung von Dialogspuren, Soundtrack, Effekten, insgesamt ein angenehm räumliches Gefühl, daß die Tonspur (übrigens die einzige) erzeugt.

Ausstattung: Nicht weltbewegend, aber immerhin etwas – es gibt Produktionsnotizen sowie Biographien für Stone, Caruso und Lynch, die kurioserweise nicht nur auf Texttafeln präsentiert werden, sondern parallel vorgelesen werden. Irgendwie nett, auch wenn die Informationen teilweise redundant sind… Untertitel oder englischen Originalton gibt’s leider nicht, auch für einen Trailer hat’s nicht gereicht (noch nicht mal für ’ne Trailershow!).

Fazit: Sicher kann „Menschenjagd“ nicht in der selben Liga mitkicken, in der „True Romance“, „Kalifornia“, „Bube Dame König grAs“ oder „Natural Born Killers“ spielen – hier ist alles ein wenig bescheidener, ein wenig kleiner, ein wenig schwächer. Das macht den Streifen für Freunde des Genres aber beileibe nicht uninteressant, merkt man doch erst, wenn man einen Film aus der 2. Liga des Genres recht kurz nach einem Vertreter wie „Die Falle“, der vergleichsweise bestenfalls in der Oberliga dümpelt, betrachtet. „Menschenjagd“ ist insgesamt solide unterhaltsam, mit Ausnahme von David Caruso überzeugend gespielt und zumindest routiniert inszeniert. Ein gutklassiger Bild- und Tontransfer verschafft der DVD Bonuspunkte, so daß ich letztendlich den Genrefans (zu denen ich mich durchaus zähle) durchaus empfehlen möchte – keine Weltsensation, aber ein ansehnlicher kleiner Thriller (und mit Kelly Lynch, falls ich das nicht schon irgendwo anmerkte…).

3/5
(c) 2006 Dr. Acula


mm
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