Moon

 
  • Deutscher Titel: Moon
  • Original-Titel: Moon
  •  
  • Regie: Duncan Jones
  • Land: Großbritannien
  • Jahr: 2009
  • Darsteller:

    Sam Rockwell (Sam Bell), Kevin Spacey (GERTY/voice), Dominique McElligott (Tess Bell), Kaya Scodelario (Eve Bell), Benedict Wong (Thompson), Matt Berry (Overmeyers)


Vorwort

In naher Zukunft – die Energieprobleme der Menschheit sind gelöst, seit entdeckt wurde, dass auf der Rückseite des Mondes rück- und schadstofffrei zu nutzendes Helium-3 abgebaut werden kann. Sam Bell sitzt alleine in einer Mondbasis, beaufsichtigt die automatisch betriebenen Abbau-Bagger und schickt gelegentlich Container voller Helium-3 auf die Erde. Einziger Gefährte während seiner dreijährigen Dienstzeit ist das Computersystem GERTY. Nun ist Sams Vertragslaufzeit beinahe beendet – er freut sich darauf, seine Frau Tess wiederzusehen und endlich seine nach seinem Aufbruch zum Mond geborene Tochter Eve in die Arme nehmen zu können. Aber bekanntlich ist der Teufel ein im Detail sitzendes Eichhörnchen – zwei Wochen, bevor sein Heimflug ansteht, baut Sam, der schon langsam unter Einsamkeitskoller leidet und halluziniert, mit seinem Mond-Rover einen schweren Unfall. Ohne Erinnerung an den Crash kommt er in der Krankenstation der Basis wieder zu sich. GERTY schweigt sich zu den Umständen seines Unfalls aus, von seinem Heimflug ist plötzlich nicht mehr die Rede, statt dessen soll nur ein „Rettungsteam“ den beschädigten Bagger reparieren, und die Zentrale hat – unter dem Vorwand, Sam müsse sich nach seinem Unfall noch schonen – GERTY streng verboten, Sam Ausflüge nach Draußen machen zu lassen. Sam ist verstört, trickst einen Defekt hin, der dringend von der Außenseite der Basis aus untersucht werden muss und fährt heimlich zur Unfallstelle – wo er aus einem beschädigten Rover… sein schwer verletztes Ebenbild zerrt.

Vergleichsweise schnell findet sich der unverletzte Sam damit ab, ein Klon des Rekonvaleszenten zu sein, doch bleibt die bange Frage, ob *der* das Original oder nicht selbst schon ein Duplikat des ursprünglichen Sam Bell ist, und damit verbunden das nicht minder schwer zu klärende Dilemma, wessen Erinnerungen „echt“ sind – welche Rolle die Zentrale, die, wie sich herausstellt, absichtlich direkte Funkverbindungen zwischen Erde und Mond stört, spielt, wie man mit dem Rettungsteam, das nur EINEN Sam erwartet, umgeht, und wie beide Sams nach „Hause“ zurückkehren können. Überraschenderweise schlägt sich GERTY auf die Seite der Sams…


Inhalt

– generelle SPOILER-Warnung –

Sie ist – wie ich des öfteren schon beklagte – selten geworden, um so schöner ist es, dass das FFF auch ihr gebührenden Platz einräumt: die intelligente, nicht nur auf oberflächliche FX und Materialschlachten ausgerichtete Science fiction. Ich weiß nicht, ob ich es mal erwähnte – meine Leidenschaft für phantastische Stoffe begann eindeutig mit SF (speziell der legendären Samstagspätabend-Reihe der ARD), Horror und Fantasy gesellten sich irgendwann später mal dazu, aber im Grunde meines Herzens bin ich SF-Geek, und als solcher unendlich traurig, dass George Lucas das Genre, wenn man so will, für immer verdorben hat (was mich nach wie vor nicht daran hindert, die Original-„Star Wars“-Trilogie zu mögen). SF, die mehr sein will (oder, im Umkehrschluss, „weniger“) als Raumschlachten und Fairytales in vorgeblich utoptisch-technischem Gewand, hat es heute schwer, egal, ob das im Printbereich ist oder im Kino. Ich freue mich daher immer wie ein Schneekönig, wenn „hard SF“ den Weg ins Kino findet. Und, um langsam zu „Moon“ zu kommen, es ist natürlich auch ausgesprochen adäquat, wenn die Geschichte eines einsamen Astronauten weit weg von zuhaus von niemand anderem verfilmt wird als von Major Toms, ergo David Bowies, selbstpersönlichem Lendensproß Duncan Jones.

„Moon“, erdacht von Jones selbst und ausfabuliert von Nathan Parker (zuständig auch für das Script des kommenden Jason-Statham-Thrillers „Blitz“), ist, und das ist, soweit man das nach drei begutachteten Filmen sagen kann, ein weiterer Beleg für den diesjährigen FFF-Trend, stärker charakter- denn plot-orientierte Werke zu präsentieren. „Moon“ ist knapp an „Action“, dafür aber um so reicher an Emotion – auch hier reicht eine einfache, durch ein wenig irrelevantes Technobabble „gedeckte“ Grundsituation und die Idee, dass der einsame Astronaut im Falle des (Un-)Falles durch einen bereits bereitliegenden Klon ersetzt wird, aus, um ein zwar ruhiges, dennoch aber packendes und keine Sekunde langweilendes Drama vom Zaun zu brechen. Zwar scheint das Drehbuch zu Beginn anzudeuten, wir würden uns eher in „2001“-artigem „Computer-dreht-durch“-Gefilden bewegen (schon allein, weil GERTY per lustigem Smiley-Face mit Sam kommuniziert, da lässt „Electric Dreams“ schön grüßen – wie auch das Interior der Mondbasis und die Beobachtung des Astronauten bei Alltagsverrichtungen wie dem Training auf dem Laufband ein wenig an den Kubrick-Klassiker erinnert), doch mit Sams Unfall und seinem „Wiedererwachen“ machen Jones und Parker klar, dass sie bei den „Besten“ vielleicht die ein oder andere Inspiration für Design und „Umfeld“ geholt haben, aber eine eigenständige Geschichte erzählen wollen. Es ist die alte Krux des Viel- bis Allessehers (und -lesers), dass die zwei entscheidenden Plotpunkte des Scripts nicht gerade mit dem Donnerschlag der totalen Überraschung auf den Zuschauer herniedergehen (namentlich: die Tatsache, dass es letztlich um Klone geht und die Auflösung des ganzen Spiels) – ungeachtet der Tatsache, dass es nicht wesentlich stört, weil auch der Weg zum (zumindest von mir) erwarteten Ziel interessant genug ist, behilft sich das Script auch damit, die Enthüllung der Klonerei völlig unaufgeregt und ohne schicksals- und unheilsschwangere DRAMATIK~~!(TM) zu bringen – Sam I und Sam II haben keine alternative Lösung am Start, also wird der Umstand, dass Sam II ein Klon ist, als gegeben hingenommen (nicht ohne psychologische Beeinträchtigung beider Sams, die trotz ihrer „Identität“ unterschiedlich damit umgehen) und von hier aus weitererzählt; das „was“ ist – auch und speziell für die Charaktere – uninteressant, das „wie“ und „warum“ in ihrer Situation viel wichtiger und so soll es dann auch der Zuschauer sehen (und tut es auch, wenn er nicht, wie manch einer im FFF-Publikum, in einem charakterorientierten SF-Drama rein grundsätzlich fehl am Platz ist).

Akzeptiert man einige Grundbedingungen des set-ups (SPOILER SPOILER SPOILER Man *kann* sicherlich darüber streiten, ob es wirklich wirtschaftlicher ist, wie der Film es postuliert, einen derartigen Aufwand zu betreiben, um die Klone unter Kontrolle zu halten, als wirklich alle paar Jahre einen neuen Astronauten auf den Mond zu schießen… SPOILERENDE), entwickelt sich „Moon“ vollkommen schlüssig (mit Ausnahme der angedeuteten Konsequenzen des Endes, die ich so ohne weiteres nicht schlucke – aber Jones plant zwei weitere „Moon“-Filme, also gebe ich ihm im Moment noch den „benefit of doubt“, dass er sich mit dem nächsten Teil der Serie da herauslaviert), inklusive des Umstands, dass GERTY auf den ersten Blick nur für Exposition und deus-ex-machina-Momente gebraucht wird, denn immerhin ist GERTYs oberste Programmierungs-Direktive, unter allen Umständen für Sams Wohlergehen und Sicherheit zu sorgen, es deswegen durchaus glaubhaft ist, dass der Computer den Sams behilflich ist bis zur Selbstaufgabe (halt doof, dass GERTYs Programmierer nicht an eine fail-safe-Schaltung gedacht haben).

Jones inszeniert den Streifen überwiegend in ruhigen Bildern, ohne dass sich echte fühlbare Längen einschleichen (im direkten Vergleich kam mir der ausgesprochen lustige Wasting Away länger vor). Jones hat ein gutes Gespür dafür, die Bilder sprechen zu lassen (auch ein Verdienst der ausgezeichneten Kameraarbeit des Langfilm-Debütanten Gary Shaw), die Dialoge sind vergleichsweise knapp und lakonisch; obwohl Jones durch das stets referierte Ankommen des Rettungsteams Zeitdruck aufbaut, lässt er sich davon nicht hetzen, Spannung bezieht er überwiegend aus der Beziehung der beiden Sams und der Lösung des „Geheimnisses“ der Mondbasis; das Faktum, dass letzteres erledigt sein sollte, bevor die Rettungsmission auftaucht, ist nur eine zusätzliche, nicht die ursächliche spannungserzeugende Motivation. Das Design des Films ist in den Interiors eher „retro-futuristisch“ und zweckorientiert denn umwerfend fantasievoll, was absolut Sinn ergibt, da die Station eine reine Arbeitsstation ist und dementsprechend ästhetische Überlegungen auch im realen Leben eher hintanstehen würden.

Bei einer finanziell nicht schwergewichtigen Independent-Produktion gibt’s natürlich auch ein paar Schwächen – die Modelltricks für die Mond-Außenaufnahmen sind nicht wesentlich realistischer oder „moderner“ als bei „Mondbasis Alpha-1“, sie erfüllen aber ihren Zweck, „Moon“ ist, wie sich bereits ergeben haben sollte, kein FX-Film, die Spezialeffekte sind Mittel zum Zweck, nicht Selbstzweck an sich (ebenso ist es mir im Rahmen dieser Story relativ wurscht, dass innerhalb der Mondbasis normale Erdschwere zu herrschen scheint, bei den Außenaufnahmen wird die geringere Schwerkraft hingegen einigermaßen adäquat umgesetzt). Bei FFF-Features muss man ja wohl darauf hinweisen (obwohl meine vermutete Altersfreigabe oben ja schon darauf hindeutet) – Härten gibt’s hier nicht, Sam spuckt ab und zu ein wenig Blut und der eine Sam bricht dem anderen mal die Nase.

Der Score von Clint Mansell („Pi“, „The Wrestler“, „Blood: The Last Vampire“) ist angenehm, drängt sich nicht in den Vordergrund, ein Musterbeispiel eines unauffälligen, aber im Sinne des Films vollständig funktionierenden Soundtracks.

Selbstredend ist „Moon“ aus schauspielerischer Sicht eine dankbare one-man-show für Sam Rockwell (einem breiten Publikum sicherlich bekannt als durchgeknallter Schurke aus „Drei Engel für Charlie“), der die Doppelrolle der beiden Sam Bells (er ist praktisch jede Sekunde im Bild und über weite Strecken zweifach) zu einer wahren tour-de-force durch die komplette Bandbreite der Emotionen von Langweile, Koller, Verzweiflung, Liebe, Ärger, Wut, Trauer und Hoffnung durchackert – eine spektakuläre Leistung, die einmal mehr beweist, dass Science fiction nicht nur reines steriles Technik-, sondern auch großes Schauspielerkino sein kann (das hat sich halt bis heute nicht an alle Produzenten durchgesprochen). Rockwell findet im Spiel mit/gegen sich selbst stets die richtigen Nuancen, verfällt nie in over- oder „under“-acting, beherrscht die leisen Töne ebenso virtuos wie die härtere Gangart. Großes Tennis, mal ohne jede Ironie. In den Genuss des sonoren Organs von Kevin Spacey als Stimme des Computersystems GERTY kommt man natürlich nur in der Originalfassung – auch wenn die Produzenten wohl nicht realisiert haben, dass allgemeiner Stand der Computerforschung ist, dass „weibliche“ Computerstimmen aus psychologischer Sicht (speziell in einem Fall wie diesem, möchte ich meinen) besser akzeptiert werden, ist Spaceys Stimme ideal. Weitere Darsteller finden nur in Flashbacks (soweit es Dominique McElligott als Tess Bell, zu sehen auch im „Lordi“-Film „Dark Floors“) und Video-Übertragungen statt und brauchen daher nicht berücksichtigt zu werden.

Fazit: „Moon“ ist eine Wohltat für jeden SF-Fan, der sich verzweifelt gefragt hat, ob denn keine seriösen, ernstzunehmenden Genrefilme mehr gedreht werden, die das tun, was SF ursprünglich nach dem Willen ihrer „Erfinder“ tun sollte – in utopischem Gewand moralische, ethische und/oder technische Fragen und Probleme von heute zu beantworten. „Moon“, der den ernsten SF-Filmen der frühen 70er Jahre viel schuldet (was auch klarstellt, wer sich speziell von diesem Werk angesprochen fühlen sollte) erfindet sicher den filmischen Umgang mit Klonen nicht neu, stellt aber eben bemerkenswerte moralische-ethische Problematiken vor (SPOILER in diesem Falle den „Mißbrauch“ von Klonen als billige, ersetzbare Arbeitskräfte, das Vorgaukeln einer „realen Existenz“ für Klone SPOILERENDE) und tut dies, getragen von einer ausgezeichneten darstellerischen Leistung von Sam Rockwell, in Form eines intensiven, packenden Charakterdramas. Zur Höchstnote fehlt vielleicht die ein oder andere kleinere Überraschung im Plot, mit mehr Geld wären sicherlich auch deutlich bessere FX möglich gewesen, aber ohne eine deutliche Empfehlung für ausgehungerte Freunde der „hard SF“ kann ich gar nicht abschließen…

4/5
(c) 2009 Dr. Acula


mm
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