
- Deutscher Titel: Mutant Chronicles
- Original-Titel: Mutant Chronicles
- Regie: Simon Hunter
- Land: USA
- Jahr: 2008
- Darsteller:
Thomas Jane (Hunter), Ron Perlman (Bruder Samuel), Devon Aoki (Valerie Duval), Sean Pertwee (Nathan Rooker), Benno Fürmann (Maximilian von Steiner), John Malkovich (Constantine), Anna Walton (Severian), Tom Wu (Juba Kim Wu), Steve Touissaint (John McGuire), Luis Echegaray (Jesus de Barrera), Pras Michel (Capt. Michaels), Shauna Macdonald (Adelaide)
Vorwort
Vor Tausenden von Jahren tauchte eine Maschine auf der Erde auf, die Menschen, ob lebend oder tot, in garstige Mutanten verwandelte. Mit vereinten Kräften gelang es den „alten Stämmen“ unter der Führung eines legendären Kriegers, die Mutanten zu besiegen und die Maschine zu vergraben. Nur der „Bruderschaft“, einem Mönchsorden, ist die Geschichte der Maschine bekannt. Im Jahr 2707 kloppen sich vier mächtige Konzerne im Kampf um Rohstoffe und Machtpositionen – bei einer Schlacht zwischen dem europäischen Bauhaus- und dem amerikanischen Capitol-Konzern auf osteuropäischer Furche legen die Kampfhandlungen zufällig das „Große Siegel“ frei und brechen es – die darunter vergrabene Maschinerie läuft wieder an und spuckt am laufenden Meter klauenbewehrte Mutanten auf, die beide Armeen aufmischen. Mitch Hunter, einem Capitol-Soldaten, gelingt nur mit Müh‘ und Not die Flucht vom Schlachtfeld.
Wenige Wochen später haben die Mutanten beinahe schon den gesamten Erdball überrannt, auch der Zusammenschluss der Konzern-Armeen bleibt ohne Wirkung. Bruder Samuel, Oberhaupt der „Bruderschaft“, schlägt den Konzern-Chefs vor, auf die Prophezeihungen der „Chronik“ der Bruderschaft zu setzen, die für den Fall der Fälle einen „Auserwählten“, der den Feinden der Menschheit übel aufs Haupt schlagen wird, und für den er sich unbescheidenerweise selbst hält, vorhersagt, und bittet um eine kleine Eingreiftruppe, mit der er zur Maschine selbst vordringen und selbige in den Orkus jagen will. Die Großkopferten bevorzugen eine Evakuierung auf die exterrestrischen Kolonien, nur Constantine, Chef der Capitol-Gruppe, vertraut Samuel und überlässt ihm ein Raumschiff sowie eine Handvoll Evakuierungs-Pässe, mit denen er sich ein Team zusammensuchen soll. Tatsächlich gelingt es Samuel, eine kleine Truppe selbstmörderisch veranlagter Elite-Kämpen aus allen Konzernen für sich und sein Himmelfahrtskommando zu gewinnen, außerdem darf seine stumme Kampfamazone Severian mit auf die Mission. Nachdem man bei einer Bruchlandung noch schnell den Quotenschwarzen losgeworden ist, dringt das Team durch die Katakomben unter der Kathedrale der Hauptstadt in das Tunnelsystem ein, das die Mutanten nutzen, um ihre Opfer zur Maschine zu schleifen…
Inhalt
Es war einmal ein Rollenspiel schwedischer Herkunft namens „Mutant Chronicles“, das 1993 erstmals erschien und Popularität weniger durch seine Pen- und Paper-Variante, als vielmehr seine Tabletop-Version „Warzone“ (ganz leicht beeinflusst vom Genre-Klassiker „Warhammer 40,000“) gewann, ein paar Sammelkartenspiele, ein Videospiel, Comics und eine Romantrilogie hervorbrachte – quasi das übliche, was an spin-off-Produkten jedem Rollenspiel widerfuhr, das mehr als 100 Einheiten absetzen konnte. Kurz gesagt – es war ein Game und ein Universum, das seine Freunde hatte, aber keineswegs als Hit oder Klassiker zu geltend hat. Nicht mal Uwe Boll interessierte sich dafür, aus dem Stoff, in dem es um den Kampf von fünf Megakonzernen, der fanatischen „Bruderschaft“ und der erzbösen „Dunklen Legion“ (die auf dem fiktiven 10. Planeten Nero haust) um die Vorherrschaft im Sonnensystem geht, einen Film zu machen, dafür aber (u.a.) Edward R. Pressman, seines Zeichens einer der umtriebigsten unabhängigen US-Produzenten, der mehr oder weniger geistreiche Werke wie Terence Malicks „Badlands“, Brian de Palmas erste Filme, Oliver Stones erste Eskapaden, die beiden „Conan“-Filme, Masters of the Universe, „Street Fighter“, „Judge Dredd“, aber auch „Bad Lieutenant“, „Talk Radio“ oder „Good Morning, Babylon“ finanzierte. Man sieht’s, Pressman ist ein echter Entrepreneur, dem’s nicht ausschließlich darum geht, mit dem von ihm geförderten Werken einen großen Reibach zu machen, sondern der auch mal ein finanzielles Risiko eingeht, um junge Regisseuren zu ermöglichen, ihre Hörner abzustoßen. Was ihn aber hier geritten hat…
Der undankbaren Job, aus dem wie üblich bei Rollenspielen eher komplexen Storykonstrukt eine verfilmbare Geschichte zu destillieren, fiel Philip Eisner zu, der bis dato nur den schnuffigen Okkult-SF-Horror „Event Horizon“ und das eher verschnarchte Sequel Firestarter 2 – Rekindled aus seiner Textverarbeitung fließen ließ, als Regisseur wurde der junge Brite Simon Hunter, mit seinem Low-Budget-Slasher „Lighthouse“ nun auch nicht gerade wirklich *aufgefallen*, angeheuert.
Wie so oft darf man sich allerdings die gepflegte Frage stellen, warum man (in diesem Falle nun sicherlich keinen elefantösen Betrag, schließlich ist „Mutant Chronicles“ jetzt nicht gerade ein Franchise wie „Dungeons & Dragons“ oder wenigstens „Battletech“) überhaupt Lizenzrechte erwarb, denn, das walte der Schutzheilige aller Game-Verfilmer, der Heilige St. Reibach, das filmische Endprodukt sieht nicht wirklich danach aus, als hätte es speziell etwas mit der Vorlage zu tun. Was ist aus dem „Mutant Chronicles“-Universum übriggeblieben? Vier Konzern-Namen (für den fünften, „Cybertronic“, hat’s schon nicht mehr gereicht), die „Bruderschaft“ und Mutanten an und für sich. Die Konzern-Verbindung ist für den Film völlig belanglos, weil die Story ebenso gut mit Amerikanern und Russen funktionieren würde, die „Bruderschaft“, im Spiel eine fanatische Organisation, ist hier ein zurückgezogener christlicher Mönchsorden, der in irgendeinem Hochgebirge reklusiv vor sich hin möncht (und überhaupt die spannende Frage offen lässt, warum eine nach Filmlogik zehntausend Jahre alte Prophezeihung für einen Christenorden irgendwelche Relevanz entfaltet, bzw. wieso die Bruderschaft sich irgendwann mal in eine christliche Betstube umfunktioniert hat). Weltraum-Action mit munter zwischen den extraterrestrischen Kolonien herumschwirrenden Raumschiffen (die „dunkle Legion“ beherrscht z.B. die Wurmloch-Manipulation) bleibt außen vor – klar, dafür ist keine Kohle da, statt dessen beglückt uns der Film mit einem 28. Jahrhundert im Steampunk-Look (im Wortsinne: es gibt dampfgetriebene Flug- und Raumschiffe). Ich bin der Letzte, der gegen ein zünftiges Steampunk-Spektakel etwas einzuwenden hat, aber es bräuchte Hirn, Verstand, Konsequenz – und das hat ein Pseudo-Steampunk, in dem im Krieg zwar munter irgendwelche Plasma-Energiewerfer eingesetzt werden, Flugzeuge aber mit Dampfmaschinen betrieben werden, nicht zu bieten.
Will sagen – der „Look“ von „Mutant Chronicles“ scheint weniger einem künstlerischen oder erzählerischen Konzept geschuldet zu sein, sondern vielmehr dem Umstand, dass Steampunk und Retro-Technik „cool“ sind und man das halt irgendwie auch in den eigenen Film reinfummeln wollte. Dazu passt freilich auch, dass die Grabenkämpfe zwischen Bauhaus und Capitol eine ziemlich authentische Nachstellung des Stellungskriegs anno 1917 an der Westfront bieten, inklusive Gasmasken, kameradschaftlichem Zigarettenteilen und bedenklichen hygienischen Zuständen. Sehr schön detailverliebt, nur – will ich in einem SF-/Horrorfilm, der im Jahr 2707 spielt, eine authentische Nachstellung des Stellungskriegs anno 1917 an der Westfront *SEHEN*? Da gibt’s andere Filme zum Thema, und die meisten davon sind besser. Der Film postuliert keinerlei Grund, warum die Figuren in ihren Schützengräben in glaubhaften Nachahmungen von britischen bzw. deutschen Uniformen aus dem Ersten Weltkrieg rumlaufen, mit ihren Pistolen rumfuchteln (aber auch moderneren Maschinengewehren) und gleichzeitig von (dampfbetriebenen) futuristischen Luftfahrzeugen ausgeflogen werden. Es ist eine Welt ohne interne Logik, ohne Begründung – da hat sich nur mal wieder ein Produzent gedacht: „Wäre cool, wenn das so aussehen würde wie im Ersten Weltkrieg“ und der ausführende Drehbuchscherge zuckte mit den Schultern und machte sich ans Werk. Zudem ist so ein schlammverkrusteter Schützengraben auch nicht gerade der ideale Ort, um wichtige Charaktere einzuführen – unter Stahlhelm und Uniform sieht ein Typ aus wie der andere, dass irgendeiner davon noch mal wichtig werden wird, können wir bestenfalls raten (zumal die Herren sich in dieser Phase auch nicht ständig mit ihren Charakternamen anreden; dass Maximilian von Steiner der Bauhaus-Kommandant ist, mit dem Mitch Hunter in der Schlacht aneinandergerät, ist mir auf Anhieb auch nicht aufgefallen).
Aber Logik ist die Stärke der Story sowieso nicht – neben dem schon erwähnten Bruderschaft-Dummsinn (die Bruderschaft sitzt zwar zurückgezogen in hochalpinen Territorium, trotzdem kann der Obermönch recht problemlos ein Meeting mit allen vier Konzernführern arrangieren und dort seine Pläne vortragen. Wie realistisch ist das denn? Zumal der Film seinen okkulten Ansatz – Samuel meint, der Gefallene persönlich habe die Maschine gebaut – zu guter Letzt zugunsten einer wissenschaftlicheren Erklärung aufgibt) gibt’s weitere Klöpse en gros: da wird die Hauptstadt Capitols („Kanaan“ von Namen. Ja, wir sind schwer symbolisch. Wir entblöden uns ja auch nicht, bei Samuels Vortrag vor den Konzernbossen ein Heiligenschein-Halo hinzuinszenieren, dass es Ed Neumeier in Starship Troopers 3: Marauder peinlich gewesen wäre, und dort war’s Satire) von den Mutantenzombies niedergebrannt (interessanterweise gibt’s UNTER Kanaan noch eine komplette „verlorene Stadt“ mit Wolkenkratzern! Besser als Seattles Underground), aber ein paar Kilometer weiter sitzen die Leute noch friedlich in ihren Wohnungen und kochen Tee, als ob jeden Tag Killermutanten einfallen würden; da wird Mitchens Kumpel Nathan, der in der anfänglichen Schlacht von den Mutanten weggezerrt wird (DIREKT oberhalb der Maschine) WOCHEN später lebendig in den Katakomben gefunden, wo er IMMER noch von den Mutanten durch die Gegend gezerrt wird (Orientierungssinn haben die mit den derangierten Visagen offenbar keinen), da haben wir völlig irrelevante Vignetten wie das Drama einer jungen Mutter und ihrem kleinen Sohn (oder große Schwester mit kleinem Bruder, was weiß ich, ist ja nicht so, als würde man es uns sagen), die auf dem Weg zur Evakuierung eines der Passierscheine verlustig gehen und darob getrennt werden, mit der tragischen Note, dass der evakuierte Junge leider ins Gras beißt, weil sein Flugzeug noch am Startort explodiert, oder eine Evakuierungs-Versteigerung, die Elender Held (TM) Hunter natürlich noch stoppen muss, ehe er an die scheinbar im direkten Vergleich eher unwichtige Weltrettung gehen kann (später seilt er sich noch von der Truppe ab, um den waidwunden Nathan zu retten. Wohltäter… und von denen hängt das Schicksal der Welt ab). Bauhaus-Leute sind natürlich deutsche Nazis (ungeachtet der Tatsache, dass die zu Beginn eingeblendete Weltkarte recht deutlich macht, dass Bauhaus deutlich jenseits der Oder/Neiße-Linie regiert. Die Grenze scheint so ungefähr quer durch Polen zu verlaufen, und Bauhaus sitzt östlich davon), und deren Offiziere sind natürlich nicht nur Offiziere, sondern auch adlig (worauf in der Vorstellung dann auch noch extra hingewiesen wird), Nicht-Capitol-Kämpfer sind bestenfalls dazu geeignet, irgendwo mal kurz den Betrieb aufzuhalten (der erwähnte Quotenschwarze schafft’s noch nicht mal in den Kampfeinsatz, der Asiate geht im heldenhaften Kampf um einen Fahrstuhl drauf), aber keineswegs in der Lage, etwas *wichtiges* beizutragen, Kampfamazone Severian erleidet im dramaturgisch bestmöglichen Zeitpunkt einen Anfall akuter Hirndiarrhöe (SPOILER: um sich vom mutierten Samuel killen zu lassen).
In diesem gesammelten Dünnpfiff geht die singulär gute Idee des Scripts (nach meiner Erkenntnis auch eine originale, nicht dem Spiel geschuldete, aber da kann ich mich irren), nämlich die wirklich coole Mutanten-Umwandlungsmaschine (auch wenn man natürlich wieder darüber diskutieren kann, warum das Ding ungefähr so groß ist wie das Empire State Building. ’ne Nummer handlicher ging’s nicht?) ziemlich unter – das ist ein Einfall à la H.R. Giger (von der Konzeption, nicht vom Design), der einen besseren Film verdient hätte.
Es fällt natürlich auch schwer, mit Charakteren (Charaktere? Welche Charaktere? Die Hälfte der Hauptfiguren zaubert das Script eh zu Beginn der Mission einfach aus dem Hut und stellt sie mit zwei Sätzen Hintergrundinfo vor, der Rest ist cookie-cutter-stuff, wobei dramatische Möglichkeiten wie ein etwaiger Konflikt Steiner/Hunter, die sich immerin vom Schlachtfeld her kennen, kaum stattfindet. Alles, was Steiner seinem Capitol-Rivalen entgegensetzt, könnte auch ein x-beliebiger anderer Typ, der echtes Interesse am Erfolg der Mission hat, dahersalbadern) zu sympathisieren, die sich hauptsächlich selbst in Gefahr bringen. Klar, die Mission ist nicht ganz ohne, ein Himmelfahrtskommando, aber so richtig gerät die Kacke nur ans Dampfen, wenn die Blödpfeifen, die sich in Ermangelung anderer Alternativen Helden nennen, mal wieder ohne Rücksicht auf den Ausgang ihrer nicht ganz unwichtigen Mission (Rettung der Menschheit, gelle?) an Nebenkriegsschauplätzen aufhalten, einem todgeweihten Kameraden beistehen müssen o.ä. Jau, ein durchgängiges Thema ist wohl, dass man sich die „Menschlichkeit“ bewahren muss und sich durch die Sorge um die Gefährten von den mordgierigen Mutanten unterscheidet, aber: jedem der Teilnehmer an der Mission war klar, dass es eine solche ohne Wiederkehr ist, und, verdammtnochmal, es steht ein bisschen mehr auf dem Spiel als die Gesundheit eines der Teammitglieder. Resultat: emotional-dramaturgisch ist „Mutant Chronicles“ vollkommen „uninvolving“ – der Streifen rattert so über seine Laufzeit, man kuckt zu, ist aber in keiner Weise irgendwie am Geschehen auf dem Bildschirm beteiligt.
Dazu trägt auch die Optik des Streifens bei – Simon Hunter setzt, der Thematik durchaus angemessen, auf düstere, grau-schwarze visuals, einige ganz anständige CGI-Animationen und -Backgrounds. Problem: „Mutant Chronicles“ hat diesen typischen Greenscreen-Look, der dem Zuschauer viel zu offenkundig klar macht, dass hier nichts „real“ ist, keine Kulisse, kein beweglicher Gegenstand, keine Mutantenklaue. Das macht den Film zu dem, was ich mal despektierlich „abgefilmtes Videospiel“ nennen möchte. „Mutant Chronicles“ ist auch aufgrund seines visuellen Stils das Äquivalent dazu, eineinhalb Stunden lang einem nicht unbegabten Gamer beim „Resident Evil“-Durchzocken zuzukucken (mit ein paar mehr Filmsequenzen zwischen den Levels als üblich) – und das ist nunmal nicht wirklich *spannend*. Ich gebe zu, für das Budget des Streifens (es wird von einem einstelligen Mio-Dollar-Budget gemunkelt) ist das ausgesprochen ansehnlich bis sensationell, aber – wenn man, und da sind wir uns glaub ich einig, für 5-8 Mio. Dollar keinen überzeugenden GROSSEN CG-gestützten Superduper-SF-/Action-Baller-Horrorfilm machen kann, sollte man’s bleiben lassen. „Mutant Chronicles“ sieht für sein Budget gut aus, aber im direkten Vergleich mit Major-Produktionen (oder schwergewichtigeren Independentfilmen) auch wieder halbfertig (ich komme einen Absatz oder so weiter bei den FX noch mal drauf zu sprechen). Hunter gelingt es nie, einen echten übergreifenden Spannungsbogen aufzubauen, der Film zerfällt förmlich in seine Vignetten und Actionsequenzen, es ist wirklich wie das Hüpfen von Level zu Level in einem Shooterspiel (und das lustigerweise bei einem Stoff, der eben nicht auf einem Videogame basiert), und was an Dramaturgie eventuell den zerfahrenen Regiestil Hunters überlebt, das lässt er erfolgreich durch einen der überflüssigsten und konzeptionell hirntotesten voice-over-Erzähler aller Zeiten zu Tode quasseln – „narrated“ wird unser Film nämlich von Bruder Samuel, und leider wird selten bis nie deutlich, ob das nun eine nachträgliche Erzählung ist, gerade von ihm „gedacht“ wird oder möglicherweise gerade sogar in einer Dialogsituation im Film von ihm geäußert wird (schlussendlich entscheidet sich der Film für das „Nacherzählen“, was ausgesprochen schwachsinnig ist, weil Samuel das Filmende nicht erlebt, trotzdem aber das Schlusswort spricht. Und das Ende, SPOILER voraus, ist eh doof. Eine echte Lösung für das Problem wird nicht gefunden, man schickt’s einfach weiter, und, bei böswilliger Interpretation, genau dahin, wo sich die Evakuierten hingeflüchtet haben. SPOILERENDE). Kameraführung und Schnitt sind okay, die Musik stellenweise etwas zu pathetisch.
Zu den FX – wir haben schon festgestellt, die CGIs sind technisch passabel, aber das compositing passt nicht – viel zu oft sieht’s einfach zu irreal aus, die Illusion, Darsteller und FX könnten sich *wirklich* im gleichen Shot befinden, will sich nicht recht einstellen. Besonders deppert ist die Entscheidung, mit CG-Blut rumzusplattern, und – offensichtlich als gewollter Kontrast zur düsteren Restoptik – das auch noch in einem derart grellen Rot, dass der Zuschauer praktisch immer, wenn mit CG-Blut gesuppt wird, den Eindruck hat, jemand hätte mit ’nem Filzstift auf’s Negativ gemalt. Das sieht ungefähr so realistisch aus wie Laserstrahlen in einem Italo-SF-Film von 1975. Patschen wir einfach einen roten Farbklecks hin, wird schon passen. In die gleiche Kerbe fällt der wohl schlechteste von mir bislang gesichtete „cut’n’slide“-Effekt – ich musste zweimal hinsehen, bis mir überhaupt klar war, WAS die FX-Abteilung da eigentlich zeigen will. Wenigstens stimmt der Härtegrad – für die 16er-Freigabe (die KJ der Kaufvideofassung beruht mal wieder auf bösen Trailern) musste der Streifen gegenüber der ungeschnittenen SPIO/JK-Fassung gerade mal 33 Sekunden Federn lassen (teilweise hat man auch beanstandete Shots durch „harmlosere“ ersetzt). Handwerklich sind die Schnitte gut gemacht, inhaltlich bis auf eine Ausnahme (SPOILER: dass Hunter Nathan einen Gnadenschuss verpasst, muss man in der Cut-Fassung raten) auch nicht sinnentstellend oder Fragen offen lassend. Für die FSK-16 beinhaltet „Mutant Chronicles“ immer noch einiges an Durchbohrungen, Gore und sonstigen Splattereffekten.
Nun noch zum Cast – der sieht auf den ersten Blick für einen finanziell eher schmalbrüstige Indie-Produktion recht patent aus, bis einem der Knopf aufgeht, dass er jetzt auch nicht patenter ist als das, was Uwe Boll immer wieder für seine Filme gewinnen konnte. Has-Beens und Will-Never-Be’s, die eh nix besseres zu tun haben, als zwischendurch für eine Handvoll Öre mal ’nen Indie-Splatterfilm mitzunehmen – Thomas Jane („Deep Blue Sea“, „The Punisher“) kann man wohl nun endgültig in die Schublade „einstiger New Hopeful, jetzt bestenfalls noch im Fernsehen zu gebrauchen“) einsortieren. Jane ist ’ne charismafreie Zone, da kann er noch so sehr einen auf harten Maxe machen.
Ron Perlman (von dem ich übrigens persönlich enttäuscht bin: beim FFF 2009 läuft nur EIN Film mit ihm) spielt eh alles, was man ihm anbietet, und so eine Rolle wie den Bruder Samuel auch noch im Schlaf, mit verbundenen Augen und auf den Rücken gefesselten Händen.
Devon „Freak“ Aoki („Spy Girls“, „DOA: Dead or Alive“, „Sin City“) hat man wenigstens, ebenso wie der mit ihrem neckischen Kurzhaarschnitt ausgesprochen hübsch anzusehenden Anna Walton („Hellboy 2 – Die goldene Armee“), ein paar kick-ass-Actionszenen gegönnt, die mangelnden character background und eingeschränkte darstellerische Fähigkeiten halbwegs ausgleichen.
Benno Fürmann („Der Eisbär“, „Der Krieger und die Kaiserin“, „Speed Racer“) versucht’s mal wieder international und darf doch wieder nur einen Nazi spielen (nicht explizit, aber, hey, wir sind ja nicht ganz blöd), weshalb seine Performance über militaristisch-zackig auch nicht hinausgehen muss.
Sean Pertwee („Dog Soldiers“) verschleißt sich ebenso wie John Malkovich („Burn after Reading, „Eragon“), der es auch besser wissen müsste, aber eben meistens doch dem Lockruf des Geldes folgt, in einem streng genommen überflüssigen extended cameo, und auch Ex-Fugees-Hip-Hopper Pras Michel hätt’s jetzt nicht wirklich gebraucht (echten „name value“ bringt der Bursche jetzt ja auch nicht mit. Aber Genrefilme ohne Quotenrapper sind mittlerweile ja wohl verboten).
Bildqualität: Der anamorphe 1.85:1-Transfer, den splendid uns vorsetzt, ist durchaus gut gelungen – vielleicht sogar ein wenig zu gut, denn die Rechnerherkunft der Effekte und vieler Hintergründe ist klar und deutlich erkennbar. Vielleicht hätte da man noch mal den ein oder anderen Filter drüberjagen müssen, um das Ganze etwas weniger videospielmäßig aussehen zu lassen. Egal. Verschmutzungen, Defekte oder Masteringfehler sind nicht zu verzeichnen, Schärfe- und vor allem Kontrastwerte sind sehr gut, die Kompression klaglos.
Tonqualität: Deutscher und englischer Ton liegt in Dolby 5.1 vor. Ausnahmsweise (ich war gestern zu müde zum O-Ton-Hören) hab ich mich auf die solide übersetzte deutsche Fassung gestürzt. Die ist sehr klar und differenziert abgemischt, könnte für meinen Geschmack aber etwas mehr Power im Bass-Bereich vertragen.
Extras: Eine behind-the-scenes-Featurette und ein ziemlich ausführlicher Block Videointerviews mit allen wesentlichen Beteiligten vor und hinter der Kamera, dazu die übliche Trailershow, die das FSK-Rating wie distributorseits sicherlich gewünscht auf Rot treibt.
Fazit: Hmpf. „Mutant Chronicles“ ist, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, ein furchtbar überflüssiger Film. Ob nun Zombies oder Mutanten, ob nun 28. Jahrhundert oder Erster Weltkrieg, „Mutant Chronicles“ ist ein Sammelsurium zusammengeklauter Ideen, dessen einziger origineller Einfall, die Mutanten-Maschine, von Script und Film mehr oder minder als „afterthought“ behandelt wird. Der semiprominente Cast sprüht nicht gerade vor Enthusiasmus über (wobei natürlich auch ein halbmotivierter Ron Perlman noch besser ist als gar keiner), Simon Hunters Regie ist „all over the place“ und in keiner Sekunde in der Lage, den Film dramaturgisch zusammenzuhalten, die lächerlichen Blut-Effekte untergraben die Wirkung der Splatterszenen, „look and feel“ des Streifens sind viel zu sehr der Videospiel-Optik verhaftet, um wirklich mitreißen zu können. Zwar passiert alle Nase lang was, wird viel geballert und auch sonst einiges an Action und Splatter geboten, aber es „passiert“ halt einfach nur, „stuff happens“, ohne echten logischen-strukturellen Zusammenhang, aber auch nur ansatzweise dramatische Wirkung (immerhin steht nicht weniger als das Überleben der Menschheit auf dem Spiel) stellt sich nicht ein. Ein Film zum Nebenherlaufenlassen, denn auf die „Handlung“ zu achten, ist völlig unnötig – es wird geballert, gesplattert und gestorben, ohne Sinn und Verstand, ein filmgewordenes Game-Demo. Ich war nahe daran, die Tiefstwertung zu zücken, aber der Respekt, dass hier mit sehr wenig Geld doch zumindest ambitioniert versagt wurde, lässt mich einen Gnadenpunkt rausrücken. Trotzdem: empfehlen kann ich „Mutant Chronicles“ beim besten Willen nicht.
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(c) 2009 Dr. Acula