Night of the Wilding

 
  • Deutscher Titel: Night of the Wilding
  • Original-Titel: Night of the Wilding
  •  
  • Regie: Joseph Merhi
  • Land: USA
  • Jahr: 1990
  • Darsteller:

    Erik Estrada (Joseph), Kathrin Lautner (Marion), Joey Travolta (Paul), Isaac Allen (Carl), Pamela Dixon (Linda), Julie Austin (Betty), Charlie Ganis (Martin), Kimberley Spies (Doris)


Vorwort

Upper-Class-Kid in L.A. zu sein muss schon ein hartes Brot sein. Schon verständlich, dass man irgendwann mal aus purer Langeweile erst einen kleinen Ladendiebstahl begeht, einen Sicherheitsmann verprügelt, die Verkäuferin nach Hause verfolgt und dort die Geburtstagsüberraschungsparty prügelnd und vergewaltigend stört. Die Verteidigung der drei betreffenden Kids übernimmt Staranwalt Joseph, der noch keinen Fall verloren hat und dem’s auch relativ wurst ist, ob seine Klienten nun schuldig sind oder nicht. Pikanterweise übernimmt seine Ex-Frau Marion, idealistische Staatsanwältin, die wider besseres Wissen tatsächlich noch an das Justizsystem glaubt, die Anklage und beabsichtigt, aus der Geschichte einen hübschen kleinen Präzedenzfall zu zimmern. Selbstverständlich will das Ex-Paar nicht nur ihre jeweilige Auffassung, sondern es sich auch gegenseitig beweisen. Joseph gelingt es, eine von Marions Belastungszeuginnen nach allen Regeln der Kunst auseinanderzunehmen. Sieht schlecht aus für die tapfere Staatsanwältin, doch den drei jugendlichen Tunichtguten steht es nicht nur nach einem Freispruch erster Klasse, sondern auch nach Revanche für die persönliche Frechheit der Anzeige an sich. Und so wird, wie der Zufall es will, gerade vor ihrer entscheidenden Aussage, die Hauptzeugin der Anklage ermordet. Marion nimmt die Angelegenheit nun extrem persönlich und auch Joseph wird sich wohl oder übel entscheiden mssen, auf welcher Seite des Gesetzes er nun endgültig steht…


Inhalt

Hoppla, was ist das denn? PM Entertainment, die bewährt-beliebte Schmiede für billigen Actionrotz auf mal mehr, mal weniger ambitioniert-budgetiertem Niveau, goes Grisham? Man darf sich schon mal wundern… okay, „Night of the Wilding“ („Wilding“ übersetzt sich übrigens in der Tat mit „wildern“ und meint das Phänomen, dass gelangweilte Jugendliche aus Spaß an der Freud‘ zu Gewaltverbrechern werden) stammt, wie das meiste, was sich hierzulande bisher auf DVD verirrt hat, aus der Frühphase von PM (wann bringt endlich mal jemand den ganzen besseren, actionreicheren und auch mit zumindest mittelprächtigen Budgets ausgestatteten Mitt-90er-Kram von PM raus? Wer hat VMPs Videorechte geerbt?), als Pepin und Merhi sich noch nicht ausschließlich auf B-Action festgelegt hatten, sondern auch noch mit Thriller- und/oder Drama-Experimenten, äh, experimentierten (vergleiche z.B. die auch hier besprochenen „Angels of the City“ oder „Sinners“). „Night of the Wilding“ ist also die PM-Variante eines Gerichts-/Justizdramas, was einen schon ein wenig erschrecken kann, wenn man sich daran erinnert, wie logisch und schlüssig schon die Drehbücher zu den Actionfilmen aus diesem Hause aufgebaut sind (Achtung, das war Ironie) – an einen Gerichtsthriller muss man ja, rein scripttechnisch, höhere Ansprüche stellen.

Okay, wir wollen die Trauben nicht zu hoch hängen und vergleichen „Night of the Wilding“ sicherheitshalber nicht gleich mit „Die Jury“ (obwohl zumindest ansatzweise ein ähnliches Thema angegangen wird, verdammt, jetzt hab ich doch verglichen), sondern lieber mit einer beliebigen „Matlock“-Folge – mit dem Unterschied, dass „Matlock“-Folgen selten nackte Brüste zeigten (es ist halt doch ein PM-Film). Wie in den allermeisten Anwalts- und Gerichtsdramen ist für den Zuschauer die Frage, wer der Täter ist bzw. ob der Angeklagte schuldig ist oder nicht, nicht wirklich eine solche, da wir die Tat ausführlich miterleben dürfen. Der Reiz an den entsprechenden Filmen (und auch Büchern) liegt mehr im Psychoduell zwischen Anklage und Verteidigung, in den Tricks, die die jeweiligen Anwälte anwenden, um die Wahrheit aus Zeugen und/oder Angeklagten herauszukitzeln. Keine Frage, in der Disziplin versagt „Night of the Wilding“ völlig, obwohl der Streifen anfänglich versucht, relativ seriös an die Materie heranzugehen und sogar der Geschworenenauswahl Platz einräumt. Dummerweise löst sich jegliche Glaubwürdigkeit des Films mit dem Eröffnungsplädoyer der Verteidigung in Rauch auf – was Joseph da rezitiert, hätte ich nicht mal Armand Assante in „Crazy Instinct“ durchgehen lassen, das geht schon über jegliche Parodiegrenze hinaus. Konsequenterweise interessiert den Film von Stund an das juristische Prozedere (trotz ausschweifender Courtroom-Szenen) nicht mehr wirklich – bei den Zeugenvernehmungen dürfen wir zumeist nur dem Kreuzverhör der Verteidigung zusehen, was nicht viel Sinn macht, wenn wir die vorangegangene Vernehmung durch die Anklage eben nicht sehen durften. Aber letztlich ist der Film halt doch von PM Entertainment und das bedeutet, dass die Entscheidung mit Sicherheit nicht im Gerichtssaal erfolgt (was wiederum, streng genommen, den ganzen juristischen Brimborium überflüssig macht), sondern stilecht mit einer Verfolgungsjagd (lustig ist allerdings, dass Erik Estrada, nicht mehr der aller-allerjüngste, selbst für Sehbehinderte eindeutig erheblich langsamer ist als der Kerl, den er verfolgt, trotzdem aber eher aufholt anstatt zurückfällt), in deren Verlauf die Produzenten es tatsächlich schaffen, ihren gefürchteten fliegendes-Auto-Stunt einzubauen (allerdings ohne Feuerball, das war ihnen dann wohl doch etwas zuviel des Guten. Allerdings, und das muss ich neidlos zugeben, ich bin bei der entsprechenden Stelle in schallendes Gelächter ausgebrochen, zumal ich vielleicht eine Minute vorher zum überraschten Schluss gekommen war, dass ich einen der seltenen autostuntlosen PM-Filme sehen dürfte), und letztlich ihren 80 Minuten lang leidenschaftlich vertretenen „das Justizsystem funktioniert, wenn man es lässt – und vor allen Dingen die Strafverteidiger abschafft“ durch legitimierte Selbstjustiz ad absurdum führt. Jaja, bin ja schon ruhig, es ist ein PM-Film… Wobei ich dem Film eins lassen muss: auf einer primitiven psychologischen Ebene funktioniert der Streifen ziemlich gut (und fast besser als „Last House on the Left“, hehe) – es wird dem Zuschauer wirklich leicht gemacht, die jugendlichen Täter aus tiefster Seele zu hassen. Schon irgendwie bedenklich, wie einfach doch die Gefühlsklaviatur eines normalen Menschen manipuliert werden kann, denn es sind wahrhaft keine großartigen künstlerischen Mittel, mit denen dieser Film arbeitet, und doch, sie funktionieren bis zu einem gewissen Grad (vermutlich sah das auch die FSK so und verpasste dem Film deswegen eine 18er-Freigabe, obwohl er nicht wirklich explizit gewalttätig ist).

Und, wo wir schon dabei sind, einer, den Joseph Merhi noch persönlich heruntergekurbelt hat. Merhi ist mit Sicherheit nicht der größte Regisseur auf Erden – hier stinkt er in den „dramatischen“ Gerichtsszenen ebenso ab wie in den „Actionszenen“ zum Finale. Ja, Merhi weiß, wie rum man eine Kamera halten muss, aber wie er eine dialogintensive Szene dynamisch gestalten kann weiß er zumindest in diesem Film ebenso wenig wie er es fertig bringt, eine Verfolgungsjagd rasant und glaubhaft zu inszenieren. Zudem hat der Film, vor allem in seinem ersten Drittel, die unangenehme Angewohnheit, Szenen mindestens auf das Dreifache ihrer notwendigen Länge aufzubauschen (schönes Beispiel bietet schon der Vorspann: Joseph, der in einem mehr oder weniger bedeutungslosen Subplot mit schlechtem Gewissen kämpft, weil er einen des Mordes schuldigen Mafiaboss herausgepaukt hat, hat von eben jenem eine satte Geldprämie in einer Geschenkschachtel bekommen. Mit der läuft er durch die Straßen, ein Obdachloser mit seinem Habseligkeiten-Einkaufswagen kommt ihm entgegen. Der erste Gedanke, den meinereiner hatte, war natürlich der „klar, jetzt legt er dem Obdachlosen die Schachtel in den Wagen“. Vollkommen richtig, diese Einschätzung, der Punkt ist also innerhalb von, sagen wir mal, zehn Sekunden gemacht, aber Merhi dehnt diese Szene auf mindestens zweieinhalb Minuten aus). Insgesamt entwickelt sich der Film in Merhis „fähigen“ Händen zu einer eher zähen Angelegenheit, die einem letztlich länger vorkommt als die knapp 80 Minuten, die der Spass tatsächlich dauert. Wie bei so vielen frühen PM-Vehikeln fehlt einfach die durchgängige Action, das Tempo, die Rasanz, die ihre Mid-90s-Werke auszeichnete.

Wie üblich eher kriminell bei frühen PM-Filmen ist auch einmal mehr der Soundtrack, der zwischen TV-Gerichtsdrama-Soße und übertrieben bombastischen Klängen pendelt und sich, Ehrensache, für die closing credits auch noch einen der wunderschön-ekligen Titelsongs aufhebt (die sollte mal einer gesammelt auf CD rausbringen. Man braucht auf jeder Party mal ’nen Rausschmeißer).

Darstellerisch darf man keine Wunderdinge erwarten. Ex-„CHiP“ Erik Estrada (lustigerweise prahlt das DVD-Cover mit seiner Mitwirkung in „Loaded Weapon 1“. Wir erinnern uns: das war ein Zwei-Sekunden-Cameo) ist als skrupelloser Rechtsverdreher ungefähr so glaubhaft wie ich als Bundeskanzler – in seinen Court-Szenen übertreibt er maßlos, in seinen restlichen Szenen bemüht er sich um die Imitation eines Türstocks. Kathrin Lautner (Marion) debütierte mit einer Mini-Rolle im Frauenknastheuler „Caged Fury“ (einem der vielen mit diesem Titel. Hauptrolle in diesem Film: Erik Estrada! Jetzt kann man sich aussuchen, ob Lautners Karriere mit der Rolle in „Wilding“ explodierte oder Estrada NOCH weiter abstieg), macht ihre Sache mit einer klischeehaften Rolle relativ gut. Joey „mein Bruder ist ein Megastar“ Travolta begnügt sich, wie meistens in seinen Rollen, trotz hohen Billings (an zweiter Stelle) mit zwei Kurzauftritten (ich lasse mir übrigens an dieser Stelle die Idee patentieren, einen Film mit Joey Travolta, Don Swayze, Frank Stallone und Joe Estevez zu drehen. Und ratet mal, was GROSS auf dem Plakat stehen wird). Ein überzeugend hassenswertes Subjekt mimt Isaac Allen als Chef der Jugendbande – ich hätte schwören können, dass ich die Visage irgendwoher kenne, aber da ich von seinen fünf weiteren Filmen keinen einzigen kenne, muss ich mich da wohl getäuscht haben. In den Nebenrollen tummelt sich PM-Stammbelegschaft wie Charlie Ganis („Fists of Iron“, „Intent to Kill“), Julie Austin („Twisted Justice“, „Elves“), Pamela Dixon („CIA Codename Alexa“, „L.A. Heat“) oder Jean Levine („Intent to Kill“, „CIA Codename Alexa“).

Bildqualität: Wir reden von einem frühen PM-Film, den Best Entertainment vertreibt (auch wenn die Lizenz ursprünglich von Eagle stammt). Damit sollte alles gesagt sein…in etwas ausführlicheren Worten: der 4:3-Vollbildtransfer geht für eine Budget-Scheibe grundsätzlich knapp in Ordnung, will sagen, wir haben schon erheblich schlimmeres vorgeführt bekommen, aber es geht auch in dieser Preisklasse besser (wie die Konkurrenz von Power Station/Magic Video zeigt). Detail- und Kantenschärfe sind mittelprächtig, die Kompression lässt leider einige gröbere Nachzieher aufkommen und Aufzoomen zu einer unerfreulichen Angelegenheit werden. Wirklich störend sind immer wieder, in unregelmäßigen Abständen, aber insgesamt sicher 15-20mal auftretende Bildhänger, die zu einer deutlichen Abwertung der Bild-Bewertung führen. Zu bemerken wäre übrigens auch, dass beim Ansehen auf dem PC (also ohne TV-Overscan) einige Male das Mikrofon am oberen Bildrand bestens sichtbar ist.

Tonqualität: Ton gibt’s ausschließlich auf Deutsch, in Dolby 2.0-Qualität. Das kann man sich anhören, ohne dass einem schlecht wird, auch wenn die Synchro eine von der lieblos dahingerotzten Sorte ist, aber zumindest ist das Grundrauschen nicht wirklich störend, die Sprach- und Musikqualität sind befriedigend, Soundeffekte gibt’s eh kaum. Hätte schlimmer sein können.

Extras: Eine Trailershow auf fünf weitere PM-Titel aus dem Eagle-Programm.

Fazit: „Night of the Wilding“ dürfte selbst PM-Billigaction-Enthusiasten eher abschrecken, denn von Action ist hier 75 Minuten lang überhaupt nichts zu sehen – statt dessen sehen wir ein betont ungekonnt inszeniertes Courtroom-Drama ohne Hand und Fuß, weil es eben dem Drehbuch überhaupt nicht wichtig ist, was im Gerichtssaal passiert. So verlaufen interessante Ansätze des Scripts (wie kommt es dazu, dass Jugendliche aus bloßer Langeweile Verbrechen begehen? Funktioniert das amerikanische Gerichtssystem wirklich noch, wenn Schuldige dank cleverer Anwälte mit Überzeugungskraft freikommen? Selbst der Plot-Punkt, dass mit Joseph und Marion Ex-Ehepartner auf verschiedenen Seiten stehen, trägt nicht wirklich entscheidendes zur Story bei) im Sande, so dass dem Zuschauer bald nicht mehr bleibt, um sich rein interessehalber daran festzuhalten, als der Hass auf die Täter – das appelliert an niedrige Instinkte… Insgesamt ist der Film aber zu langatmig inszeniert, um wirklich (selbst auf diesem Niveau) zu fesseln und besticht nur durch einige eher unfreiwillige Szenen inklusive der schon wirklich fantasievollen Lösung unserer Freunde von PM, den vorgeschriebenen Autostunt einzubauen. Die DVD könnte ich rein technisch gesehen für eine Grabbeltisch-Veröffentlichung fast empfehlen, wären die lästigen Bildhänger nicht. For die-hard PM-affeccionados only.

1/5
(c) 2004 Dr. Acula


mm
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