Oasis of Fear

 
  • Deutscher Titel: Deadly Trap
  • Original-Titel: Un posto ideale per uccidere
  • Alternative Titel: Oasis of Fear | An Ideal Place to Kill | Dirty Pictures | Deadly Trap |
  • Regie: Umberto Lenzi
  • Land: Italien/Frankreich
  • Jahr: 1971
  • Darsteller:

    Barbara Slater: Irene Papas
    Dick Butler: Ray Lovelock
    Ingrid Sjoman: Ornella Muti
    Baratti: Michel Bardinet
    Inspektor: Calisto Calisti
    Agostino: Antonio Mellino
    Agostinos Freund: Salvatore Borghese
    Col. Slater: Tom Felleghy
    Tankwart: Udo Adinolfi
    Inspektor: Umberto Raho


Vorwort

Abt. Italo Hits & Misses.

Umberto Lenzi – das ist so’n typischer Fall von missverstandenem Filmemacher. Die ganze Welt kapriziert sich auf seine drei berühmt-berüchtigten Kannibalenfilme (wobei der erste, „Mondo Cannibale“, als naturalistischer Abenteuerfilm ja noch nicht mal das „bietet“, was der gemeine Gorehound von Kannibalenkrams erwartet), dass der Herr aber eine Fuhre patenter Gialli und besonders ein Rudel wohlgeratener Polizeifilme auf dem Kerbholz hat (von seinen Piratenfilmen, Eurospyfetzern und Western aus den 60ern wollen wir mal gar nicht reden) wird gern vergessen. Gut, da geht’s Signore Lenzi ähnlich wie dem Sportskameraden Fulci, dessen Krimis und Thriller im Vergleich zu seinen Gorefilmen auch verhältnismäßig unbekannt sind – das kommt halt davon, wenn man die Splatterschraube so explizit anzieht…

Nun, in einem Punkt geht’s Lenzi besser als Fulci, er lebt nämlich (Stand April 2013) noch, auch wenn er, frustriert über den Zustand des italienischen Genrekinos, Anfang der 90er das Handtuch des Filmschaffenden entnervt geworfen hat. Wiewohl ich von Kannibalenfilmen eher grundsätzlich nicht viel halte, verdient Lenzi meinen Respekt dafür, dass er nach „Die Rache der Kannibalen“ erkannte, dass sich das Genre in eine unappetitliche Richtung entwickelt hatte und sich davon distanzierte (wenn er auch noch seine Gage einem wohltätigen Zweck gespendet hätte, würde ich glatt seinem Fanclub beitreten); abgesehen davon bin ich ein großer Freund von „Großangriff der Zombies“, dem wohl (unfreiwillig) unterhaltsamsten der klassischen Italo-Untotenfilme der späten 70er/frühen 80er.

Will sagen – ich hege gegen Lenzi keinen speziellen Groll und wenn mir ein Film unterkommt, der mein Interesse weckt, ist sein Name kein Gegenargument. Neulich durchblätterte ich meine Empfehlungsliste bei amazon.co.uk (nachdem sich der Versandkosten halber das Einkaufen bei amazon.com kaum mehr lohnt, muss man ja mal sehen, was die EU-Feinde von jenseits des Kanals zu bieten haben) und stolperte über die recht günstige Giallo-Line von Shameless. Für verhältnismäßig kleines Geld (umgerechnet 10-11 Euro ohne Versand) gibt’s da neben hier neben durchaus bekannter Ware wie Strip for the Killer einiges an raren und teilweise erstmals vollständig oder zumindest bestmöglich restaurierten Schätzchen (wie z.B. den nach 35 Jahren ersten korrekten Director’s Cut von „Baba Yaga“). Bei den Stichworten „Ornella Muti“ und „kinky“, die mir vom Cover von „Oasis of Fear“ entgegengrinsten, musste ich nicht lange überlegen, welchen Film aus der Reihe ich als ersten einsacken würde…


Inhalt

Wir starten in Kopenhagen, wo’s regnet. Dänemarks Tourismusbehörde bedankt sich. Andererseits – das schwer verliebte Pärchen, das die wichtigen Sehenswürdigkeiten (inklusive Kleiner Meerjungfrau und der dänischen „Changing of the Guard“-Version) abklappert, scheint’s nicht zu stören, ganz im Gegenteil – wenn ich nach den „weeheeee“-Geräuschen des Mädels gehe, ist sie eine direkte Verwandte von Pinkie Pie.
Das Pärchen besteht aus a) Richard „Dick“ Butler, einem britischen Jungschnösel in Form von Ray Lovelock (dessen unmittelbar nächster Filmcredit eine nicht unwesentliche Rolle in der Filmadaption von „Anatevka“ war) und b) Ingrid Sjönen, deren Nationalität eher ungeklärt bleibt (ich würde aber doch eher auf „skandinavisch“ tippen, auch wenn Dick später davon reden wird, sie in England kennengelernt zu haben) in Form einer minderjährigen Ornella Muti süße 16! Aber im Filmsinne wenigstens 18, deswegen darf sie auch den Sexshop, in den unsere jungen Liebhaber jungliebhaberisch-dynamisch stürmen, rein (andererseits: was weiß ich, vielleicht ist das in Dänemark auch ein Treffpunkt für die ganze Familie). Zwischen Porno-Hörspielen (die Dicks Wohlgefallen nicht finden – „ist eh immer das Gleiche“) und SM-Gear gibt’s auch die üblichen Stapel Schweden- bzw. hier wohl Dänenmagazine und von denen soll Ingrid mal zwei Dutzend erwerben. Da man nun berechtigterweise annehmen kann, dass, wer Ornella Muti auf’m Beifahrersitz (eines hippie-lackierten MG-Cabrio) hat, keine Wichsvorlage braucht, muss der Bulk-Einkauf andere Gründe haben. Dem ist auch so, der Schund soll offenkundig des Paares Europa-Trip finanzieren!

Bei der Einreise nach Italien (Teutonien haben wir also mal geflissentlich übersprungen) machen sich unsere Helden Gedanken, ob sie ihr Kapital tatsächlich verzollen sollen. Wäre ja schließlich ein Verstoß gegen Recht und Gesetz, täte man es nicht. Dem Grenzer, der zur Kontrolle aufscheint, drückt Dick aber trotzdem nur eine Stange Toblerone in die Hand. Nachdem der sie, sicherlich entzückt über den grandiosen Spaß, weiterwinkt, bedenkt ihn Ingrid dann doch noch mit einem Tittenmagazin als Geschenk. Schätze, Herr Zöllner wird den Arbeitstag dann doch als einen der besseren im Kalender abhaken.

In Firenze, direkt vor den Uffizien (keine Ahnung, war ich schon mal in Florenz? Und „Stendhal Syndrom“ hab ich auch schon lang nicht mehr gesehen), wird der Geschäftsplan unseres Pärchens deutlich. Was sie verkaufen, sind nicht nur die Nackedeimagazine aus dem Land der Olsenbande, sondern auch gar kunstvolle, eh, „Privatfotos“ aus eigener Produktion. Interessanterweise konzentriert sich Ingrid, die Verkaufsgespräche führt, auf weibliche Kundschaft (ersichtlich unter der Maßgabe, dass die älteren kunstgeschichtlich interessierten Damen den nackten Renaissancestatuen gerne auf den Schwengel stieren. Die sollte zwar dann Ingrid auf den Bildern stören, aber meine Güte, was weiß ich schon. Ich ziehe meine Pornografie zielgerichtet aus’m Netz). Preiswert ist der Spaß nicht, 6000 Lire (nach damaligem Kurs umgerechnet ungefähr 30 Euro und in realer Kaufkraft vermutlich das ungefähr dreifache) zieht Ingrid ihrer Abnehemerin aus dem Geldbeutel. Auch Dick ist dieweil nicht untätig und vertickt… eine Schallplattenaufnahme (auf 17-cm-Vinylsingle! Wer hat die gepreßt??) ihres Geschlechtsakts. Ehrlich, außer Gestöhne ist da nichts drauf und ohne entsprechende visuelle Begleitung halte ich das für nicht sonderlich anregend. Sein Käufer schon. Die 70er waren seltsam.

Da Akustikporn 1971 offensichtlich schwer gefragt ist, können Dick und Ingrid sich nach ihrer eigenen Ansicht nun offiziell „reich“ schimpfen und Reiche-Leute-Zeuch in Form ener endlosen Montage tun. Das ganze Treiben kulminiert darin, dass sie in Roger Daltreys Bühnenklamotten (srsly, jeder Glam-Rocker bekommt ob der weißen Fransenanzüge Freudenpipi in den Augen) ein Nobelrestaurant durch schwer friedenssymbolisches Freilassen weißer Tauben aufmischen (ich frage mich zwar durchaus, wie sie die Viecher überhaupt mit reingebracht haben, aber vielleicht ist das ja auch ein Etablissemang, wo Herr und Frau Neureich gerne ihre tierische Entourage mitbringen dürfen). Der verursachte Sach- und Imageschaden reduziert die Urlaubskasse auf satte null Lire und’n paar Zerquetschte. Was nun? Dick, ganz offensichtlich der Denker des Pärchens, weiß Rat: einfach von vorn anfangen, d.h. wir brauchen Nachschub an erotischen Fotos. Zum Glück hat die Polaroid ’nen Selbstauslöser.

Direkt vor’m schiefen Turm von Pisa soll der neue smut verhökert werden – nur leider ist der notgeil aussehende Halbglatzenträger mit Schnurrbart, den Ingrid als vielversprechendes Opfer auskuckt, Polyp. Was den illegalen Vertrieb schmutziger Pornographie (die nicht wesentlich pornographischer ist als die „Porno-Bilder“ aus Scum of the Earth) angeht, versteht man in Bella Italia keinen Spaß. Andererseits ist man ja auch kein Unmensch – der Herr Polizeihund belässt es bei einer Konfiszierung der Kamera und einer Ausweisung. Binnen 24 Stunden sollen Ingrid und Dick Italiens Staatsgebiet verlassen haben (und wenn sie nun nach San Marino…? Oder in den Vatikan… dort würde ich echtes Interesse an dem Material vermuten), sonst Gnade ihnen Gott, weil die Polizei tut’s nicht usw. Ingrid und Dick, ganz die rebellischen Anarchisten, verlassen die traute Amtsstube mit zackig-militärischem Kehrt-um-Marsch.

Eigentlich wären Dick und Ingrid durchaus gewillt, dieser dienstlichen Anordnung Folge zu leisten, doch da kommt wie üblich was dazwischen. Das, was dazwischen kommt, ist Agostino, Italiens härtester Motorradterrorist (d.h. ein Möchtegern-Ghostrider-Stuntbiker, der mit seinen mehr oder weniger beeindruckenden Kunststücke Leute ärgert). Den fährt Dick nämlich beinahe übern Haufen.
Weil das, was Agostino hingelegt hat, offensichtlich eine gewinnbringende Nummer war (das behauptet zumindest sein Kumpel, und der ist Sal Borghese, war einer der Drei Supermänner und ist daher über jeden Zweifel moralisch erhaben), wird Schadenersatz geltend gemacht. Dick kann wohl glaubhaft versichern, dass man nacktem Pärchen schlecht in die Tasche greifen kann, vielmehr werden sie von den Bikern auf ein über’m offenen Feuer gegrilltes Huhn eingeladen. Sal Borghese versichert dass Agostino „achtmal so verrückt ist wie jeder andere“ (die wissenschaftliche Berechnungsmethode würde mich interessieren) und Agostino, der ausschließlich in italienischem Landesidiom parliert (was Sal teilweise übersetzt, teilweise aber von Dick, der mit ihm Englisch spricht, direkt verstanden wird – ohne dass uns armen Zuschauern jemand verrät, wovon der Knabe redet) lädt unser Liebespaar nach Napoli ein. Nach anfänglichem Zögern versteifen sich unsere Liebenden auf den Gedanken, dass ihre Ausweisung eh niemand wirklich kontrollieren kann und stimmen zu.
Doch am nächsten Morgen (die Nacht verbringt Dick im Kofferraum seines MG und Ingrid im Schlafsack unter einem Baum – man residiert aber immerhin auf einem Campingplatz) sind die Biker weg und mit ihnen das restliche Reisekapital! Man kann wirklich keinem mehr trauen…

Guter Rat ist jetzt nicht das einzige, was unerschwinglich ist. Dick fällt, weil er Ingrid offenbar nicht stundenweise vermieten will, nichts anderes ein, als dass Ingrid in einem Bahnhofs-Passfotoautomaten ein paar sexy Solo-Bilder zum Verscherbeln anfertigen soll – keine leichte Aufgabe dank der eher beengten Verhältnisse, wie Ingrid sich auch beklagt. Weil, wer den Schaden hat, bekanntlich jeder Beschreibung spottet, darf Dick auch noch vorbeiziehenden Pinguinen mit demonstrativ geöffnetem Klingelbeutel (mithin also Nonnen auf Betteltour) ein paar Lire in Münzform „spenden“.

Die Pictures sind, ihrer Entstehungsgeschichte entsprechend, in erotischer Hinsicht nicht gerade berauschend, but they’ll have to do. Unglückseligerweise stellt sich ein weiteres Problem ein, von dem unsere Helden aber noch nichts wissen – in Rom hat ein deutsches Pärchen (na super. Kriegen wir doch wieder unser Fett ab) einen Überfall begangen und ist mit einem Sportwagen mit ausländischem Kennzeichen stiften gegangen. Und wer fährt noch einen Sportwagen (naja) mit ausländischem Kennzeichen und spricht in fremder Zunge? Eben. Als Dick an einer Tankstelle einen Bogen erotischer Passfotos seiner Holden in einen gefüllten Tank umwandeln will, heuchelt der Tankwart Interesse, nur um hinter Dicks Rücken die Polizei zu rufen. Dick riecht das sich anbahnende Ungemach und gibt dem MG die Sporen.

Doof halt nur, dass auch der genügsamste britische Spider letzten Endes von Benzin und nicht von erotischer Ausstrahlung angetrieben wird. Die Karre verröchelt auf einsamer Landstraße. Doch in Sichtweite bietet sich ein potentiell erfreuliches Bild: eine „Oase“, wie Ingrid sich kryptisch auszudrücken beliebt, um den internationalen Verleihtitel (d.h. halt zumindest einen davon und denjenigen, unter dem ich den Kram sichte) zu rechtfertigen. Die „Oase“ ist eine ausladende Bungalow-Villa, deren Eigentümer, so spekuliert Dick, durchaus reich genug sein könnten, um gestrandeten Touristen mit einem Täßchen Super verbleit aushelfen zu können. So er denn die Tür öffnen würde.

Trotz Sturmbeklingelung bleibt die Pforte nämlich verschlossen, obwohl die Dame des Hauses präsent ist – Barbara Slater telefoniert aber gerade mit einem Freund/Bekannten/Ehemann/Whoever, der ihr den Tipp gibt, sich tot zu stellen. Eilt Dicks und Ingrids falscher Ruf ihnen voraus? Fürchtet Barbara Raubmordvergewaltigung oder schlimmeres? Hält sie die Sturmklingler für Zeugen Jehovas? Hat sie nur das Wohnzimmer nicht aufgeräumt? We’ll find out. Later.
Dick und Ingrid, die ihre Kalesche, weil vermutlich polizeibekannt, sicherheitshalber schon mal in die Auffahrt geschoben haben, wollen schon gefrustet zu Fuß abziehen, da fällt Dick auf, dass das Garagentor ’nen Spalt offen steht und sich ganz aufschieben lässt. Da unser Herzchen vermuten, das Haus stünde zumindest temporär leer, wird die Garage für ein geeignetes Autoversteck gehalten. Und da steht auch der Schlitten der Hauseigentümer, ein weißer Straßenkreuzer. Vielleicht ist der ja vollgetankt?
Dieweil Babs und ihr Telefonpartner ein Treffen vereinbaren, gelingt es Dick mit einem Gartenschlauch Sprit abzusaugen und damit die Mobilität wiederherzustellen. Doch bevor sie sich verpissen können, werden Dick und Ingrid von Barbara ertappt. Babsi droht mit Polizei und ihrem praktisch schon zu Hause seiendem Ehemann, einem hohen NATO-Tier (was auch erklärt, warum jemand mit dem streng lateinischen Namen „Slater“ in der italienischen Pampa resiert. Nebenan liegt ’ne wichtige NATO-Basis), aber unsere Hippies ziehen die „wir-sind-verarmte-Touris“-Karte. Die Beiden haben Glück, dass sie 1971 in Italien sind und nicht 2013 in den USA, sonst wären sie schon mausetot. Mit zusammengekniffenen Zähnen erlaubt Barbara unseren Helden den Abflug mitsamt dem geklauten Sprit (den die britische Synchro standesgemäß konsequent „petrol“ und nicht etwa lausig-veramerikanisiert „gas“ nennt). Man will abfliegen, doch im letzten Moment überlegt Barbie es sich anders – nein, sie pustet sie nicht doch noch mit der Jagdflinte ihres Ehemannes weg, sondern lädt sie – da Ingrid über finanziell bedingte Hungergefühle geklagt hat – nun doch auf’n schnell belegtes Brot ein. Man nimmt dankend an.

Zum Sandwich-Essen gehört im Hause Slater ersichtlich, dass man dabei porentief rein ist – Ingrid stellt sich erst mal unter die Dusche. Was Dick nutzt, um Barbara ein wenig ob ihrer gezeigten Nervosität auszuquetschen. Die Hausherrin verbittet sich ein Kreuzverhör und begehrt vielmehr Auskunft über ihre Gäste. Dick bindet ihr den Bären auf, gesuchter Bankräuber, Vergewaltiger und „child molester“ (der Film wird’s anno 2013 echt nicht leicht haben) zu sein und Ingrid wäre vielfache Mörderin. Barbara durchschaut den billigen Gag und Dick gesteht, dass sie letztlich nur eine kleine Meinungsverschiedenheit mit den Bullen haben. „Sie wollten, das wir nach Norden fahren, wir aber nach Süden.“ Und eins hat Dick mit geübtem Kennerblick bereits eruiert: Madame Slater ist Süden auch lieber als Norden, oder? ODER? Barbara erinnert sich daran, ein Cougar zu sein und steckt Dick mirnix-dirnix die Zunge in den Hals. Beruht auf Gegenseitigkeit. Hm, wer mit Ornella Muti nicht zufrieden ist, sollte seine sexuelle Ausrichtung generell überdenken, deucht mir.

Speaking of la Muti, die hat sich in ein indisch-orientiertes, bauchfreies Gewand gehüllt, bei dessen Anblick auch Guido Westerwelle ’nen Ständer kriegen würde. Ob das in ihrem Urlaubsgepäck steckt oder sie es aus Barbaras Kleiderschrank geklaut hat, wage ich nicht zu beurteilen. Weder das eine noch das andere ergäbe für mich gestiegenen Sinn. Togal.
Der Bollywood-Einfluss resultiert daher, erklärt Ingrid, dass Dick herzlich gerne Guru geworden wäre, aber halt leider Gottes doch nur ein langweiliges britisches upper-class-Kid ist – das jetzt auch noch Ärger mit dem Papa hat, seit der im falschen (oder grad rechten) Moment in des Junior Schlafzimmer stapfte. Elterliche Spökenkieker beim Beischlaf waren noch selten erwünscht und umgekehrt. Auf Ingrids Geheiß führt Dick, wo wir grad beim Thema sind, ein paar recht unimpressive Yoga-Übungen vor, wozu seine Geliebte erklärt, dass er ihr stets gehorche. Aber das funktioniert auch andersrum, ergänzt Dick, denn sie seinen „jeweils Sklave des Anderen.“ Bin mir nicht sicher, ob das für auch nur für einen der Beteiligten ein dauerhaft befriedigendes Arrangement sein kann.
Irgendwo wartet Barbaras Telefonkontakt wie bestellt und nicht abgeholt.

Wir Ihr sicher erkannt habt, sind wir gerade in der „Wir-schinden-Zeit-bis-zum-dritten-Akt“-Phase. Ingrid nimmt missbilligend zur Kenntnis, dass Dick und Barbara sich ausnehmend gut verstehen und zu cooler Musik ordentlich abzappeln (wobei Dicks Carnaby-Street-Union-Jack-Hemd schwer geschmacksherausgefordert ist. Waren die Swinging Sixties nicht schon rum?).
Barbara gehen die Rauchwaren aus (hey, es sind die 70er. Man pafft, als ob’s ums Leben ginge) und schickt Dick in die Garage, um aus dem Auto Glimmstengel zu holen. Beim Wühlen im Handschuhfach entdeckt Dick zu seiner Entgeisterung ein Schießeisen. Barbara, mittlerweile anderweitig stäbchenfündig geworden, beruhigt ihn – das muss schon so und überhaupt, als NATO-Offizier hat man schon mal ’ne Wumme rumliegen und am besten legt er sie jetzt genau dahin zurück, wo er sie her hat. Ich hab das Gefühl, wir werden auf diese Szene noch mal zurückkommen.

Apropos Zurückkommen. Zurück im Wohn- und Partyzimmer ergreift nun Ingrid, die sich bis dahin die Zeit vertrieben hat, mit Ketchup „PIGS“ an Tisch und Wände zu schmieren (nette Referenz an die Tate/La-Bianca-Morde. Tut nur nicht sehr viel dafür, um unsere jugendlichen Hauptfiguren sympathisch erscheinen zu lassen. Und ich gehe mal davon aus, dass wir auf deren Seite sein sollen) die Initiative, legt zunächst einen indischen Tempeltanz hin, der selbst Debra Paget eine Träne der Rührung ins Knopfloch treiben könnte (wobei sie allerdings blank zieht, was die Paget ja mit allen kostümologischen Tricks verhindern konnte), und liest Barbara ihr Horoskop vor (Babs ist Löwe. Was sonst?). Der Zeitungsdreizeiler empfiehlt dem geneigten Leo, die Weisheit eines Ratgebers anzunehmen und als solcher qualifiziert sich, ihrer eigenen Ansicht nach, Ingrid. Und der Rat, den Ingrid hat, ist eindeutig: wo Barbara doch offensichtlich Dick vernaschen will und der augenscheinlich auch nicht abgeneigt ist, sich vernaschen zu lassen.. na dann küsst euch halt, verdammich, und das ist ein Befehl! Naja, wenn sie schon drauf besteht… aber dann dauert Ingrid der Schmatzer dann doch etwas zu lange und der bis dahin so schöne champagnerselige Abend löst sich in Unwohlgefallen auf.

Man zieht sich auf die jeweiligen Kemenaten zurück. Dick soll seiner Holden vor dem Nachti-Nacht noch ein Aspirin apportieren und wird auf dieser Mission von Barbara in ihr Gemach gelockt, wo sie dann sein Gemächt lockt. Barbara sinkt auf die Knie, öffnet dem sich nicht wirklich ernstlich widersetzenden Dick die Hose und holt den kleinen Dick raus. Irene Papas‘ Body Double (auch Shameless‘ sarkatischer Trivia-Subtitle-Track merkt an, dass sich der Körper der Dame auf wundersame Weise von „für-45-ganz-gut-in-Schuss“ in „25er-Knackarsch-vom-Feinsten“ verwandelt) leistet Trompetenarbeit, die sich in horizontaler Gemeinschaftsakrobatik fortsetzt. Inzwischen wird (weil wir ja irgendwie auch noch sowas ähnliches wie einen Plot hinbekommen müssen) die gute Ingrid (die sich fragt, wann ihre Schädelwehpille geliefert wird) Augenzeugin des fröhlichen Poppens. Sie hält aber die Klappe (bleibt auch unbemerkt) und legt sich wieder im eigenen Bettchen schlafen.

Am nächsten Morgen ist Barbara früh auf den Beinen – akribisch beseitigt sie die Spuren des abendlichen Bacchanals, dieweil Ingrid und Dick feststellen, dass sie in den jeweiligen Schlafzimmern eingesperrt sind. Dick ist wider Erwarten nicht ganz blöde, ahnt foul play, jumpt aus dem Fenster im ersten Stock auf’s Garagenvordach und von dort nach Parterre (eine beeindruckende athletische Leistung. Sieht anders aus), gerade rechtzeitig, um Barbara, gerade dabei, ein ominöses Telefonat zu führen, den Telefonstecker aus der Wand zu ziehen. Dick verdächtigt seine Gastgeberin und Beischlafräuberin des unangebrachten Anrufs bei der Polizei, Barbara behauptet allerdings, nur besorgt zu sein, weil ihr Ehemann immer noch nicht zuhause ist und deswegen Erkundigungen einziehen zu wollen. Dick glaubt ihr keinen Meter Feldweg weit und gibt sich auch erbost, weil Babs ihm, während er schlief, ein paar größere Lira-Noten in die Hose gestopft hat und sich selbst das Kleid zerrissen und Kratzer zugefügt hat. Barbaras Beteuerungen bleiben erst mal ungeglaubt. Dick beschließt, in der nächsten Stadt ein paar Besorgungen zu erledigen, Ingrid soll dieweil auf Babsi aufpassen.

Barbara versucht Ingrid davon zu überzeugen, dass ihr Ehemann sie schlagen und auch sonst mies behandeln würde und sie ihre Logiergäste als Schutz aufgenommen habe, falls Colonel Slater in Prügellaune nach Hause kommt. Doch der Appell an die Solidarität unter unterdrückten Frauen scheitert nicht nur daran, dass Ingrid sich ersichtlich nicht sonderlich unterdrückt vorkommt, sondern auch weil sie durchaus begreift, dass die von Barbara servierte Story nicht so recht zur Faktenlage passen will. Barbara versucht ihren Standpunkt auf gewalttätige Weise darzulegen, which means – catfight!

In einer der eher unmotivierteren Entscheidungen des Scripts trifft Dick indes in der Stadt auf niemand anderen als Agostino nebst Sidekick, die dort motorisierten Schabernack treiben. Nach kurzer Verfolgungsjagd verlangt Dick ultimativ die Rückgabe der gestohlenen Moneten, die Agostino ohne großen Widerstand, dafür aber mit neuerlichen Einladungen nach Napoli, auch rausrückt. That was rather pointless.

Dick radelt zurück zur Villa, wo ihm erstens Barbara, die ihren Fight nach Punkten für sich entschieden hat, vor die Füße stolpert (und ihr Fluchtversuch damit beendet wäre) und zweitens langsam ein bis drei Dinge klar werden. Das Mindeste, was hier los ist, ist, das Barbara einen Raubüberfall auf Hippie-Kosten inszenieren will. Hat Dick nicht letzte Nacht eine Knarre in der Hand gehabt? Da sind jetzt seine Fingerabdrücke drauf. Gut wär’s also, die wiederzufinden. Im Handschuhfach des Slatermobils sind sie nicht, also tippt Dick auf den abgeschlossenen Kofferraum. This being the 70’s stellt ein Kofferraumschloss kein besonders widerstandfähiges Hindernis dar. Was Dick und Ingrid finden, ist allerdings wesentlich unerfreulicher als eine Knarre – es ist Colonel Slaters reichlich erschossene Leiche. Und damit ist nun alles klar – Barbara hat ihren Göttergatten umgenietet und war gerade dabei, den Kadaver mit Hilfe ihres Geliebten wegzuschaffen, als Dick und Ingrid auftauchten. Und nach anfänglicher Panik erkannte die berechnende Babs, dass die beiden eh schon polizeilich aufgefallenen Ausländer die idealen Sündenböcke für einen Mord unter Reichens wären (ich hoffe, Barbara hat das Ketchup-„Pigs“ stehen lassen).
Dick will im ersten Reflex die Polizei rufen, doch er besinnt sich noch rechtzeitig – wem wird die italienische Gesetzesmacht glauben? Der Ehefrau eines hohen NATO-Tiers oder zwei ausländischen Hippies, die wegen Porno-Verscherbelns bereits unangenehm aufgefallen sind? Zumal nach wie vor die belastende Kanone fehlt und Barbara nicht gerade motiviert ist, deren aktuellen Aufenthaltsort preiszugeben.

Bevor Ingrid und Dick noch akuten Kriegsrat halten können, kündigt sich Unheil an (und sei’s in Form des Gebrauchs der Zoom-Linse). Jemand klopft an der Garagentür, und derjenige trägt ’ne Polizeiuniform.
Dick schleift Barbara außer Sichtweite, Ingrid soll die Bullen ablenken. Die haben eigentlich nur ’ne Routinekontrolle auf de Herzen – es gab einen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht (den hat Dick sogar gesehen) und nun klappern die Uniformträger die Gegend ab und suchen nach Fahrzeugen mit frischen Unfallschäden. Ingrid tischt die immer wieder gern genommene Geschichte vom Au-pair-Girl auf und verkündet, die Hausherren wären auf unbestimmte Zeit urlaubsmäßig in Pisa. Funktioniert beinahe, nur wundert sich der ermittelnde Wachtmeister, warum dann zwei Autos in der Garage stehen und noch bevor Ingrid dafür ’ne Ausrede einfällt, bemerkt sie, dass der Kofferraum nicht richtig verschlossen ist. Sie fingiert einen Kreislaufzusammenbruch aufgrund angeblicher Schwangerschaft und bis die Bullen das arme schwache Mädchen an der frischen Luft wieder auf die Beine gestellt haben, sind die Fragen ebenso vergessen wie die Kofferraumdeckel dieser Welt.

Soweit, so Schwein gehabt, doch die Revolverfrage steht nach wie vor offen. Dick hat die Faxen dicke und droht, die Brüste von Irene Papas‘ Body Double gar grausam mit brennenden Zigaretten zu foltern. Doch, hach, letzten Endes ist unser Dick halt ein von den Flower-Power-Make-Love-Not-War-Idealen zerfressener Gutmensch und bringt’s nicht über’s Herz (er sollte mal Ingrid fragen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie weniger Skrupel hegt). Doof, dass er sie nicht richtig an den Stuhl gefesselt hat – kaum dreht er ihr den Rücken zu, geht sie stiften (und wir bekommen ausnahmsweise mal wirklich Giallo-Imagery – die Flucht in den nächtlichen Garten und dann in das Avarium, das sich die Slaters dort aufgebaut haben – inklusive diversen Uhus und sonstigem Federvieh – erfüllt durchaus höhere Genre-Ansprüche). Dick nimmt die Verfolgung auf, überwältigt sie im Avarium und kann grad noch so an sich halten, Babsie nicht mit einer Gartenschere abzumurksen.

Aber die Olle wird auch noch halbwegs intakt benötigt, alldieweil erneut ungebetener Besuch seine Aufwartung macht – ein Nachbar/Gärtner/was-auch-immer mit deutschem Schäferhund (mit dem schönen Namen „Troll“) wundert sich, warum im Hause Slater Licht brennt und im Vogelhaus Radau war, wo Signora doch längst abgereist sein wollte. „Ich hab’s mir anders überlegt“, kunftet Barbara vom Fenster aus und von Dick am Schlawittchen gehalten aus und versichert, das alles ganz in Ordnung wäre. Nichtsdestotrotz wird die Dame nach Nachbarverscheuchung geknebelt.

Während unsere Helden in einem schwer symbolischen Akt ihre lustig-bunte Flower-Power-Karrre auf Mattschwarz umlackieren (die Farbe hat Dick in einem Anfall von Prophetie in der Stadt gekauft), hat Dick einen Einfall. Was wäre, wenn man sich aus der Affäre zöge, indem man die Leiche beseitigt? Ohne Leiche kein Mord und kein Mordverdacht, der auf ihn und Ingrid fallen könnte! Reiferen Geistern fallen sicherlich zwei-drei Argumente ein, warum das jetzt nicht unbedingt die großartigste Strategie ist, die man in einem solchen Fall fahren kann, aber wir sind ja auch keine 20 mehr und schon gar keine Hippies.
Nun ja, einen richtige elaboraten Plan zur Leichenbeseitigung (Säurebad, günstig gelegener See zum drin versenken, Kettensäge und gut geführter Metzgereibetrieb) haben sie ja auch nicht – mehr als „im Vorgarten verbuddeln“ fällt weder Dick noch Ingrid ein, und dass das jetzt nicht die allerbeste Idee in Tüten ist, leuchtet selbst mir Kleingeist ein. Und noch dazu werden unsere Amateurtotengräber beinahe von Troll (mit Herrchen im Gefolge) aufgespürt – mit „neighbourhood watch“ nimmt man’s in diesem Teil des Stiefels augenscheinlich sehr genau.

Damit Barbara den Fluchtplan nicht stört, wird die Olle mit Schlaftabletten in Morpheus‘ Arme geschickt und dann geht’s auch schon bei Sonnenaufgang mit der nunmehr schwarz lackierten Schleuder los in Richtung Grenze. Die Ausfahrt bleibt nicht unbeobachtet – der Herr Hundehüternachbar hat’s natürlich gesehen, wittert Zeter & Mordio und noch bevor der Zuschauer „dat ging jetzt aba ins Höschen“ murmeln kann, ist die Slater-Villa auch schon vollgestopft mit Bullen und der Colonel, von der treuen Spürnase Troll schnell gefunden, ausgegraben.
Während Dick und Ingrid gut gelaunt über die Küstenstraße heizen, braucht Barbara nicht viel Überzeugungsarbeit zu leisten, um Signore Inspectore davon zu überzeugen, dass das gemeingefährliche Hippie-Pärchen den Colonel kaltblütig abgemurkst und sie tagelang unter grauenvollen Psychofoltern gefangen gehalten hat – ihr Geliebter (derjenige, mit dem sie bei Dicks und Ingrids Eintreffen telefonierte und der später vergeblich auf Barbara am vereinbarten Treffpuntk gewartet hatte) sekundiert nach allen Regeln der verlogenen Kunst (dieweil wir während Babsis Schilderung den wahren Tathergang verfolgen dürfen – wenig sensationellerweise hat Barbara ihren Göttergatten zu dessen Verblüffung).

Was bedeutet das für unser Pärchen? Gut, der Vorsprung, den sie sich ausgerechnet haben, bevor Barbara zu sich kommt und die beans spilled, ist wesentlich kleiner als gedacht, aber mit Bleifuß und berechtigter Spekulation auf die Organisation der italienischen Gesetzeshüterbrigaden nun kein absolutes Hindernis. Zugegeben, Dick und Ingrid wissen nicht, dass ihr Plan nicht so aufgegangen ist wie gewollt, aber… trotzdem… dass Ingrid darauf besteht, angesichts einer pittoresken Bucht mit Sandstrand jetzt ein wenig Adriawasser auf der Haut spüren zu wollen und Blödmann Dick ihr das nicht ausredet, ist auf so viele Arten dämlich… wenn ich jemals Ornella Muti treffe, werde ich sie mal beiseite nehmen, ihr tief in die Augen schauen und sagen: „Du, damals die Idee mit dem Bad im Meer in ‚Oasis of Fear‘, die war bescheuert.“ Und dann lass ich sie stehen und mal darüber nachdenken.

Es kommt, wie’s kommen muss – bis unsere Badenixen sich ausgekaspert haben (und logisch, man hat’s ja in keinster Weise eilig, nach dem Bad muss man noch’n bissken am Strand aufeinander rumrutschen), hat die Staatsamacht die Flüchtigen längst lokalisiert und eine Straßensperre errichtet. Da kucken se doof.
Ein panische Wende später beginnt die wilde Verfolgungsjagd über die kurvige und demonstrativ am Abgrund entlangführende Küstenstraße. Wie das wohl ausgehen wird? Nun zumindest nicht exakt wie „Thelma & Louise“. Ein Köter rennt auf die Straße, Ingrid kreischt, Dick verzieht das Steuer und die Kalesche durchschlägt die Leitplanke klippenseitig, überschlägt sich mehrfach und schleudert seine Fahrgäste hinaus. Pardauz. Krankenwagen braucht jetzt auch keiner mehr… und damit ist Ende Gelände.

Klären wir eine Frage mal vorab. Ist „Oasis of Fear“ wirklich ein Giallo? Hängt davon ab, wie eng man das Genre abgrenzen will – für manch einen (z.B. Koch Media und auch Shameless, die den auch in ihrer gelben Reihe haben) ist auch The Frightened Woman ein Giallo, und wenn *der* ins Genre gehört, dann zähl ich zukünftig auch „Vier Fäuste gegen Rio“ dazu. Wenn also für „Giallo“ nur von Bedeutung ist, dass es *irgendeinen* Kriminalfall gibt, egal welcher Ausprägung der ist und wie groß seine Bedeutung für den Plot ist, dann ist auch „Oasis of Fear“ einer. Ich persönlich halte aber schon viel von der Idee, dass ein Giallo zumindest eine Mordserie und einen Geheimnisvollen Killer (TM) aufweisen sollte – dann fällt „Oasis of Fear“ als handelsüblicher Thriller mit einer Fuhre aufgesetztem Psychokrams glatt durch den Rost. Aber das muss von Haus aus ja kein Totschlagkriterium sein…

Wie sich oben in der Inhaltsangabe schon andeutete: „Oasis of Fear“ ist vielleicht zwei-drei Jahre zu spät dran – Flower Power, freie Liebe, Hippies, das hatte sich nach der Manson-Familie weitgehend erledigt, der modische und musikalische Style aus der Carnaby Street und Soho, die sagenumwobenen „swingin‘ sixties“ halt, waren auch schon wieder (bis zum unvermeidlichen Retro-Revival) weitgehend eingemottet (außer man ist die Hammer Studios, hechelt dem Zeitgeist mit noch größerem Abstand hinterher und kommt ein Jahr später mit Dracula jagt Mini-Mädchen); Hippies (auch wenn sie relativ zahm sind wie unsere beiden Vertreter hier) als Protagonisten… das ist 1971 vielleicht nicht mehr die großartigste Idee (speziell, wenn man dann noch eine explizite Manson-Referenz einbaut).

Und doch – man kann ja eins nicht verleugnen, der italienische Genrefilm (wenn man da auch Spaghettiwestern wie „Leichen pflastern seinen Weg“ einrechnet) hatte meistens auch eine politische und/oder gesellschaftliche Komponente, selbst die Kannibalenfilme setzten sich ja die Maske der Zivilisationskritik auf; und dass sich viele italienische (Genre-)Filmemacher politisch eher links, auf der kapitalismuskritischen Seite einsortieren, ist auch eine Binsenweisheit (und auch keine allzugroße Überraschung, ist Italien doch mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit die westliche Nation mit der stärksten kommunistischen Basis, Katholizismus be damned). Selbst in knallharten Polizeifilmen, in denen taffe Kommissare legionenweise Bösbuben niederstrecken, ist das Credo durchgängig festzustellen, dass der Held auf sich allein gestellt ist, weil „die da oben“ die Schurken decken, so sie nicht eh mit ihnen identisch sind. Umberto Lenzi – der seinen „Großangriff der Zombies“ ja heute noch für eine seriöse Warnung vor den Gefahren der Atomkraft hält – ist sogar nicht nur links, er bezeichnet sich sogar als Anarchisten.

Dass „Oasis of Fear“ sich also auch in die pessimistische „die-da-oben-kommen-mit-ihren-Mauscheleien-schon-irgendwie-durch“-Schule einsortiert, nimmt daher nicht großartig Wunder. Das Establishment (hier noch gleich durch die NATO-Verbindung ein ganz klein wenig mit dem Militär verbandelt) benutzt die friedfertige, spaßorientierte Jugend für ihre egoistischen-egomanischen Zwecke und kommt damit durch; der Idealismus wird korrumpiert und besiegt. Das ist, wie gesagt, für das italienische Kino nicht gerade ein revolutionärer Ansatz (d.h. vielleicht schon „revolutionär“ im Sinne von „wir-bräuchten-mal-wieder-’ne-Revolution, Genossen!“), und läuft natürilch auch Gefahr, die Spannungserzeugung zugunsten des Moralisierens zu vernachlässigen.
(Interessant ist übrigens, dass Produzent der ganzen Nummer niemand geringeres als Jet-Set-Ikone- und Sophia-Loren-Begatter Carlo Ponti war, zweifelsohne also jemand, der dem „Establishment“ per se zugerechnet werden konnte, aber vom linksorientierten Politthriller über Proto-Slasher, Arthouse-Orgien bis hin zur Prügelklamotte alles finanzierte, was Aussicht auf ein paar Lire Gewinn versprach.)

Das Script, von Lenzi selbst mit seinen Kollaborateuren Antonio Altoviti (der zu den zahlreichen Autoren des Loren-Klassikers „Die Frau vom Fluß“ und des Magnani-Dramas „Schicksal einer Nonne“ gehörte, ansonsten aber nichts sonderlich aufregendes als Schreiber zu verantworten hat und gelegentlich als Produzent reüssierte) und Lucia Drudi Demby („Ein heißer November“, „Die verzauberte Leinwand“) verfaßt, hat denn auch das Problem, dass Form und Inhalt (oder anders ausgedrückt „Plot und Aussage“) nicht wirklich harmonieren. Zwar hat man selten Filme, die ihre Dreiakt-Struktur SO perfektioniert haben, dass man den jeweiligen Aktwechsel man praktisch auf die Sekunde genau markieren kann:
Der erste Akt ist quasi ein „travelogue“ zweier junger Wilder scheinbar ohne jede Moral (was dann natürlich den Kontrast setzen soll zwischen dem hochmoralischen konservativem Establishment, um zur Frage, wer hier unmoralisch ist, zu kommen. Diejenigen, die ein paar harmlose Sexbilder verkaufen und mal im Restaurant randalieren oder diejenigen, die betrügen, manipulieren und morden?). Der zweite Akt ist (worauf wir noch zu sprechen kommen werden) gefüllt mit Psychospielchen und im dritten Akt, nach dem „Twist“, wird konzentriert der eigentliche Thriller abgespult.
Aber da sind wir beim Problem – den ersten Akt lasse ich durchgehen, der ist der Aussage wegen (siehe die dortige Klammerbemerkung) wichtig, aber alles, was zwischen „Dick und Ingrid erreichen die Villa“ und „Barbara beseitigt die Spuren der nächtlichen Soirée“ passiert, mithin also der komplette Mittelakt, tun schließlich und endlich nichts zur Sache, denn nichts, was in dieser Filmphase passiert, hat im Schlussakt eine echte Bedeutung, der würde exakt gleich funktionieren, wenn Barbara die Hippies gleich (lautstark oder weinend) weggeschickt hätte und das der hundehütende Nachbar beobachtet hätte (die Verwechslung mit dem deutschen Pärchen, das in Rom unangenehm aufgeallen war, steht ja zu dem Zeitpunkt längst im Raum) oder sie einfach hätte übernachten lassen, ohne vorher eine wilde Party mit ihnen zu feiern.

Ergo – das, was uns eigentlich als „meat“ des Films versprochen wurde – eine Nacht der psychologischen Kriegsführung mit wechselnden Allianzen, abgrundtiefen Geständnissen und gegenseitigen Manipulationen – wird angedeutet, aber nie durchgezogen. Es ist für die Klimax des Films völlig unwichtig, dass Barbara Dick einen bläst oder Ingrid Dick „zwingt“, Barbara zu küssen (es ist sogar teilweise völlig widersinnig, denn welchen Grund sollte Barbara – deren ganzer Plan, Dick und Ingrid den Mord anzuhängen, davon abhängt, beide als völlig im Einklang kooperierende Hippieschlächter darstehen zu lassen – haben, einen Keil zwischen die Beiden zu treiben? Würde Ingrid wutig abhauen und Dick später verhaftet, könnte sie doch problemlos Entlastungszeugin spielen [natürlich setzt dies, im Gegensatz zum Script, ein Universum voraus, indem die Polizei einem Hippiemädchen zuhören würde]). Ob nun Dick mit Barbara oder Barbara mit Ingrid – es ist egal, weil am nächsten Morgen die Konstellation wieder auf die Ausgangsposition zurückgestellt ist: Barbara vs. Dick und Ingrid.
Der Mittelakt ist also reines Zeitschinden, weil die Positionen bereits gestellt sind, aber das Endspiel nicht zu früh beginnen darf – und weil ein Umberto Lenzi natürlich ein Schlaufuchs ist, der weiß, was sich verkauft, macht er die Phase halt etwas mehr „titillating“ mit Nackttänzen und Sexspielchen, wobei das „kinky“ vom Cover ein bloßes Versprechen bleibt (es sei denn, man subsumiert cougar-sex unter „kinky“).
Das alles untergräbt natürlich auch mit Barbara den zentralen Charakter der Story und seine Glaubwürdigkeit, denn warum sie an diesen „Ausschweifungen“ teilnimmt, ergibt sich keine Sekunde lang aus ihren Handlungen – es sei denn, man geht gleich soweit und setzt Barbara, charaktertechnisch, bleistiftsweise mit Anita Pallenbergs Charakter des „Tyrannen“ aus „Barbarella“ gleich, der Ausschweifungen der Ausschweifungen wegen schätzt – doch dafür bietet der Film nicht wirklich Anhaltspunkte.

Wie dem auch sei – betrachten wir also den Mittelpart weniger als existentiell notwendigen Filmbestandteil denn als gut gemeinten Zuschauerservice. Auch abseits dieser Themaverfehlung (oder verschenkten Mögilchkeit für einen psychologisch durchtriebenen Thriller) gibt’s Abzweigungen, die man nicht unbedingt verstehen muss – was der Mini-Subplot um Stuntmotorradler Agostino soll, ist rätselhafter als eine typische italienische Regierungsbildung (es sei denn, es gibt irgendein obskures Gesetz, das Italo-Regisseure verpflichtet, in jedem zweiten Film Sal Borghese einzusetzen). Irgendeinen vom Plot gedeckten Sinn haben diese Einlagen nicht; sie halten das Prozedere nur auf.

Immerhin – wenn wir die „Psycho“-Phase hinter uns haben und auf das Finale zuarbeiten, wird’s, auch wenn’s teilweise doof ist (siehe obige Inhaltszusammenfassung), gelegentlich spannend und zupackend. Das auch, weil Lenzi – durchaus ein grundsolider Filmhandwerker, wie seine 60er-Abenteuerfilme schon unter Beweis stellten – fähige Mitstreiter hat.
Kameramann Alfio Contini fotografierte nicht nur einige Celentano-Komödien, sondern auch anerkannte Filmkunst wie „Zabriski Point“ oder „Der Nachtportier“; noch 2002 führte er, im fortgeschrittenen Alter von 75 Jahren, die Kamera bei „Ripley’s Game“ und hatte dort Stars wie John Malkovich, Lena Headey oder Ray Winstone vor der Linse. Contini bringt einige herausragende Einstellungen ein – in der großen Dialogszene von Ingrid und Barbara (als die die Mär vom bösen, mißhandelnden Ehemann aufmacht) erzeugt Contini Bewegung in der Szene ausschließlich über die Kamera durch Schwenks und Zooms; hochgradig effektiv in einer ansonsten undynamischen Szene. Generell überzeugt sein Zoom-Einsatz, der nicht wie bei Jess Franco erfolgt, weil der der Meinung ist, wenn man nicht alle fünf Minuten auf den Zoom-Knopf drückt, verrostet der, oder weil man dem Zuschauer per obvious optical clue auf etwas aufmerksam machen will, sondern zur Erzeugung von Anspannung (bestes Beispiel ist die Sequenz, als die Verkehrspolizisten an die Garage klopfen).
Editor Eugenio Alabiso („Zwei glorreiche Halunken“, „Der Schwanz des Skorpions“) ist sein kongenialer Komplize, der weiß, wann er den Flow einer Szene durch einen Cutaway stören würde, und wann hektische Stakkato-Schnitte angebracht sind.
Ausstattung und Kostüme sind für einen sicherlich nicht übermäßig teuren Film aller Ehren wert, und ein ganz besonderes Lob verdient sich der beinahe schon erwartungsgemäß schmissige Pop-Score von Bruno Lauzi (der kein hauptamtlicher Filmkomponist, sondern Liedermacher und Sänger von Beruf war) – besonders seine Variationen des Titelthemas von fröhlich über fernöstlich angehaucht bis hin zu melancholisch überzeugen.

Wer „Oasis of Fear“ als harten Thriller angeht, der bleibt natürlich auf dem Trockenen sitzen – „Gewaltszenen“ im Wortsinne gibt’s nicht (außer, man zählt den Flashback, in dem Barbara den Colonel unexplizit erschießt, als Gewaltszene). Der Streifen will mit den nackten Tatsachen punkten – die gibt’s durchaus reichlich, auch wenn wohl überwiegend nicht von den kreditierten Darstellern dargeboten. Wie gesagt, ob die 16-jährige Ornella Muti ihre zahlreichen Nacktszenen selbst absolviert hat, ist unklar bis eher unwahrscheinlich, und die 45-jährige Irene Papas dürfte bei aller Sympathie nicht ganz diesen jugendlich-reschen Körper gehabt haben. Body Doubles FTW! Sonderliche Abgefeimtheiten sexueller Natur finden ebenfalls nicht statt.

Die Schauspieler sind durchaus überzeugend – Ray Lovelock (der sich laut Shameless‘ fact track übrigens nicht mehr an den Film erinnert… jaja, die 70er und die Drogen), seinem britischen Namen zum Trotz gebürtiger Italiener (sein Vater war britischer Soldat, der nach dem Zwoten Weltkrieg auf dem Stiefel der Liebe wegen hängenblieb), ist ideal besetzt. Attraktiv genug, um als „love toy“ für die gelangweilte upper-class-Dame durchzugehen (auch wenn der Plotpunkt bekanntlich nirgendwohin führt), aber auch mit dem Potential für Boshaftig- und Grausamkeit. Genrefreunde kennen Lovelock vermutlich aus dem kultisch verehrten „Leichenhaus der lebenden Toten“ oder Fulcis Spätgiallo Murder Rock; er verdingte sich aber auch in Italowestern, Kriegsfilmen, Biker- und „Flotte Teens“-Streifen. Heutzutage arbeitet Lovelock primär für’s italienische Fernsehen.
Zu Ornella Muti, diesem (feuchten) Traum so ziemlich jedes männlichen 80er-Teenagers („Flash Gordon“, „Gib dem Affen Zucker“, „Der gezähmte Widerspenstige“ gefällig?), muss ich hoffentlich nicht viel sagen – heute immer noch bemerkenswert attraktiv, darf man sie hier als 16-jährigen Teenager, quasi noch „unfertig“, bewundern; noch’n bisschen pausbäckig, mit nicht gerade perfekt geraden Zähnen, aber schon sehr sehr schnucklig (wenn man das heutzutage noch sagen darf). In ihrem Spiel ist noch die kindliche Naivität tonangebend und selbst wenn sie „böse“ wird (wenn Dick und Barbara sich ein wenig zu gut verstehen), ist ihre Boshaftigkeit weniger kalte Berechnung denn Ausdruck kindlichen Trotzes.

Mit der griechischen Charakterdarstellerin Irene Papas (Fellini verehrte sie und Katherine Hepburn nannte sie „die beste Schauspielerin, die ich kenne“) gelang Lenzi ein Casting-Coup. Über Historienfilme hatte sie sich zu herausragenden Film-Performances als „Antigone“ und „Elektra“ hochgearbeitet, in „Alexis Sorbas“ eine wichtige Rolle übernommen und für Costa-Gavras in „Z“ gespielt – Papas war sich dennoch nie zu schade, auch in künstlerisch weniger bedeutenden Filmen aufzutreten (und notfalls gleich danach wieder ein klassisches Drama zu drehen – nach „Oasis of Fear“ spielte sie in „Die Trojanerinnen“ die Helena). Papas, die sich mittlerweile nach negativen Kritiken weigert, heimische griechische Bühnenbretter zu betreten und 2000 zur „Europäischen Frau des Jahres“ gekürt wurde, schafft es nahezu, den inkonsequenten Charakter der Barbara zum Funktionieren zu bringen – sie geht die Rolle ersichtlich mit der gleichen ernsthaften Professionalität an als ob sie die Elektra spielen würde – nicht zum Schaden des Films.

Shameless präsentiert den Film in mittelprächtigem 2.35:1 – auf dem breiten Flatscreen macht sich dann doch bemerkbar, dass das Ausgangsmaterial nicht in allerbester Verfassung war. Das wird schon recht grieselig und unscharf; einige zeitgenössisch in Großbritannien geschnittene Szenen (es handelt sich quasi um alle Auftritt des Nachbarn mit Hund – also sind das keine „Zensur“-Schnitte, sondern wohl vom damaligen Verleh aus Pacing-Gründen gemachte Kürzungen) sind in italienischer Sprache mit festen englischen Untertiteln gehalten. Der Rest des Films präsentiert sich in akzeptablem englischen Dubbing, wenngleich man seine Dolby-Anlage freilich nicht vor unlösbare Dynamik-Aufgaben stellt.
Als Extras gibt’s ’ne Trailershow und den bereits erwähten „Fact Track“ als Untertitelspur, der mal launisch-sarkastisch, mal pathetisch-prätentios und machmal tatsächlich faktisch-sachlich das Filmtreiben kommentiert. Per Wendecover kann man sich das Sleeve Design auch auf den alternativen Titel „Dirty Pictures“ (der ja jetzt nicht wirklich plot-bedeutsam ist) umstellen.

Jetzt erwartet Ihr mal wieder definitive letzte Worte. Und ich kann sie nicht bieten – ich bin mir selbst noch unschlüssig, welche Meinung ich zu „Oasis of Fear“ haben soll. Als Krimi/Thriller/Psychodrama ist der Streifen m.E. nicht geglückt, aber ich tu mich schwer, einem Film, dessen Aussage durchaus meiner persönlichen Überzeugung nahe kommt (schlimm genug, dass man vierzig Jahre später immer noch/wieder soweit ist), eins reinzuwürgen. Viele einzelne Elemente finden mein Wohlgefallen – die Sets, die Kostüme, die Musik, Kamera- und Schnittarbeit, die Darsteller. Es ist halt wieder mal das Drehbuch, das nicht weiß, was es will – soll’s ein Exploitation-Film mit politisch-kritischen Elementen sein, oder ist es eine politische Allegorie mit Sleaze-Elementen? Was „Oasis of Fear“ auf jeden Fall nicht ist, ist a) ein Giallo nach meiner Definition und b) das von Coverartwork und Klappentext versprochene sexuelle Psycho-Verwirrspiel.

(c) 2013 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 6


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