Mord nach Mass

 
  • Deutscher Titel: Mord nach Mass
  • Original-Titel: Endless Night
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  • Regie: Sidney Gilliat
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 1972
  • Darsteller:

    Hayley Mills (Ellie Thomsen), Hywel Bennett (Michael Rogers), Britt Ekland (Greta), Per Oscarsson (Santonix), George Sanders (Andrew Lippicott), Aubrey Richards (Dr. Philpott), Ann May (Mrs. Philpott), Patience Collier (Miss Townsend), Peter Bowles (Reuben), Lois Maxwell (Cora), David Bauer (Frank), Helen Horton (Beth)


Vorwort

Agatha Christie ist nicht nur Miss Marple und Hercule Poirot… gut, das ist keine sonderlich neue Erkenntnis, auch wenn die Romane und subsequenten Verfilmungen um ihre Meisterdetektive sicher den stärksten Eindruck im kollektiven popkulturellen Gedächtnis der Menschheit hinterlassen haben, aber natürlich schrieb die legendäre Autorin in ihrer über fünfzigjährigen Schaffensphase nicht nur „Greatest Hits“…

Im Spätherbst ihrer literarischen Karriere war die Christie nicht mehr sonderlich an herkömmlichen „whodunits“ interessiert – vielmehr interessierten sie nunmehr die psychologischen Vorgänge hinter der Tat, die internen „workings“ der Täter. Im Umkehrschluss bedeutete das, dass ihre neueren Geschichten nicht mehr so einfach für die Leinwand zu adaptieren waren, schon allein, weil eine zentrale Ermittlerfigur, ein echter Protagonist fehlte. Aber das wiederum heißt ja noch lange nicht, dass man’s nicht probieren kann und nachdem den Produzenten Sidney und Leslie Gilliat gerade ein anderes Projekt, eine Komödie über britische Scheidungen, geplatzt war, weil der nicht an bedauernswerte Filmproduzenten denkende Gesetzgeber das Scheidungsrecht auf eine Weise geändert hatte, die die Filmhandlung obsolet machte, entschieden sie sich kurzfristig dafür, Christies 1967er-Roman „Endless NIght“ zu verfilmen. Die Autorin, generell nicht als große Freundin des Kinos bekannt, war zunächst recht angetan – Sidney Gilliat genoss einen guten Ruf als Drehbuchautor, hatte für Hitchcock EINE DAME VERSCHWINDET und die vier Original-Beiträge der populären ST. TRINIANS- Reihe verfasst, das stimmte die Christie, ebenso wie das Casting, optimistisch. Nach Ansicht des Films änderte Christie ihre Meinung und bekundete, sie sei „sehr enttäuscht“ und der Film „werde jede Minute weniger interessant.“ Und ganz besonders störte sie eine kurze Nacktszene von Britt Ekland. Puritanerin.

Da ENDLESS NIGHT bzw. wie er in Deutschland hieß MORD NACH MASS nun nicht zu den allgemein sofort aufgezählten Titeln gehört, wenn es um bekannte Agatha-Christie-Verfilmungen gehört, sah’s das Publikum wohl insgesamt ähnlich. Aber für die reine objektive Wahrheit halte bekanntlich ich mich exklusiv zuständig, und da der Film auf amazon prime rumlungert, kann ich die Aufgabe der endgültigen Verifizierung von Qualität bzw. Mangel daran ja auch übernehmen.


Inhalt

Wir beginnen einigermaßen unüblich – zwei Herren schlendern durch eine hübsche Parkanlage, wir sehen allerdings nur ihre Beine. Der der Stimme nach Ältere bittet den Jüngeren, die ganze Geschichte doch noch einmal von Anfang an zu erzählen. Nach dem ein oder anderen Fehlstart, weil „von Anfang an“ für den Jüngeren erst mal so viel zu bedeuten scheint wie „seit seiner Geburt“ oder eventuell sogar „am Anfang schuf…“, einigen sich die Herren auf einen geeigneten Startpunkt und dann geht’s richtig los.

Unser Protagonist ist ein junger Bursche namens Michael „Micky“ Rogers (Hywel Bennett, TEUFELSKREIS Y, NEVERWEHERE, WAR ZONE – TODESZONE, trying very hard to be Malcolm McDowell) und er ist dann auch unser Erzähler. Micky erklärt uns, dass er von Kindheit an ein Verehrer der schönen Künste, insbesondere der Malerei ist und stundenlang Gemälde ankucken könne. Dabei belässt er’s nicht – bei einer Christie’s (nicht Agatha, sondern Christie’s wie in Sotheby’s) Auktion bietet er couragiert auf eine Renoir-Miniatur – 15.000 Guineas ist sein letztes Wort (in einer der typisch britischen Idiosynkratien entspricht ein Guinea auf einer Auktion 1,05 Pfund. Der Verkäufer erhält traditionell den gebotenen Betrag in Pfund ausgezahlt, die Differenz ist die Courtage für den Auktionär). In letzter Sekunde wird Mickey mit 16.000 Guineas überboten. Mickey nimmt’s sportlich – „Das gehört dazu“, erklärt er seinem Auktions-Nachbarn lächelnd und steigt dann in seinen goldenen Rolls-Royce. Wo er allerdings seine Chauffeurs-Uniform anlegt – Mickey ist mitnichten reich, sondern ein schlichter Mietwagendroschker, der wirklich feine Pinkel von A nach B fährt, und nur für den Kick, für den Augenblick, auf Auktionen bietet. Seine liebe Mama (Madge Ryan, UHRWERK ORANGE, FRENZY) findet Mickeys Lebenswandel aus vielfältiger Hinsicht nicht gut, erstens hat er ständig irgendwelche neuen Jobs (Mickey verteidigt sich damit, jetzt schon 6 Monate bei der Mietwagenfirma angestellt zu sein), zweitens verrichtet mit dem Dienstwagen auch seine Privatverrichtungen, was irgendwann nach hinten losgehen wird, und drittens, die Bieterei auf den Auktionen… was, wenn er den Zuschlag bekommen hätte? Hat er aber nicht, brummt Mickey, ihm sei’s um das Gefühl gegangen, dass der Renoir für diesen kurzen Zeitraum zwischen seinem und dem nachfolgenden höheren Gebot „ihm“ gehört habe. Das ist eine Ansicht, der ich mich nicht hundertprozentig anschließen möchte. Abgesehen davon kann ihm seine Mum mit ihren ständigen Nörgeleien auch im Mondschein begegnen. Unter demonstrativem Verzicht auf die übliche Tasse Tee macht Mickey den Abflug.

So richtig schlecht ist der Fahrerjob augenscheinlich nicht. Sein nächster Auftrag ist es nämlich, einen stnkreichen griechischen Reeder namens Constantine (Walter Gotell, JAMES BOND 007 – DER SPION DER MICH LIEBTE ff., PUPPET MASTER III – TOULON’S RACHE) zu seinem neuen Anwesen an der italienischen Riviera zu kutschieren. Constantine möchte dort den Fortschritt der Renovierungsarbeiten prüfen, wenn sein Architekt, der weltberühmte Santonix (offensichtlich Gallier, obwohl von einem Schweden gespielt: Per Oscarsson, FANNY’S FARM, MILLENNIUM-Trilogie), schon den Kostenvoranschlag horrend überzieht. Kostenvoranschläge, doziert Santonix, sind grundsätzlich nicht ernst gemeint, und Gutes hat halt seinen Preis. Die Villa ist aber auch ausnehmend hübsch… Der Reeder kann aber nicht lange mit dem Architektonix diskutieren, hat er doch wichtige Geschäfte zu erledigen, zu denen er mit seinem Privathubschrauber abgeflogen wird. D.h. dass Mickey jetzt erst mal Zeit hat, und als bekanntlich künstlerisch interessiert findet er auch schnell Gesprächsthemen. Santonix findet den jungen Kerl nicht unsympathisch, Mickey ist ganz Fanboy und lässt fallen, dass er in Wales über einen Flecken Land namens „Gypsy’s Acre“ gestolpert sei, der so idyllisch gelegen wäre, dass er dort, und nur dort, sein Traumhaus errichten möchte. Santonix steigt sofort drauf ein – wenn Mickey ihm ein paar Fotos besorgt, wird er sich gleich an entsprechende Pläne machen. Natürlich weist Mickey darauf hin, dass er mehrere Lottogewinne von einer Realisierung seines Traums entfernt ist, aber der Architekt hat an ihm einen kleinen Narren gefressen und würde die Entwürfe aus Spaß und Gefälligkeit anfertigen. Na dann…

Zunächst aber führt ihn sein Job nach Amsterdam, wo er ein reiches Pärchen herumkutschiert. Der ungeheuer sympathische Klient (David Healy, LABYRINTH, SUPERGIRL) lädt Mickey auf eine Nutte im Rotlichtbezirk ein. Mickey ist nicht interessiert und geht lieber ins Reichsmuseum, Rembrandts kucken. Als er seine Kundschaft viel zu spät von der Oper abholt und der Kerl immer noch auf einen Abstecher in die sündige Meile aus ist, verklickert Mickey ihm, nicht als Zuhälter engagiert worden zu sein. Was dazu führt, dass er sich wieder einen neuen Arbeitgeber suchen kann, schließlich ist der Kunde König.

Wenigstens hat Mickey jetzt Zeit, sein Moped zu satteln und in die walisische Provinz zu töffeln, um die bewussten Fotos für Santonix zu schießen. Mitten im schönsten Shooting drängt sich allerdings ein anderes Motiv als in die in der Tat bezaubernde Landschaft auf – eine junge Frau, ganz in Weiß, die verzückt durchs Gras tanzt, ohne Rücksicht auf etwaige Beobachter. Das ist Ellie (Hayley Mills, DIE VERMÄHLUNG IHRER ELTERN GEBEN BEKANNT, TEUFSLEKREIS Y, RENDEZVOUS MIT EINER LEICHE [1988]), eine Amerikanerin auf Europa-Urlaub, da ihre Familie gedenkt, sich aus steuerlichen Gesichtspunkten in der Schweiz anzusiedeln. Ellie erschrickt natürlich erst mal gehörig, als sie Mickey wahrnimmt, doch die gemeinsame Liebe zu diesem schönen Plätzchen verbindet. Zu dem Grundstück gehört eine modrige halbverfallene Uralt-Villa, und die kommt mit ihrer eigenen Schreckschraube – Miss. Thompson (Patience Collier, ANATEVKA, DIE GELIEBTE DES FRANZÖSISCHEN LEUTNANTS), die behauptet, eine Nachfahrin der vormaligen Besitzer des Anwesens zu sein, generell uneingeladenen Besuch ablehnt und überdies prophylaktisch darauf hinweist, dass die Bewohner der Villa, mithin ihre Ahnherren, aufgrund eines Fluchs unnatürlicher Tode gestorben seien, und jetzt buenos dias.

Mickey und Ellie verschlumpfen sich in den nächsten Pub, wo man ihnen versichert, dass die Thompson zwar nicht mehr alle Teebeutel im Schrank und sich die ganze Nachfahrin-der-Thompsons-Nummer mehr oder weniger aus dem Daumen gelutscht hat, im Großen und Ganzen aber eine harmlose Irre sei, um die man sich nicht weiter kümmern sollte. Anyway, natürlich haben sich Mickey und Ellie love-at-first-sight-mäßig ineinander verschossen, aber die junge Liebe wird noch einige Hindernisse überwinden müssen.

Z.B. die von Ellie abgesagte Verabredung im gleichen Pub eine Woche später, die erst erfolgt, als Mickey schon hufscharrend am Tisch sitzt. Immerhin – er hat eine neuen Job als Halbtags-Tankwart aufgetan. Nicht so edel wie das Rumfahren im Rolls, aber es zahlt die Miete. Endlich gelingt ein Treffen an der Themse in London, aber Mickey ist verschnupft. Nicht primär wegen der Versetzungen, sondern weil Ellie ihm nicht die Wahrheit gesagt hat, die er inzwischen herausgefunden hat. Ellie ist das sechstreichste Mädchen der Welt! „Das vierzehntreichste“, korrigiert Ellie schüchtern. Sei’s drum, Geld wie Heu ist jedenfalls vorhanden, und aus Mickeys bescheidener Sicht erklärt das Ellies Herumdruckserei, schließlich ist er nur ein armer kleiner Arbeiter und für Ellie bestenfalls ein amüsantes Kurzzeitspielzeug. Ellie verteidigt sich damit, dass sie Angst davor habe, Mickey, den sie treu und aufrichtig liebe, ihrer Familie (mangels lebender Eltern nur noch aus diversen Onkeln und Tanten bestehend) vorzustellen, weil sie befürchtet, er würde gewogen und für zu leicht (bzw. nicht gut genug) befunden, aber mittlerweile ist sie volljährig (die Berichterstattung hierüber hat Mickey überhaupt erst über die wahre Identität seines Gspusis informiert), könne machen, was sie wolle und das, himmelarmundzwirn, ist Mickey zu heiraten. Es muss für Mickey ein schweres persönliches Opfer sein, eine stinkreiche und bildhübsche Multimillionärin zu ehelichen, aber er nimmt es auf sich. Die Hochzeit wird heimlich absolviert und die Flitterwochen führen nach Europa – Feiern mit Santonix und seinem derzeitigen Betthaserl. Das verbindet Angenehmes mit noch Angenehmeren, denn selbstverständlich hat Ellie Gypsy’s Acre erwoben und Santonix angeheuert… Woran das frischvermählte Paar nicht gedacht hat, sind die Paparazzi. Ein Schnappschuss in einem Strandcafé – und der steht natürlich bald auf den Titelseiten. Die Katze ist aus dem Sack, d.h. Ellie muss wohl oder übel bei der Family zu Kreuze kriechen und ihren Beau offiziell vorstellen.

Die Stimmung ist dann auch einigermaßen eisig, zumindest was die Tanten angeht. Sowohl Cora (Lois Maxwell, ewige Miss Moneypenny) und Beth (Helen Horton, SUPERMAN III, PHASE IV) erfüllen exakt die Befürchtungen, die Ellie hegte, die Onkel, Reuben (Peter Bowles, BLOW UP, BANK JOB) und Frank (David Bauer, JAME BOND 007 – DIAMANTENFIEBER, ROAD MOVIE, PATTON – REBELL IN UNIFORM) sind deutlich jovialer, haben aber ersichtlich auch weniger zu sagen, weil angeheiratete Familienbestandteile – in fact ist das erste, was Reuben tut, Mickey um 10 Pfund anzupumpen, weil er einen todsicheren Tipp fürs nächste Rennen hat. Der dritte Onkel, Onkel Andrew (George Sanders, REBECCA, ALLES ÜBER EVA, DER FROSCH), ist kein solcher, sondern der Familienanwalt Lippicott. Mickey macht sich zutreffend die Rechnung auf, dass Andrew hauptsächlich da ist, um Mickey irgendwie dazu zu bewegen, Ellie zu verlassen. Indeed, indeed. Auch Mickeys nächste Hypothese, dass Lippicott ein lukratives finanzielles Angebot unterbreiten wird, bestätigt der Winkeladvokat. Und auch, dass Mickey der Familie keine 500.000 Dollar wert ist, mit denen eine andere reiche Familie jüngst schlagzeilenträchtig einen unangemessenen Suitor abgefunden hat, sondern nur so ungefähr die Hälfte, muss Lippicott zugeben. Mickey lehnt dankend ab, hier ist wahre Liebe im Spiel, und die kann nicht bezahlt werden, basta.

Auch mit einer weiteren Vermutung trifft Mickey ins Schwarze. Ellie hat eine beste Freundin, offiziell ihre Sekretärin/Chaperone, Greta, und die Familie ist sich inklusive Lippicott völlig einig, dass Greta ein hundsmiserabler Einfluss auf Ellie ist, und sie gehen ebenso übereinstimmend davon aus, dass diese ganze Ehegeschichte Gretas Idee war. Mickey streitet das ab – er hat von Greta, durch Ellie, gehört, sie aber noch nie gesehen oder getroffen. Lippicott lässt durchblicken, dass es vermutlich besser wäre, wenn das auch so bleibt.

Gypsy’s Acre wird jedenfalls schnell zur Baustelle, persönlich überwacht vom kränkelnden Santonix. Im Zuge der Vorbereitungen hatte der Arschitekt schon das zweifelhafte Vergnügen, Greta kennenlernen dürfen zu müssen und auch er ist daraufhin unmittelbar in den „Fuck you, Greta“-Club eingetreten. Santonix warnt seinen jungen Freund – Greta ist nicht nur ein schlechter Einfluss, sondern generell eine sehr dominante Persönlichkeit, ganz im Gegensatz zur willensschwachen Ellie. Santonix‘ Ansicht nach muss Mickey stark aufpassen, dass Greta sich nicht in bewährter Manier in die Ehe und die glückliche Beziehung zwischen Mickey und Ellie drängt. Aber das ist nicht das einzige Problem – die verrückte Thompson beglückt den Bauplatz mit unerwünschten Besuchen und weiteren düsteren Ankündigungen.

Nichtsdestotrotz scheint alles einigermaßen glatt zu laufen. Damit Mickey nicht weiter fremder Leute Kaleschen auftanken muss, hat Ellie ihm den Antiquitätenladen im nächsten Dorf als Spielzeug gekauft und Santonix stellt dem jungen Paar eine Hütte hin, bei deren Anblick selbst Bruce Wayne die Fledermausohren schlackern würden. Architektonisch im eleganten, sich in die Natur einfügenden Bungalowstil, innen ein Ausbund des neuestem an neuer High-Tech. Mit der Haus-Fernbedienung lassen sich automatisch Barräume und Salons öffnen und schließen, die gesamte zum Meer gerichtete Fassade lässt sich auf Knopfdruck einfahren, um die gesamte Hausbreite den Elementen zu öffnen, und im geschlossenen Zustand sind die Fenster von außen undurchsichtig – keine Chance für Spanner. Aber der Oberclou ist der Indoor-Swimmingpool UNTER dem Wohnzimmerboden, der sich ebenso automatisch öffnen lässt. Keine Frage, ich würde SOFORT einziehen.

Aber es ist wie im richtigen Leben, auch im tiefsten Wales ist man mit Nachbarn gestraft. Die halten die auf der Terrasse Schampus schlürfenden Jungverliebten sicherheitshalber erst mal für Einbrecher. Das Missverständnis ist schnell geklärt und die Philpotts (Aubrey Richards, MIT SCHIRM, CHARME UND MELONE, und Ann Way, BRAZIL, CLOCKWISE), das gemütliche alte Dorfarzt-Ehepaar, entwickelt sich binnen Minuten zu den offiziellen besten Freunden des glücklichen Paares. Als solche werden sie auch gleich Augenzeugen eines feigen Anschlags – *etwas* zerstört die Fensterscheiben zur Terrasse. War es nur ein geworfener Stein? Oder vielleicht doch eine Gewehrkugel?

Es gibt weitere unerfreuliche Nachrichten – Onkel Reuben und Tante Cora haben ein Anwesen nur 15 Meilen von Gypsy’s Acre entfernt gemietet und sind jetzt auch praktisch Nachbarn. Mickey und Ellie sind sich darüber einig, dass das eine schlichte, bösgemeinte Überwachungsmaßnahme ist, jetzt wo Onkel + Tantchen keinen direkten Zugriff mehr auf das Familienvermögen haben und, wie man so weiß, Reuben durchaus das ein oder andere Pfund für sein Pferdewetten-Habit brauchen könnte. Als die liebe Verwandschaft einen Feindschaftsbesuch abstatten will, erweisen sich die undurchlässigen Fensterscheiben als geeignete Präventionsmaßnahme.

Könnte also alles dann doch wunderbar sein, aber Ellie hat eine Überraschung für Mickey, auf die er gern verzichten könnte – Greta (Britt Ekland, ASYLUM – IRRGARTEN DES SCHRECKENS, THE WICKER MAN, JAMES BOND 007 – DER MANN MIT DEM GOLDENEN COLT) in Fleisch und Blut, nur mal so übers Wochenende. Da bleibt Mickey nicht mehr als gute Miene zum unerfreulichen Spiel, und in der Tat scheinen Lippicotts und Santonix‘ Befürchtungen mehr als berechtigt – Mickey und die liebe beste Freundin der Angetrauten sind sich sofort in inniger Abneigung verbunden. D.h. vor allem Mickey geht sofort auf Kollisions- und Konfrontationskurs, während Greta das zarte Unschuldslämmlein markiert. Aber es ist nicht zu übersehen – Greta verliert keine Zeit, sich wieder als dominanter Faktor in Ellies Leben zu etablieren und alle wesentlichen Entscheidungen zu treffen, und Ellie, mit dem Rückgrat einer in Salz eingelegten Weinbergschnecke gesegnet, fällt nicht auf, wie sehr Mickey das auf den Zeiger geht. Zumal aus dem simplen Wochenende ganz offensichtlich eine permanente Veranstaltung werden soll, zumindest wenn’s nach Greta und damit ohne weiteres auch nach Ellie geht – Ellie hat nämlch einen vermutlich eher psychosomatischen Schwächeanfall, was bedeutet, dass Greta sie fein im Rollstuhl herumschieben und wichtig tun kann. Bei einer Gartenparty bei den Philpotts kommt es vor versammeltem Publikum der kompletten Dorf-Community zu einer amtlichen Szene zwischen Greta und Mickey. Santonix, der mittlerweile herausgefunden hat, dass er todkrank ist und nach Amerika aufbrechen wird, um dort seine letzten Häuser zu bauen, rät Mickey, sich durchzusetzen und Greta per Sahara-Express in die nächstbeste Wüste zu schicken, aber nachdem Greta sich für ihr Verhalten entschuldigt, macht Mickey wider besseres Wissen wieder einen auf Schönwetter.

Das kann auf die Dauer alles nicht gut gehen und tut’s dann auch nicht. Eines schönen Tages ist Greta zwecks Shopping unterwegs in London, und Mickey besucht eine Auktion, um ein besonders besonderes Geschenk für Ellie zu ersteigern. Entgegen ihrer Angewohnheit entscheidet sich Ellie für einen Solo-Ausritt, und von dem kommt sie nicht wieder. Panisch organisiert Mickey eine Suchaktion, aber zu spät – zuerst wird Ellies reiterloses Pferd gefunden, etwas weiter dann die verstorbene Ellie.

Alles sieht nach Unfalltod aus – ein Sturz zum Pferd, ein Schock, ein Herzanfall. Auch die üblichen polizeilichen Ermittlungen und der Coroner’s Inquest führen zu keinem anderen Ergebnis – ein tragischer Unfall, fürwahr, aber doch nichts anderes. Mickey plagen offensichtliche Zweifel – die Umstände kommen ihm irgendwie komisch vor, und schließlich waren da die Drohungen der alten Thompson – die allerdings, vom Coroner vorgeladen, ist spurlos verschwunden und wird nach wie vor für eine harmlose Irre gehalten – und Reuben könnte aus schierer Geldgier ein Motiv haben, aber Lippicott hält Reuben für grob inkompetent und zerebral nicht in der Lage, ein Verbrechen, noch dazu ein dann so raffiniertes, zu konstruieren. Überdies erklärt der Rechtsverdreher dem verblüfften Mickey, das Ellie kurz vor ihrem Tod ihr Testament geändert habe – Alleinerbe ist Mickey. Die Rolle des trauernden Witwers steht Mickey jedenfalls ganz hervorragend und die Dorfgemeinschaft steht wie ein Mann hinter dem verzweifelten Trauerkloß. Und selbst Lippicott scheint einigermaßen beeindruckt zu sein, dass Mickey nun zwar einerseits endlich eine Gelegenheit wittert, Greta aus seinem Leben zu entfernen, aber großzügig genug ist, ihr die Kündigung des Anstellungsverhältnisses mit einer satten Abfindung zu vergolden.

Andererseits hat Lippicott auch Nachrichten für Mickey, auf die der Witwer verzichten könnte. Mickeys Erbe steckt größtenteils in amerikanischen Wertpapieren, und das müsste alles mal durchgesprochen, analysiert und ggf. umorganisiert werden, und das natürlich bei den amerikanischen Brokern jenseits des großen Teichs. Und Ellies Familie besteht auf einem Begräbnis in den Staaten, es wird Mickey also gar nicht erspart bleiben, den Trip über den Atlantik zu machen, ob er nun Bock drauf hat oder nicht.

Er hat nicht, aber es hilft nichts. Mickey lässt die wortreichen und unverständlichen Erklärungen seines geerbten Finanzberaters ebenso über sich ergehen wie den blumigen Sermon des trauerredenden Pastors, auch wenn deren Aussagen in Mickeys Kopf verschwimmen und ineinander übergehen. Mickey ist jedenfalls froh, wenn alles vorüber ist und, weil er’s mit dem Fliegen nicht so hat, entscheidet er sich für eine Schiffsreise zurück nach England. Lippicott ist’s recht, er muss noch ein paar Dokumente anfertigen und wird die per Post nach England schicken – bis Mickey wieder daheim ist, werden die auch bei ihm im Briefkasten liegen. Doch vor der Heimreise wird Mickey noch an Santonix‘ Krankenbett gerufen. Der sucht in einem Hospital in New York couragiert nach einem werfbaren Löffel, will aber zuvor noch mal den jungen Freund sehen. Mickey tut, wie ihm geheißen – in einem letzten Aufbäumen der Lebensgeister verklickert Santonix seinem irritierten Freund, dass er persönlich und menschlich enttäuscht über den Weg, den er eingeschlagen habe, sei, und verröchelt dann in seinen Armen.

Mickey kehrt also nach Gypsy’s Acre zurück und hat noch vor der Haustür eine Vision der dort wort- und bewegungslos herumstehenden Ellie. Nun gut, kann man verstehen. Weniger verstehen muss man, dass Mickey bereits sehnlichst von… Greta erwartet wird.

Ya see, Greta and Mickey were in cahoots all along. Das fiese Paar ist ziemlich zufrieden mit sich selbst und schiebt auch gleich mal eine leidenschaftliche Nummer (Britt Ekland zieht blank, was zwar sehr subtil gehandhabt wird, aber Mrs. Christie trotzdem nicht recht war). Doch es gibt Meinungsverschiedenheiten – Greta möchte mit der rechtmäßig ergaunerten Penunz nun mit Mickey umme Welt reisen und das Dolce Vita in vollen Zügen (erste Klasse, versteht sich) genießen, aber Mickey denkt gar nicht daran, sein geliebtes Gypsy’s Acre aufzugeben. Ach ja, und Post von Lippicott ist auch gekommen. Mickey öffnet den Umschlag und es entgleisen ihm die Gesichtszüge… was der werte Anwalt geschickt hat, sind nicht etwa die erwarteten Dokumente zur Erbschaft, sondern es handelt sich um ein Foto einer Überwachungskamera aus einem gewissen Reichsmuseum in Amsterdam – es zeigt Mickey und Greta und ist damit der schlagende Beweis, dass die Verschwörer sich bereits kannten, bevor Mickey mit Ellie anbandelte. Der Advokat ist also mutmaßlich über das Foulplay im Bilde – Mickeys Pläne stürzen wie ein Kartenhaus ein. Und jetzt kommt uns Michael auf die originelle Idee, dass die ganze Misere letztendlich Gretas Schuld sei. Es war IHR Plan, ihre Idee, und jetzt, wo er so drüber nachdenkt, noch nicht mal eine besonders gute, wo er doch mit Ellie, die, wie ihm jetzt einfällt, doch ganz ehrlich doll geliebt hat, ein glückliches Leben in Gypsy’s Acre hätte verbringen können. Greta hält das verständlicherweise für eine halbwegs unfaire Sicht auf die Ereignisse. Das Liebespaar löst das Problem auf zivilisierte Weise – Mickey erwürgt Greta in a rage of madness und versenkt den nackten Korpus im Indoor-Pool…

Da sich Mickeys Verstand über diese Geschehnisse verabschiedet hat, hilft ihm das nun für die weitere Lebensplanung nicht entscheidend weiter. Oder vielleicht doch, denn anstatt hinter schwedische Gardinen wandert er in eine Klapsmühle, wo er nun, nicht zum ersten Mal, seinem Arzt und dem Cop Sgt. Keene (Windsor Davies, RETTER DER NATION, ALLES GEHT NACH HINTEN LOS) die ganze Geschichte erzählt. Die Frage, wie denn Ellie genau gestorben ist, kann geklärt werden – Greta und Mickey hatten ihr harmloses Allergiemedikament mit Zyanid aus einem Wespenvernichtungsmittel versetzt. Alles, worauf sie achten mussten, ist, dass Ellie nicht zu früh gefunden wird, denn schon nach zwei Stunden ist das Gift nicht mehr nachweisbar und lässt den Todesfall wie einen stinknormalen Herzanfall aussehen. Damit sollte alles befriedigend erläutert sein, es gibt nur ein Problem – wie gesagt, ist das nicht der erste Durchgang durch Mickeys Story und dummerweise erzählt der gute Junge die Geschichte nie zweimal gleich…

Womit wir dann wieder am Anfang und beim Spaziergang im Park wären, wo der Doktor versucht, Mickey weitere Details aus der Nase zu ziehen. Was, z.B., ist mit Miss. Thompson? Die ist seit Ellies Tod bekanntlich verschwunden, und der Doktor vermutet stark, dass Greta und Mickey auch die alte Schrumpel beseitigt haben. Mickey insistiert: es gab NIE eine Miss. Thompson, also auch niemanden zu beseitigen. Was der Dotrore nun aber auch nicht so akzeptieren kann, denn DASS es eine Miss. Thompson gab, ist im Dorf ja einigermaßen unwidersprochener Konsens. Maybe we could repeat it from the first verse?

Puah. MORD NACH MASS ist schon eine ziemlich zaache Angelegenheit. Wiewohl ich Agatha Christies Entscheidung applaudiere, nicht die ausgetretenen Pfade weiter zu zertrampeln und auf ewig das zu wiederholen, was sie zur Star-Autorin und Königin des Kriminalromans machte, sondern ihre bewährte Formel ad acta zu legen und sich ein neues Gebiet, ein neues Format für ihre Geschichten zu erschließen, so sehr muss ich auch konstatieren, dass – zumindest anhand der Filmversion, die allerdings, was den Plot angeht, durchaus ziemlich eng an der Romanvorlage zu bleiben scheint – wenigstens MORD NACH MASS keinen Höhepunkt ihrer schriftstellerischen Karriere bildet.

Statt eines whodunit einen psychologischen Thriller zu schreiben ist also gewiss ein hehres Anliegen, aber man kann zu dem Schluss kommen, dass das nicht wirklich Christies „forté“ war. MORD NACH MASS wirkt unausgegoren, nicht wirklich schlüssig durchkonstruiert, nicht logisch. Wäre ich jetzt böswillig, könnte ich behaupten, das wäre ein Zeichen von Alzheimer – kanadische Forscher haben anhand experimentieller Textanalyse vorgeschlagen, dass Christie ab 1971 unter Alzheimer oder einer anderen Demenzkrankheit litt, aber MORD NACH MASS wurde 1967 geschrieben, also vor der modernen Ferndiagnose…

Wenn man’s positiv sehen will, dann lässt MORD NACH MASS recht lange offen, wohin die Geschichte eigentlich will, was das Mystery sein wird, das aufgeklärt wird (oder auch nicht), wie das Beziehungskonstrukt der Charaktere in eine Krise führen wird, allerdings, betrachtet man es eher von der realistischen Seite, macht diese Unwilligkeit, sich frühzeitig überhaupt für ein Genre zu entscheiden, die erste Stunde des Films ziemlich beliebig. Von echter Bedeutung für das, was sich zumindest im letzten Akt als „Plot“ vorstellen wird, hat auf den ersten Blick eher wenig – ja, der Film deutet da und dort an, dass eine vermeintliche Nebensächlichkeit womöglich später mal wichtig sein wird (z.B. die beiläufige Etablierung, dass Mickey ein Wespennest an der Villa loswerden will), aber es ist über weite Strecken eine ziemlich belanglose Romanze-mit-Hindernissen, und die hat Jane Austen dann doch besser geschrieben, wenn man bei den berühmten britischen Autorinnen bleiben will. Dass Greta einigermaßen langfristig als ein eventueller Popanz aufgebaut wird, lange, bevor sie in Fleisch und Blut in Erscheinung tritt, ist zugegeben nicht gänzlich unclever und lenkt den Verdacht des Zuschauers fraglos darauf, dass Greta entweder Opfer oder Täter eines eventuellen Verbrechens sein wird, da sie als „Fremdkörper“, als jemand, der nicht akzeptieren kann und will, dass sie jetzt nicht mehr die singuläre Bezugsperson in Ellies Leben ist, aber auch hier stellt sich dann heraus, dass die Konfliktpunkte in der „Dreierbeziehung“ Ellie/Mickey/Greta vergleichsweise unbedeutend sind. Der red herring mit Reuben ist zu offensichtlich, um überhaupt in Erwägung gezogen zu werden, und die ganze Miss. Thompson-Geschichte bleibt sowieso unaufgelöst…

… was allerdings auch auf den singulären Clou des Films zurückzuführen ist, der sich allerdings auch nur retroaktiv bemerkbar macht und *während* des Films dem Zuschauer nicht hilft. Mickey ist ein Paradebeispiel für das „unreliable narrator“-Trope. Die Geschichte entfaltet sich so, wie Mickeys kranker Geist sie in *diesem* Durchlauf für sich entwirft, und ob sie der Wahrheit entspricht, nahekommt oder nur vereinzelte Elemente dessen, was wirklich geschehen ist, aufgreift, bleibt völlig der Interpretation des Betrachters überlassen. Damit wird’s natürlich auch schwierig, der internen Logik des Streifens (oder dem Mangel daran) auf den Zahn zu fühlen (so, wie Mickey die Geschichte jetzt und hier erzählt, darf man sich z.B. fragen, wie der meet-cute von Mickey und Ellie zustande kam. Den müsste ja dann Greta orchestriert haben, aber so wie Ellie es – in Mickeys Erzählung, sure – berichtet, kam sie rein zufällig nach Gypsy’s Acre). Christies Romanvorlage ist da wohl eindeutiger (dort wird definitiv festgelegt, dass Miss. Thompson existiert hat und von Mickey ermordet wurde. Im *Film* ist die unheimlich aufs Haus starrende Alte mindestens einmal eine Vogelscheuche..). Wie gesagt, es macht im Nachhinein den Film etwas interessanter, weil wir als Zuschauer (wenn wir noch die Motivaton haben) die Ereignisse noch mal Revue passieren lassen und darauf abklopfen können, ob das tatsächlich so gewesen sein *kann* oder wo Mickeys Story Lücken aufweist, aber insgesamt unbefriedigend bleibt’s schon…

Vor allem eben auch, weil die ersten beiden Akte unendlich langsam sind…. Ja, es ist letztlich alles nötig, um Mickeys Persönlichkeit zu verstehen, aber es geht nicht richtig vorwärts, es passiert zu wenig „kinematisches“, es scheint eine Geschichte zu sein, die als Buch einfach besser funktioniert denn als Film, weil sie eben viel auf mentale „Interna“ des Protagonisten abstellt. Der voice-over allein kann das nicht auffangen. Der dritte Akt bringt zumindest etwas Schwung ins Prozedere (also ab Ellies Tod), weil wir dann endlich ein greifbares „Mystery“ haben (auch wenn der Film zunächst sich nur auf dem Level des legalen Minimums dafür zu interessieren und für wichtiger zu halten scheint, wie Mickey damit umgeht), und sich dann auch langsam die Lücken im Narrativ füllen, Motivationen deutlicher werden (oder aus dem Rennen genommen werden) und dem Zuschauer tatsächlich mehrere Lösungen des Rätsels denk- und erklärbar vorkommen.

Insgesamt aber ist Sidney Gilliats Regie eher tranig. Gilliat hatte seit 1962 nur zwei Filme gedreht, den letzten (THE GREAT ST. TRINIAN’S TRAIN ROBBERY) 1966, und war nach eigenem Bekunden einigermaßen aus der Übung und fühlt sich am Set nicht sonderlich wohl („I felt very rusty on the set and had a perfectly horrible time“). Womöglich lag das auch daran, dass Gilliatt nicht mit seinem vertrauten Produzenten Frank Launder, mit dem er von 1933 bis 1966 erfolgreich zusammengearbeitet hatte, arbeiten konnte, andererseits sprang als Ersatz Gilliats Bruder Leslie ein, und da sollte die notwendige Vertrautheit eigentlich auch gewährleistet sein. Gilliat laboriert jedenfalls heftig daran, die Story in Schwung zu bringen – wüsste man nicht, dass die Vorlage von Agatha Christie stammt und daher Mord & Totschlag *irgendwann* zu erwarten sein dürfte, könnte man schon auf die Idee kommen, vor dem Film zu kapitulieren und sich lieber eine *richtige* Romanze oder einen *richtigen* Krimi anzusehen. Die Kameraarbeit des Routiniers Harry Waxman (LANCELOT, DER VERWEGENE RITTER, DER TAG, AN DEM DIE ERDE FEUER FING) reißt hier auch nichts raus – es gibt ein paar schöne Landschaftsaufnahmen, aber auch nichts, was man nicht auch x-mal anderweitig gesehen hätte, und auch der Score von Altmeister Bernard Herrmann ist für seine Verhältnisse ziemlich unauffällig und unmemorabel.

Der Star des Films ist fraglos die Traumvilla von Gypsy’s Acre. Designer Wilfred Shingleton (AFRICAN QUEEN, TANZ DER VAMPIRE, DER BLAUE MAX) und Art Director Fred Carter (TANZ DER VAMPIRE, ROBIN HOOD – KÖNIG DER DIEBE, DER WILDE HAUFEN VON NAVARONE) haben sich da wirklich ins Zeug gelegt und ein Häuschen aufgebaut, für das sicher so mancher Millionär im echten Leben getötet hätte – die heute retro-futuristischen Technik-Gimmicks inklusive (ich will so einen versteckten Indoor-Pool). Wenn einem der Film sonst nicht zusagt, diese Villa sollte man mal gesehen haben…

Der Cast tut sein Möglichstes – wie es im britischen Film gute Sitte ist, ist der Streifen bis in die kleinsten Nebenrollen mit routinierten TV- und Filmdarstellern besetzt. Hywel Bennett (der seine erste Rolle übrigens in einem DOCTOR-WHO-Serial hatte) channelt, für meine Begriffe, Malcolm McDowell, macht das aber gut; er ist in der Lage, die Zwiespältigkeit seiner Figur, einerseits gewinnend-sympathisch, andererseits von Beginn an auch mit einer gewissen Durchtriebenheit gesegnet, umzusetzen. Hayley Mills muss nicht viel mehr als eine ätherisches, zartes Pflänzchen, das vom ersten zarten Windhauch entwurzelt wird, spielen, macht das aber durchaus bezaubernd, wie auch Britt Ekland eine überzeugende berechnende Bitch spielt (und sich nackig macht, falls ich das nicht oft genug erwähnt haben sollte). Zeitgenössisch wurde vor allem Per Oscarsson als Santonix von der Kritik gelobt, was ich ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehen kann, für mich übertreibt der Schwede etwas. Mit George Sanders gibt sich ein zuverlässiges und immer wieder gern gesehenes Veteranen-Gesicht die Ehre – mag sein, dass Sanders sich in den letzten Jahren seines Lebens zu Tode langweilte (und deswegen auch sein 1937 David Niven gegenüber geäußertes Versprechen, sich im Alter das Leben zu nehmen, war machte, noch bevor MORD NACH MASS in die britischen Kinos kam), aber seinen darstellerischen Leistungen sieht man das nicht an (im Gegensatz, in Filmen wie THE BODY STEALERS setzt er eher noch die Highlights). Wer hofft, dass man Lois Maxwell, die einzig wahre Moneypenny, mal in einer etwas gehaltvolleren Rolle sieht, wird allerdings enttäuscht, Cora ist kein sonderlich wichtiger Charakter und hat nicht mehr als drei Szenen.

Der auf amazon prime verfügbare Print ist im Gegensatz zu früheren deutschen Fassungen ungeschnitten; es fehlten bislang vor allem zu Beginn einige Szenen mit Mickey und seinen Mietwagenkunden. Diese sind nun im englischen O-Ton mit deutschen Untertiteln verfügbar. Bild- und Tonqualität sind mittelmäßig.

Also, letzte Worte. Einerseits möchte ich Agatha Christie durchaus dahingehend zustimmen, dass MORD NACH MASS in Filmform kein sonderlicher Weitwurf ist. Andererseits ist die ganze Plotte doch recht dicht an der Vorlage orientiert, und die hat sie selbst geschrieben, also… what does she know? Anstatt eines spannenden psychologischen Thrillers bekommen wir also ein mediokres Crime-Melodrama ohne große Höhepunkte, dessen einzigen wirklichen Vorzug, den „unreliable narrator“, man erst im Nachhinein würdigen kann (und auch dann ist es eher ein sanfter Vorstoß in dieses Gebiet, kein Vergleich mit Orgien wie DIE ÜBLICHEN VERDÄCHTIGEN). Die Darsteller sind okay, die Villa ein Traum, aber das Gesamtpaket insgesamt einfach zu dröge, zu langweilig, zu wenig einfallsreich. Wer nicht an 70er-Wohngebäudearchitektur interessiert ist, muss schon Hardcore-Agatha-Christie-Komplettist sein, um an MORD NACH MASS etwas zu finden, was die 90 Minuten Zeitaufwand lohnt…

(Ah, und wer sich noch fragen sollte, was eigentlich der Originaltitel ENDLESS NIGHT bedeuten soll… er bezieht sich auf ein Gedicht von William Tyler, das Ellie gelegentlich in einer vertonten Fassung singt. So you know that now.)

© 2020 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 5

BIER-Skala: 4


mm
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