Mondo Sexuality

 
  • Deutscher Titel: Mondo Sexuality
  • Original-Titel: Mondo Freudo
  •  
  • Regie: Lee Frost
  • Land: USA
  • Jahr: 1966
  • Darsteller:

    Judy Adler
    Carol Baughman
    Baby Bubbles
    Bob Cresse
    Lee Frost
    James E. McLarty
    Coleen O’Brien
    Margo Lynn Sweet


Vorwort

Hin und wieder muss ich doch mal Genres beackern, die ich persönlich nicht so wirklich toll finde – den Mondo-Film z.B. halte ich an und für sich für ein recht abstoßendes Genre, da es sich oft und gern (und ganz speziell bei den Filmen, die den genreprägenden Jacopetti-Filmen folgen) an „primitiven“ Riten, Sitten und Gebräuchen delektieren und dabei, bewusst oder unbewusst, eine geflissentliche überhebliche Herrenmenschenperspektive einbringen, sofern der ganze Krams, wie bei der „Gesichter des Todes“-Reihe, nicht zu 99 % sowieso gestellt ist und jeglicher „dokumentarische Anspruch“ damit eh verwirkt ist.

Hin und wieder gibt’s dann aber doch Titel, die mich zumindest latent interessieren und speziell, wenn man ein Faible für Opas Sexfilme (eh, also jetzt nicht Opas eigene Sexfilme, ne, ähm) mitbringt, also den zarten Versuchen, unter dem Deckmantel sexueller Aufklärung (oder wenigstens gesunder Empörung über die Umtriebe der modernen Jungen) Sexploitation salonfähig zu machen, kann man hin und wieder noch eine Entdeckung machen (so z.B. den hysterischen „Mysterien der Pornographie“, den ich dieses Jahr im Kino erleben durfte).

„Mondo Sexuality“, im Original „Mondo Freudo“ betitelt und von X-Rated mit einem debilen Hardcore-Covermotiv versehen (der formatfüllende eregierte Schwanz suggeriert Dinge, die in einem harmlosen kleinen Filmchen von 1966 nie im Leben vorkommen können und es demzufolge auch nicht tun), stammt aus der umtriebigen Werkstatt von Allesfilmer Lee Frost („Black Gestapo“, „Love Camp 7“, „Das Ding mit zwei Köpfen“, „Sadomona – Insel der teuflischen Frauen“), realisiert mit Hilfe seines frequenten Kollaborateurs Bob Cresse („Gräfin Frankensteins Liebestempel“, „Zorro und seine lüsternen Mädchen“, „Love is a Four Letter Word“).

Die Herren Frost und Cresse werden uns auch per voice-over begleiten, wenn sie uns, so versprechen sie, all die wundervollen sexuellen Perversionen, die nun, wo alle Tabus gefallen sind, praktiziert werden, im Bild vorführen werden, wofür sie nicht eins, nicht, zwei, sondern DREI Kamerateams rund umme Welt geschickt haben wollen.


Inhalt

Wir beginnen die erotische Weltreise ganz profan an einem Badestrand in Kalifornien, wo junge und alte Menschen sonnenbaden und, so behaupten es zumindest unsere Narratoren, und die sollten ja wissen, wovon sie reden, natürlich nur deswegen unter der heißen Sonne Kaliforniens braten, weil sie auf der Suche nach dem passenden Sexpartner für die nächste Liebesnacht sind. Nachdem der Kameramann uns stolz sein Superduperultrateleobjektiv vorgeführt hat, mit dem er das mutmaßlich lästerliche Treiben aus sicherer Ein-Meilen-Entfernung fotografieren kann, erschlägt uns der Film mehrere Minuten lang mit zumindest augenscheinlich authentisch wild geschossenen Strandaufnahmen. Leute liegen rum, gehen ins Wasser, essen Eis, schauen doof etc., und nicht mal der kleinste Nippel wagt sich vorwitzig aus einem Bikinioberteil heraus. Ich will nicht meckern, aber Lagneses alte Kinowerbung war pornografischer, und nicht mal die angeblich dazwischengeschnittenen Geheimaufnahmen von einem „Privatstrand“, an dem es mehr zur Sache gehen soll, machen einen Unterschied (im Gegenteil: man kann vielmehr raten, wie oft man den gleichen Shot sehen darf. Zeitschinden ist schon jetzt alles).

Nun, es ist nicht nicht so, als hätten Crost und Fresse, äh, umgekehrt, uns nicht vorgewarnt: „Bei Tageslicht werden wir keine Orgie filmen können.“ Was die Spacken natürlich nicht daran hindert, uns mintenlang eben keine Orgie zu zeigen, obwohl wir mit dem Versprechen auf ungezügelten Sex in allen perversen Ausdünstungen geködert wurden.

Was tagsüber nicht klappt, funktioniert vielleicht nachts und glücklicherweise haben unsere glorreichen Filmemacher technisch revolutionäres Infrarot-Equipment am Start, mit dem sie nun nach Einbruch der Dunkelheit den Strand bespannen und tatsächlich ein Pärchen findet, das einwenig aneinander rumfummelt (d.h. Brüste! Yay!). „Infrarot“ ist natürlich hier nur eine lausige Ausrede für einen Rotfilter und „versteckte Kamera“ heißt soviel, dass der Kameramann dem Mädchen ungefähr bis auf 5 cm auf die Pelle rückt. Im Großen und Ganzen ist dieses Segment ca. so erotisch wie ein Fleurop-Werbespot und damit zumindest schon mal more sexy als die Tagesaufnahmen.

Nun wird der Film auf einmal schwarz-weiß, weil wir uns nach Hollywood verpieseln, wo junge Leute nach dem wissenschaftlichen Fachkommentar von Frost und Cresse nichts besseres zu tun haben, als den ganzen Abend den Boulevard auf und ab zu fahren, um gesehen zu werden, Spaß zu haben und, wir ahnen es, potentielle Sexpartner aufzugabeln. Warum Frost diese Aufnahmen nicht selbst machen konnte und statt dessen auf x Jahre ältere Archivbilder zurückgriff, bleibt sein Geheimnis… Während wir also im Bild den regen Verkehr (leider nur automobiler Art) auf dem Bvd. beobachten, mutmaßen Frost und Cresse auf der Tonspur, dass das ja irgendwie nicht alles sein könne, was die Jugend von heute als „Spaß“ verstehe. Daher, führen sie aus, hätten sie einen jugendlichen Informanten mit der immensen Summe von 10 Dollar bestochen, auf dass er ihnen verrate, was er und seinesgleichen denn WIRKLICH täten. Und als er dies ausgespuckt habe, hätten die Filmemacher beschlossen, willkürlich einem mit Jugendlichen besetzten Fahrzeug zu folgen und zu überprüfen, ob diese Aussagen der Wahrheit entsprechen. Haken: wir werden nie erfahren, WAS diese Aussagen sind, OB sie stimmen und falls nicht, WAS die gestalkten Jugendlichen denn wirklich tun, weil…

… einen Schnitt weiter sind wir wieder in einem Farbfilm, im Bronson Canyon, äh, Verzeihung, natürlich „119 km außerhalb von Beirut“, und in Begleitung eines sympathischen Arabers namens Fuad, der unserem Filmteam versprochen hat, das in dieser unwirtlichen Gegend ein selbstverständlich illegaler Sklavenmarkt stattfinden soll. Den wollen unsere Freunde gerne filmen, ohne dabei aufzufallen, denn die bösen bösen Sklavenhändler sind Leute, die im Falle der Anwesenheit ungebetener Gäste erst mal totschießen und dann die Fragen stellen. Doch bevor wir dem schmutzigen Geschäft mit menschlicher Ware beiwohnen dürfen, müssen wir erst mal ausführlich mit ansehen, wie die tapferen Filmemacher ihr Equipment mühselig aus ihrem Van auf einen Hügel wuchten (und einer der Herren, ich vermute Bob Cresse, macht sich zum Affen, in dem er dramatisch so tut, als würde er ob des schlechten Geröll-Geläufs den Berg runterfallen). Dann endlich kommen die Verkäufer – die Ware ist stilecht auf der Ladefläche eines Lkw in Kisten verpackt und wird, bevor die Kundschaft kommt, noch mit trocken Brot gefüttert. Nun fährt ein knappes halbes Dutzend Karossen vor, dem etwa ein Dutzend hochgradig authentischer Araber (mit Fezzes, Palitüchern und sonstigen Kopfwickeln) entsteigt – eines der Fahrzeuge soll sogar zum Fuhrpark eines königlichen Hauses gehören, daher wird aus Sicherheitsgründen das Kennzeichen übermalt (wie’s im Übrigen, weil Amerika ja viel prüder ist als der Nahe Osten, auch mit etwaigen Mumu-Sichtungen geschehen wird). Nun geht’s ans Eingemachte, bzw. an den Verkauf der Eingekisteten. Zunächst werden zwei Mädchen europäischen Zuschnitts an den Mann gebracht (die Auktion verläuft gut organisiert: alle schreien durcheinander „jallajalla“ und wedeln mit dicken Geldbündeln), dann eine Südseekönigin (zwei werden von ihren Erwerbern in den Kofferraum der jeweiligen Kaleschen gehasselt, was die Girls mit unangebrachter Gelassenheit quittieren, eine darf sogar in den Fond einsteigen). Dann kommt’s zur Sensation – eine waschechte Blondine steht zum Verkauf und der versammelten Käuferschaft springt kollektiv der Draht aus der Mütze. Fröhlichere Gesichter und aufgeregtes Herumspringen dieser Art habe ich seit meinem letzten Kindergeburtstag nicht mehr gesehen. Wie der Kommentar eloquent ausführt, sind Blondinen für den gemeinen Muselmanen so etwas wie der Heilige Gral unter den Kaufnutten, weswegen der Preis auch ordentlich anzieht. Einige finanziell weniger gut gebettete Käufer bilden spontan einen Bieterpool, schmeißen ihre Kohle zusammen und bekommen den Zuschlag (wie das Arrangement praktisch funktionieren soll, will ich eher nicht wissen. Man weiß ja, dass in der Gegend die AK-47 weit verbreitet ist…). Zu guter Letzt wird noch ein knackiger schwarzer Jüngling verhökert. Auch dem muss es nicht schlecht ergehen, versichert uns der Kommentar, da er auch in einem Palast landen könnte und die Vorzüge des adeligen Lebens genießen könne. Scheint was dran zu sein, denn der Knabe wird vom anonymen Bieter aus der königlichen Limousine erworben. Diese ganze Sequenz war wohl offensichtlich in der alten deutschen Fassung geschnitten, denn sie wird uns in OmU präsentiert.

Recht unvermittelt schalten wir nun um nach „New York“, wo lt. Kommentar, und wer bin ich zu widersprechen, die Satanisten hausen und wir nun Zeugen einer schwarzen Messe werden sollen. Wiewohl unsere voice-over-Künstler alle Register ziehen, um uns davon zu überzeugen, dass wir es hier tatsächlich mit den Umtrieben authentischer Satansbraten zu tun haben, sieht das Bildmaterial nach einer gewöhnlichen Voodoo-Zeremonie aus, bei der „schwarz“ als Adjektiv nur für die Hautfarbe der Teilnehmer zutreffend ist (und im echten Leben vermutlich nichts anderes war als Stock Footage einer haitianischen Voodoo-Zeremonie, an die Frost und Cresse günstig rangekommen waren). Tierfreunde wenden sich ab, da ein Huhn und eine Schlange geopfert werden (beides zumindest außerhalb des sichtbaren Bildausschnitts), während sich eine Voodoo-Priesterin in Ekstase tanzt – auch wenn der Kommentar behauptet, das Mädel wäre ein freiwilliges Menschenopfer und bereite sich durch die Tanz-Trance auf ihren Übertritt zum Luzifer vor. Natürlich bricht die Footage ab, bevor wir ernstlich an ein, hurgh-hurgh, „echtes“ Menschenopfer gelangen könnten.

Abrupt geht’s wieder zurück nach Hollywood, wo wir kurz in einen High-Society-Nachtclub linsen und die Kommentatoren über die konservativen moralischen Werte Amerikas wundern (und der Frauenbewegung den schwarzen Peter zuschieben, „obwohl amerikanisch Frauen sexuell sehr aktiv sind“). Viel schöner ist’s doch in England, wo die Gesetze zwar härter sind, aber lax ausgelegt werden. Darby’s Nightclub ist unser nächster Schauplatz, obschon wir nichts anderes sehen als die Brustregionen diverser Frauen in Büstenhebern und BHs, während Frost und Cresse begeistert sind, dass die Frauen zwar „15 Prozent ihres Körpers bekleidet“ halten müssen, aber trotzdem freizügig sein dürfen (die Sequenz sieht insgesamt danach aus, als hätten Frost und Cresse hier Lingerie-Werbefilme verhackstückt, speziell der per Strohhalm aufpumpbare BH sieht nicht so aus, als ob er wirklich in einem Nachtclub zum Einsatz käme). In Soho hingegen gibt’s private Clubs – wir schalten die Farbe wieder ab. Wir sehen ein paar Leute relativ gesittet zu Jazz- und Merseybeat-Mucke abrocken – Frost und Cresse sehen offenbar einen anderen Film, denn sie lassen sich darüber aus, dass in diesen Club „alles“ gehe und es keinerlei gesetzliche Beschränkungen gäbe. Aber dann sehen wir für ca. 30 Sekunden immerhin noch eine Stripperin, die ihre Ding Dongs schüttelt, immer noch in s/w, immer noch mit brav abgeklebten Nippeln, aber man könnte es unter gewissen Umständen und aus dem rechten Blickwinkel betrachtet beinahe für „erotisch“ halten.

Nun kommen wir auf das erfreuliche Thema Prostitution zu sprechen. Straßenprostitution ist in England nicht erlaubt, also müssen die Damen des Gewerbes auf andere Methoden zurückgreifen, um an Freier zu kommen, so z.B. öffentliche Aushänge, bei denen man durch die beigefügten Bilder und „zwischen den Zeilen“ der knappen Begleittexte erkennen könne, welche Art Dienstleistung die betreffende Unternehmerin anbietet. Das wollen die Filmemacher natürlich selbst ausprobieren und anhand einiger Beispiele dem geneigten Publikum auch vorführen. Die erste Dame verkauft sich angeblich als „Expertin auf dem Gebiet der Onanie“. Jetzt könnte man sich fragen, wie man mit Selbstbefriedigung diesseits einer Samenbank Geld verdienen möchte, speziell als Frau, aber Onanie ist offensichtlich im Kontext dieses Films nichts anderes als eine noch nicht mal sonderlich erotische Massage, die ein nicht unbedingt begeistert wirkender Herr (in s/w-Footage, also mal wieder ein Filmschnipsel, den Frost und Cresse aus irgendeinem Archiv gezaubert haben) von zwei asiatischen Grazien über sich ergehen lässt.

Vor lauter Begeisterung vergessen unsere Filmemacher glatt, dass sie mehrere Beispiele versprochen hatten und schalten direkt um in ein Theater nach Hamburg (hummelhummel!). Das gutbürgerliche Publikum verfolgt dort, so erfahren wir, ein Theaterstück namens „Heil Deutschland“, das die Verbrechen der NS-Diktatur thematisieren soll, aber aus der Feder eines NS-Schreiberlings namens Karl Hoffstädt stamme (selbstverständlich existiert weder das Stück noch der Autor. Die Aufnahmen sind allerdings offenbar in einem echten Theater gedreht worden – auch wenn die Schnitte ins Publikum ziemlich erkennbar gefaked sind -, so dass ich vermute, dass die Macher hier bei einem Off-Broadway-Exploitation-Stück filmen durften). Das, so behauptet der Kommentar, stilecht mit Hitler-Reden untermalte Stück handelt von einer jungen Jüdin, die vom Dachboden weg verhaftet wird, aber ungleich Anne Frank nicht direkt im KZ landet, sondern von ein paar geilen SS-Männern ausgepeitscht und anderweitig gefoltert wird. Der Kommentar entrüstet sich darüber, dass sich das Publikum (zumindest das männliche, den Schnitten nach) unter dem Deckmantel der Empörung über Nazi-Verbrechen an ebenjenen delektiert (während die Frauen im Publikum zumindest anstandshalber zusammenzucken, aber am Ende doch brav applaudieren). Auch wenn die ganze Sequenz, die wenig überraschend in der alten deutschen Fassung ebenfalls komplett geschnitten war, ganz offenkundig fake ist (also ein Exploitation-Stück und ein „seriöses“ Publikum zusammengeschnitten wurden), wirkt dieses Segment tatsächlich ziemlich unangenehm (zumal „aufgeilen an Nazi-Verbrechen“, wie wir gerade erst in Nazithon: Decadence and Destruction gelernt haben, ja ein ganzes Filmgenre begründen konnte).

Nun geht’s für eine complete nonsensical interlude zurück nach L.A., wo wir mithilfe eines zumindest nicht ganz impressiven Shots (den ich den Filmemachern jetzt mal pauschal nicht so zutraue und daher wieder auf das Archiv tippe) einer attraktiven jungen Dame beim Sonnenbaden auf ihrem Hausdach zukucken dürfen, dieweil der Kommentar darüber rambled, wie aus einem kleinen Kuhdorf eine Metropole geworden sei und die Filmbranche allerlei junge Leute anziehe (wohl eher „ausziehe“, wenn ich den mindframe von Frost und Cresse richtig einschätze).

Es folgt der Sprung über die Grenze nach Mexiko, genauer gesagt nach Tijuana (oder „Tiuhana“, wie der deutsche Kommentar sich konsequent auszudrücken beliebt), Touristenmekka-släsch-Sündenpfuh. Zu einmal mehr vermutlich authentisch guerilla-style geschossenen Aufnahmen von Hauptstraßen und Slums gibt sich der Kommentar mitfühlend über die furchtbaren Lebensumstände der armen Bevölkerung und ihre Lebenserwartung von 35 Jahren (das dürfte sich, seit in Mexiko offen die Kartelle regieren, nicht wirklich zum Besseren gewendet haben), aber natürlich steht dieser Produktion nichts ferner als ernsthafte soziokulturelle Analyse, solang’s noch irgendwo nackte Tatsachen gibt, an denen man sich ergötzen kann.

So dürfen wir nun einem der „letzten existierenden Sklavenmärkte“ zusehen (es so einer der letzten, dass es schon der zweite ist, den wir allein in diesem Film sehen). Weil hier durchschnittlich jeder Sombreroträger gefühlte achtundzwanzig Töchter hat, die man zu nix brauchen kann, werden diese, soweit einigermaßen ansehnlich, in irgendeinem Hinterhof an Bordellbetreiber verschachert. Im Gegensatz zu den armen Dingern im Libanon sind die Schnepfen hier aber durchaus freiwillig dabei, alldieweil das Leben im Puff immer noch besser ist als das im Slum – sie bekommen Kost & Logis, einen Teil des Kaufpreises und immerhin 10 Prozent Umsatzbeseitigung, dafür müssen sie’s nur mit 40 Männern am Tag treiben. Unsere Kommentatoren meinen, dass das alles in allem ein guter Deal für die beteiligten Damen ist, die im Zuge der Verkaufsgespräche selbstverständlich alles auspacken, mit dem Derdaoben sie ausgestattet hat, natürlich wieder mit entsprechender Zensur der tieferliegenden Regionen.

Damit sind die armen Mexikaner aber noch nicht genug öffentlich gedemütigt, schließlich hat Tiuhana auch Stripschuppen en masse, und das kann sich unser Filmteam ja wohl nicht entgehen lassen. Frost probiert tatsächlich mal, seine „echten“ Aufnahmen mit der auf irgendeinem Schneideraumboden gefundenen stock footage anzugleichen. Die ist nämlich in schwarz/weiß (und sieht aus, als wäre sie irgendwann so um Mitte der 50er rum entstanden), also wäscht Frost aus seinen Straßenaufnahmen die Farbe raus und tut so, als würde das zusammenpassen (dass es tatsächlich die gleichen street shots wie vorher sind, merkt man daran, dass der Esel, den sein hochgradig witziger Besitzer auf Zebra umlackiert hat, in beiden shots vorkommt).

Das Etablissemang ist, so stellen unsere Heroen fest, eine besonders billige Bumsklitsche, weswegen sie (das behauptet zumindest der Kommentar) die gastliche Stätte vorzeitig wieder verlassen mögen, doch dann weist sie ein freundlicher Mitgast darauf hin, dass die Main Attraction des Hauses sei, dass die angestellten Nutten es hier auf der Bühne live mit der Kundschaft treiben soll. Das erweckt dann doch das Interesse, allerdings nicht das des Zuschauers, denn das wir hier keinen Live-Sex on screen bewundern werden dürfen, sollte nach dem bisherigen Filmverlauf auch denjenigen klar sein, die sich selbst auf eine Palmolive-Werbung einen rubbeln können. So sehen wir nun auch eine höflich ausgedrückt mittelattraktive Wuchtbrumme recht unenthuasiastisch auf der Bühne auf und ab gehen und gelegentlich einen der mehr oder weniger glücklichen Erstreihenbesucher die Wange tätscheln o.ä., was in meiner ekelhaften bildlichen Vorstellung ungefähr so sexy wirkt wie ein Zungenkuss von Tante Klementine. Nach einer Weile betritt ein anderes Girl die Bühne und tut in etwa selbiges, nur geringfügig motivierter, während der Kommentar, der mal wieder einen anderen Film zu kucken scheint als ich (und offenbar den deutlich freizügigeren) glaubhaft versichert, das Publikum würde gerade kollektiv durchdrehen. Selbstverfreilich wird nicht mal einer der Kerle auf die Bühne gebeten, geschweige denn, dass auch nur bildlich angedeutet würde, es könnte hier zu leibhaftigen Sexakten kommen.

Damit lassen wir Mexiko dann auch endlich hinter uns und begeben uns ins einzige Land der Erde, das man *wirklich* besuchen muss, wenn’s um abseitige Sexpraktiken geht. Genau, wir reisen nach Nippon und suchen einen Nachtclub in Tokio auf. Nach einer recht gewöhnlichen (aber zumindest zur Abwechslung mal halbwegs sinnlichen) Stripeinlage (bei der ich wieder mal drüber ins Grübeln komme, ob’s in den 60ern wirklich eine so populäre Paar-Aktivität ist, höherklassige Striplokale zu besuchen, denn das Publikum ist mal wieder ziemlich pari-pari nach Geschlechtern aufgeteilt) geht’s ans Eingemachte und wir kommen in den Genuss einer s/m-Show, in der ein leicht übergewichtiger Typ mit schwarzer Henkersmaske zwei japanische Grazien fesselt und auspeitscht. If that stirs your coffee ist es zumindest endlich mal ein Segment, dass liefert, was es verspricht – es sieht echt aus (nicht, dass ich glauben würde, Frost oder irgendeiner seines Teams wären tatsächlich nach Japan gereist, wahrscheinlich hat man einfach irgendeinen japanischen 60er-S/M-Porno gefleddert), ist ganz vernünftig gefilmt und, wenn man eben auf diese Spielart steht, durchaus sexy. So, we’re batting at 0.100, at least, to put it in Baseball terms.

Die nächste Station ist Schweden und das macht ja irgendwo auch Sinn. Das gewählte Beispiel für die angebliche Liberalität und Verruchtheit unserer Wikingerfreunde ist aber eher, eh, strange. Angeblich befinden wir uns in einem Restaurant, wo zu Speis und Trank auch noch eine „Modenschau“ gereicht wird, wir sollen uns mutmaßlich vorstellen, dass Lingerie gezeigt wird. Was man uns tatsächlich *zeigt*, ist eine Kamera in einer Damenumkleide, in der verschiedene Frauen aus ihren regulären Klamotten hüpfen und sich umständlich BHs anlegen. Dafür brauch ich weder ein Restaurant noch ’nen Film, dafür muss ich mich nur beim real in der Modeabteilung in einer der Kabinen überwintern. Hier zensiert der Film übrigens auch die Augen der betreffenden Damen – was wohl nicht nötig wäre, wenn das wirklich bezahlte Angestellte eines Restaurants wären…

Das letzte Segment des Films beweist zweierlei: dass den Filmemachern erstens die Ideen ausgehen, was man noch zeigen könnte und ihnen zweitens mittlerweile völlig wurscht ist, ob Bild und Kommentar auch nur noch ansatzweise miteinander harmonieren. Man zeigt uns nämlich einen x-beliebigen Akt-Malkurs, in dem ein paar kreativ veranlagte Hausfrauen einen muskulösen nackten Südseekönig abpinseln (mit eher… bedenklichen künstlerischen Resultaten), während die Tonspur behauptet, wir wären in Amsterdam, einer Stadt, in die die Jugendlichen der Welt wegen der Freizügigkeit (und der Drogen, newa) kämen, dann aber schnell ihrer Barschaft verlustig gehen würden und zu unanständigen Methoden greifen müssten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Äh, ja, macht Sinn. Am Ende müssen die Teenies sich dann für schweinische Fotografen ausziehen! Das macht zumindest die üppige Blondine, die bekifft vor dem nicht weniger bekifften und headbangenden Frank Zappa-Double für ein-zwei Minuten rumhüpft. Die Szene ist allein wegen dem durchgeknallten Fotografen das Eintrittsgeld wert…

Dann geht’s für einen letzten Blick zurück an den kalifornischen Sandstrand vom Beginn – das Material ist schließlich noch gut, das kann man nochmal brauchen. Während hier also normale Leute auf der Suche nach dem nächsten Abenteuer sind, rambled die Narration, werden irgendwo in Australien wieder Nutten auf die Straße geschickt, in Tokio die nächste Sadomasoshow gestartet, in New York eine schwarze Messe gefeiert und in London suchen Lesbierinnen nach Kunden… das ist die wunderbare Welt der Sexualität.

Herrje. Was soll man als schwer intellektuell sein tuender Reviewer nun zu diesem stolzen Werk sagen? Klar, ich hab mir keine wissenschaftlichen oder wenigstens neuen Erkenntnisse erhofft, aber das zusammenhanglose Abspulen von irgendwo gefundenen Filmschnippseln, die man mit ein paar gestellten Szenen und ein paar guerilla shoots aufgemögelt hat, ist schon ein wenig dürr für einen Film, der vollmundig verspricht, allerlei sexuelle Abseitigkeiten und Perversionen zu präsentieren – am Ende des Tages (Gruß an Herrn Kempke!) ist die ganze Chose selbst für 1966 schon nahezu erschütternd harmlos.

Junge Leute suchen Sex? Treiben’s am Strand? Gehen in Nachtclubs? Shocking indeed. Es gibt sowas wie Prostitution? Argh! Und mancherorts ist das sogar legal? DENKT DENN NIEMAND AN DIE KINDER??? Die verschiedenen diversen Strip- und Tanzszenen werden in Punkto sexueller Aufgeladenheit sogar vom sechs Jahre älteren „Der Perser und die Schwedin“ rechts mit Lichthupe überholt und immer wieder auffällig – und das muss auch schon zum Veröffentlichungsdatum des Films so gewesen sein – ist die praktisch unerhörte Diskrepanz zwischen dem zahmen Bildmaterial und dem Off-Kommentar, der von Verrucht- und Verderbtheiten blafaselt, die man nur mit einem Fünffach-X-Rating zeigen könnte.

Was natürlich im Umkehrschluss bedeutet, dass „Mondo Sexuality“ in richtiger Stimmung immensen Unterhaltungswert hat – wenn der Kommentar mal wieder die grobe Exploitationkelle schwingt, dieweil wir auf dem Bildschirm ein plumperes Frauenzimmer unmotiviert über ’ne Bühne schlendern sieht, bleibt kaum ein Auge trocken.

Ein Fest des unfreiwilligen Humors ist auch die auf zwanzig Kilometer gegen den Wind als gestellt erkennbare Sklavenversteigerung in „Beirut“ (die enthusiastischen Komparsen sind dabei besonders hervorzuheben).

Eigentlich gibt’s nur zwei Segmente, die wirklich „funktionieren“ – soweit man tatsächlich argumentieren will, in diesem Film funktioniere überhaupt etwas. Die S/M-Sequenz in Japan ist tatsächlich der einzige Fall, in dem „Mondo Sexuality“ als „Demonstration“ ungewöhnlicher sexueller Orientierung liefert, was er verspricht. Sicher könnte man mäkeln, dass der japanische BDSM-Stil stark auf den ästhetischen Wert der jeweiligen Situationen abstellt und Frost und Cresse diesen Aspekt zugunsten der „titilation“ ignorieren, aber das Konzept des Films ist ja ersichtlich nicht, irgendetwas psychologisch oder gesellschaftlich zu erklären, sondern dem Zuschauer ein „look at this stuff!!!“ hinzuklatschen und es damit gut sein zu lassen; angesichts des „shock values“ der sonstigen Segmente ist es eh ein Wunder, dass diese Passage so explizit ist, wie sie sich darstellt.

Das zweite Segment, dass zumindest auf einer Ebene funktioniert (lassen wir dahingestellt, ob es die Ebene ist, die von den Filmemachern anvisiert wird) ist ironischerweise wirklich die Sequenz mit dem Nazi-Torture-Porn-Theaterstück (man zeige die Szene bitte nie nie niemal Eli Roth, der macht da mindestens drei geschmacklose Filme raus). Selbstverständlich ist die Szene nicht authentisch (ich erwähnte ja schon oben, dass man da wohl einfach ein „normales“ Theaterpublikum in die Szenen eines Off-Broadway-Stücks geschnitten hat), aber nur, weil etwas faktisch nicht stimmt, heißt es ja nicht, dass es nicht irgendwie „gefühlt“ richtig ist und *dass* ein solches Stück – selbst heute noch – ein geiles Publikum, das sich wie dieses fiktive Publikum im Film unter dem Schutzmäntelchen des „das zeigt ja nur, wie böse die Nazis waren“ lippenleckend an den Folterungen (und ganz speziell in einem nazi-ideologischen Kontext) delektiert, finden würde, bezweifle ich keine Sekunde. Biedermann und die Brandstifter, sie sind halt nie wirklich weg gewesen.

Der Rest ist, wie angedeutet, konfuse Schnippselaneinanderreihung ohne eine echte narrative Struktur, ohne einen echten Kontext – mehr als einmal wird ein angekündigtes „follow-up“ schlicht und ergreifend vergessen (zumindest soll die vorliegende Fassung ungeschnitten sein), die Übergänge von einem Schauplatz zum anderen folgen keiner inhaltlichen Logik, und auch anno 1966 muss es dem durchschnittlichen Bumskino- oder Drive-in-Gänger klar gewesen sein, dass mindestens mal die s/w-Aufnahmen unmöglich im Zuge aufwändiger Eigenrecherchen der Produzenten entstanden sein konnten, sondern aus irgendeinem Filmarchiv stammen. Hätte sich Ed Wood jemals ins Mondo-Gebiet bewegt, ich schätze, so ungefähr hatte das ausgesehen (nur der voice-over-Kommentar wäre wesentlich hysterischer).

Aber auch ohne Zuhilfenahme Wood’scher Prosa ist der Kommentar für den ein oder anderen Brüller gut, wobei der größte Witz sich allerdings eben aus der geschilderten Diskrepanz zwischen Wort und Bild ergib (einer der größten Gags ist, dass die Filmemacher in der Beirut-Sklavenmarktszene behaupten, den Ton aufgrund „atmosphärischer Störungen“ nicht komplett aufgenommen zu haben konnten).

Regisseur Lee Frost entwickelte sich in der Folge zu einer Exploitation-Größe – ich habe oben einige Titel genannt, aber er war auch im Pornobereich aktiv und verabschiedete sich 1995 mit einem dem Vernehmen nach eher lustlos (pun intended) heruntergekurbelten Erotikthriller im „Basic Instinct“-Gefolge. Frost gilt bei vielen Exploitation-Fans als einer der „besten“ C-Filmemacher, der meist in der Lage war, dem von ihn verantworteten Schnellschussproduktionen sein eigenes Flair zu verleihen – in „Mondo Sexuality“ ist das allein schon aufgrund des Mondo-Formats nicht wirklich möglich. Immerhin – auch wenn ein paar Segmente etwas lang geraten sind (die ganze Sklavenmarktnummer in der „Wüste“ hätte man straffen können, zumal das ja eh selbstgedrehtes Material gewesen sein dürfte) – ist die ganze Nummer mit ihren 80 Minuten Laufzeit flott genug, um ihr Willkommen nicht überzustrapazieren.

Die DVD von X-Rated kommt mit dem erwähnten, völlig falsche Dinge versprechenden Cover (weswegen ich auch mal davon abgesehen habe, es hier einzubauen. Wir stehen schon auf genügend schwarzen Listen…), ist aber von solider anamorpher Bildqualität für einen derartigen No-Budget-Hobel von anno dunnemals. Ton gibt’s prinzipiell nur auf Deutsch, die beiden bislang geschnittenen Passagen sind im O-Ton belassen worden, dafür gibt’s in diesen Passagen hartcodierte Untertitel.

Als Bonusmaterial findet sich nur eine umfangreiche X-Rated-Trailershow.

Wieviel Spaß man an „Mondo Sexuality“ letztlich haben wird, hängt davon ab, ob man mit dem Format an und für sich etwas anfangen kann; Hardcore-Mondo-Enthusiasten (und ich meine jetzt ausnahmsweise mal nicht Pornofans) dürfte „Mondo Sexuality“ etwas zu zahm sein, dafür allerdings kann derjenige, der nicht auf die ausgewalzten gefaketen Grausamkeiten und die oft und gern gepflegte Herrenmenschenattitüde vieler der härteren Mondos steht, sich hier durchaus amüsieren – es ist von der subject matter recht harmlos, von den gezeigten Bildern überwiegend zahm, und in seinem Konzept der Konzeptionslosigkeit schon wieder sehr drollig. Das kann schon ordentlich Laune machen – und wenn man sich für Opas Vorstellung von Sexkino historisch interessiert, ist der Hobel hier auch kein schlechter Einstiegspunkt.

(c) 2015 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 8

BIER-Skala: 6


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