Nackte Eva

 
  • Deutscher Titel: Nackte Eva
  • Original-Titel: Eva Nera
  • Alternative Titel: Black Cobra Woman | Eva negra |
  • Regie: Joe D'Amato
  • Land: Italien
  • Jahr: 1976
  • Darsteller:

    Laura Gemser (Eva), Jack Palance (Judas Carmichael), Gabriele Tinti (Jules Carmicheal), Michele Starck (Gerri), Ziggy Zanger (Candy)


Vorwort

Auf dem Flug nach Hongkong lernt Jules Carmichael die Tänzerin Eva kennen und verkuckt sich in sie. Eva allerdings hat in Hongkong einen festen Freund und sieht in Jules bestenfalls einen zahlenden Kunden für den Nachtclub, in dem sie arbeitet.

Jules hat einen älteren Bruder – Judas Carmichael. Die Brüder sind reiche Geschäftsleute, d.h. Jules ist der Geschäftsleut, Judas übernimmt das Reichsein. Wie viele reichte gelangweilte Pinsel ist Judas unter die Exzentriker gegangen. Er verlässt kaum sein Haus und verbringt seine Zeit lieber mit seinen „Freunden“, einer erlesenen Sammlung exotischer Giftschlangen und rätselt, warum zum Geier Menschen vor diesen possierlichen Tierchen nur Angst haben können. Zu seiner eigenen Überraschung gelingt es Jules, Judas in den Nachtclub mitzuschleifen und Eva schindet bei dem Eigenbrötler tatsächlich Eindruck – kann natürlich auch daran liegen, dass ihre Nummer ein exotisch-erotischer Schlangentanz mit leibhaftiger Python ist. Judas lädt Eva erst zum Essen und dann zu sich nach Hause ein, um ihr ein seltsames Angebot zu unterbreiten – sie soll doch bitte, ohne sexuelles Interesse, bei ihm einziehen. Nicht zuletzt der Schlangensammlung wegen meint Eva, ihr potentieller Gönner habe nicht alle Latten am Zaun und lehnt ab, doch als ihr eifersüchtiger Boyfriend ihr zur nächsten Schlummerstunde ob des unautorisierten Herumtreibens mit fremden Männern eine haut, schickt sie ihn in die Wüste und sich selbst doch in Judas‘ Obhut.

Eigentlich ein guter Deal, da Geld für Judas keine Rolle spielt und er im Gegenzug von Eva nicht mehr erwartet, als dekorativ zu sein und auf Partys die Gastgeberin zu spielen. Doch Eva fühlt sich schnell gelangweilt und nur als Teil von Judas‘ Sammlung. Ihr Versuch, Jules Bekannte Candy und ihren Bruder zu verführen, schlägt dank Jules Einmischung fehl, doch als er ihr wenig später die Blondine Gerri vorstellt, bekommt Eva ihren Willen und beginnt auf Judas Kosten eine leidenschaftliche Affäre mit ihr.

Wem das nicht passt, ist eindeutig Jules – und ein kleiner Unfall beim Vorspiel, der Candy aufgrund Schlangenbisses ins Krankenhaus bringt, lässt bei ihm eine kleine Glühbirne über dem Kopf eingehen. Als Judas zu einer zoologischen Konferenz verreist, gibt er vor, ebenfalls abwesend zu sein. Wie bestellt lädt Eva Gerri zu einem kleinen bed-in ein, doch das Schlafzimmer teilen sich die beiden Damen mit dem Prunkstück aus Judas Kollektion, einer grünen Mamba…


Inhalt

Manchmal stürze ich mich mit Begeisterung kopfüber in die metaphorische Filmgülle – z.B. dann, wenn ich mir tatsächlich mal wieder freiwillig einen Joe D’Amato-Film zulege. Die Werke des Herrn Aristide Massacessi, wie ihn seine Frau Mama hat taufen lassen, sind nur selten erbauliche Kost für den Kinoästheten, und mehr als einmal habe ich dem Maestro komplette Talentlosigkeit in allen möglichen Hinsichten bescheinigt, aber… immer, wenn ich mal wieder ein Interview mit dem Kerl sehe, fällt mir auf, dass er ein bei allem Murks, den er im Laufe seiner Karriere verbrochen hat, ein Sympathiebolzen war, der sich auch keine (großen) Illusionen über den Wert seiner Filme machte – ein Typ, mit dem ich gerne mal eine Kanne Chianti geleert und dabei über Kino geschwatzt hätte.

Abgesehen davon ist er so ziemlich singulär verantwortlich für die Entdeckung der indonesischen Schönheit Laura Gemser und dieweil man über ihr darstellerisches Vermögen sicher diskutieren kann, wäre der Exploitationfilm der 70er ohne die Gemse doch deutlich… unansehnlicher, ähempt. Und so kaufte ich mir dann auch nach langer Zeit wieder eine X-Rated-Hartbox…

Blenden wir also zurück in die 70er. Joe D’Amato war mit dem Sequel zu Bitto Albertinis „Black Emanuelle“- mit der Gemser, der natürlich nichts anderes waren als ein flink gedrehtes Rip-off der französischen „Emmanuelle“-Filme mit Sylvia Kristel, auf eine Goldmine gestoßen und war natürlich bestrebt, dem Überraschungshit schnell einen Nachfolger hinterherzuschieben, aber dabei noch nicht auf die Idee gekommen, aus dem „Black Emanuelle“-Moniker einen Markennamen zu machen. „Eva nera“ ist dezidiert kein „Black Emanuelle“-Film (was ebenso findige wie geographisch herausgeforderte Distributoren nicht daran hinterde, den Streifen auch als „Emanuelle in Japan“ zu vermarkten).

Da es auch der italienischen (S)Exploitation-Industrie damals noch gut ging, konnte sich D’Amato mit dem späteren Oscar-Preisträger Jack Palance sowas wie einen Star leisten (auch wenn Palance in den 70ern nicht gerade seine allerbeste Karrierephase durchschritt und ein paar Jahre zuvor für Jess Franco in „Justine“ die junge Romina Power auspeitschte. Was man als Schauspieler so alles in seinen Lebenslauf kritzeln kann…) und die ganze Chose tatsächlich vor Ort in Hongkong drehen.

Wenn man will, kann man „Nackte Eva“ als Versuch sehen, den „spirit“ der „Black Emanuelle“-Filme in einen Mainstream-tauglichen Kontext zu prügeln. Im Vergleich zu den „offiziellen“ Beiträgen der Reihe ist „Nackte Eva“ nämlich sehr zahm, verzichtet auf Zynismus und Sadismus, die mit der Reihe ansonsten untrennbar verbunden sind, sondern versucht statt dessen, ein (offenherziges, aber nie explizites) Beziehungsdrama mit Thrillerelementen abzuspulen. Hehres Unterfangen, aber leider hat Herr Massacessi dabei irgendwann vergessen, dass auch ein Beziehungsdrama so was ähnliches wie einen Plot, eine Story, eine Struktur, einen Narrative braucht. Das, was man in seinem jugendlichen Leichtsinn „Plot“ nennen könnte, verarbeitet „Nackte Eva“ konzentriert in den letzten 25 Minuten. Trotzdem – und das ist bei einen D’Amato-Film, was ja im Normalzustand gerne auch *mit* Plot 90 Minuten Langeweile bedeuten kann – ist auch die lange Vorlaufphase nicht ohne Reiz.

Das meine ich jetzt nicht mal, weil Laura Gemser genau vier Minuten braucht, um zum ersten Mal das Oberteil abzulegen (und nur unwesentlich länger, um komplett blank zu ziehen), sondern weil D’Amato ein interessantes Netz aus Charakterbeziehungen spinnt – klar, dass ein Autor und Regisseur seines Schlages daraus nicht den Nutzen zieht, den ein Polanski erzielen würde, aber es ist ein ganz patentes set-up. Im Mittelpunkt steht Eva, Männern und Frauen gleichermaßen zugeneigt (vielleicht mit einer Präferenz für Sappho-Jüngerinnen), die ihre Beziehung zu ihrem chinesischen Freund beendet, weil er ihr das Poussieren mit Männern verbietet (wenn Eva es mit Frauen treibt, toleriert er das). Dann haben wir den asexuell lebenden Judas, der nie sexuelles Interesse an Eva entwickelt, sie aber nicht *nur* als Bestandteil seiner Sammlung sieht, sondern offenkundig als „Gesellschafterin“ schätzt (alternativ könnte man es so interpretieren, dass Judas dadurch „aufblüht“, dass er jetzt jemanden hat, für den er sorgen kann). Und dann wäre da Jules, beziehungstechnisch ein Hallodri und im Hinblick auf seinen Bruder etwas genervt, dass der testamentarisch verfügt auf den Kohlen sitzt, Jules aber die ganze Arbeit damit hat, die Firma am Laufen zu halten – er hätte durchaus gerne was mit Eva, vertreibt sich die Zeit bis zur günstigen Gelegenheit aber auch gern mit der knabenhaften Candy und wird erst richtig säuerlich, als sich abzeichnet, dass aus Eva und Gerri etwas „ernstes“ wird. Gerri selbst ist nur ein Katalysator der Ereignisse (hätte Jules zuvor nicht gestört, hätte es ansonsten auch Candy werden können) – und natürlich ein zusätzlicher Satz weiblicher anatomischer Merkmale, der ausgezogen werden kann.

Das wäre durchaus Stoff für potentes Psychodrama, und selbst wenn D’Amato damit zufrieden ist, die Figuren so zu etablieren, ohne dann wirklich etwas mit ihnen anzufangen, ergibt das zwischen den Zeilen eine Dynamik, die vielleicht nie wirklich offen ausgesprochen wird, aber unterschwellig greifbar ist, und von der wir, weit bevor die Geschichte sich dafür entscheidet, wirklich mal in Schwung zu kommen und eine erkennbare Richtung einzuschlagen, ahnen, dass sie auf eine Explosion zusteuert. Das tut sie dann in Form von Jules, der bei einem Sexspielchen mit Candy eine harmlosere Giftschlange einsetzt und – versehentlich – das Mädchen (plotwise auf Nimmerwiedersehen) ins Krankenhaus befördert, und sich an diesen Vorfall erinnert, als ihm das Treiben von Eva und Gerri zu bunt wird. (SPOILER) Die grüne Mamba beseitigt wunschgemäß die lästige Gerri, und nachdem Eva eine sehr konkrete Vermutung hat, wie sich die Schlange befreien konnte, stürzt sie sich rachedurstig in eine Beziehung mit Jules. (/SPOILERENDE).

Handwerklich ist das für D’Amato-Verhältnisse spektakulär sorgfältig – man kann wirklich auf die Idee kommen, dass der olle Joe nach dem Erfolg von „Black Emanuelle 2“ ein paar Lire mehr als gewöhnlich zur Verfügung hatte. Die Kameraarbeit, besorgt vom Maestro selbst, der sich ja sowieso zeitlebens für den besseren Kameramann als Regisseur hielt, ist wesentlich agiler und beweglicher als in vielen seiner späteren Werke, die nach dem Motto „hier steht die Kamera und bleibt sie, und wenn sich hier was bewegt, dann mit Sicherheit nicht sie“ fotografiert wurden; und auch der Schnitt, besorgt ausgerechnet von Italiens wohl größter Rache am Kinogänger, Bruno Mattei, ist bis auf einige etwas rucklige Cuts und ein-zwei fragwürdige Entscheidungen recht kompetent. Das Tempo ist – wen wundert’s bei einer bestenfalls rudimentären Storyline – nicht besonders hoch, aber noch ausreichend, um den Zuschauer bei der Stange (höhö) zu halten. Auf der Sollseite haben wir einige Brüche in der Erzählstruktur (wir schneiden z.B. direkt von Gerris Tod zu Evas Ankündigung, jetzt mit Jules in Urlaub zu fahren), aber das kennen wir von D’Amato noch wesentlich schlimmer.

Geradezu großartig ist der Score von Pietro Umiliani („Tote brauchen keinen Dollar“, „Drei Amen für den Satan“, „Baba Yaga“, „Die Knallköppe der 6. Kompanie“; dem gemeinen Pöbel aber sicher am ehesten ein Begriff als Schöpfer der legendären Nonsens-Nummer „Mah na mah na“, die durch die Muppets zum Welterfolg wurde), der das Kunststück fertig bringt, gleichzeitig völlig zu passen und andererseits auch gut vorstellbar für einen Karl-May-Eurowestern zu sein.

Was Sleaze und Sex angeht – „Nackte Eva“ geizt, wie der Titel verspricht, nicht mit nackten Tatsachen. Sowohl Laura Gemser, Michele Starck als auch Ziggy Zanger zeigen ausführlich, was sie haben, aber es gibt – surprise – keine einzige explizite Sexszene. Der Sache am nächsten kommt eine gemeinsame Duschszene von Gemser und Starck, außerdem lassen sich die beiden Damen auch mal ausführlich massieren, aber Aufeinanderrumgerutsche, wie’s D’Amato ja zumeist betont unsexy zu inszenienieren versteht, findet hier nicht statt. Gewalt ist die Sache des Films eh nicht – Eva hat sich zwar eine ziemlich perfide Rachemethode einfallen lassen, aber die bleibt bildmäßig (danke dafür) nur impliziert.

Der Cast – Laura Gemser ist hier mal wieder berückend schön. Ich weiß nicht, woran’s liegt, aber in Filmen, die diese ganze explizite Sexkiste nachrangig sehen, hinterlässt sie für mich immer einen besseren Eindruck als in den totalen Sleazern (case in point: Die Frau vom heissen Fluss, Söldner des Todes). Schauspielerisch wird sie nicht vor große Aufgaben gestellt – wie für ihren Film-Gönner Judas reicht es auch D’Amato weitgehend, wenn sie „dekorativ“ ist; aber auch im „Rachepart“ hält sie sich achtbar. Michelle Starck („Emmanuelle für immer“, „Salon Kitty“ und via „Bachelor Party“ lässt sich sogar Tom Hanks jetzt in nur zwei Schritten zu George Eastman linken) ist eine ziemlich ausdruckslose (Nicht-Natur-)Blondine, die keine echten Emotionen rüberbringen kann. Die gebürtige Nürnbergerin Sigrid „Ziggy“ Zanger spielte eine Hauptrolle in Bruno Matteis „Cuginetta… amore mio!“ und eine Nebenrolle in dem als „Black Emanuelle, White Emanuelle“ vermarkteten „Velluto nero“, wieder neben Laura Gemser. Sie hat zwar wenig Holz vor der Hütte, ist aber recht schnucklig und mit solidem Enthusiasmus dabei, vor allem in ihrer „Schlangenszene“.

Bei den Herren der Schöpfung gibt sich der unvermeidliche Gabriele Tinti, der Laura Gemser vorsichtshalber gleich mal vor den Traualtar schleppte, und der, nachdem er in den 60ern durchaus in respektablen Produktionen wie „Der Flug des Phönix“ oder „Große Lüge Lylah Clare“ (beide unter der Regie von Robert Aldrich) spielte, in den 70ern außer Exploitation gar nix mehr machte, die Ehre und liefert hier eine seiner nuancierteren Vorstellungen ab (manchmal erinnerte er mich gar an einen jungen Timothy Dalton). Den offiziellen Name Actor mimt Jack Palance, der sichtlich Freude daran hat, mal gegen sein klassisches Tough-Guy-Schurken-Image einen eher schöngeistig veranlagten und dabei doch undurchsichtigen Exzentriker spielen zu dürfen, auch wenn seine Rolle für den, eh, Plot von vernachlässigbarer Relevanz ist.

Bildqualität: X-Rated hat hier wirklich einen sehr schönen 1.85:1-Print aufgetrieben, der bis auf ein paar Ruckler im letzten Filmdrittel wirklich aussieht wie aus dem Ei gepellt – schöne Farben, guter Kontrast, solide Schärfe.

Tonqualität: Der Konsument hat die Wahl zwischen deutschem, italienischem und englischem Stereoton. Sowohl das englische als auch das deutsche Dubbing sind solide (und speziell bei der deutschen Synchronfassung fällt einmal mehr auf, dass in den 70ern noch der letzte Grützefilm eine schnieke Synchro verpasst bekam).

Extras: Nicht übermäßig viel – zwei Trailer, eine Galerie mit Werbematerial und eine zweisekündige „Bonusszene“, die offensichtlich nicht in adäquater Qualität in den Film eingebaut werden konnte. Es ist nur ein Satz von Gabriele Tinti, und der tut ehrlich nichts zur Sache.

Fazit: Ich kenn mich ja selbst nicht wieder, aber ich hatte mit „Nackte Eva“ alias „Black Emanuelle light“ durchaus meinen Spaß und den nicht, weil ich mich über D’Amatos grenzenlose Inkompetenz beömmelt habe. Nein, „Nackte Eva“ ist sicherlich kein vergessener Klassiker, aber ein durchaus sorgfältig gearbeitetes Erotikdrama, das fraglos ein wenig mehr Fleisch auf die Plotknochen hätte gebrauchen können, aber dank seiner schicken Fotografie, des wunderbaren Scores, einigen schönen Körpern (lechz) und soliden darstellerischen Leistungen der Leads zweifellos zu den, ähem, Höhepunkten der Massacessi-Filmographie gerechnet werden muss. Das lässt mich sogar einen vielleicht nicht objektiv verdienten vierten Punkt rausrücken…

4/5
(c) 2015 Dr. Acula


mm
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