Nobody Knows

 
  • Deutscher Titel: Nobody Knows
  • Original-Titel: Dare mo shiranai
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  • Regie: Hirokazu Kore-Eda
  • Land: Japan
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Yuya Yagira (Akira), Ayu Kitaura (Kyoko), Hiei Kimura (Shigeru), Momoko Shimizu (Yuki), Hanae Kan (Saki), YOU (Keiko)


Vorwort

Ein Appartmentblock in Tokio – neue Mieter ziehen ein. Nachbarn und Vermieter lernen nur Mutter Keiko und Sohn Akira kennen, der dazugehörige Ehemann ist angeblich permanent geschäftlich unterwegs. Doch das ist nicht mal die halbe Wahrheit – statt eines männlichen Familienvorstehers schmuggelt Keiko noch drei weitere Kinder, allesamt von verschiedenen Vätern, wobei die mehr oder minder stolze Mama die diversen Vaterschaftsverhältnisse gern mal durcheinanderbringt, in die 40-Quadratmeter-Bude ein; zwei davon, die jüngeren Geschwister Shigeru und Yuki sogar völlig unauffällig in Koffern (!). Aus unerfindlichen Gründen darf niemand etwas von den zusätzlichen Kindern erfahren – außer Akira, der die notwendigen Besorgungen erledigen darf oder muss, während Keiko immer wieder wochenlang aushäusig ist, darf keines der Kinder die Wohnung verlassen. Schulbesuch ist mütterlicherseits sogar gänzlich verboten. Trotz der ungewöhnlichen Verhältnisse, Akiras fortschreitender Unzufriedenheit, weil Keikos Isolationspolitik davon abhält, gleichaltrige Freunde zu finden, und seinem Verdacht, Keiko würde ihrem neuen Freund die Kinder absichtlich verheimlichen, lebt die seltsame Familie einigermaßen glücklich und zufrieden, bis Keiko von einer neuerlichen „Geschäftsreise“ nicht zu ihren Kindern zurückkehrt. Zunächst denken sich Akira und seine Geschwister nichts dabei, aber aus den Wochen werden Monate und Geld kommt auch nicht mehr ins Haus. Akira findet heraus, dass seine Mutter schon lange nicht mehr in der Firma, deren Telefonnummer er hat, arbeitet – und hat jetzt Probleme. Nachdem die Sparschweininhalte aufgebraucht sind und Akira auch von seinen Bekannten kein Geld mehr pumpen kann, werden Strom und Wasser abgestellt. Für die Kinder, die sich zunächst trotzdem noch an die von Keiko ausgegebenen Verhaltensregeln halten, wird die Lage prekär. Beim mehr oder weniger unauffälligen Zapfen von Trinkwasser aus einem öffentlichen Brunnen lernt Akira Saki, ein gleichaltriges Mädchen kennen, und freundet sich mit ihr an. Saki, der die zunehmende Verwahrlosung der Kinder nicht entgeht, offeriert ihre Hilfe, aber als Akira erkennt, dass Saki sich dafür an ältere Männer ranschmeisst, lehnt er das Geld ab…


Inhalt

Neues Japanisches Kino besteht nicht nur aus Ryuhei Kitamura, Takashi Miike, Takeshi Kitano oder Hideo Nakata. Klar, die genannten Regisseure genießen große Popularität (aus mehr – Kitano – oder weniger – Miike – verständlichen Gründen), aber das halt auch daher, weil sie im Action- und Fantastik-Genre zuhause sind, wo man auf relativ simple Art und Weise Schlagzeilen machen und ins Gespräch kommen kann.
Hirokazu Kore-Eda, ein Mann, der vom Fernsehen und aus dem Dokumentationsbereich kommt und mit „Nobody Knows“ seinen vierten Spielfilm vorlegt, kommt dagegen eindeutig aus der Arthouse-Ecke und, was insofern nicht überrascht, feierte mit „Distance“ und „Nobody Knows“ Erfolge beim Filmfestival von Cannes. Auch wenn dort vielleicht mal ein Quentin Tarantino der Jury vorsteht, ist Cannes nun nicht unbedingt die erste Adresse für mainstream-kompatible Massenware. „Nobody Knows“, dessen jugendlicher Hauptdarsteller Yuya Yagira 2004 mit dem Preis für den besten Schauspieler bedacht wurde, macht da keine Ausnahme.

Kore-Eda erzählt, frei bearbeitet natürlich, eine wahre Geschichte aus dem Jahr 1988. Der Fall um die herzlose Mutter, die ihre vier Kinder sechs Monate lang im Stich liess (und dies vermutlich auch noch weiter getan hätte, wäre die Sache durch einen tragischen Unglücksfall nicht aufgeflogen), beschäftigte den Regisseur so sehr, dass er sich fünfzehn Jahre mit dem Drehbuch auseinandersetzte, ehe er auch durch seine TV- und Kinoarbeiten in der Position sah, „Nobody Knows“ in Personalunion als Regisseur, Produzent, Drehbuchautor und Editor in die Tat umzusetzen und die einjährigen Dreharbeiten in Angriff nahm.

In seiner Adaption der Geschichte steht der älteste Sohn, Akira, im Mittelpunkt, aus seiner Perspektive wird das Geschehen erzählt. Kore-Eda legt keinen Wert auf Schuldzuweisungen – auch wenn selbstverständlich Keiko als Rabenmutter nicht gerade gut wegkommt, geht es dem Regisseur nicht darum, sie zu verurteilen. Zwar will Kore-Eda das gesellschaftliche Problem der im Stich gelassenen Kinder (das scheint, zumindest wenn man dem Regisseur/Autor glaubt, in Japan kein Einzelfall zu sein) durchaus anprangern, aber „Nobody Knows“ entwickelt sich nicht zum moralinsauren zeigefingerhebenden filmischen Äquivalent einer Mahnwache – viel mehr als Keikos Motivation, die Kinder geheimzuhalten und sie konsequent sitzen zu lassen (der Film suggeriert zumindest für den zweiten Punkt, dass Akiras Theorie, seine Mutter möchte unbelastet von Sprösslingen ein neues Leben beginnen, nicht falsch ist) interessiert ihn der Mikrokosmos der Geschwister in ihrer Mini-Wohnung (in dessen klaustrophobischen Setting, einem authentischen Tokioter Appartment, der Film zum überwiegenden Teil spielt). Wie werden sie mit der Situation fertig (überraschend gut), ist ihr Leben ohne Mutter, ohne Geld, ohne Freunde völlig freudlos oder gibt es nicht auch in dieser Lage Momente des stillen (oder auch manchmal etwas lauteren) Glücks? Kore-Eda beantwortet letzte Frage mit einem eindeutigen „Ja“. Auch wenn die Umstände scheinbar nicht dafür sprechen, schaffen sich die Kinder mit ihrem Einfallsreichtum immer wieder ihre kleinen „Erfolgserlebnisse“, auch wenn die Rückschläge, summa summarum, gravierender sind und, um sanft die Kurve zur Bewertung des Films zu scaffen, diese auch filmisch mehr hergeben (hier finden sich die einprägsamen Momente des Films – wenn Akira z.B. in einem Laden unschuldig des Diebstahls bezichtigt wird, einige Zeit später aber ernsthaft überlegen muss, ob er nicht tatsächlich klauen soll; Akira einen vermeintlichen Freund verliert, weil er aufgrund der bedenklichen hygienischen Verhältnisse doch etwas zu müffeln beginnt; oder, zum Finale hin, die Erfüllung seines Traums, in einer Baseball-Mannschaft zu spielen, tragische Konsequenzen hat).

Naturgemäß ist ein Film wie dieser sehr episodenhaft strukturiert – es gibt keinen übergreifenden Storybogen (abgesehen davon, dass die Situation der Kinder immer schwieriger wird), vielmehr, über den filmischen Zeitraum eines Jahres (weswegen Kore-Eda, angesichts des Alters seiner Darsteller auch nicht anders denkbar, chronologisch drehte und sozusagen die natürliche Entwicklung seiner Kinderdarsteller und die der fiktiven Charaktere kombinieren konnte), einzelne kleine Vignetten aus dem Alltag der Kinder, gesehen durch die Augen von Akira. Das ist alles sehr langsam und betulich erzählt (wie gleich noch zu würdigen sein wird) und auch aufgrund der sparsam eingesetzen Dialoge nichts zum entspannten Nebenher-Kucken.

„Nobody Knows“ ist nämlich von Kore-Eda sehr intim, manchmal fast dokumentarisch angelegt. Obwohl es ein Drehbuch und Storyboard gab, liess er seine Darsteller viel improvisieren und gab ihnen nur auf den Weg, was er ungefähr von ihnen erwartete. Dadurch wirkt der Film einerseits zwar sehr authentisch, andererseits aber auch sehr sperrig. Der Zugang wird dem Zuschauer nicht unbedingt einfach gemacht – wie schon anhand der epischen Laufzeit von weit über zwei Stunden deutlich wird, ist „Tempo“ die Sache des Films nicht. Fast schon unerträglich langsam baut Kore-Eda das eigentliche Szenario auf – die erste Stunde ist auch für Antonioni-gestählte Die-Hard-Cineasten eine wirkliche Geduldsprobe. Zwar sind die dort etablierten Beziehungen und Charaktere wichtig und notwendig, um die entsprechenden Veränderungen und Entwicklungen im zweiten Teil des Films wirken zu lassen, aber, um’s salopp zu formulieren, es zieht sich gewaltig. Das bedeutet, dass man sich schon sehr konzentriert in den Film versenken muss, damit er seine Kraft finden und entwickeln kann; die Geschichte und die sicherlich adäquate Umsetzung derselben übt durchaus eine eigentümliche Faszination aus, aber die muss man sich als Zuschauer hart erarbeiten. Ob sich diese Mühe „lohnt“, lasse ich einmal dahingestellt – Fakt ist jedenfalls, dass ein MTV-Stakkato-verwöhntes Mainstreampublikum sicherlich schon nach zwanzig Minuten sanft entschlafen ist und eben auch die Arthouse-Experten sicherlich noch eine geraume Zeit darüber hinaus kämpfen müssen, bis sie den Schlüssel gefunden haben, der die Tür zu „Nobody Knows“ öffnet.

Die Kameraführung bemüht sich um Kontrast zwischen der qualvoll-gedrängten Enge der Wohnung und weiteren, offenen Shots in der „Außenwelt“ einerseits und versucht, was aber im Filmverlauf etwas an Bedeutung verliert, einen Kontrast zwischen farbig-„warmen“ Innen- und kühl-abweisend-„kalten“ Außenaufnahmen herzustellen. Allgemein ist die Kamera statisch orientiert.

Hilfreich ist der sehr angenehme, leise und akustisch orientierte Gitarren-/Ukulelen-Score des japanischen Dous „Gontiti“, der mit seinen behutsamen, unaufdringlichen Tönen die Stimmung des Films ausgezeichnet trifft und unterstützt.

Gerade dokumentarisch angehauchte Spielfilme brauchen unbedingt glaubhafte Schauspieler. Und wenn die Hauptrollen dann durch die Bank mit Kindern besetzt werden (müssen), sinkt Schreiber dieser Zeilen gerne schon mal prophylaktisch resigniert in die Kissen seiner Couch zurück und beginnt zu beten. Dazu besteht bei „Nobody Knows“ aber gar keine Veranlassung, denn die Amateur-Darsteller, mit denen Koru-eda sein Werk größtenteils besetzt hat, machen ihre Sache sehr gut, allen voran natürlich Yuya Yagira, der sich seinen Darstellerpreis aus Cannes redlich verdient hat. Yagira gelingt es ausgezeichnet, seine vorzeitige „Transformation“ vom Kind zum (aus der Not geborenen) „Erwachsenen“, der sich um seine Geschwister kümmern muss, weil es sonst keiner tut, glaubwürdig zu präsentieren. Seine Filmgeschwister fallen, auch weil sie dank der zentralen Position, die Akira/Yagira einnimmt, weniger zu tun haben, etwas ab. Prägnant sind die Auftritte von Hanae Kan als Saki, eine der Ausnahmen im Cast mit einschlägiger Filmerfahrung. Als flippig-unverantwortliche Mutter Keiko brilliert der japanische TV-Star YOU (schickes Pseudonym). YOU begann ihre Karriere einst als Popsängerin und erweist sich als treffliche Besetzung für die Rolle – sie spielt Keiko nicht als verachtenswerte Rabenmutter, sondern mit positiv-sympathischer Ausstrahlung, was mit dem Verhalten ihrer Rollengestalt schön kontrastiert.

Bildqualität: Bevor ich spezifisch auf die „Nobody Knows“-Scheibe angehe, muss ich mir bezüglich Sunfilm etwas von der Seele reden. Ich bewundere das Label eigentlich – aus bescheidenen Anfängen (die ersten Titel waren u.a. Kushner/Locke-Full-Moon-Lizenzen wie „The St. Francisville Experiment“ oder „Retro Puppet Master“, auch an die arg verhunzte „Joint Security Area“-Scheibe erinnern wir uns noch fröstelnd) hat sich Sunfilm zum programmtechnisch vielleicht bestaufgestellten deutschen Independent-DVD-Publisher entwickelt. Das Label fährt einen hervorragenden Kurs damit, einerseits kommerziell interessante Genre-Reißer wie „Cabin Fever“, „Dead Meat“ oder Rob Zombies Horror-Ergüsse, andererseits angesagt-trendiges koreanisches Kino wie „Some“ oder „Seom – Die Insel“, schräge Skurrilitäten wie „Kontroll“ oder „American Splendor“ dritterseits und anspruchsvolle Arthouse-Releases wie die Filme von Michael Winterbottom oder eben den vorliegenden vierterseits zu veröffentlichen. Dem einstigen Indie-Darling mcOne hat Sunfilm m.E. längst den Rang abgelaufen. Nach all dieser Lobhudelei nun die Kehrseite der Medaille – angesichts dieses hochwertigen und kommerziell sicher gut verwertbaren Programm verstehe ich ganz und gar nicht, wieso Sunfilm es bis heute nicht schafft, DVDs zu produzieren, die auf allen Playern klaglos abgespielt werden können. Es hat doch nicht jeder wie meinereiner inkl. PC drei Player zur Verfügung, die er nach Herzenslust einsetzen kann, weil je nach Tagesform des von Sunfilm beauftragten Mastering-Studios oder Presswerks die Scheiben auf dem oder dem Player nicht laufen! Es ist wirklich nervig – wenn ich mich wenigstens darauf verlassen könnte, dass die Sunfilm-Scheiben stets beim gleichen Player verweigern, könnte ich damit leben. Aber nein, das ist jedes Mal wieder ein Glücksspiel mit äußerst ungewissem Ausgang. Und das treibt mich langsam, aber mit bedenkliche Sicherheit Richtung Weißglut. Bei „Nobody Knows“ erwies sich wieder einmal der offenbar schludrig hingemasterte Layerwechsel als Kreuz, welches die Veröffentlichung zu tragen hat. Ab Minute 85 ungefähr bewegte sich der Film NOCH langsamer, als er vom Regisseur vorgesehen war, weil die Scheibe alle zehn-fünfzehn Sekunden eine Hänger-Auszeit nehmen musste. Zwanzig Minuten spielte ich noch mit, startete den Film mal neu, mal direkt über’s Chapter-Menü, mal mit schnellem Vor- oder Rücklauf, dann hatte ich die Schnauze, pardon my french, gestrichen voll und warf, als ultima ratio, den Software-Player auf’m Rechner an. Es ist nervig und deswege ziehe ich pauschal von der Gesamtnote einen gewaltigen Batzen ab.

Davon abgesehen offenbarte sich der anamorphe 1.85:1-Transfer auch am PC nicht als das Gelbe vom Ei. Die kühle Atmosphäre des Films und seiner Farben wird vom Transfer zwar gut rübergebracht, die Schärfewerte sind allenfalls durchschnittlich (hier mag das Quellmaterial, ich vermute stark, dass auf DV gedreht wurde, eine Rolle spielen), der Kontrast akzeptabel, die Kompression aber sehr schwach (141 Minuten auf einer DVD-9 sollten doch eigentlich kein Problem darstellen?) Eine Nachzieher-Orgie wie diese bin ich von Sunfilm-Veröffentlichungen, ungeachtet ihrer sonstigen Schwierigkeiten, eigentlich nicht gewohnt. Beware!

Tonqualität: In Sachen Tonspuren gibt sich Sunfilm unerwartet sparsam und legt den Audiotrack in Japanisch und Deutsch „nur“ jeweils in Dolby Digital 5.1 vor (und das, wo Sunfilm doch sogar „Dead Meat“ eine dts-Spur verpasst hat). Nun gut, ist ja eigentlich auch unnötig, denn „Nobody Knows“ ist nichts, womit man seine Anlage auch nur annähernd ausreizen könnte. Es ist auch in dieser Hinsicht ein sehr ruhiger Film. Ich bevorzugte ausnahmsweise mal die passabel gewerkelte deutsche Synchronspur, die zumindest keine Wünsche offen lässt: ausgezeichnete Sprachqualität, angenehmer Mix von Nebengeräuschen und Score.

Extras: „Nobody Knows“ kommt von Sunfilm wieder einmal als „Collector’s Edition“ auf 2 DVDs. Angesichts des überschaubaren Bonusmaterials fragt man sich natürlich, ob’s unbedingt ’ne zweite Scheibe gebraucht hat, aber dann erinnert man sich an die arg verbesserungsfähige Kompression des Hauptfilms und ist dann doch recht dankbar für den zusätzlichen Datenträger. Folgendes findet sich an Bonusmaterial: ein ca. 11-minütiges Interview mit Regisseur Kore-Eda, das recht informativ ausgefallen ist (allerdings sind die Untertitel recht schlampig), ein siebenminütiges unkommentiertes Behind-the-Scenes-Snippet, der Originaltrailer, eine Fotogalerie, und als Texttafelteil eine Biographie des Regisseurs, Anmerkungen zu Film und Dreharbeiten aus seiner Feder und kurze Produktionsnotizen. Das hat man summa summarum in gut 20 Minuten durch und rechtfertigt von der bloßen Menge her natürlich keine Zusatz-DVD. Die Sunfilm-Trailershow mit 6 Titeln rundet die Extra-DVD ab. Zu erwähnen ist das Booklet mit Steckbriefen der Hauptdarsteller und Anmerkungen des Regisseurs zu eben diesen.

Fazit: Es ist nicht leicht, „Cineast“ zu sein. Ich beantrage, dass diese Formulierung ins große Lexikon der Binsenweisheiten und phrasenschweinpflichtigen Metaphern aufgenommen wird. Damit will ich aussagen, dass es Regisseure, die Filme mit „Anspruch“ drehen, oft und gerne mal vergessen, dass auch die Rezipienten von Arthouse-Werken nicht immer Klimmzüge machen wollen, um in einen Film „hineinzufinden“. „Nobody Knows“ hat ein faszinierendes Thema, macht es aber dem Zuschauer durch seine extreme Ruhe, Langsamkeit und optische Sperrigkeit schwer. Ich bin ziemlich überzeugt davon, dass ein guter Teil des Publikums, das sich durch die Thematik angesprochen fühlt, während der breiten „Aufwärmphase“ des Films das Handtuch werfen wird – es ist einfach der Ruhe, Behutsamkeit und Intimität zu viel (ich schließe jetzt mal gern von mir auf den Rest der Welt… ich bin momentan in einer „Lebensphase“, in der ich kaum die Ruhe und den Willen habe, mich mit eine zweieinhalbstündigen Reflektion eines Mikrokosmos anzufreunden – damit hatte der Streifen quasi schon nach fünf Minuten „verloren“, obwohl mich das Thema stark interessierte, der Film brauchte tatsächlich fast eineinhalb Stunden, um mein abgeflautes Interesse wieder zu wecken). Ich bewundere Kore-eda für seinen Mut, die Geschichte auf diese Weise anzupacken, aber ich bin sicher, dass man mit einer etwas flotteren (oder auch nur anders aufgebauten) Erzählweise der Story nicht „geschadet“ hätte (z.B. mit 50 Minuten Laufzeit weniger, ähem). „Nobody Knows“ bleibt somit ein filmisches Experiment für die Minderheit der extrem konzentrationsfähigen Arthouse-Ultras. Für die allerdings dürfte der Streifen ein gefundenes Fressen sein. Dem Film kann ich trotz der Schwierigkeiten, vor die er mich stellte, nicht böse sein – auch wenn er vielleicht den ein oder anderen lässlichen Umweg nimmt, erreicht er schlußendlich sein Ziel, den Zuschauer, der bis zum Ende tapfer durchhält, zu berühren. Der DVD kann ich es allerdings wohl – so genervt hat mich schon lang keine Silberscheibe mehr.

3/5
(c) 2005 Dr. Acula


mm
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