News Movie

 
  • Deutscher Titel: News Movie
  • Original-Titel: The Onion Movie
  •  
  • Regie: James Kleiner (=Tom Kuntz, Mike Maguire)
  • Land: USA
  • Jahr: 2008
  • Darsteller:

    Len Cariou (Norm Archer), Larissa Laskin (Dana Dobbs), Scott Klace (Kip Kendall), Steven Seagal (Cock Puncher), Sarah McElligott (Melissa Cherry), Richard Fancy (Kenneth Garber), Savannah Haske (Lisa), Rebecca Lowman (Julie), Ahmed Ahmed (Ahmed), Amir Talai (Ahman), Brendan Fletcher (Tim), Michael Bolton (Michael Bolton), Gedde Watanabe (James Nakatani), Tom Wright (Kwame Roberts), Michael Delaney (Gil Bates), Nick Chinlund (Bryce Brand), Kirk Ward (Brendon Laroux), Jed Rees (Proteus the Invincible), Terrence Flack (Armed Gunman), Rodney Dangerfield (Rodney Dangerfield)


Vorwort

The Onion ist seit Jahren für die amerikanische Bevölkerung der einzig vertrauensvolle Lieferant von fairen und ausgewogenen Nachrichten, zunächst gedruckt, nun auch als Fernsehsender. Norm Archer, Anchorman der Hauptnachrichtensendung des Networks, steht für vertrauenswürdige, seriöse Berichterstattung. Zumindest noch – denn „Global Tetrahedron“, der Konzern, der den Sender aufgekauft hat, sieht Nachrichten auch nur als günstige Werbemöglichkeit und will Archer dazu zwingen, die Premiere des neuen Steven-Seagal-Streifens „Cock Puncher“ zur Hauptstory zu machen – und das, wo auf der Welt doch so immens viel wichtigeres passiert: die Staaten Slovarien und Azmenistan stehen kurz vor dem Ausbruch offener kriegerischer Aktivitäten, in einer sauberen, weißen Vorstadt wird einem weißen Hip-Hop-Fan als „Neger“ der Prozess gemacht, bewaffnete Bankräuber wollen eigentlich nur einen Job, aufgrund überbelegter Gefängnisse werden ganz normalen Familien Strafgefangene zur Unterbringung aufgedrängt, Gil Bates bringt im Stundentakt neue, bessere Computer auf den Markt, arabische Terroristen planen Selbstmordattentate, Hollywood-Star Bryce Brand ist nach einer Entziehungskur zu nichts mehr zu gebrauchen, die Alzheimer-Kranken marschieren gen Washington und fordern… irgendwas, was sie vergessen haben, alle Nase lang bleiben Männer mit ihren Penissen in irgendwelchen Briefkastenschlitzen o.ä. stecken und benötigen dringend kompetente Hilfe, und Pop-Sternchen Melissa Cherry versichert glaubhaft, dass ihre Hits „Down on my knees“ und „Take me from behind“ nichts, aber auch GAR nichts mit Sexualität zu tun haben. Wer soll da noch den Überblick behalten?


Inhalt

The Onion. Kennt hierzulande vermutlich nicht jeder, jenseits des großen Wassers gibt’s aber in Punkto intelligente Satire praktisch keine andere Anlaufstelle, sei es die Printausgabe oder die grandiose Webpräsenz, die absurdeste ausgedachte Nachrichten mit so größtmöglichem Ernst präsentiert, dass ab und an sogar seriöse Medien darauf reinfallen. Vor nun doch schon sechs Jahren verfielen findige Filmproduzenten (mit dabei u.a. David Zucker, der als Mitschreiber von „Kentucky Fried Movie“ ja als Co-Erfinder das Parodie-Genres, das uns mittlerweile Schwachsinn wie „Fantastic Movie“, „Superhero Movie“ oder „Disaster Movie“ nahebringen will, gelten muss) auf die Idee, einen „Onion“-Film zu machen – ist vielleicht, wenn man länger als drei Sekunden drüber nachdenkt, nicht ganz die brillante Idee, weil eine Satirezeitschrift ja doch etws grundlegend anderes ist als eine Filmparodie (deswegen macht ja auch die „Titanic“ keine Filme. Obwohl, angesichts der deutschen Mainstream-Kinolandschaft… vielleicht sollten sie…). Als Format wurde der Sketchfilm (mit einer losen Rahmenhandlung) gewählt, ein Konzept, das bei „Kentucky Fried Movie“ zwar noch funktionierte, aber spätestens bei „Amazonen auf dem Mond“ zum kommerziellen Blindgänger wurde (was natürlich auch daran liegt, dass „Amazonen“ zwar einige der lustigsten Sketche aller Zeiten, und mit Sicherheit DEN lustigsten, beinhaltet, aber auch eine Fülle schmerzhaft unkomischer Segmente). Die Testvorführungen verliefen dann – beinahe schon vorhersehbar – katastrophal, so dass der Streifen (immerhin geschrieben von Robert Siegel – der später „The Wrestler“, Mickey Rourkes epochales Comeback, schrieb – und Todd Martin, zwei damaligen „Onion“-Redakteuren) fünf Jahre lang in den Archiven vor sich hin schimmelte und erst im vergangenen Jahr, vermutlich in der Gewissheit, dass selbst ein katastrophales Testergebnis im Kontext der aktuellen Filmparodien kein absolutes Totschlagargument sein muss, unauffällig direct-to-DVD verklappt wurde (hierzulande, wie auch im Vereinten Königreich, unter dem vermeintlich verkaufsförderlichen Titel „News Movie“).

Obwohl ich zu meiner Schande seit „Fantastic Movie“ keine Filmparodie mehr gesehen habe (oder eher „meiner geistigen Gesundheit zuliebe“) und nur in einer Art truth-or-dare-Spielchen meine vage Zustimmung gegebenhabe, „Disaster Movie“ mittelfristig mal anzusehen und daher meine Einschätzung, dass dieses Genre erfolgreich umgebracht wurde, nicht unbedingt auf einer wirklich breiten Basis beruht, kann ich – neben der obligatorischen Feststellung, dass „The Onion Movie“ keine „Filmparodie“ im Wortsinne ist, da man sich hier nicht an Motive eines bestimmten Genres anhängt, sondern ein „Parodiefilm“, was ja wieder etwas anderes ist – guten Gewissens behaupten – gegen das, was an billigen, unlustigen „Movie Movies“ im Monatsabstand in die Kinos und Videotheken gerotzt wird, ist „The Onion Movie“ das Äquivalent einer Billy-Wilder-Komödie. Will sagen – hier gibt’s wirklich was zu lachen.

Natürlich nicht durchgängig, denn wie bei Sketchfilmen üblich, schwankt die Qualität der einzelnen Segmente beträchtlich, sowohl vom, hmpt-hmpt, „intellektuellen Anspruch“ als auch von der simplen Lustigkeit her. Manches ist treffende Satire, anderes plumpe Komedy, manches möchte Satire sein, zündet aber fehl, anderes ist ohne satirische Intention, dafür aber lustig. Gemeinsam haben fast alle Segmente allerdings, dass sie zu lang sind – der Punkt ist oft schnell gemacht, der Gag gesetzt, aber der Sketch geht dann doch noch zwei Minuten weiter, ohne der Situation wirklich neue Aspekte abzugewinnen. Das stört natürlich speziell bei den Sketchen, die schon von Haus aus nicht sonderlich lustig ist (ein Skit über eine Rollenspielrunde, die von einem Angeber mit einem unbesiegbaren Charakter zerstört wird; ein Segment über die in Amerika sehr beliebten „celebrity roasts“, bei dem die Redner nur mit obszönen Beleidigungen um sich werfen; der „running gag“ mit verschiedenen commercials für „Penis-Entklemmer“, ein Sketch, in dem ein paar Leute anstatt eines „Mörder-Suchspiels“ ein „Vergewaltiger-Suchspiel“ spielen, und – leider – auch der von der Idee her hübsche Sketch, in dem ein Schauspieler, der lose an David Hasselhoff angelehnt zu sein scheint, nach seiner Entziehungskur wieder „retoxicated“ werden muß, um brauchbar zu werden). Aber es gibt auch, trotz der pacing-Probleme, wirklich gute Gags – „Cock Puncher“ (inklusive komplettem fake trailer) ist fuckin‘ grandios, die Melissa-Cherry-Segmente fantastisch (Melissa ist natürlich ein Britney-Spears-Klon, die Songs sind 1a-Spears-Material, und in einem der fake videoclips tanzt sogar Britneys zeitweiliger Ehemann Kevin Federline mit…); auch der Lehrfilm für arabische Terroristen ist wirklich komisch, ebenso ein Sketch über „little known racial stereotypes“ (Iren haben große Nippel, Peruaner können Laserstrahlen aus den Augen schießen und Puerto Ricaner tagelang an Stahlträgern hängen…), grandios ist das Feature über Brendon Laroux (den ersten Profi-Eishockeyspieler ohne Beine und Hände) und seine Vorbildfunktion für andere behinderte Sportler (u.a. einen blinden Stock-Car-Piloten) und die Kundgebung der Alzheimer-Kranken ist auf seine bösartige Weise saulustig (und ich darf mich drüber amüsieren, ich hatte in der Familie einen Alzheimer-Fall). Andere Sketche wie der Gil-Bates-Sketch (der darauf abzielt, dass moderne PCs schon in der Sekunde veraltet sind, in der man sie als brandneu aus dem Laden schleift), die eingeschobene Kritiker-Analyse des laufenden Films, oder die „Armed Gunman“-Geschichte rangieren sich irgendwo dazwischen ein, einige seiner besten Gags streut „The Onion Movie“ aber in der Rahmenhandlung ein, wenn Norm Archer furztrocken völlig abseitige „Nachrichten“ so ernst aufsagt, dass Karlheinz Köpcke zu seiner besten Zeit dagegen wie ein hyperaktiver Possenreißer wirkt. Die Rahmenhandlung selbst mit ihrer „Network“-inspirierten Idee der „evil corporations“, die Einfluss auf das Programm nehmen wollen, ist die bissigste und treffendste Satire (und um so lustiger, wenn man bedenkt, dass das Studio Fox ja auch den erzkonservativen Nachrichtensender Fox News betreibt, der sich selbst, wie „The Onion“ im Film, als „fair and balanced“ beschreibt und doch nur ein Tummelplatz für Demokratenfresser ist) – und kommt mit einer wirklich lustigen Auflösung.

Filmisch bewegt sich „The Onion Movie“ auf dem zu erwartenden Niveau eines Sketchfilms – praktisch kein Segment schreit „KINO!!!“, alles würde auch in einer TV-Sketchshow funktionieren (wenn man so will, waren die „Freitag Nacht News“ auf RTL eine Art „Onion-TV“ auf deutschem Comedy-Niveau, ein anderer denkbarer Vergleich wäre „Switch“); lediglich im Rollenspiel-Sketch gibt’s akzeptable CGI. Das Onion-Studio-Set ist recht eindrucksvoll und die Präsentation der Nachrichten ist durchaus authentisch, aber insgesamt bleibt der Eindruck, dass gerade ein solches Projekt, das ja gezielt auf satirisch angehauchte TV-Parodie aus ist, nicht das ideale Futter für einen Spielfilm ist; in einem TV-Format wäre, denke ich, das Problem, dass einzelne Sketche nicht zünden, nicht so gravierend wie bei einer richtigen Filmproduktion, die idealerweise ja dramaturgisch ein Steigerungslauf sein sollte; so hat der Film „dank“ seiner schwächeren Sketche einfach zuviele Durchhänger, ist zu unrhythmisch, um von A bis Z zu unterhalten (witzig ist allerdings der Gag, IN den Film noch „fake deleted scenes“ einzubauen).

In Sachen Soundtrack bestechen natürlich vor allem die Melissa-Cherry-Songs, der Rest des Scores ist nicht der Rede wert.

Erfreulicherweise verzichtet „The Onion Movie“ größtenteils auf stunt casting und Star-Cameos. Steven Seagal (der hier sogar noch seine Kampfszenen selbst macht) und Sänger Michael Bolton (neben einem sekundenkurzen Auftritt von Rodney Dangerfield) die einzigen echten „Gaststars“. Len Cariou („Thirteen Days“, 1408) ist fantastisch als integrer Anchorman Norm Archer, Scott Klace („Wishmaster 2“) wirklich komisch als „senior correspondent“ Kip Kendall (nur zu selten eingesetzt). Aufgrund der schieren Menge an Charakteren fällt es schwer, einzelne Aktive herauszuheben – Sarah McElligott („Hitman“) bringt Melissa Cherry auf den Punkt, Terrence Flack macht Laune als jobsuchender Bankräuber, Gedde Watanabe (UHF) schaut für einen kurzen (und gaaaar nicht rassistischen Gag) vorbei. An den Darstellern liegt’s nicht, wenn die Gags nicht so treffen wie gewollt.

Bildqualität: Fox präsentiert uns den Streifen in Deutschland in der im Gegensatz zur US-Fassung 6 Minuten längeren „unrated“-Fassung. Bildqualitativ gibt’s am anamorphen 1.85:1-Transfer nichts auszusetzen. Darf man bei einer Major-Veröffentlichung aber ja wohl auch so verlangen.

Tonqualität: Neben dem O-Ton gibt’s deutsche und italienische Synchronfassungen (alles in Dolby 5.1) mit entsprechenden Untertiteln (deutsch und italienisch auch als begleitenden Text). Da ich mich sicherheitshalber nicht darauf verlassen wollte, dass die deutsche Fassung gagtechnisch was taugt, habe ich mich auf den englischen O-Ton konzentriert. Der Tonmix ist nicht spektakulär, aber absolut brauchbar.

Extras: Neben einigen deleted scenes (meist eher „extendes scenes“) gibt’s noch ein paar nicht wirklich lustige Outtakes.

Fazit: So schlecht, dass man den Film unbedingt fünf Jahre im Giftschrank verwahren musste, ist „The Onion Movie“ wahrlich nicht – es ist kein Weitwurf und krankt wie die meisten Sketchfilme an der arg schwankenden Qualität der einzelnen Segmente. Doch neben einigen verkrampften Unlustigkeiten und stellenweise niveaulosem „potty humor“ (was der Film aber wenigstens selbst augenzwinkernd bestätigt) verstecken sich hier doch einige sehr sehr witzige Ideen, von denen nicht alle ihr ganzes Potential ausloten, andere über’s Ziel hinausschießen, aber einige eben auch einfach wirklich gut funktionieren. Man mag sich fragen, ob erwiesene Satire-Könner wie die „Onion“-Macher nicht etwas durchgängig lustigeres und/oder intelligenteres hätten auf die Beine stellen können, aber im Vergleich zu den meisten Parodien, die man in den letzten Jahren auf uns losgelassen hat, ist dieser Streifen schon ein richtiges Ereignis – aber offensichtlich auch eins, mit dem der Publisher selbst wenig anfangen konnte (man sehe sich nur mal das selten unattraktive und einfallslose Coverartwork an). Vielleicht hätte man sich entscheiden sollen, ob man nun wirklich einen *Spielfilm* (mit als solcher erkennbarer Rahmenhandlung) oder ein reines „fake TV“-Projekt macht, da der Film letzlich ein wenig daran laboriert, dass das Konzept (sei es so oder so) nicht durchgezogen wird, aber allein für „Cock Puncher“ bin ich dankbar – zusammen mit dem legendären Moutain-Dew-Commercial ist das der Beweis, dass Seagal willens ist, sich über sich selbst lustig zu machen. Und schon deswegen muss man „The Onion Movie“ eigentlich liebhaben…

3/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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