Motel-Massaker

 
  • Deutscher Titel: Motel-Massaker
  • Original-Titel: Mountaintop Motel Massacre
  • Alternative Titel: Mountaintop Motel | Horror at Mountaintop Motel |
  • Regie: Jim McCollough Sr.
  • Land: USA
  • Jahr: 1983
  • Darsteller:

    Bill Thurman (Rev. McWilley), Anna Chappell (Evelyn), Will Mitchell (Al), Virginia Loridans (Tanya), James Bradford (Sheriff), Amy Hill (Prissy), Marian Jones (Mary), Gregg Brazzel (Vernon), Jill King (Lorrie)


Vorwort

Evelyn Chambers sieht aus wie die nette alte Lady von nebenan, hat jedoch schon einen mehrjährigen Klapsmühlenaufenthalt hinter sich. Und ihre Tochter Lorrie (die mir persönlich ein bisschen jung dafür scheint, Evelyns leibhaftige Tochter zu sein), die mit der Mama nun in einem einsamen Motel auf einem Berg irgendwo im Nirgendwo lebt, hängt ganz offensichtlich der Ansicht an, dass Mamachen, welch Klatsche auch immer bei ihr diagnostiziert wurde, selbige noch nicht auskuriert hat. Dass Lorrie dies ihrem toten Vater erzählt und nicht ihrem Friseur, Cop oder Seelenklempner, sich mit allerlei verstümmelten Puppen und diversem Getier von Ratten, Schlangen bis hin zu einer erquicklichen Schabenzucht umgibt, schwächt möglicherweise ihre argumentative Position ein wenig. Kann ihr aber auch egal sein, denn als Evelyn, nachdem sie schon eine von Lorries Ratten mit einer Sichel enthauptet hat, herausfindet, was Lorrie so in ihrem Untergrund-Reich unter den Motel-Hütten treibt, wird sie vom Affekt gepackt und dazu gebracht, ihr Kind zu töten. Oops.

Es gelingt ihr allerdings mit unfreiwilliger Unterstützung ihres derzeit einzigen Motelgasts, dem versoffenen (und verdächtig nach selbsterklärt riechendem) Reverend McWilley, das gewaltsame sichelbedingte Ableben ihrer Tochter als Unfall zu tarnen, auch wenn dem Sheriff die ganze Sache ziemlich haram vorkommt. Ohne Zeugen oder Beweise ist halt wenig zu machen.

Schlechtes Wetter spült Evelyn am Tage nach der Beisetzung (die McWilley predigenderweise bestreitet) einen Schwung neuer Gäste in die maroden, dafür aber billigen Blockhütten. Da wäre zum einen der alte schwarze Handwerker Mervin Crenshaw, der sich gleich über eine Flasche Whiskey mit McWilley anfreundet, das frisch verheiratete Ehepaar Vernon und Mary, für die die Sieben-Dollar-die-Nacht-Absteige mangels finanziell gangbarer Alternativen Hochzeitsnacht-Schauplatz sein soll, und den schnöseligen Handelsvertreter Al, der auf dem Weg noch die Cousinen Tanya und Prissy, die auf dem Weg nach Nashville und einer Plattenkarriere als Country-Stars mit ihrem Käfer liegengeblieben sind, aufgegabelt und sich, in der Hoffnung auf eine amüsante Nacht als großer Plattenboss ausgegeben hat.

Dann braucht’s nur noch einen Blitzschlag und einen dadurch gefällten Baum, der die einzige Zugangsstraße zum Motel blockiert und alles ist für das zünftige Massaker angerichtet, denn Evelyn hat sich in einer obskuren Mischung aus religiösem Wahn, Selbsterkenntnis und schnödem Dachschaden ins Gaga-Land verabschiedet. Die unterirdischen Gänge zwischen ihrer Büro-Hütte und den Gäste-Hütten erlauben es ihr, ungesehen ein- und auszugehen. Bei Vernon und Mary setzt Evelyn eine Giftschlange aus, die den Bräutigam beißt. Al kann zwar über sein Autotelefon Hilfe anfordern, aber das kann dauern… Crenshaw wird von einem Schwarm Küchenschaben im Bett besucht und McWilley muss sein Zimmer mit Ratten teilen. Unter diesen Umständen ist an gesegnete Nachtruhe natürlich nicht zu denken, aber Evelyn denkt auch nicht daran, dem Viechzeug den ganzen Spaß allein zu überlassen. Schließlich liegt so eine Sichel gut in der Hand.

Ehe sich’s die traute Gästeschar versieht, sind McWilley, Vernon und Mary tot, Prissy verschwunden, Tanya hysterisch und nur noch Crenshaw und Al einigermaßen bei Sinnen und in der Lage, den Kampf gegen die zutreffend als Täterin identifizierte Motelbesitzerin aufzunehmen.


Inhalt

Fröhliches Slashen, mal wieder. Einmal mehr liegt eine Scheibe aus 88 Films‘ „Slasher Classic Collection“ im Player. Ja, man kann sich über das „classic“ im Serientitel ebenso trefflich streiten wie bei manchem Titel über das „slasher“, aber zumindest über das „collection“ kann man sich, denke ich, einigen.

Unser heutiges Exemplar ist ein Beispiel regionalen Filmmakings aus Louisiana, 1983 vom König des louisanischen (?) Indie-Films Jim McCollough produzierter und dirigierter Horrorstreifen, der 1983 gedreht wurde und unter dem Titel „Mountaintop Motel“ schon zwei limitierte Kinoeinsätze hatte, ehe sich 1986 New World Pictures auf der Suche nach vermarktbarem Content erbarmte, den Streifen übernahm, seinen Titel um das reißerische „Massacre“ ergänzte und auf die Welt los ließ.

Wie sich im Begleitmaterial Drew Hunter, den McCollough aufgrund seiner Theaterarbeiten und einiger Super8-Studentenkurzfilme für Production Design und Spezialeffekte anheuerte, erinnert, war der Film für Louisiana eine recht große Sache, in dem Sinne, dass McCollough vor und hinter der Kamera ein paar Leute beschäftigte, die in der Tat schon im richtigen Hollywood gearbeitet hatten (allen voran sicherlich Kameramann Joseph Wilcots, der an den erfolgreichen Miniserien „Roots“ und „Roots – Die nächste Generation“ gearbeitet hatte), im Vergleich zu einer echten Hollywood-Produktion aber natürlich eine ausgesprochen ordinäre Low-Budget-Produktion.

Die McColloughs, ein Vater-Sohn-Team, waren seit Mitte der 70er im Geschäft und hatten sich mit dem von Joy Houck inszenierten „Creature from Black Lake“, einem Bigfoot-Film mit Jack Elam in der Haupt- (aber nicht der Titel-)Rolle einen gewissen Namen gemacht – zudem waren die frühen 80er die Zeit, in der die regionalen Filmemacher, die ihre Dollars bis dahin mit der Beschickung der Drive-ins in „ihren“ Bundesstaaten gemacht hatten, mit Fug und Recht darauf hoffen konnte, dass der neue, gierige Heimvideomarkt für fast alles Verwendung hatte, was die lokalen Szenen so hergaben. Dass es trotz dieser Goldgräberstimmung drei Jahre dauerte, bis „Mountaintop Motel“ nationalen und internationalen Vertrieb fand, sollte und könnte ja ein Alarmsignal hinsichtlich der gebotenen Qualität sein.

Aber allen Unkenrufen zum Trotz – SO schlecht ist „Mountaintop Motel Massacre“ dann doch nicht. Es ist, wer hätt’s auch vermutet, kein ausnehmend guter Film, aber im nicht qualitätstriefenden Spektrum des Feld-, Wald- und Wiesenslashers muss er sich auch nicht die Eselsmütze aufsetzen und traurig in die Ecke stellen.

Heute sind geriatrische Killer kein Alleinstellungsmerkmal, aber 1983 (und auch 1986) konnte man mit der Vorstellung, eine nette ältere Lady würde sich durch ein ganzes Motel metzeln, vielleicht nicht mehr schocken, aber einigermaßen überraschen (Pamela Voorhees war ja eher so mittleren Alters als Rentnerin). Die McColloughs verschenken den Punkt generös durch sofortiges Aufdecken ihrer Killer-Trumpfkarte, ihnen geht’s also nicht um den whodunit-Aspekt ihrer Geschichte, sondern um suspense (hihi, ich erwähne Hitchcock-Suspense in einem Atemzug mit einem Film namens „Mountaintop Motel Massacre“) und die „wer wird’s überleben“-Frage. Damit bestätigt der Film auf seine kleine bescheidene Weise den Paradigmenwechsel des Thriller- und Spannungskinos, der sich schleichend von den 60ern zu den 80ern vollzogen hatte – anstelle Filme auf der Frage des „wer ist der Täter“ aufzubauen, stand nun die Killerfigur selbst im Mittelpunkt und das „wie“ und, mit etwas Glück, das „warum“ waren jetzt die entscheidenden Fragen. Wie „Halloween“ und „Friday the 13th“ erfolgreich vorgemacht hatten, war nicht mehr die Auflösung des Mysterys, sondern der Täter die Attraktion. Insofern folgerichtig, dass die McColloughs die Katze bzw. die alte Dame schon nach fünf Minuten aus dem Sack lassen und nicht mal DIESE fünf Minuten so etwas wie ein Fragespiel aufbauen, sondern ungelogen als ersten Frame nach dem Vorspann eine Standbild-Karte mit Evelyns Klapsmühlen-Aufenthaltsdaten einblenden. Scheiß auf expository dialogue, der so was vielleicht etablieren könnte, wir schreiben’s einfach schwarz auf weiß hin, dann weiß jeder, der des Lesens mächtig ist, Bescheid und wir als Autoren müssen uns keine Mühe mehr geben. Kann man „lazy“ oder effektiv nennen.

Nachdem wir also innerhalb von zehn Minuten aufgebaut haben, dass Evelyn schwer was an der Klatsche hat, ihre Tochter umgebracht hat, es als Unfall hat darstehen lassen, jetzt aber zusätzlich zu ihrer bestehenden Vollmeise auch noch von Visionen ihrer gemeuchelten Lorrie (wie die sich schreibt, ist sich der Film übrigens überhaupt nicht einig, Lori, Lorri, Lorie und Lorrie werden als mögliche Alternativen angeboten) heimgesucht wird. Ergo kann sich der Film so für die nächsten, eh, gut 45 Minuten damit beschäftigen, den zusammengewürfelten Haufen Kanonenfutt-, äh, Protagonisten in ihre Fänge zu spülen (und angesichts der Witterungsverhältnisse trifft „spülen“ es ganz gut). Bei dieser Hektik ist es sicher sehr verzeihlich, dass die McColloughs nicht daran gedacht haben, irgendeine ihrer „positiven“ Figuren richtig „likeable“ zu machen. Am ehesten klappt das noch bei Mervin Crenshaw, der ist zwar ein wenig „cranky“ und geht ein bisschen sehr nonchalant damit um, in der trauten Schlafstatt von einem Schabenschwarm in Beschlag genommen zu werden, verdient sich aber schon dadurch Respektspunkte, als Schwarzer nicht der erste auf der Todesliste zu sein. Der Reverend ist nicht nur (zugegeben unfreiwilliger) Komplize Evelyns bei der Vertuschung des Tochtermords, sondern als eher schmieriger, fetter, zutätöwierter Gottesmann dritter Klasse eher die Sorte St.-Pauli-Hafenpaster denn vertrauenswürdiger Seelsorger, das Hochzeitspärchen Vernon und Mary sollte sich allein schon für seine Sieben-Dollar-Flitterwochen schämen und dass der eigentliche „Held“ dann mit Al ein Typ ist, der zwei Pannen-Girls aufgabelt und in der Aussicht darauf, die beiden Mädels flachzulegen, eine falsche Identätit erfindet, ist, sagen wir mal, auch eine relativ gewagte Interpretation eines Protagonisten. Weswegen er wohl letztlich auch nicht so arg viel bewegen kann – ja, Al führt die Initiative unter den Motelgästen, richtet damit womöglich mehr Schaden an als es hilft, und die eigentliche Entsorgung des Übeltäters muss er dann wohl oder übel der Gesetzesmacht in Form des Sheriffs überlassen.

Anyway, zurück zur Struktur – die recht ausführliche Vorstellung der zukünftigen Opfer sorgt dafür, dass der eigentliche stalk’n’slash-Part erst bei der Ein-Stunden-Marke beginnt. Pluspunkte sammelt der Streifen durch eine recht angenehm unheimliche Atmosphäre, sowohl durch die Location (das Motel wird gemimt von einem verlassenen Fischer-Camp) und die stimmungsvollen Blicke in die unterirdischen Korridore – hier zeigt sich, dass die Investition in einen Kameramann, der weiß, was er tut, durchaus Gewinn bringen kann. Allerdings schafft es McCollough auch im dritten Akt nicht wirklich, der Plotte rechten Schwung zu verleihen oder einen echten Spannungsbogen aufzubauen (was sicher auch damit zu tun hat, dass Evelyns Motivation jenseits von „old bitch be crazy“ sehr vage bleibt).

Wichtig ist für einen Slasher natürlich Originalität, Kreativität und Ausführung der Kills. In der Hinsicht ist „Mountaintop Motel Massacre“ eher… meh. Drew Hunter macht mit einem nicht existenten FX-Budget ordentliche Arbeit, aber für richtig „krasse“ Gore- und Splattereinlagen fehlt die Expertise (Hunter gibt im Begleitmaterial auch zu, dass er keine Ahnung von Special-FX-Make-up hatte und nach bestem Wissen und Gewissen improvisierte). FSK 16 sollte bei einer Neuprüfung kein Problem sein.

Der Score ist ein wenig repetetiv, aber Ron De Iulio („Repligator“ – der Film mit dem wohl hirnigsten Coverartwork der Geschichte, „Blood on the Badge“, „Return to Savage Beach“) orientiert sich an den simplen, minimalistischen, kinderliedartigen Cues von „Halloween“ oder „Freitag, der 13.“, was zumindest nicht der schlechteste Ansatz ist.

Headliner im Cast ist der routinierte character actor Bill Thurman als Reverend McWilley. Thurman hatte für die McColloughs schon in ihren früheren Filmen „Wo der rote Farn wächst“ und „Creature from Black Lake“ gespielt, war aber auch ein fixer Bestandteil von Larry Buchanans Troupé in den 60ern („Zontar: The Thing from Venus“, „Mars Needs Women“), hatte aber auch kleinere Rollen in größeren Filmen wie „Silverado“, „Ich, Tom Horn“ oder „Unheimliche Begegnung der Dritten Art“. Thurman legt mir den Reverend, der ja eigentlich kein schlechter Kerl sein soll, etwas zu schmierig an, um ihn als Charakter funktionieren zu lassen. Anna Chappell, die die verrückte Evelyn durchaus mit ordentlichem Einsatz spielt, war nur noch 1991 in Reese Witherspoons Filmedebüt „Der Mann im Mond“ zu sehen. Will Mitchell (Al) trat nur noch 1986 für die McColloughs in „Aurora – Der Besucher aus dem All“ vor die Kamera, was augenscheinlich eine recht gute Idee war. Auch Virginia Loridans (Tanya) beließ es bei einem weiteren Auftritt für die McColloughs, 1988 in „Video Murders“ (als auch das Vater-Sohn-Gespann dazu übergegangen war, noch billiger auf Video zu drehen). Major Brock, der als Crenshaw eine ganz solide Leistung abliefert, verzeichnet keine weiteren Filmauftritte, während „Sheriff“ James Bradford nicht zum Arbeitsamt ging, sondern als Nebendarsteller und character actor gut beschäftigt blieb, u.a. in „Hawk’s Vengeance“, „Sci-Fighter“, „Aviator“, „300“, „Die Mumie – Das Grabmal des Drachenkaisers“ oder der TV-Serie „Best Laid Plans“. Greg Brazzel (Vernon) war und ist hauptberuflich Stuntman und Stunt-Koordinator (u.a. für „Julia X“, „Texas Chainsaw 3D“, „Bones – Die Knochenjägerin“, „Movie 43“). Hier muss er hauptsächlich nur von der wilden Schlange gebissen im Bett liegen. Kriegt er hin.

88 Films packt den Film auf eine Blu-Ray, die ein Klopper wie dieser natürlich nicht wirklich verdient hat – neuer HD-Transfer, direkt vom Kameranegativ gezogen und dementsprechend sehr ansehnlich, okayer Ton, und als Extras ein ausführliches Videointerview mit Drew Carter sowie eine Galerie mit Produktionsfotos aus Carters Privatarchiv. Wie üblich kommt die Blu im Wendecover.

Summa summarum ist „Mountaintop Motel Massacre“ ein höchst durchschnittlicher Slasher, der durch seine Location und die recht gute Kameraarbeit punktet, aber zu wenig Drive und zu wenig exaltierte Kills hat, um nachhaltig im Gedächtnis zu bleiben. Gibt im Genre schlechteres, fraglos, aber eben auch deutlich besseres… (die Tagline „Don’t disturb Evelyn – she already is“ ist allerdings groß).

© 2018 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 6

BIER-Skala: 4


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