Mylene Farmer – Music Videos I-III

 
  • Original-Titel: Mylene Farmer - Music Videos I-III
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  • Regie: Laurent Boutonnat, Luc Besson, Abel Ferrara, Marcus Nispel, Ching Siu Tung, Francois Hanss, Michael Haussmann
  • Land: Frankreich
  • Jahr: 1985-2000
  • Darsteller:

    Mylene Farmer, Sophie Tellier, Rambo Kowalsky, Yann Babilée, Sandy Whitelaw, David Sadler Hall, Giancarlo Esposito u.v.a.


Vorwort

Musikvideos bei Badmovies.de? Ist der Merkwürden jetzt gänzlich übergeschnappt? Erstens – sowieso, und zweitens, Musikvideos von Mylene Farmer sind nicht Musikvideos, wie sie von den Backstreet Boys, Britney Spears oder anderen Pop-Luschen auf geplagte MTV- und VIVA-Konsumenten losgelassen werden. Heck, das „durchschnittliche“ Mylene-Farmer-Video kann auf keinem der normalen Musikkanäle gespielt werden, nicht nur, weil die richtig Guten schon mal ´ne runde Viertelstunde laufen können, nein, auch weil nach Herzenslust Nudity geboten wird, Blut in Strömen fliessen kann und auch sonst mehr Gewalt geboten wird, als selbst RTL II im Abendprogramm zeigen kann, ohne rot zu werden (ich habe genau EIN Farmer-Video auf MTV gesehen und dieses eine konvertierte mich innerhalb von fünf Minuten vom Ignoranten zum Hardcore-Fan, der sieben CDs und drei DVDs im Regal stehen hat). Diese Videos sind anders – es sind grösstenteils „richtige“ Filme, halt etwas kürzer, aber nicht weniger aufwendig und wer sich die obige Liste an Regisseuren durchgelesen hat – Luc Besson, Abel Ferrara und Ching Siu Tung sind mitnichten irgendwelche Pseudonyme von durchgeknallten Video-Producern, sondern die Echten.

Bevor wir ans Eingemachte gehen, für diejenigen, die Mylene nicht kennen (und obwohl ich zu meiner eigenen Überraschung mittlerweile ein gutes halbes Dutzend Fans in Deutschland kenne, gehe ich davon aus, dass dies die breite Mehrheit sein dürfte…): Mylene Farmer ist nun seit Mitte der 80er Jahre ein, wenn nicht der, weibliche Top-Star der französischen Pop-Szene. Die Kanadierin mit der einmalig ätherischen Stimme schafft es bei ihren pompös und enorm aufwendig inszenierten Tourneen mühelos, das Omnisport in Paris-Bercy mehrfach auszuverkaufen, na, und die Platten verkaufen sich wie von selbst. Sicherlich ist ihr nicht von Nachteil, dass sie raketenmässig gut aussieht (und zumindest auf meiner persönlichen Liste der erotischten Frauen aller Zeiten Platz 1 bis 25 belegt…) und sich mit einem mysteriösen, schwer durchschaubaren geheimnisvollen Image umgibt. Ihre Songs begannen in den 80ern als eingänge Synthipop-Uptempo-Nummern, abgewechselt mit chansonesquen Balladen, entwickelten sich über die Jahre in anspruchsvollere, aber immer noch eingängige Mini-Epen, ehe sie mit dem Album „Anamorphosée“ 1997 plötzlich ein Faible für heftige Rockgitarren und bollernde Drums entwickelte. Für das bislang letzte Studioalbum „Innamoramento“ wurden diese Rockeinflüsse zugunsten von wieder sphärischeren, mystischen Synthi-Klängen zurückgefahren. Nach der Veröffentlichung des Doppel-Best-Of-Albums „Les Mots“ sollte eigentlich demnächst wieder neuer Studiooutput zu erwarten sein, der hierzulande, ebenso wie die DVDs, wieder nur importmässig erhältlich sein wird, seufz.

Tja, kommen wir zu den Videos zurück. Videos sind seit Beginn ihrer Karriere ein integraler Bestandteil des Gesamtkunstwerks Mylene Farmer und wurden auch schon immer so vermarktet. 2000 brachte sie dann ihr videotechnisches Gesamtschaffen, bislang nur durch den Erwerb von ungefähr fünf Compilations zu haben, in einer remasterten und bildschön aufgemachten zweivolumigen DVD-Edition unters Volk (neben bislang drei erhältlichen Live-DVDs). Wir wuseln uns nun chronologisch durch die insgesamt 22 Clips…


Inhalt

Plus Grandir; Regie: Laurent Boutonnat

Im ersten spielfilmartigen Clip der Farmer entdeckt sie beim Spaziergang über einen Friedhof den Grabstein „Mylene Farmer“ (ja, viele der Clips haben ausgsprochen morbide Neigungen) und wir erleben in einer Rückblende das Leben der Verblichenen: Mylene wächst in einem Klosterinternat auf, wird eines Nachts von einem Fremden vergewaltigt. Naturgemäss geben die Nonnen dem Zögling die Schuld an der Misere (ein gewisser antiklerikaler Ton zieht sich auch durch so manches Farmer-Werk) und bestrafen sie heftig, worauf sie nicht mehr fähig ist, Liebe zu empfinden und vereinsamt stirbt.

Von ihrem langjährigen Produzenten und Komponisten Boutonnat inszeniert, deutet dieser erste „Film“ die Marschrichtung künftiger Epen an – opulente Ausstattung und ebensolche Bilder (in 2.35:1-Widescreen, no less), Ganzkörper-Nudity, eine ziemlich heftig angedeutete Vergewaltigung, harter Tobak, aber immerhin noch ohne grösseres Blutvergiessen…

Libertine; Regie: Laurent Boutonnat

Frankreich, am Vorabend der Revolution. Auf einem Schloss gibt sich der Adel den üblichen dekadenten Spielereien hin. Libertine, eine selbstbewusste junge Frau, die den zeitgemässen üblichen Platz in der adeligen Gesellschaft als Konkubine nicht akzeptiert, erschiesst mal eben in einem Duell einen der sich ansonsten verlustierenden Adeligen. Dessen Mätresse, die „Rivalin“ (Sophie Tellier) findet das wenig entzückend. Bei einem abendlichen Saufgelage verknallt sich ein anderer Kerl tierisch in Libertine und bestellt sie in sein Schlafgemach, wo man sofort zur Sache geht. Die „Rivalin“, die sich ebenfalls in den Typen verkuckt hat, geht bei Rückkehr Libertines zur Party mit Schürhaken und abgebrochener Weinflasche auf sie los und beginnt einen blutigen Catfight. Der Lover eilt entsetzt zur Hilfe, schnappt sich die schwer angeschlagene Libertine und reitet von hinnen. Die angefressene Rivalin organisiert eine Verfolger-Posse, die den Flüchtigen auflauert und sie schliesslich ohne Vorwarnung über den Haufen ballert.

Der vielleicht grösste Gassenhauer der Farmer im vermutlich bekanntesten Clip. Eine zwölfminütige (inkl. Vor- und laaaaangem Abspann) einzige Orgie aus Sex (wieder mal mit full nudity seitens unserer Hauptakteurin) und jeder Menge Gewalt – die finale „Exekution“ lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und dürfte selbst Sam Peckinpah gefallen. Obwohl „Libertine“ ohne Dialoge auskommt (aber der Song selbst wird zugunsten „dramatischen“ symphonischen Scores des öfteren ausgeblendet), zeigt Mylene eine ansprechende darstellerische Leistung, während Sophie Tellier feinstes Over-the-top-Acting präsentiert. Boutonnat schwelgt als Regisseur wieder in üpprigen Bildern und liefert beim zweiten Anlauf einen deutlichen Narrative. Starker Clip!

Pourvu qu´ells soien´t douces aka „Libertine II“; Regie: Laurent Boutonnat

Die direkte Fortsetzung zu „Libertine“: Englische Soldaten entdecken die Leichen von Libertine und ihrem Geliebten, doch zur allgemeinen Überraschung ist das Mädchen noch am Leben. Die Soldaten gehören zu einem Trupp, der eigentlich auf dem Weg nach Deutschland ist, sich aber gehörig verfranzt hat – und mit den Franzosen (Stichwort „verfranzt“, hähä) stehen die Tommies nun aber gerade auf Kriegsfuss. Nichtsdestotrotz schlagen die Engländer unter ihrem Captain erst mal Lager auf, wo Libertine gesundgepflegt wird. Der Captain hat gleich mal mehrere Augen auf Libertine geworfen, aber als er den kleinen Trommeljungen, der sie gefunden hat, verprügeln lässt, geht Libertine auf den Captain los und haut ab. Ihre Verletzungen führen aber dazu, dass sie nicht weit kommt und vom Captain wieder gefunden und zurückgebracht wird und im zweiten Anlauf klappt die Romanze dann doch. Doch Verrat ist schon unterwegs… die „Rivalin“ hat Libertine aufgespürt. Sie und eine Handvoll Gefolgsfrauen entert als „Marketenderinnen“ das Engländer-Camp und veranstaltet dort ein mittelschweres Bacchanal. Den „Morning After“ und entsprechenden Hangover der Briten nutzt die herbeigerufene französische Armee für einen heimtückischen Angriff mit allem, was das Arsenal hergibt. Die „Rivalin“ höchstpersönlich erschiesst den Captain, worauf es zum erneuten erbitterten Zweikampf zwischen Libertine und ihrer Rivalin kommt, den diesmal Libertine für sich entscheidet, die Rivalin gibt den Löffel ab. Die Engländer werden völlig aufgerieben – nur der kleine Trommeljunge überlebt, doch die Franzosen sind drauf und dran, auch den Kleenen zu killen, als Libertine hoch zu Ross auftaucht und ihn rettet.

Wow! Diese achtzehn Minuten sind ein ziemlich unvergessliches Erlebnis. Boutonnat und Farmer bauen die die eigentlich abgeschlossene Story von „Libertine“ zu einem epischen Kriegsdrama um Leidenschaft, Liebe, Vertrauen, Verrat und Tod auf, intelligent gescripted und grandios optisch umgesetzt. Erstmals setzt das Duo Boutonnat/Farmer auf Dialoge (übrigens in englischer Sprache) und kann dabei sogar mit einigen Wortwitz-Pointen aufwarten, die schauspielerischen Leistungen sind allenthalben hochbeachtlich. Die mittlerweile schon üblichen Trademarks eines Mylene-Farmer-Videos dürfen nicht fehlen – recht explizite Nackt- und Sexszenen sowie reichlich brutale Gewalt, nicht nur wird den englischen Soldaten nach allen Regeln der Kriegskunst des 18. Jahrhunderts das Licht ausgeblasen, nein, auch der neuerliche Catfight zwischen Farmer und Tellier ist einer von der harscheren Sorte. Nein, Musikvideo reicht dafür als Bezeichnung wirklich nicht mehr aus… das ist schon hohe Filmkunst.

Tristana; Regie: Laurent Boutonnat

Schneewittchen auf Russisch… kurz vor der Russischen Revolution. Die Zarin (Sophie Tellier) und ihr Berater, der diabolische Rasoukine, regieren das Land mit eiserner Faust. Da wir uns in einer Schneewittchen-Variante befinden, ist die Zarin natürlich auch darauf bedacht, die Schönste im Land zu sein, doch Rasoukine weiss von einer gewissen Tristana, die von unglaublicher Schönheit sein soll. Die Zarin will Tristana umgehend tot sehen und Rasoukine eilt in die sibirische Steppe. Dort tollt Tristana mit ihrem Geliebten durch die Wälder, als Rasoukine und seine Henchmen schon die Schwerter zücken. Der Geliebte ahnt, dass die Bösen hinter Tristana her sind und bedeutet ihr zu fliehen, bevor er mit dem Schwert von Rasoukine niedergestreckt wird. Tristana stürzt auf der Flucht einen Abhang hinunter und wird von Rasoukine für tot gehalten. Doch mitnichten – Tristana wird von sieben Zwergen, eh, kleinwüchsigen Menschen, gefunden, die in einem Kollektiv leben und vom Holzfällen leben. In ihrer Wohnstube, in der sie Tristana freundlich aufnehmen, hängt ein Lenin-Porträt. Tristana beginnt ein neues, glückliches Leben bei den Zwergen, doch die Zarin hat mittlerweile Wind davon bekommen, dass Tristana noch lebt und legt selbst Hand an. Während die Zwerge ausser Haus sind, schleicht sie sich an und reicht den berühmten vergifteten Apfel. Weder Zarin noch Rasoukine haben was von der Untat, denn sie werden von Wölfen verfolgt und getötet. Der Geliebte, der das Attentat überlebt und sich den Revolutionären angeschlossen hat, kommt zu spät und findet nur noch die von den trauernden Zwergen aufgebahrte Tristana…

„Tristana“ kam eigentlich vor „Pourvu…“ heraus, aber aus verständlichen Gründen präsentiert die DVD die inhaltlich zusammenhängenden Clips gemeinsam. Allerdings braucht sich „Tristana“, auch ein schlapper Vierzehnminüter, nicht hinter den beiden „Libertine“-Clips zu verstecken. Boutonnat spielt hier mit den Kontrasten einer extrem düsteren und unglücklich endenden Geschichte und der hellen, weissen, schneebedeckten russischen Landschaft (okay, ich weiss nicht, ob tatsächlich on location gedreht wurde, aber das ist wurscht). Auch in „Tristana“ wird übrigens gesprochen, und zwar russisch. Allgemein kann man feststellen, dass Boutonnat zugunsten einer atmosphärischeren Inszenierung die plakativen Sex- und Gewalt-Elemente deutlich zurückschraubt – lediglich ein blutiger Schwertstreich durch des Lovers Gesicht ist zu verzeichnen. Schauspielerisch ist vor allem Sophie Tellier in Höchstform – agierte sie in den „Libertine“-Clips noch over the top, so ist sie nun des Wahnsinns fette Beute… insgesamt ein sehr düsterer, „downender“ Clip.

Sans Contrefacon; Regie: Laurent Boutonnat

Ein erfolgloser Marionettenspieler landet nach einer weiteren missratenen Darbietung abgebrannt bei einer irgendwo in der Pampa campenden Schaustellertruppe. Die Matrone der Truppe brennt mit der nahezu lebensgrossen Marionette durch. Der Eigner verfolgt die Diebin bis an den Strand und muss dort feststellen, dass seine Puppe lebendig geworden ist (natürlich in Mylene-Form). Klar, dass sich der Puppeteer in sein Spielzeug heftig verliebt, doch ebenso klar kann eine solche Liebe nur tragisch enden.

Im Vergleich zu den Vorgänger-Clips mit schlichteren Mitteln gedreht und auch weit weniger wirkungsvoll, zumal der Clip seine Pointen auch recht antelegrafiert. Von den spielfilmartigen Boutonnat-Clips sicher der schwächste, auch da Mylene nur verhältnismässig wenig Screentime hat. Sex und Gewalt nahezu nada.

Ainsi soit-je; Regie: Laurent Boutonnat

Filmisch uninteressanter „normaler“ Videoclip, Myle`ne auf einer Schaukel. Nettes Lied, allerdings.

Sans logique; Regie: Laurent Boutonnat

Eine Zigeunertruppe führt zur Volksbelustigung einen simulierten „Stierkampf“ auf. Dabei fungiert Mylene mit auf den Rücken gefesselten Händen und eisernen „Hörnern“ zum Aufsetzen als Stier, während ihr Geliebter den Torero markiert. Das Publikum ist begeistert, aber eines Tages passiert das vorprogrammierte Unglück… eine unbedachte Bewegung und Mylene hat ihren Geliebten versehentlich wirklich auf die Hörner genommen und getötet…

Ein weiterer, eher düsterer Clip mit einem nicht unblutigen Finale und einer mehr als skurrilen Grundidee. Wieder von der Gesamtanlage her bescheidener als die grossen „Libertine“- und „Tristanä-Filme, aber interessanter und flotter als das vergleichsweise „lahme“ „Sans-contrefacon“-Video.

A quoi je sers; Regie: Laurent Boutonnat

Videotechnisch sowas wie der Epilog zu den „grossen“ epischen Clips. Mylene besteigt einen mysteriösen Nachen und beginnt eine Flussfahrt, an deren Ende sie Charaktere aus den bisherigen Videos erwarten: die Rivalin, der Captain, ihr russischer Geliebter, ihr „Torero“.

Wunderschön in schwarz-weiss gefilmt, hätte diese Ballade rein filmisch der Abschluss der spielfilmartigen Videoclips sein können und scheint auch als solcher gedacht zu sein. Die Allegorie zur Überfahrt ins Land der Toten auf dem Styx drängt sich geradezu auf…

Desenchantée; Regie: Laurent Boutonnat

Myle`ne wird mit dutzenden anderen Jugendlichen in ein fabrikartiges Arbeitslager (oder eine arbeitslagerartige Fabrik?) gebracht, wo sie mit den anderen Kindern nicht nur schwer schuften muss, sondern auch den Misshandlungen durch die Aufseher ausgesetzt ist. Nach fortgesetzten Schikanen, die vor allem einen kleinen Jungen, mit dem sie sich angefreundet hat, platzt Mylene der Kragen und sie zettelt einen Aufstand gegen die Aufseher an. Die Rebellion ruft Soldaten auf den Plan, doch die Aufständischen setzen sich in einem verbissenen Kampf durch. Mylene führt die Gruppe an, doch sie müssen feststellen, dass die Flucht buchstäblich im Nirgendwo endet…

Zum Glück liessen es Boutonnat/Farmer mit „A quoi je sers“ nicht bewenden und legten noch einen weiteren Mini-Spielfilm nach – dafür aber einen, der ziemlich depressiv wirken kann, obwohl sein Ende (die Flüchtenden halten angesichts der wenig erfreulichen Aussichten inne, ehe sie zögernd beschliessen, weiterzugehen) ein Fünkchen Hoffnung offenhält. Interessant ist das Setting – das Fabriklager hat offensichtlich englische Beschilderung, jedoch lässt der zeitliche Kontext vermuten, dass wir uns so um den II. Weltkrieg rum bewegen. Insgesamt ist der Clip wieder wesentlich aufwendiger als „Sans contrefacon“ oder „Sans logique“ inszeniert, mit hunderten von Statisten und einer breit angelegten grossen Actionszene, wie immer handwerklich und technisch perfekt inszeniert und mit einer weiteren guten schauspielerischen Leistung von Mylene (auch wenn einmal mehr auf Dialoge verzichtet wurde).

Regrets; Regie: Laurent Boutonnat

Ähnlich „Ainsi soit-je“ ein filmisch eher uninteressantes Video. Mylene und ihr Duett-Partner Jean-Paul Marat laufen ziellos durchs Gelände. Aber ein sehr schöner Chanson, zweifellos.

Je t´aime melancholie; Regie: Laurent Boutonnat

Neben „Que mon couer lache“ (in einer leicht entschärften Fassung) der einzige jemals auf MTV gelaufene Farmer-Clip. Mylene gibt diesmal eine Kickboxerin, die gegen einen männlichen Gegner antritt, zunächst schwer eins auf die Schnauze bekommt, dann ihren Kontrahenten aber amtlich auf die Matte prügelt.

Ein glänzend choreographierter Clip, dessen Kampfszenen durch hübsche Tanzeinlagen mit einer sehr erotischen Mylene mit Backing-Tänzerinnen unterbrochen wird. Übrigens vielleicht der beste Farmer-Song überhaupt, bei dem Myle`ne auch mit leichten Rap- oder sollte man besser Sprechgesang-Einlagen experimentiert. Sowohl Song als auch Video stellen perfekte Einstiegsdrogen dar.

Beyond my control; Regie: Laurent Boutonnat

Trotz des englischen Titels doch ein französischsprachiger Song (Mylene versuchte nur einmal, mit einer englischen Version von „Que mon coeur lache“ namens „My soul is slashed“ in den internationalen Markt einzubrechen). Das Video bietet heisse, sehr explizite Sexszenen, in denen Mylene ihrem Partner auf vampiristische Art zu Leibe rückt. Sehr ästhetisch gefilmt, nonetheless.

Que mon coeur lache; Regie: Luc Besson

Gott, ein sympathischer älterer Herr britischen Zuschnitts, der „The Times“ liest, ist ein wenig ungehalten darüber, was wir Menschen mit seiner simplen und wunderbaren Erfindung „Liebe“ angestellt haben. Also schickt er seinen besten Engel (Mylene) zur Erde, um dort nach dem Rechten zu sehen. Jesus ist pikiert, dass sein alter Herr ihn übergeht, aber Gott hat darauf ´ne Antwort: „Beim letzten Mal gab´s ein Desaster…“. Der Engel landet und sieht sich mit der heutigen Definition von „Liebe“ konfrontiert, versteht Bahnhof, adaptiert aber schliesslich den irdischen Lebens- und Liebesstil und ploppt Gott nach Rückkehr eine Kaugummi-Bubble ins Gesicht.

Luc Besson (THE PROFESSIONAL, THE BIG BLUE) zaubert hier mit relativ einfachen Mitteln nicht nur eine lustige und subversive (und mal wieder leicht anti-klerikale… u.a. gibt´s eine Szene, in der ein Michael-Jackson-Double von einem Riesen-Kreuz erschlagen wird) Kurzgeschichte auf die Mattscheibe. Mylene hat hier nicht viel mehr zu tun, als einen erstaunt-verständnislosen Gesichtsausdruck spazierenzutragen, dafür gibt es eine Fülle amüsanter Nebencharaktere. Sex wird angedeutet, Gewalt gibt´s nur in Form einiger Watsch´n und ein blutiger Effekt wird auch noch geboten. Insgesamt aber ein hoch unterhaltsamer (und mit englischen Dialogen) garnierter Clip.

XXL; Regie: Marcus Nispel

Inhaltlich ein eher belangloser Clip des deutschen Renommier-Werbe- und Videofilmers Marcus Nispel (der ja auch mal bei THE SIXTH DAY hinter der Kamera stehen sollte, wegen „kreativer Differenzen“, die ausgeprägte Starallüren gewesen sein sollen, dann aber noch vor Drehbeginn gefeuert wurde), dafür aber optisch ein Hochgenuss. Leitmotiv ist eine Dampflok, auf deren Kuhfänger Mylene steht (in voller Fahrt und ohne Double). Mehr ein „klassisches“ Musikvideo denn ein Kurzfilm.

L´instant X; Regie: Marcus Nispel

Ein weiterer Nispel-Clip, diesmal aber mit Anflügen einer Story… und die hat wahrhaft apokalyptische Ausmasse. New York wird von einer gewaltigen Seifenlaugen-Flut, öh, überflutet, die aus allen Wasserhähnen, Kloschüsseln und Gullydeckeln drängt, bis die komplette Skyline ordentlich eingelaugt ist. Ein hauptsächlich tricktechnisch durchaus überzeugendes Spektakel.

California; Regie: Abel Ferrara

Mylene und ihr Partner Giancarlo Esposito in Doppelrollen – einmal als reiches Paar (er offenbar Filmstar o.ä.), einmal als Nutte und ihr Zuhälter. Auf der Fahrt zu einem Empfang sehen sich die beiden Frauen und Mylene, die Reiche, wird Zeugin, wie der Zuhälter Mylene, die Nutte, ermordet. Das geht ihr nicht aus den Kopf, also ändert sie ihr Outfit, reisst den Zuhälter problemlos auf, und revanchiert sich für die Mordtat mit den gleichen Mitteln.

Ein weiterer grandioser Clip, diesmal serviert von Düster-Spezialist Abel Ferrara, der uns in Parallelmontagen erst mal in die Leben der beiden Frauen einführt, sie dann ihre Wege kreuzen lässt und schliesslich dem ganzen den typischen schwarzsehenden Ferrara-Touch mit tragischem Ende aufsetzt. Erstklassig fotografiert, sehr gut geschnitten, mit einer ausgezeichneten darstellerischen Leistung von Mylene. Selbst im Gesamtwerk von Ferrara sicher weit oben anzusiedeln und eigentlich ein Muss für Komplettisten desselben. Sex und Gewalt werden allerdings nur angedeutet.

Comme j´ai mal; Regie: Marcus Nispel

Noch mal Nispel, allerdings von der guten Sorte. Ein Mädchen, das für sein Leben gern Insekten sammelt, wird von seinem Vater misshandelt. Sie versteckt sich im Schrank, verpuppt sich und mutiert schliesslich zu einem Insekten-Monster (so zumindest versteh ich das ganze). Brillant gefilmt.

L´âme-strâm-grâm; Regie: Ching Siu Tung

Zwei Schwestern führen ein zufriedenes und glückliches Leben irgendwo in China, bis eine mongolische Barbarenhorde ihr trautes Heim überfällt. Obwohl die Schwestern über paranormale Kräfte verfügen (wenn ihre froschartigen Zungen sich berühren, können sie diverse CGI-Effekte auslösen :-)), gelingt es den Barbaren, eine der Schwestern zu entführen und die andere schwer zu verletzen. Im Barbaren-HQ werden die Gefangenen fröhlich gefoltert und auch mit dem Mädel will man seinen Spass haben. Doch die andere Schwester geht auf die Suche, allerdings erreicht sie das Lager nicht, sondern stirbt vorher. Doch ihr Geist lebt weiter und befreit die Schwester mit Hilfe einiger weiterer Spezialeffekte. Geist und Schwester fliegen durch den Himmel, doch die Trennung kann nicht vermieden werden – immerhin ist die eine tot und die andere nicht. Unfähig, alleine zu leben, begeht die überlebende Schwester Selbstmord und ist so für immer mit ihrer Schwester vereint…

Ein episches Video im besten CHINESE-GHOST-STORY-Stil von Meister Tung persönlich in Szene gesetzt. Der achtminütige on-location gedrehte Clip beinhaltet massenhaft Action und ausgezeichnete Spezialeffekte, Wire-stunts, alles, was das Herz begehrt, und das in erwartungsgemäss überwältigenden Bildern. Ähnlich wie „California“ ist auch dieser Clip gut genug, um im Gesamtschaffen des Regisseurs einen angemessenen Platz zu finden. Ching-Siu-Tung-Fans sollten auf jeden Fall reinschauen und werden es nicht bereuen.

Je´te rendes ton amour; Regie: Francois Hanss

Ein etwas undurchschaubarer Clip… ich reime mir das so zusammen, dass eine blinde Frau (Mylene) nach einem gescheiterten Selbstmordversuch (offenbar starb kurz zuvor ihr Ehemann) eine Kirche zwecks Beichte aufsucht. Leider scheint sie an den falschen Beichtvater zu geraten.

Von allen Farmer-Clips ist dies nicht nur einer der bizarrsten, sondern mit Sicherheit auch der blutigste, und auch einer der mit den meisten nackten Tatsachen… Gewagte Bilder wie eine blutüberströmte nackte Mylene in gekreuzigter Pose werden fanatische katholische Fundamentalisten in Scharen auf die Barrikaden treiben. Ebenso gefeatured: Mylene in Bondage und, wie erwähnt, Blut, Blut, Blut. Dennoch ist das ganze hochästhetisch inszeniert und keineswegs plakativ. Das offenkundig nicht unbedingt religionsfreundliche Motiv feiert hier mal wieder fröhliche Urständ. Kein leicht verdaulicher, aber ein ungeheuer kraftvoller und sehenswerter Clip.

Add-On: Manchmal seh ich den Wald vor lauter Bäumen nicht… wie mir eine liebe Freundin (Hi, Birgit!) verklickerte, ist´s natürlich hochwahrscheinlicher, dass der Beichtstuhlinsasse niemand anderes als der Gottseibeiuns persönlich ist, womit natürlich auch die Kruzifix-Pose deutlich mehr Sinn macht. Anti-Klerikal ist´s natürlich trotzalledem 🙂

Souviens-toi du jour; Regie: Marcus Nispel

Eine offensichtlich von ihrem Lover verlassene Frau zündet ihre Wohnung an und durchstreift, während um sie herum alles abfackelt, noch einmal die Zimmer, ehe sie auf der Wohnzimmercouch auf die Flammen wartet.

Wieder mal ein bissel Morbidität… Nispel bietet in seinem vierten Farmer-Clip jede Menge Pyrotechnik auf, kann aber in Punkto Atmosphäre mit seinen Kollegen Boutonnat, Besson, Ferrara, Tung oder Hanss nicht mithalten.

Optimistique-moi; Regie: Michael Haussmann

Möglicherweise ein symbolträchtiger Clip: Mylene mimt eine unglückliche Zirkusartistin, die von ihrem Direktor aufs Hochseil und zum Balancieren auf einem Ball getrieben wird. Ein hilfreicher Magier verschafft ihr durch ein gekonntes Zauberkunststück die Freiheit.

In diesem Clip sehen wir noch mal einige alte Bekannte wie Sophie Tellier als Assistentin eines Messerwerfers und einige der Zwerge aus dem „Tristana“-Clip. Überraschenderweise mal ein Clip mit einem echten Happy-End (dem Songtitel angemessen)…

Innamoramento; Regie: Francois Hanss

Den Abschluss bildet ein etwas einfallsloser Mix aus Live-Video von der „Mylenium“-Tour und untergemischten Aufnahmen einer nachdenklichen Mylene in freier Natur. Not of special interest.

Bewertung

In üblicher Weise jetzt noch eine ausführliche Filmanalyse zu machen, na, das bringt jetzt wohl wenig, zumal ich ja schon zu den einzelnen Videos meinen Senf dazu gegeben hat. Vielleicht noch soviel: alle Clips sind technisch perfekt, da gibt´s nirgendwo auch nur ein Jota zu meckern.

Also widmen wir uns lieber noch kurz den technischen und sonstigen Aspekten der DVD. Das Bildmaterial ist exquisit und wird, je nach Video, z.T. in erlesenstem Widescreen präsentiert. Schade allerdings ist, dass Universal Music den DVDs nicht wenigstens Dolby Digital-Ton spendiert hat. Selbst die neusten Videos (Baujahr 1999) müssen mit etwas magerem handelsüblichen PCM-Stereo-Ton auskommen und das ist für eine Veröffentlichung, die nun mal explizit was mit Musik zu tun hat (und demzufolge mit Ton) schon ein wenig mager. Dennoch klingt natürlich PCM-Stereo auf DVD tausendmal besser als das beste Stereo auf einem normalen VHS-Video, aber die Stereo- oder Dolbyanlage reizt man mit den Discs nicht wirklich aus.

Dafür featuren beide Discs (die übrigens dermassen aufgeteilt sind, dass alle Boutonnat-Clips „Music Videos I“ ausmachen und der Rest auf der DVD „Music Videos II & III“ [die etwas kuriose Bezeichnung der zweiten DVD resultiert daraus, dass alle drei Kompilationen zuvor auf Video erhältlich waren und Vol. II und III aufgrund des Zeitablaufs zwischen den Video-Releases auf zwei seperaten Cassetten kamen, die man nun auf einer DVD unterbrachte] sich wiederfinden) noch über so manche Extra-Features. DVD I bietet als Bonus noch den frühen und qualitativ überhaupt nicht mit den nachfolgenden Sachen vergleichbaren Clip „Maman a tort“ (ein ziemlich primitives Video, für Komplettisten aber natürlich hochinteressant) sowie Live-Versionen von „Allan“ und „Plus Grandir“. Dazu gibt´s noch ausführliche Making-ofs von „Pourvou qu´elles soint douces“ und „Desenchantée“, leider nur in französischer Sprache). DVD II kommt dagegen mit Live-Aufnahmen von „Ainsi soit-je“, dem Polnareff-Standard „La poupée qui fait non“ im Duo mit Rai-König Khaled (aus der Bercy-Show) sowie „Rever“, dazu gibt´s noch Making-of-Dokumentationen zu „Californiä und „L´âme-strâm-grâm“, die zwar auch auf Französisch gehalten sind, jedoch auch so interessant sind, sowie unter dem Titel „M.F. Confidential“ Impressionen von den Aufnahmen des 95er-Albums „Anamorphosée“, was die Gesamtspielzeit von DVD II trotz „nur“ 53 Minuten Videos auf 130 Minuten steigert.

Fazit: Für Mylene-Farmer-Fans und solche, die es werden wollen, ein quintessentieller Kauf, in besserer Ton- und Bildqualität waren und sind die Videos bisher nicht zu haben und die Fülle an unveröffentlichtem Bonusmaterial rechtfertigt die Anschaffung umso mehr. Aber auch Filmfreunde, die nicht unbedingt französische Popmusik auf ihrem normalen „Speiseplan“ haben, sollten sich den ein oder anderen Kurzfilm durchaus mal zu Gemüte führen, vielleicht wird eine richtige Infektion draus. Wer nicht gleich alles haben will – auf Video sind diverse Kompilationen erhältlich, die man, wie natürlich auch die DVDs, zu relativ vernünftigen Preisen und unkompliziert bei amazons französischer Dependance ordern kann.

Wer vom Virus Mylene dann noch nicht genug hat, sollte sich vielleicht auch noch die DVD „Mylenium Tour“ auf den Einkaufszettel schreiben. Die 160 Minuten dort beinhalten nicht nur eine komplette Live-Show (die nicht nur deswegen, aber auch sehenswert ist, weil man da endlich mal ausgewachsene Kerle sieht, die in der ersten Reihe in Ohnmacht fallen und von den Sanis abtransportiert werden – nein, es gibt auch eine aufwendige Bühnenshow), sondern auch Multi-Angle-Funktionen für verschiedene Perspektiven während des Konzerts und eine Fotogalerie und diverse Behind-the-Scenes-Dokumentationen (so z.B. über Zusammenstellung von Band und Tänzertruppe).

Tja, Mylene Farmer sehen und sterben, mein letzter grosser Lebenswunsch… für´s erste wäre ich aber auch damit zufrieden, wenn sich das Farmer-Management dazu entschliessen könnte, den 1994 mit einem Aufwand von 60 Mio. DM inszenierten Farmer-Kinofilm GIORGINO (die bis dahin teuerste französische Filmproduktion), eine düstere und unheilvolle Kriegsparabel, die in den Kinos selbst in einer mühevoll auf knapp zweieinhalb Stunden heruntergeschnittenen Fassung grandios floppte, endlich aus dem Giftschrank zu holen und dem geneigte Publikum in Form einer hübschen DVD (darf ruhig Director´s Cut sein) zu präsentieren…

Diesen kleinen feinen Text könnt Ihr, bei Interesse, neben sprichwörtlich Gazillionen anderer interessanter Facts & Berichte über das Phänomen Mylene Farmer bei der vermutlich besten deutschen Fansite, mylene-farmer.de nachlesen 🙂 Die Site lohnt den Besuch auf jeden Fall (eine solche Webpräsenz stände so manchem Künstler offiziell ganz gut zu Gesicht!)

Add-on: Mittlerweile ist „Music Videos IV“ mit einem soliden Rudel weitere Clips ab dem Jahr 2000 ebenfalls auf DVD erschienen. Da ist wieder manch Krancher, sowohl musikalisch als auch cliptechnisch, dabei…

(c) 2001 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 1

BIER-Skala: 9


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