Norwegian Ninja

 
  • Original-Titel: Kommandør Treholt & ninjatroppen
  •  
  • Regie: Thomas Cappelen Malling
  • Land: Norwegen
  • Jahr: 2010
  • Darsteller:

    Mads Ousdal (Kommandant Arne Treholt), Jon Oigarden (Otto Meyer), Trond-Viggo Torgersen (König Olav V.), Linn Stokke (Ragnhild Umbraco), Amund Maarud (Humla), Martinus Grimstad Olsen (Svarte Per), Oyvind Venstad Kjeksrud (Oystein Fjellberg)


Vorwort

Norwegen, in den frühen 80ern. Für die Sicherheit der Nation sorgt völlig klandestin eine Ninja-Spezialeinheit unter Führung ihres weisen Kommandanten Arne Treholt. Die Ninjas leben und trainieren auf einer kleinen Insel im völligen Einklang mit der Natur und geschützt von einem Feng-Shui-Kraftfeld (gezielte Disharmonie macht unautorisiertes Eindringen unmöglich). Treholt macht sich Sorgen über die uneingeschränkte US- und NATO-Solidarität der Regierung und des Geheimdienstes, die ihn dazu verdonnert, mit seinen Ninjas sinnlose Jagden nach russischen U-Booten in den Fjorden durchzuziehen, obwohl ihm daran gelegen ist, mit den Sowjets ein freundschaftliches Verhältnis aufzubauen. Treholt, der sich einzig König Olav, der ein Riesenfan seiner privaten Ninjatruppe ist, verpflichtet fühlt, kommt tatsächlich auf die Spur einer „stay-behind“-Aktion der NATO, die durch einige gezielte Anschläge, die den bösen Kommis untergeschoben werden sollen, die Stimmung im Land pro-amerikanisch zu beeinflussen beabsichtigt. Den Anschlag auf eine Bohrinsel kann er, auch weil sein ausgekuckter Lieblingsschüler schmählich versagt, nicht verhindern. Dieweil er mit dem KGB Kontakt aufnimmt, muss Treholt aber auch damit fertigwerden, dass seine Feinde, allen voran Geheimdienstchef Otto Meyer, nicht nur planen, das Rathaus von Oslo (mittels eines in die Zwillingstürme des Rathauses gesteuerten Flugzeugs!) und den Königspalast anzugreifen, sondern auch die friedvolle Ninja-Insel planieren wollen. Doch Treholt wäre nicht der größte Ninja der Welt, hätte er nicht einen genialen Gegenzug in petto…


Inhalt

Wie schon im FFF-Programmheft steht – in Norwegen ist’s kalt und dunkel, das bringt die Leute auf die sonderlichsten Ideen. Zuerst kam Trollhunter, dann „Norwegian Ninja“ (von dem ich witzigerweise auch zuerst bei Keith von Teleport City hörte. Geheime Ninja-Einheiten, die in Norwegen gegen böse NATO-Strategen kämpfen? Und dann auch noch so tun, als wäre das ganze „a true story“? Bizarroworld.

Es mag verblüffen, aber die Geschichte hat tatsächlich einen winzig kleinen authentischen Background. Es *gibt* Arne Treholt und wie im Film postuliert, wurde er in den 80ern zu 20 Jahren Haft wegen Landesverrat verurteilt (nach acht Jahren von der neu ins Amt gewählten linksgerichteten Regierung dann aber begnadigt), weil er als hochrangiger Diplomat NATO-Geheimnisse an den KGB verkauft hat bzw. haben soll. Die Umstände seiner Verhaftung und die Qualität des Beweismaterials wurden von linken Kommentatoren als arg zweifelhaft eingestuft, noch 2010 erschien ein Buch, in dem behauptet wurde, dass die Hausdurchsuchung, bei der belastendes Material gefunden wurde, nie stattgefunden habe und die Beweise gegen Treholt von der Polizei fabriziert wurden. Der oberste norwegische Gerichtshof lehnte eine Wiederaufnahme des Verfahrens mit dem Ziel der Aufhebung der Verurteilung ab. Treholt lebt heute auf Zypern.

Ein anderer wahrer Kern der Geschichte ist „stay behind“ itself – dieses Programm, das vermutlich hauptsächlich von der CIA gesteuert wurde, war in praktisch allen NATO-Ländern (und einigen nicht dem Nordatlantikpack angeschlossenen Staaten) tätig. Praktisch unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ins Leben gerufen (gerne auch mit faschistischen Veteranen besetzt), hatten diese Gruppen ursprünglich die Aufgabe, im Fall kriegerischer russischer Expansion „hinter den feindlichen Linien“ zurückzubleiben und Guerilla-/Sabotage-Kampf gegen die Kommis zu betreiben. Ab Ende der 60er – als die konservativen Regierungen in Europa peu-a-peu zugunsten sozialdemokratischer Nachfolger aus dem Amt gespült zu werden drohten – kamen die powers-that-be auf den naheliegenden Gedanken, die vorhandenen Strukturen zu nutzen, um durch linken Terroristen zugeschriebene Anschläge die öffentliche Meinung auf stramm antikommunistischen, pro-amerikanischen Kurs zu halten. Besonders aktiv war „stay behind“ in Form der berüchtigten P2-Loge in Italien, wo etliche Bombenanschläge mit zahlreichen Todesopfern und u.a. die Entführung und Ermordung des italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro auf ihr Konto gingen. In Deutschland sprechen manche Experten von einer Verbindung von „stay behind“ zum Bombenanschlag auf das Oktoberfest 1980.

Sicherlich der Stoff, aus dem man einen packenden Polit-Verschwörungsthriller machen könnte und sollte. Aber Vorlage für einen hysterischen Trash-Actionfilm? Thomas Cappelen Malling hat auf diese Frage nur eine Antwort und die heißt „Ninja“. Und da bekanntlich alles mit Ninjas besser ist, wage ich nicht, ihm zu widersprechen. Die, hüstel, Handlung zu analysieren, ist vergebene Liebesmüh – einen echten Plot stellt Malling erst, naja, so Mitte des zweiten Akts vor, bis dahin bedient er sich eines kolportageartigen Stils, packt „Nachrichtenfootage“, Trainings- und Rekrutierungsvideos der Ninjas und von stay behind, Überwachungskameraaufnahmen und gelegentlich mal eine echte dramatisierte Szene aneinander, um die Bizarrowelt von „Norwegian Ninja“ aufzubauen. Und auch wenn er dann, hihi, „ernstlich“ in den Verschwörungsplot einsteigt, geht er aufreizend lässig mit Dingen wie Continuity, zeitlichen Abläufen und Logik um (mal als Beispiel: der Anflug des Kamikazepiloten auf die Oslo-Twin Towers, der angeblich keine zwei Stunden dauern soll, muss „real“ mindestens drei Tage in Anspruch nehmen, soviel anderweitigen Plot und Action packt Malling in die entsprechende Sequenz).

Mangelnden Einfallsreichtum kann man Malling nicht unterstellen – vielmehr schon eher, dass er wirklich jede blöde Idee, die ihm in seinem Blockhaus beim Elchebeobachten kam, mit Begeisterung aufgriff und einbaute (mein Favorit ist und bleibt aber das Feng-Shui-Kraftfeld, das die Insel schützt). Wer Filme wegen ihrer schlüssigen Geschichten schätzt und kuckt, wird mehr als einmal in den Kinosessel beißen – es ist nun mal nicht mehr als eine Aneinanderreihung mehr oder weniger (oft mehr) komischer Vignetten, die von der gleichsam liebevollen wie betont trashigen Machart leben – bewusst miserable Modelltricks und lustige stop-motion-Effekte finden ebenso Raum wie waghalsige und aufwändige (aber nachträglich auf Trash getrimmte) Wingsuit-Stunts (deren Realisierung kreuz und quer in Europa satte sechs Monate dauerte), hysterische Kampfszenen und, das freut den alten Lai- und Tang-Freak, tatsächlich viel viel wundervoller Ninjakram – vom Shuriken-Werfen über Klamotten-hin-und-wegzaubern bis hin zur ordnungsgemäßen Rauchbomben-Teleportation fährt Malling die ganze Bandbreite der Ninja-Fähigkeiten auf.

Freilich ist ein Streifen wie „Norwegian Ninja“ (der übrigens ein famoses Titelthema hat, von dem’s eine noch famosere Disco-Abspann-Version gibt, die lustigerweise sogar bei amazon.de als Download zu haben ist) weitgehend kritikresistent – auch wenn nicht alle Gags zünden und die, hrghhmpf, „politische Aussage“ sich in recht plumpen Anti-Amerikanismus (und schon beinahe bedenklicher 9/11-Allegorie) erschöpft (was man aber erstens nicht sonderlich ernst nehmen sollte und zweitens, wie oben ausgeführt, ja durchaus einen gewissen in der Realität begründeten Aufhänger hat), wo will man ernsthaft die Kritikkeule ansetzen? Im Endeffekt ist „Norwegian Ninja“ genau so, wie Malling das haben will; viele Gags funktionieren ja auch und auch, wenn man dem Film manchmal einen leichten Tritt verpassen möchte, weil er gerade dabei ist, sich wieder irgendwo zu verzetteln (was in der Natur der Sache liegt, wenn man nun mal alles filmt, was einem im Suff eingefallen ist), man kann ihm nicht richtig böse sein – zumal auch die Schauspieler mit gebotener dramatischer Ernsthaftigkeit agieren.

Mads Ousdal spielt den bebrillten Arne Treholt, als wäre er dafür geboren worden, hirnrissige Pseudomystizismen zu brummeln, durch die Gegend zu teleportieren und Ninjas auszubilden, Jon Oigarden („Ein Mann von Welt“) als sein Gegenspieler Otto Meyer (auch eine „echte“ Figur) beeindruckt mit einem schmucken Pornobalken und selbstgefälliger Fiesheit, Trond-Viggo Torgensen (ein offenbar recht bekannter norwegischer TV-Komiker) hat viel Spaß mit der Rolle des ninjafreundlichen König Olav.

Fazit: Es ist, wie ich schon weiter oben schrob – jegliche Kritik perlt an einem Film wie „Norwegian Ninja“ (den Originaltitel find ich glatt noch schnuffiger) einfach ab. Man muss den Streifen nehmen, wie er ist; ich hab vielleicht auf unspezifizierte Weise etwas „mehr“ erwartet – manchmal gefällt der Streifen sich für meinen Geschmack etwas zu sehr in seiner wilden Trashigkeit (und dass gewollter Trash eben auch mal ganz fix ins Höschen gehen kann, ist eine Binsenweisheit), aber, verfickt und zugenäht, es ist ein Film über NORWEGISCHE NINJAS! !11 Ich kann nicht guten Gewissens über eine 3-von-5-Punkte-Wertung hinausgehen, weil mir eine etwas zusammenhängendere Inszenierung, ein paar richtige Hammergags und etwas weniger Schwelgerei in der eigenen Schlechtigkeit ganz recht gewesen wäre, zur Ansicht empfehlen möchte ich den Heuler aber dringlich. Es ist auf alle Fälle ein einzigartiger Film!

tl’dr-Version: Everything’s better with Ninjas!

3/5

(c) 2011 Dr. Acula


mm
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