Nächte des Grauens

 
  • Deutscher Titel: Nächte des Grauens
  • Original-Titel: The Plague of the Zombies
  • Alternative Titel: Im Bann des Voodoo-Priesters | The Zombies |
  • Regie: John Gilling
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1966
  • Darsteller:

    André Morell (Sir James Forbes), Diane Clare (Sylvia Forbes), Brook Williams (Dr. Peter Thompson), Jacqueline Pearce (Alice Thompson), John Carson (Squire Clive Hamilton), Alexander Davion (Denver), Michael Ripper (Sergeant Swift), Marcus Hammond (Tom Martinus)


Vorwort

Zu spätviktorianischen Zeiten wird die medizinische Koryphäe Sir James Forbes von einem ehemaligen Schüler schriftlich um Rat gefragt. Dr. Peter Thompson betreibt eine Praxis in ländlichen Gefilden Cornwalls und wird dort von einer Serie mysteriöser Todesfälle, die er sich beim besten Willen nicht erklären kann, geplagt – die Opfer, allesamt junge kräftige Burschen, scheinen einfach den „Lebenswillen“ zu verlieren. Auf Anraten seiner Tochter Sylvia reisen die Forbes nach Cornwall (schon allein, weil Sylvia ihre mittlerweile mit Thompson verehelichte Schulfreundin Alice wiedersehen will). Forbes realisiert schnell, dass in dem kleinen Dorf tatsächlich einiges nicht stimmt – es scheint einen deutlichen Konflikt zwischen den Dorfbewohnern und dem örtlichen Gutsherrn Hamilton und dessen blasiert-überheblichen Freunden zu geben, der sich auch auf „Fremde“ erstreckt, Alice wirkt kränklich und Thompson selbst scheint sich ob seiner Erfolglosigkeit, die unbekannte Krankheit auch nur zu identifizieren, dem Alkohol hingeben zu wollen.

Man kann Thompsons Frustration aber verstehen – wie er ohne Autopsien der Sache auf den Grund gehen soll, ist fraglich. Die Dorfbewohner, abergläubische Leuts, wie’s bei Landvolk halt so üblich ist, mögen ihre verblichenen Angehörigen nicht aufschneiden lassen, und der nach Aussage des Dorfpfarrers zu unerwartetem Reichtum gekommene Hamilton, der kraft seiner Junkerwassersuppe eine Untersuchung anordnen könnte, hat augenscheinlich kein gesteigertes Interesse am Wohlergehen seiner sort-of-Untertanen. Forbes rät zur Selbsthilfe – wenn keiner eine Leiche zur Verfügung stellen will, muss man halt heimlich eine ausbuddeln. Der ausgekuckte Sarg ist allerdings – leer. Für Forbes und Thompson, die beim Grabschänden vom Polizeisergeanten Swift erwischt werden, ist das allerdings Glück im Unglück, denn der geschockte Bobby erklärt sich ob der unerwarteten Entdeckung bereit, mit Forbes zusammenzuarbeiten.

Dieweil verfolgt Sylvia einen unautorisierten nächtlichen Spaziergang der kränkelnden Alice, gerät dabei aber in die Fänge von Hamiltons vergewaltigungswilligen Vasallen. Der Squire selbst rettet Sylvias Jungfräulichkeit, aber Sylvia ist – für ein Mädel des späten 19. Jahrhunderts erstaunlich – clever genug, sich von Hamiltons vielfältigen Entschuldigungen nicht einlullen zu lassen. Doch auf dem Rückweg von Hamiltons Gutshaus stolpert sie über eine grässliche, dämonische Gestalt… und Alices Leiche!

Nachdem Forbes sowohl Sylvias Aussagen als auch die eines Dorfbewohners, der seinen toten Bruder (die fehlende Leiche aus dem Grab) gesehen haben will, zur Kenntnis genommen und sein Wissen bezüglich okkulter Hexereien auf den aktuellen Stand gebracht hat, ist er davon überzeugt, dass irgendeine böse Macht mit Voodoo-Zauber die Toten zum Leben erweckt. Wird Alice der nächste Zombie sein, der sich aus dem Grab erhebt? Forbes, Thompson und der Pastor legen sich auf die Lauer. Doch sicherlich wird die Person, die für die Zombiefizierungen verantwortlich ist, bestrebt sein, das Geheimnis zu bewahren…


Inhalt

Langsam wird mir das peinlich, bei jedem Review eines Hammer-Films mein gefürchtetes „ich-bin-kein-Hammer-Experte-und-eigentlich-noch-nicht-mal-Hammer-Fan“-Caveat voranzustellen. Kann ich das in Zukunft, bitteschön, als bekannt voraussetzen?

Gut. Das ist also geklärt. Unser heutiges Epos war ein Projekt, mit dem die Hammer-Oberen schon eine Zeit lang schwanger gingen (unter diversen Arbeitstiteln), aber Universal, dem US-Vertriebspartner der Briten, zu brutal war (was man bei einer Hammer-Produktion eigentlich kaum glauben mag). Als nun der Vertriebsdeal mit Universal aufgekündigt wurde und sich die Hammer-Burschen mit 20th Century Fox einen neuen US-Vertrieb geangelt hatten, bestellten die Yankees zwei „Double Features“; Grund genug für die Insulaner, das alte „Zombie“-Treatment wieder aus der Mottenkiste zu holen, ein wenig zu entschärfen, und den Amis im Paket mitanzubieten. Kostensparenderweise entschied man sich, jeweils zwei der vier ausgekuckten Streifen back-to-back zu drehen; während „Blood for Dracula“ mit „Rasputin, the Mad Monk“ gekoppelt wurde, werkelte John Gilling quasi parallel an „The Reptile“ und „Plague of the Zombies“, wie der Untoten-Horror nun getauft wurde. Da man überraschenderweise davon ausging, das Publikum würde in einer Doppelvorführung merken, wenn die gleichen Darsteller in den gleichen Sets in unterschiedlichen Filmen rumhampeln würde, spannte man den russischen Mönch mit dem Reptil und die Zombies mit Dracula zusammen.

Peter Bryan, der für Hammer schon „Dracula und seine Bräute“ verfasst hatte, schrieb das Drehbuch, das sich stark an Genre-Klassikern wie „White Zombie“ oder „I Walked with a Zombie“ orientierte. Wir haben es also mit den guten alten Voodoo-Zombies zu tun (mit der Einschränkung, dass die Zombiefizierten nicht „scheintot“ sind, sondern richtig tot, und mit „realer“ schwarzer Magie ins Leben zurückgerufen werden), die einem Voodoo-Priester hörig sind und für diesen primär Sklavenarbeiten vollführen; da George A. Romero mit seinen „modernen“ fleischfressenden Untoten praktisch schon vor der Tür stand, ist dieses Hammer-Outing vielleicht der letzte „große“ Zombiefilm des klassischen Mythos bis Wes Cravens „Schlange im Regenbogen“ – schon allein das macht den Streifen aus genrehistorischer Sicht interessant.

Eine vernünftige Begründung, warum sich klassische karibische Voodoo-Zombies im verschlafenen Cornwall herumtreiben, hat Bryan nicht auf Lager – mehr als „der Bösewicht war halt in den Westindies und hat sich von dort ein paar Voodooneger mitgebracht“ wird nicht mal impliziert. Dafür aber beackert er fleißig das „Klassenkampf“-Feld – für Hammer, die, wenn sie probierten, mal gesellschaftlich relevant zu sein, gerne mit Schmackes gegen die Wand liefen (siehe Dracula jagt Mini-Mädchen), ist eine – sicherlich eher ungewollte, nichtsdestotrotz klar erkennbare – politische Konnotation überraschend – viel deutlicher den Kontrast zwischen der vom Leben der „Normalsterblichen“ abgekoppelten herrschenden Klasse und den ausgebeuteten, geknechteten Massen abzubilden, dürfte nur im Rahmen eines drastischeren sowjetischen Propagandafilms möglich sein. Insofern ist die „Kapitalismuskritik“ hier vielleicht sogar noch deutlicher als im hierfür kritikerseits geadelten „Dawn of the Dead“, denn wo bei Romero die Zombies „nur“ geistlose Konsumsklaven sind, macht „Plague“ mehr als nur klar, wer und aus welchen Interessen heraus (schiere Bereicherungslust) verantwortlich für die ausbeuterischen Verhältnisse ist. Für ein period-piece (das, ohne eine genaue Datierung zu erlauben, wohl Anfang des 20. Jahrhunderts angesiedelt ist, ergo in einer Zeit spielt, in der Ausbeutung der Unterschicht allgemein akzeptierter status quo war) ist das ein zumindest bemerkenswerter Backdrop.

Gut, die Chose relativiert sich natürlich dadurch, dass die Unterschicht sich nicht selbst zu helfen weiß und die Brainpower eines Angehörigen der oberen gesellschaftlichen Schicht braucht, um sich aus dem Dilemma zu befreien. Hierbei hilft, dass Sir James ein starker Protagonist ist – ähnlich wie Kollege van Helsing ein rationaler Mann der Wissenschaft, Pragmatiker vor dem Herrn (von „wir bekommen keine Leiche für die Autopsie“ zu „dann müssen wir halt eine ausgraben“ dauert’s keine fünf Sekunden), geistesgegenwärtig genug, der zombifizierten Frau seines Mentees den Kopp abzuhauen und willens, seinen wissenschaftlichen Horizont so zu erweitern, dass es zur Faktenlage passt. Er zieht die richtigen Schlüsse, versteht es, andere kraft seiner Kompetenz auf seine Seite zu ziehen – an ihm zweifeln kann man eigentlich nur im Showdown, wenn er tatsächlich dämlich genug ist, allein den bösen Squire und seine Seilschaft zu konfrontieren; andererseits ist das auch wieder verständlich, weil sich ein vernünftiger Mann wie Sir James auch zusammenreimen kann, dass mit Weichflöte Peter im Krisenfall kein Staat zu machen sein wird…

Leider können die anderen Charaktere nicht mit Sir James mithalten – Peter ist, wie schon angedeutet, ein unnützer Emo, Sylvia bestenfalls eine mittelprächtige damsel-in-distress, Alice zu schnell „tot“, um aus einer potentiell interessanten Figur wirklich Gewinn ziehen zu können und Squire Hamilton als Schurke etwas „underwritten“; etwas mehr Hintergrund für den offiziellen Bösewicht, seine finsteren Pläne und seine ekligen Spießgesellen wäre hochwillkommen.

Wenn das Script also einige Möglichkeiten verschenkt, ist es gut, dass „The Plague of the Zombies“ tatsächlich bemüht ist, seine Zuschauer zu erschrecken. Hammer-Filme werden von manchen Konsumente (auch von mir, als ich mit der Materie noch nicht so vertraut war) wegen ihrer viktorianischen Plüschigkeit gerne mal retroaktiv belächelt (die Unwilligkeit der Hammer-Macher, in Sachen graphischer Gewalt eine Schippe draufzulegen, als der Zeitgeist sich Ende der 60er änderte, trug ja massiv zum Untergang des Studios bei), aber „Plague“ versucht, ohne zum Splatterfilm zu werden, tatsächlich einige für die Verhältnisse des Studios unheimliche und heute noch wirksame Gruselszenen zu präsentieren. Wenn ein Zombie die tote Alice in seinen Armen trägt und sie dann Sylvia vor die Füße wirft, ist das ein ebenso memorabler Shot wie die Auferstehung Alices aus ihrem Grab oder der (leider im Nachhinein als Alptraumszene ein wenig entwertete) Massenangriff von Zombies auf Peter, der vielleicht als erster Vorgeschmack auf Imagery der „modernen“ Zombiefilme gewertet werden kann. Und auch wenn’s nicht direkt um Zombies geht, schafft es „Plague“ dann und wann, dem Betrachter ein Gefühl des Unbehagens zu vermitteln, z.B. wenn Hamiltons Kumpane unter der Führung eines gewissen Denver Sylvia entführen und ganz offensichtlich beabsichtigen, sie einem lauschigen Zwangs-Gangbang unter Mistkerlen zuzuführen.

Wie bei Hammer üblich, wird eine eher bedächtige Gangart angeschlagen und, wenn man so will, ist gerade der Schlussakt, in dem das Tempo angezogen wird, der schwächste Teil des Films wirkt ein wenig gehetzt und kommt uns mit einer deus-ex-machina-Auflösung. Bis dahin hat der als „schwierig“ bekannte Regisseur John Gilling alles im Griff – auch wenn das Budget klein ist und selbst die „großen“ Sets wie Hamiltons Herrenhaus etwas gedrängt und klaustrophobisch wirken, kommt das der bedrückenden, oppressiven Atmosphäre des Films durchaus entgegen, zumal Gilling die einschnürenden Interiors mit (erneut für Verhältnisse des Studios unüblichen) Außenaufnahmen kontrastiert. Kameraarbeit, Schnitt und Ausstattung bewegen sich ebenso wie der Score auf gewohnt gediegenem Hammer-Niveau.

Als echter „Splatter“-Effekt ist nur der abgetrennte Kopf von Alice zu betrachten, aber das Zombie-Make-up, auch wenn es natürlich noch nicht die Drastik halbverwester Körper a la Romero aufweist, zeigt mit den blau-grau-grünen Hautverfärbungen und dem ein oder anderen ekligen Ekzem bei den „featured zombies“ dezent auf, wohin die Reise in den nächsten Jahren gehen würde.

Auf schauspielerischer Front gibt sich Andre Morell („Ben Hur“, „Der Hund von Baskerville (1959)“) keine Blöße; Morell verkörpert den pragmatischen Wissenschaftler absolut überzeugend. Seine Co-Helden Diane Clare („Bis das Blut gefriert“) und Brook Williams („Agenten sterben einsam“, „Die Wildgänse kommen“) erweisen sich leider als nicht in der Lage, aus den zugegeben recht schwachen Rollen, die sie zu spielen haben, Gewinn zu ziehen. Clare ist eine erstaunlich „leblose“ (no pun intended) damsel-in-distress und Brook Williams ein „romantic lead“ (wenn man so will) in der David-Manners-Universal-30er-Jahre-Horror-Schule (sprich: unnütz). Jacqueline Pearce („Blakes 7“, „The Reptile“, „How To Get Ahead in Advertising“) holt dagegen aus ihrem Auftritt als kränkliche und zombifizierte Alice das Maximum. John Carson (Captain Kronos – Vampirjäger, „Doomsday“) könnte als nomineller Schurke exaltierter sein, andererseits ist ein wie in diesem Fall gekonnt „unterspielter“ Bösewicht auch ab und an ganz reizvoll, zumal er mit Alex Devion („Paranoic – Haus des Grauens“) einen angemessen widerlich-hassenswerten Lakaien auf seiner Lohnliste weiß…

Bildqualität: Studiocanal hat den Streifen, der sich dem Vernehmen nach in schlechtem Zustand befand, liebevoll restaurieren lassen und vertreibt ihn nun in einem nicht überteuerten BluRay-/DVD-Kombopack. Die BluRay reizt mit ihrem scharfen und farbechten 1.66:1-Transfer die Möglichkeiten der Restauration weidlich aus. Manche Passagen sind allerdings deutlich vom Zahn der Zeit gezeichnet; die Verschmutzungen und Defekte konnten beim besten Willen nicht mehr digital kaschiert werden (das lässt Rückschlüsse darauf zu, in welch katastrophalem Zustand sich das Ausgangsmaterial befunden haben muss).

Tonqualität: Ausschließlich gut verständlicher, rauscharmer englischer O-Ton in Dolby Mono 2.0.

Extras: Neben der thematisch passenden „World of Hammer“-Episode gibt’s eine brandneues Making-of-Dokumentation, in dem u.al. auch John Carson und Jacqueline Pearce ausgeibig zu Wort kommen, sowie den restaurierten Trailer und einen Restaurations-Bildvergleich.

Fazit: Ich werde ja nicht müde darauf hinzuweisen, dass wenigstens für *mich* die interessanten Sachen im Hammer-Ouevre grad die jenseits der „Dracula“- und „Frankenstein“-Franchises sind und „The Plague of the Zombies“ (ich schelte den deutschen Verleihtitel „Im Bann des Voodoo-Priesters“ ob seiner Spoilerei nicht zu sehr, da der Film in seiner ersten Szene seine Karten aufdeckt) ist dafür ein gutes Beispiel. Sicherlich nicht perfekt, da gibt’s doch Schwächen in der Charakterisierung und/oder (was ist Ursache, was ist Wirkung?) bei den darstellerischen Leistungen und der Schlussakt ist im Vergleich zum Aufbau ein kleiner Letdown, aber schon sowohl als sichtbarer Markstein des Übergangs vom althergebrachten Voodoo-Zombie hin zur „neuen“, entmythologisierten Zombie-Mythologie als auch als überraschend deutliche politische Allegorie ist das ein Film, der Freunden des gepflegten atmosphärischen Grusels einiges an Freude bereiten sollte.

3/5
(c) 2013 Dr. Acula


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