Next

 
  • Original-Titel: Next
  •  
  • Regie: Lee Tamahori
  • Land: USA
  • Jahr: 2007
  • Darsteller:

    Nicolas Cage (Cris Johnson), Julianne Moore (Agent Faris), Jessica Biel (Liz), Thomas Kretschmann (Mr. Smith), Tony Kittles (Agent Cavanaugh), Peter Falk (Irv)


Vorwort

Cris Johnson verdingt sich als zweitklassiger Bühnemagier in Las Vegas – niemand ahnt, dass Cris tatsächlich eine paranormale Fähigkeit hat: er kann zwei Minute in die Zukunft sehen, allerdings nur in seine eigene. Cris nutzt seine Gabe, um in den Casinos der Stadt seiner Ansicht nach unauffällige Geldbeträge zu erspielen. Doch das FBI ist schon auf seiner Spur, wenn auch nicht, um ihn einzukasteln. Seine Fähigkeit, spekuliert Agentin Faris, könnte sich extrem nützlich erweisen, um eine verschwundene russische Atombombe, die vermutlich in die Staaten importiert wurde, ausfindig zu machen. Cris verspürt wenig Motivation, in Staatsdienste zu treten, da er einerseits um die Beschränkung seiner Vorhersagefähigkeit auf seine Person weiß und andererseits fürchtet, im Erfolgsfalle zu weitergehenden Hilfeleistungen verpflichtet zu sein. Er nimmt, nachdem er noch einen Casinoüberfall in der Weise verhindert hat, dass es aussieht, als hätte er unprovoziert einen Gast niedergeschlagen und mit der Waffe bedroht, Reißaus, nicht ohne vorher seine Traumfrau aufzugabeln, die er in seiner einzigen langfristigen Vision gesehen hat. Doch Cris und seine neue Flamme Liz werden nicht nur vom FBI gejagt, sondern auch von den Terroristen, die zwar nicht mehr über ihn wissen, als dass das FBI ihn für wertvoll hält, aber ihn als Sicherheitsrisiko auf jeden Fall ausschalten wollen.


Inhalt

Stell dir vor, ein Mitglied von Hollywoods Top-Liga macht einen neuen Film und keiner kriegt’s mit. So ähnlich muss aktuell Fans von Nicolas Cage gehen, denn der neue Streifen des „The Rock“-, „Con Air“- und „Leaving Las Vegas“-Stars kam mit dem unglaublichen Promotion-Aufwand von Sheer Nothing (TM) in die deutschen Lichtspielhäuser. Ob der Totalflop des „Wicker Man“-Remakes damit was zu tun hat („Ghost Rider“ lief aber zumindest in Amiland beachtlich)? Dabei sind’s eigentlich ganz patente Voraussetzungen für einen passablen Film – neben Cage agieren die von mir zwar nicht sonderlich geschätzte, aber immerhin routinierte Julianne Moore („Hannibal“), Jessica Biel („The Texas Chainsaw Massacre“, „Blade: Trinity“, „Stealth“), Teutonen-Export Thomas Kretschmann („Immortal“, „Der Untergang“, „King Kong“) und, als Gutzi für die Columbo-Fans, Peter Falk. Regie führt mit Lee Tamahori kein unbeschriebenes Blatt – der Neuseeländer, der sich einst mit dem großartigen „Once Were Warriors“ direkt in die Oberliga katapultierte, erwies sich zuletzt als Sequel-Spezialist mit „Im Netz der Spinne“, „Stirb an einem anderen Tag“ (meiner Meinung nach zwar der Tiefpunkt des Bond-Franchise, aber Geld genug verdient hat der leider) und „xXx 2“; als Grundlage fungiert eine (zwar bis auf eine zentrale Idee VÖLLIG umgearbeitete) Story von Phillip K. Dick, dessen literarische Werke immerhin schon Gassenhauer wie „Blade Runner“ und „Total Recall“ inspirierten. Die 70-Mio-Dollar-Produktion, die im Vorfeld des Kinostarts schon von Sony Pictures an Paramount weitergereicht worden war, strandete mit einem Einspielergebnis von ca. 17 Mio. Dollar kläglich, weswegen die Skepsis des deutschen Verleihers verständlich erscheinen mag. Ist „Next“ deswegen ein schlechter Film?

Keineswegs – dass das breite Publikum nun mal per se doof ist und oft genug einen guten Film nicht erkennt, wenn er ihm mit Festbeleuchtung und Sirene ins Gesicht springt, ist nichts neues, aber andererseits muss man „Next“ nicht gleich in den Rang eines ignorierten Klassikers erheben. „Next“, um das Fazit heute mal vorwegzunehmen, ist absolut solides Popcorn-Kino, aber nicht auf dem intellektuellen Level der Dick-basierten Klassiker von Ridley Scott bzw. Paul Verhoeven. Was daran liegt, dass die Adaption der Dick-Kurzgeschichte, besorgt von Gary Goldman („Big Trouble in Little China“, „Total Recall“ und Executive Producer der Dick-Adaption „Minority Report“) und Jonathan Hensleigh („Die Hard with a Vengeance“, „Armageddon“, „The Punisher“) von der Intention der Story wenig übrig lässt (die zugrundelegende Geschichte „The Golden Man“ ist nicht nur in einer postapokalyptischen Zukunft angesiedelt, sondern von der Aussage her diametral entgegengesetzt, da der Cris-Charakter dort eine Bedrohung darstellt) und moralische Implikationen, wie von Dick postuliert, weitgehend außer Acht lässt (im Zuge der neuen Entwicklungen der „Post-9/11“-Welt fügen Goldman und Hensleigh zwar einige andere moralische Issues ein, die sich mit ein wenig bösem Willen als sehr reaktionär lesen lassen, alldieweil – Spoiler voraus – die Frage, ob Cris moralisch verpflichtet ist, seine Fähigkeit dem Staat zur Verfügung zu stellen, letzten Endes eindeutig beantwortet wird; andererseits erlaubt dieser Kniff den Autoren die Möglichkeit, auch die nominell „Guten“ ambivalent zu gestalten und über weite Strecken Schwarz-Weiß-Malerei zu vermeiden). Problematisch ist, dass Cris‘ übersinnliche Begabung sehr schwammig umgesetzt ist – nur durch einen Nebensatz im Showdown stellt der Film (eher nicht) klar, dass Cris nicht nur einfach „in die Zukunft“ sehen kann, sondern „wie ein Schachspieler“ alle möglichen Entwicklungen der nächsten zwei Minuten voraussehen kann; nicht einig ist sich das Script aber auch über die Länge des „Zeitfensters“, das Cris zur Verfügung steht. In einigen Szenen kann Cris eindeutig weiter als zwei Minuten voraussehen und der Umstand, dass er nur seine * eigene * Zukunft sehen kann, wird im Finale lässig über Bord geworfen (im dritten Akt ist aus Cris relativ zwanglos ein Supermann geworden, der Sprengfallen aufspürt, aus Überwachungsfotos lesen kann und, halloaberauch, nach Belieben Kugeln ausweichen kann). Anstelle Cris‘ Fähigkeiten logisch auszubeuten und weiterzuentwickeln, nutzen Script und Drehbuch sie immer, wie’s gerade benötigt wird (was zur Folge hat, dass man als Zuschauer, der den Fehler begeht, mitdenken zu wollen, über weite Strecken verzweifelt über die Logik der „Zwei-Minuten-Regel“ grübelt). Abgesehen davon spult sich „Next“s Script in gewohnten Bahnen ab, schafft es, die übliche Love Interest auf schlüssige Weise in den Plot zu integrieren (leider wird nicht ähnlich Sorgfalt auf den zentralen Aufhänger, wieso das FBI überhaupt auf Cris gestoßen ist und warum Faris ihn für so wertvoll hält, gelegt) und wagt es, dem Zuschauer nicht nur eins, sondern gleich zwei „Anti“-Enden um die Ohren zu hauen. Kudos für diese Frechheit 🙂

Filmisch lässt Tamahori erwartungsgemäß wenig anbrennen – der Mann ist Profi genug, um die etwas langwierige Mittelphase, in der nicht viel von wirklicher Plotrelevanz geschieht und dafür die Beziehung zwischen Cris und Liz ausgearbeitet wird, zu überbrücken, ohne zu langweilen, die Actionszenen sind rasant und teilweise wirklich atemberaubend (dadurch, dass Cris die Aktionen seiner Gegner vorhersieht, sind die Action-Einlagen natürlich extrem durchkonstruiert und -choreographiert). Das Stuntwork ist überzeugend, allerdings stört mich alten Puristen es doch manchmal sehr, wenn vergleichsweise „realistischen“ Stuntsequenzen mit heftigem CGI-Einsatz nachgeholfen wird. Im Finale gibt’s dann auch einige optische Raffinessen (wenn Cris‘ Visionen so dargestellt werden, dass sich seine Persönlichkeit „aufspaltet“ und alle Möglichkeiten durchspielt). Der Film bedient sich eines angemessenen, nicht übertriebenen Tempos (und ist dabei mit 96 Minuten auf der für aktuelle Hollywood-Blockbuster erfreulich kurzen Seite… es geht auch noch unter 140 Minuten), passabler, aber deutlich CG-erkennbarer visual fx und eines zurückhaltenden, irgendwie typischen Mark-Isham-Scores. Cineasten freuen sich über die ein oder andere kleine Kubrick-Anspielung (speziell die eindeutig „Uhrwerk Orange“-geschuldete Sequenz weiß zu überzeugen).

Nicolas Cage ist bekanntlich ein brillanter Schauspieler, was er nicht zuletzt im extrem sehenswerten Säuferdrama „Leaving Las Vegas“ zeigte, kämpft aber seit seiner selbstproklamierten Umdefinierung zum Actionhero mit einem gewissen Glaubwürdigkeitsproblem. In „The Rock“ war er ausgezeichnet, in „Con Air“ schon ein wenig auf der Karikaturenseite, mit „8 mm“ legte er eine beeindruckende Performance hin und „Wicker Man“, naja, soll ja jeder Beschreibung spotten (ich verweigere mich dem Film bislang). Cage schwankt in „Next“ zwischen bemerkenswerter Glaubwürdigkeit und heftigem Chargieren, als wäre ihm der Stoff manchmal selbst nicht geheuert. Julianne Moore als seine Haupt-Kontrahentin wird sich nie mehr besonders in mein Herz spielen, ging mir hier aber wenigstens mal nicht extrem auf den Keks. Jessica Biel macht sich in der undankbaren, aber wenigstens, wie erwähnt, gut einkonstruierten Rolle der designierten Love Interest ziemlich gut und uns Kretsche gibt mal wieder souverän einen fiesen Schurken ab. Peter Falks Auftritt ist charmant, aber kurz und bedeutungslos.

Summa summarum ist „Next“ trotz des beachtlichen betriebenen Aufwands schon, im direkten Vergleich, ein kleines Licht gegen Konkurrenz wie „Fluch der Karibik 3“, „Transformers“ oder „Stirb langsam 4“; die Story leidet an einigen Macken, die vielleicht weniger als Plotholes denn als Definitionsfragen gesehen werden müssen (aber im Endeffekt her natürlich genauso stören), aber Tamahoris Inszenierung ist routiniert und flott, die schauspielerischen Leistungen mit Ausnahme einiger eher fragwürdiger Momente bei Cage in Ordnung; wie schon gesagt – das ist nichts überragendes und mit Sicherheit nichts, was der Historie von Dick-Adaptionen mehr als eine Fußnote hinzufügt, aber, wenn man, wie man es bei Sommer-Major-Actionfilmen halt immer tun sollte, den Denkkasten temporär auf Durchzug schaltet, angenehmes, flockig konsumierbares Mainstream-Kino mit dem Touch des Übernatürlichen. Ins Kino muss man aber nicht rennen, DVD reicht völlig…

(c) 2007 Dr. Acula


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