Mondo Brutale II – Es begann um Mitternacht

 
  • Deutscher Titel: Mondo Brutale II - Es begann um Mitternacht
  • Original-Titel: Cirkin dünya
  • Alternative Titel: Es begann um Mitternacht | Last House in Istanbul | Ugly World |
  • Regie: Osman F. Seden (als "Rowland Kramer")
  • Land: Türkei
  • Jahr: 1974
  • Darsteller:

    Selma: Hülya Kocyigit („Stefanie Basile“)
    Skorpion: Savas Basar
    Dave: Dogan Bavli
    Oliver: Oktar Durukan
    Teddy: Bülent Kayabas
    Osman Alyanak Hü
    Müserref Capin
    Günfer Fery
    Renan Fosforoglu
    Nezihe Güler


Vorwort

Abt. Noch nie in der Geschichte der Menschheit hat ein „X“ irgendetwas Bedeutendes markiert

Was freilich eine etwas weitschweifige Umschreibung dafür ist, dass wir uns heute einmal mehr mit einer Veröffentlichung aus dem, hüstel, anspruchsvollen Programm von X-Rated beschäftigen wollen und sogar mit derjenigen, die Meister Bethmann sich als Jubiläumsrelease für die Nummer 200 ausgesucht hat. Was im Endeffekt auch nur dafür spricht, dass Bertucci offensichtlich ähnliche Methoden für die Auswahl der „runden Nummern“ anwendet wie der Doc für seine Reviews, als er die noch numeriert hat…

Also „Mondo Brutale II – Es begann um Mitternacht“. „Mondo Brutale“, wir erinnern uns, war der erstaunlich schwachsinnige Titel, mit dem uns in der guten alten Zeit der deutsche Vertreiber Wes Cravens einflussreichen „The Last House on the Left“ andrehen wollte, um in Ermangelung irgendwelcher anderen guten Ideen den Streifen an die (damals aber schon auf dem absteigenden Ast befindliche) Welle der „Mondo“-Filme, sensationalistischer Pseudo-Dokumentationen, anzuhängen. Das Craven-Werk selbst war seinerseits erfolgreich genug, um ein Rudel meist erstaunlich unterbelichteter Rip-offs nach sich zu ziehen (Kollege Hartboxen-Ede sezierte ja bereits Ruggero Deodatos „Der Schlitzer“). Die Italiener waren vielleicht schon immer die Könige des uninspirierten Wiederkäuens halbwegs kassenträchtiger Exploitation-Motive, aber keinesfalls die einzigen, die sich daran versuchten. Auch, holla, unsere Freunde vom Bospurus fühlten sich bemüßigt, dem Trend eifrig hinterherzuhecheln und schickten diesen Film ins Rennen (der in Deutschland allerdings seinerzeit unter dem Titel „Es begann um Mitternacht“ lief, alles, was ich bislang recherchieren konnte, spricht dafür, dass der fetzigen Titel „Mondo Brutale II“ auf dem Mist von Bethmann gewachsen ist). Als lustiges Trivia-Tidbit am Rande sei erwähnt, dass der italienische Verleihtitel (und da X-Rated ein italienisches Master verwendet, erfreut uns z.B. auch ein nach üblichem Gusto lustiger Vorspann mit tausenden von vage englischklingenden Namen) ins Englische übersetzt nichts anderes heißt als „The Clockwork Orange Gang“ – die italienischen Filmverbrecher, die es sich zur Aufgabe gestellt hatten, ein türkisches „Last House“-Rip-off in die Kinos zu bringen (der englische Verleihtitel lautete in manchen Gegenden übrigens „Last House in Istanbul“), brachten es also fertig, mit ihrem Titel einen ganz anderen Klassiker abzurippen. Stanley Kubrick bedankt sich…

Zur allgemeinen Erheiterung erlaube ich mir heute einmal wieder, den Bethmannschen Klappentext in voller Glorie (nebst dem obligatorischen Rechtschraipfehlär) zu zitieren. Der Doc nimmt Wetten an, ob und inwieweit der nachfolgende Film mit diesem Text entfernte Ähnlichkeit aufweisen wird (nicht zuletzt nach meinen Erfahrungen mit dem „Mädchenpensionat“ bin ich da doch ein bissi skeptisch…):

„Es begannt um Mitternacht… und endete tödlich! Ein Gang vergewaltigt Frauen und quält sie bis zum Wahnsinn! Eines Tages dringen sie in die Villa einer Familie ein. Der Mann, seine Frau und auch das kleine Kind werden Vergewaltigung und Folter ausgesetzt!

Dieser Film ist gnadenlos hart und bestialisch. Wie tief die menschlichen Abgründe sind und zu welch grausamen Taten das Tier Mensch fähig ist, beweist dieser Mondo Brutale Film aus dem Jahre 1976. In ungeschnittener Fassung, Originalformat und perfekter Bildqualität.“

(Rechtschreibung und Interpunktion authentisch)


Inhalt

Na, einen Vorwurf können wir den Türken schon mal nicht machen – sie kommen sofort zur Sache. Kaum ist die letzte Karte des Vorspanns verblasst, begrüßen wir schon unsere drei offiziellen Bösbatze. Wir hätten den Chef des dynamischen Trios – den „Skorpion“, nicht nur durch Tragen eines elegant-gepflegten Vollbarts und eines hübschen Anzugs als a) Boss und b) intellektueller Häuptling der Bande zu identifizieren, seine Untergebenen sind die halb- bis volldebilen Dave (Merkmal: übersichtliche Bestückung der Kauleiste, extrem hässliche Visage und eine Kette zum Würgen und Schlagen) und Teddy (Merkmal: Pornobalken und ekliges Grinsen). Diese drei Geißeln der Zivilisation stehen momentan dümmlich am Straßenrand rum und warten auf bessere Zeiten, bzw. Skorpion und Dave tun dies und versuchen vergeblich (und nachvollziehbar), vorbeifahrende Autos zu stoppen, dieweil Teddy sein Schlimmstes tut, eine geparkte Kalesche zwecks illegitimer Aneignung für Beförderungzwecke aufzubrechen. Teddy gelingt schließlich sein Vorhaben und unsere drei Fiesowatze können losfahren.

Die Skorpion-Gang, die, wie wir einem weggeworfenen Dialog entnehmen, allseits gerade aus dem Knast entlassen wurde, führt ihre rätselhaften Wege zur istanbulschen Lover’s Lane, wo man parkt und ein Pärchen, das nebenan ernsthafte Fummelversuche unternimmt, ärgert. Da Hohlbirne Dave Gefallen an dem Girl findet, wird beschlossen, dem Pärchen etwas deutlicher auf den Zahn zu fühlen. Der gelbhemdtragende Fummler wird kaputtgeprügelt, das Mädchen soll zur Erbauung der Bösmänner auf der Motorhaube der Kalesche strippen. Die Tussi gehört zu den empfindlicheren Geräten, denn jeder zarte Riß ihrer Kleidung äußert sich gleich in einem Blutrinnsal (anderweitige Interpretationen lässt der Film kaum zu…). Da im Hintergrund plötzlich Polizeisirenen heulen, muss das Unterhaltungsprogramm abgesagt werden, die Ganoven flüchten zu Fuß in die Pampa (schon blöd, wenn man in einer Sackgasse parkt). Kommissar Kenan kann nur dumm hinterherkucken und das arme Mädel trösten.

Die Pampa ist, für unsere Gangster erfreulicherweise, in direkter Nachbarschaft eines noblen Villenvororts angesiedelt. Dort lebt u.a. eine augenscheinlich nicht schlecht situierte kleine Familie glücklich vor sich hin – Papa Oliver, ein irgendwie etwas schmieriger wirkender Typ Ende 30 (aber wir reden von den 70ern, da war „irgendwie schmierig aussehen“ voll in), seiner hochgradig attraktiven rothaarigen Schnalle Selma und einem fünfjährigen Kurzen, der uns noch als „Morry“ (?) vorgestellt werden wird. Oliver ratzt mit Morry auf dem Diwan, Selma plagen wohl eher schlaflose Nächte, jedenfalls macht sie sich auf den beschwerlichen Weg von Obergeschoss zur Haustür, als der Skorpion höflich an letztere poltert und betont freundlich um Einlass und leihweise Überlassung des Telefons bittet. Man sei verunfallt und habe einen Verletzten (Dave markiert den Halbtoten) dabei. Selma ist anständig erzogen und weiß, dass man ohne das Okay des Ehemanns keine fremden Kerle ins Haus lässt und will sich selbiges deswegen auch verschaffen. Die Sperrkette an der Tür ist für einen Supergangster wie den Skorpion selbstredend kein Hindernis, so dass Oliver, ganz Menschenfreund, Samariter und vorwurfsvoll, weil Selma die hilfsbedürftigen Unfaller nicht gleich reingelassen hat, erst mal doof glotzen kann, weil die drei Mann in voller Lebensgröße (von einem Verletzten kann gar nicht die Rede sein) schon im ausufernden Foyer der Klitsche stehen. Das Thema freundliche und höfliche Gäste ist schnell erledigt, weil Oliver sich für die sanfte Anfrage, was denn nun los ist und wo der Verletzte sei, sich ein paar Schläge einfängt.

Noch mitten in den schönsten Bekanntmachungskloppereien dengelt’s erneut an der Tür. Draußen steht Kommissar Kenan, was seitens der Böslinge begreiflicherweise als eher störend emnpfunden wird. Teddy produziert ein Stilett und parkt es prophylaktisch an Selmas zarter Gurgel. Oliver soll den Bullen unter der Aussage, er sei Kevin, äh, allein zuhaus, verscheuchen. Kenan betet seine vermutlich schon an dreißig anderen Türen heruntergeleierte „wir-suchen-drei-gefährliche-Verbrecher“-Routine herunter, aber Olli hat selbstverständlich nichts gesehen und gehört. Kenan besteht darauf, sich im Haus umzusehen (die Gangster könnten ja heimlich eingedrungen sein) und drängelt sich erfolgreich rein, vermittelt dabei Oliver, was für teuflische Gesellen on the loose sind: „Sie haben einen Nachtclub überfallen, einen Mann beinahe umgebracht und ein Mädchen nackt auf der Straße tanzen lassen!“ (Uah! Vor allem… „nackt?“ Schön wär’s ja gewesen…). Der Skorpion zerrt zu Ollis Erbauung unauffällig Selma durch den Hintergrund, Teddy spechtet aus dem Obergeschoss nach unten. „Es ist ganz bestimmt keiner da“, insistiert Oliver und Kenan gibt sich damit letztendlich zufrieden. Mit der generellen Ermahnung, vorsichtig zu sein und ihn im Falle des Falles anzurufen, zieht Kenan sich zurück. Die Gangster sind’s zufrieden. „Bravo, das war gekonnt“, lobt Skorpion und freut sich noch über Kenans Nettigkeit: „Wie lieb er von uns gesprochen hat…“

Dave Ohnehirn beweist seine fortgeschrittene Debilität und „spielt“ mit einem Stierkampf-Gemälde. Oliver würde es jetzt begrüßen, wenn die Gangster sich verpissen würden, aber nicht mit dem Skorpion. Debil Dave lacht sich tot: „So blöd wie der möchte ich auch mal sein“ – das unterstreicht er mit einem Wiehern. Skorpion ermahnt Dave zu höflicherem Benehmen und möchte überdies wissen, ob sonst noch jemand im Haus ist. „Wir sind allein“, behauptet Oliver. Das Dienstmädchen, ergänzt Selma, hat am Wochenende frei. Dave hat Durst und auch Teddy wäre einem guten Schluck nicht abgeneigt. Der Skorpion befiehlt, Eis und Soda anzuschleppen, der Whiskey steht ja eh schon auf dem Hausbar-Stellwagen. Oliver will abdackeln, aber der Skorpion hält ihn zurück: „Wir Männer nehmen den Frauen doch nicht die Arbeit weg!“ Ein wahrer Freund des schwachen Geschlechs… Teddy darf sie begleiten, „da ist sie gut aufgehoben“. Teddy lässt seine widerliche Grinsefresse grinsen und stupft Selma sanft an. Der Skorpion macht sich’s auf dem Chaiselong gemütlich und tritt das Hochzeitsfoto seiner unfreiwilligen Gastgeber mit Füßen. Dave putzt sich mit einem Designerkissen die Schuhe (diese TEUFEL!). Selma kommt mit dem Eis zurück, Dave schenkt die Gläser voll und albert mit dem Servierwagen rum. Der Skorpion spricht einen Toast auf die Gastgeber aus und lädt sie freundlich ein, sich doch auch ein wenig Allohol einzuleuchten, bevor er sich Olivers Büchern widmet. Titel wie „Sexualität vor der Ehe“; „Probleme der Jugendsexualität“ und „Sexuelle Fantasien der Frau“ sind natürlich dazu angetan, die intelligenzmäßig minderausgestatteten Gangsterknaller herzlich zu amüsieren. Während Dave sich erkundigt, ob in den Prachtbänden vielleicht auch Bilder drin sind, verteidigt Olli die „Schweinereien“ damit, diese Werke für seinen Beruf als Arzt zu benötigen (da stellt sich doch die Frage – was für eine Art „Arzt“ ist er denn? Sexualtherapeut?). Der Skorp ist zwar der einzige Ganove mit einem Gehirn mit meßbaren Funktionen, fühlt sich aber trotzdem von den abstrakten Gemälden, die die Hütte zieren, zerebral überfordert und beansprucht Erklärungen. „Das verstehen sie nicht“, wäre jetzt nicht gerade die Antwort, die ich einem gewaltsam eingedrungenen Gangster entgegenschleudern würde, ist aber nichtsdestotrotz die, für die Oliver sich entscheidet. „So male ich auch, wenn ich besoffen bin“, kunstkritisiert der Skorpion und verschönert das Gemälde durch beherztes Drüberschütten seines Drinks. Dave nimmt das Bild ab und steckt seine Rübe durch Rahmen und Leinwand (ein Scherzkeks vor dem Hern). Der Skorpion schlägt zur allgemeinen Stimmungshebung eine kleine improvisierte Bilder- und Bücherverbrennung vor, was bei Teddy und Dave auf enthusiastische Gegenliebe stößt, bei Oliver und Selma… weniger. „Ist doch nur Papier,“ juxt der Skorpion, „seid froh, dass wir EUCH kein Feuer unterm Hinter machen.“ „Ihr Verbrecher“, regt Oliver sich auf, während seine teuren Bildungspornos ein Raub der Flammen werden. Selma (der war diese Art Lektüre vermutlich eh suspekt) versucht ihn zu beruhigen. „Ihr seid ein nettes Paar“, grinst der Skorpion, „aber das hilf euch auch nichts.“ Abgesehen davon wäre jetzt Frühstück angebracht und Oliver soll Selma beim Abwaschen helen, „wie sich das für einen Ehemann gehört, hähä.“ (Wie war das noch mit „wir nehmen Frauen nicht die Arbeit weg“?). Oliver kuckt doof.

In der Küche macht sich Dave auf bewährt-barbarische Art über den Kühlschrankinhalt her, frißt ein paar Melonenscheiben und wirft, sich dabei halbtotlachend, die Rest Selma nach. Dann entdeckt er eine feine Luxus-Pastete und greift beherzt mit bloßen Fingern zu. Selma ist angewidert, was Dave dazu anhält, ihr vom feinen Happa etwas abzugeben: „Los, friß“, fordert er höflich, aber Selma verweigert. „Wenn ich sage, du frisst das, frisst du das“, grunzt Dave und stopft ihr die Pastetenpampe in den Mund. Jetzt kann Selma endlich einen hysterischen Anfall bekommen und wirft sich Olli an den Hals: „Ich halt’s nicht mehr aus, ich werd‘ verrückt!“ „Jetzt ist es genug“, knurrt Olli und verspricht heilig, den Cops auch kein Sterbenswörtchen zu verraten. Der Skorpion gibt sich jovial: „Ich bin ja schon fast überredet, aber es gefällt mir hier.“ Oliver liefert ein paar incentives: „Ich fahr sie aus der Stadt“, schließlich „geht meine Frau kaputt“ (und die Reparaturen sind immer so teuer“, und seinetwegen können die Jungs sogar das Auto behalten. Oder vielleicht Geld? Der Gedanke an Zaster treibt dem Skorpion ein Lächeln auf die Gangstervisage. Wie viel könnte Oliver denn anbieten? 5000 Pfund hätte Oliver gerade daheim (türkische Pfund… jetzt müsste man wissen, wieviel das 1974 war. Als ich in der Türkei war, hätte das maximal für’n Döner gereicht). Dieses Angebot wird aufgrund fortgeschrittener Lächerlichkeit selbstverständlich unter lautstarkem Wiehern zurückgewiesen. Der Skorpion fragt seine Komplizen, bei welchem Betrag man handelseinig werden könnte. Dave schlägt schlappe hunderttausend vor und Teddy ergänzt „für jeden“. „Ich bin doch kein Millionär“, entsetzt sich Oliver entgegen jeglichen Augenscheinbeweises (schließlich sieht die Hütte schon recht edel aus). „Stimmt“, meint der Skorpion, außerdem ist heute Sonntag und da ruht man, also bleibt er hier. „Die Polizei wird euch hier finden“, appelliert Selma an den Selbsterhaltungstrieb der Ganoven, aber Teddy ist bockig: „Mit leerem Bauch kann ich nicht überlegen“. (Nicht, dass ich glauben würde, mit gefülltem Magen sähe das bei ihm anders aus). Der Skorpion stimmt zu: Warum ist der Tisch noch nicht gedeckt? Wurde doch schließlich schon befohlen… Dave brummt auch der Magen: „Heul nicht rum, komm mit in die Küche.“ Oliver ist mittlerweile alles Recht, um die Bande loszuwerden (Weichei), weswegen er ankündigt, die gewünschte Penunze aufzutreiben: „Meine Bank wird mir helfen!“ (Wovon träumt der Nachts eigentlich sonst noch?). Dave lacht sich einmal mehr tot und der Skorpion freut sich ein Bein ab: „So einen Partner hab ich mir immer gewünscht“ (angesichts seiner jetzigen Partner, gegen die die Olsenbande Ausbünde des Intellekts sind, verwundert mich das absolut nicht). Abgesehen davon sei Oliver zu beneiden, und zwar um Selma. „Teddy, nimmt dir ein Beispiel“, grinst er seinen Komplizen an. „Tu ich“, fiesgrinst Teddy und beäugt Selma gierig, während er zu Skorpions Füßen kniet. Der Skorpion krault ihm die Haare (! Nicht grad, dass Teddy zu schnurren anfängt). „Wir haben nichts wie dich zum Verwöhnen“, seufzt der Skorpion bezüglich Selma (deswegen muss man ja noch lange nicht bei Teddy kraulen…). Von dem Anblick kriegt Selma verständlicherweise Krämpfe.

Oliver kommt von woherauchimmer zurück, Selma wirft sich ihm an den Hals und Olli wedelt mit einem Stück Papier, wie nicht anders zu erwarten ein Scheck über 300.000 Kiesel. Seitens der Gangster wird das für einen ziemlich guten Witz gehalten. Dave wischt sich damit den Hintern ab, fängt sich hierfür aber einen Tadel des Skorpions ein: „Nicht in Gegenwart einer Dame!“ „Außerdem ist das Papier nicht weich genug“, sekundiert Arschabwischexperte Teddy. Der Skorpion ist eher säuerlich: „Da musst du früher aufstehen.“ Oliver redet sich darauf hinaus, dass es am Sonntag schwer Bargeld beschaffen ist (tja, die guten alten Zeiten, als es noch keine Bankomaten gab…). „Darum warten wir auch bis morgen früh“, stimmt der Skorpion zu, Dave und Teddy lachen sich wieder scheckig und Skorpion ermahnt seine Genossen wieder: „Benehmt euch, wir sind zu Besuch“. Besser wär’s, wenn man jetzt was zu Trinken hätte. Und Selma soll mittrinken. Oliver mischt sich als elender Held ein, wird aber weggezerrt und in ein Handgemenge mit Teddy verwickelt, indes Dave Selma zwangsweise Whiskey direkt aus der Pulle einflößt. Skorpion findet’s echt lustig, Selma wehrt sich mit Händen, Füßen und Zähnen. Der beherzte Biß in Daves haariges Handgelenk vertreibt den Debilen, der sich ersatzweise mit seiner Kette vergeltend- und würgenderweise Oliver widmet. Teddy klatscht Selma eine Ohrfeige auf die Backe, ehe er sich wieder ins Kampfgetümmel mit Oliver stürzt. Selma flüchtet unbemerkt ins Schlafzimmer und klaubt eine Mini-Pistole aus einer Schublade, eilt zurück nach unten und wedelt mit der Knarre vor den versammelten Nasen: „Ich schieße euch über den Haufen!“ Der Skorpion lächelt und Dave und Teddy ziehen beeindruckt die Schwänze ein. Das Blättchen könnt‘ sich also wundervoll wenden, wenn… nicht jetzt Morry aus seinem Schlaf aufgewacht wäre, sich die Augen reibend ins Wohnzimmer trotten und blöd fragen würde: „Warum schreist du so?“ Taktisch ein denkbar schlechter Zeitpunkt. Die Ablenkung erlaubt dem Skorpion, Selma die Kanone aus der Hand zu kicken. Selma beginnt zu heulen. „Warum weint Mami?“, fragt der Zweidreiviertelkäsehoch. „Weil sie mir gesagt hat, sie hätte keine Kinder und Lügen sind nicht gut“, grinst der Skorpion. Morry ist gleich des Bösmanns bester Freund, bindet dem Skorpion ans Bein, gestern fünften Geburtstag gehabt zu haben und lädt ihn ein, seine Spielsachen zu inspizieren. Der Skorp ist begeistert und schickt Selma und Oliver ins Bett: „Morry bleibt bei uns, damit ihr nicht auf dumme Ideen kommt.“ Wäre doch mächtig schade, wenn dem Hosenscheißer was zustoßen würde. „Ich hab ihn richtig lieb gewonnen“, ist der Skorpion ganz begeistert. Die Eltern dackeln depressiv ab ins Schlafzimmer und Dave schmiert seinem Boss Komplimente um die Gesichtsbehaarung: „Du bist einsame Spitze!“ (Als ob er jetzt dafür was könnte…).

Während wir noch rekapitulieren, dass der Streifen bislang doch arg geschwätzig ist, ziehen sich Oliver und Selma ins Schlafzimmer zurück, wo sie eine neue Heuleinlage einschieben kann. Oliver versucht sie zu beruhigen: „Ich hole morgen früh das Geld und dann hauen sie ab.“ Dave gesellt sich dazu: „Erzähl nur weiter, ich will nur zuhören.“ Selma versucht, den Knallkopf niederzustieren.

Der nächste Morgen (und, for the record, es ist jetzt Sonntag vormittag, der ganze Tag liegt noch vor unseren Freunden und Feinden). Der Skorpion spielt mit Morry auf der Hollywoodschaukel im weitläufigen Garten am Pool, man versteht sich prächtig. Teddy und Dave ziehen blank und hüppen im Adamskostüm ins feuchte Nass. „Der hat keine Badehose an“, beschwert sich Jungästhet Morry und offeriert großmütig die leihweise Überlassung eines Schwimmzwirns seines Erzeugers. „Die brauchen keine“, grinst der Skorpion, „die sind abgehärtet.“ Abgehärtet oder nicht, Teddy und Dave führen sich im Pool auf wie eine Fuhre Dreijähriger im Nichtschwimmerbecken (minus, hoffe ich, des Reinpinkelns). Schwer regressive Phase, offenbar. Selma subtrahiert Morry vom Skorpion, der seinen aus dem Pool krabbelnden Komplizen empfiehlt, sich der anwesenden Dame wegen doch bitteschön was anzuziehen. Gerne doch – Teddy und Dave plündern den Kleiderschrank und zwar… Selmas! Die beiden Goons probieren diverse BHs und Slips (als Kopfschmuck) aus und paradieren schließlich in Nylon-Strumpfhosen, Büstenhalter und Nachthemdchen wieder an den Pool, wo sie gar hilariös „strippen“. Dem Skorpion macht’s Laune, Selma und Oliver haben ein diametral entgegengesetztes Humorverständnis. „Widerliche Schweine“, keift Selma, „habt ihr kein Gefühl für Anstand?“ (Schießlich kann man für viel Verständnis haben, aber beim Crossdressen hört der Spaß auf).

Das Telefon klingelt. „Geh ran“, ordert Skorpion, „aber kein falsches Wort.“ Der Anrufer ist Ilja, ein Freund Olivers, der mit seinem Weibi schon eine Stunde vergeblich auf Olli und Selma wartet – man hatte sich zum Baden gehen verabredet (warum sollte man irgendwohin zum Baden fahren, wenn man ’nen Super-Pool im Garten hat? Luxusprobleme). Oliver sagt die Badepartie unter Verweis auf verdorbenen Magen ab, aber Ilja lässt die Ausrede nicht gelten. „Ich bin krank“, brummt Oliver und legt auf. Ilja und sein Weibi finden das extrem suspekt: „Gestern war er noch begeistert.“ Man vermutet einen Ehekrach und eine anschließende Sauftour Olivers.

Indes, am Pool. Teddy kuckt sich ein paar harmlose Nackedeifotos an (so ziemlich bisher das Aufregendste an diese Film), Dave spielt mit Morry Spielzeugboot im Pool fahren lassen. D.h. Dave spielt und Morry muss zukucken. Der Kleene will aber auch mal, zieht Dave an den Haaren und haut ihn mit Kinderfäustchen. „Ich sag’s meinem Papa“, krakeelt Morry, was Dave jetzt nicht gerade in Ground & Bowden beeindruckt. Dave packt Morry am Kragen und tunkt ihn ins Wasser. Skorpion ist wieder hochgradig amüsiert, die Eltern sind mal wieder nicht so begeistert von der Aktion. „Er bringt ihn um, ihr Mörder“, kreischt Selma (was ich jetzt auch für übertrieben halte. Was Dave macht, ist nicht nett, aber jetzt auch nicht gerade tödlich). Teddy prügelt sich mit Oliver, Selma gelingt es, Dave den Kurzen zu entreißen, und dabei Dave noch einen gut gezielten Tritt zu verpassen. Skorpion verpasst Dave übellaunig noch eine Watschen, und auch Oliver gibt dem armen Doofmann noch einen Tritt mit. Der Skorpion erklärt Dave auch, warum er sich das verdient hat: „Man soll die Kuh nicht prügeln, die einem Milch gibt!“ Und für den vermutlich eher nicht gleichnistauglichen Dave übersetzt er das ganze noch in einen dezenten Hinweis auf die 300 Riesen. Das findet Dave mal wieder lustig. Selma schleppt Morry nach Drinnen und trocknet ihn ab (full child nudity!). Teddy sieht die Sache eher von der pragmatischen Seite: „So ein Kind muss ja auch mal ein Bad nehmen, hähä.“ Selma wirft ihm einen ihrer patentierten (und unwirksamen) Todesblicke zu.

Mitten in die schönste feindselige Stimmung hinein klopft es erneut an der Tür. Die unangemeldeten Besucher sind niemand anderes als Ilja nebst seiner Schnalle. Schnell ist das Kommando gegeben, dass Teddy und Dave sich mit Selma und Morry verstecken sollen und, falls die auf irgendwelche Schwachheiten kommen sollten, denen die jeweiligen Kehlen durchschneiden sollen. Scorpman selbst will sich präsentieren, indem Oliver ihn als seinen Vetter ausgeben soll, den er seit Jahren nicht gesehen hat und der heute morgen zufällig reingeschneit sei. Im Übrigen sollen Ilja und seine Tussi natürlich so schnell wie möglich wieder weg.

Oliver öffnet, wird von Ilja gleich mal bruderküssend geherzt und muss sich ein paar freundschaftliche Beleidigungen einschenken lassen: „Machst du schlapp?“ Iljas Weibi erkennt, dass Olli tatsächlich etwas angegriffen wirkt. Skorpion stellt sich vor, aber Ilja lässt sich durch nichts erschüttern. Selma wird zwischenzeitlich ins Schlafzimmer geschleppt, wo Dave günstige Gelegenheit für eine sexuelle Belästigung unter Freunden wittert. Dieweil unten fröhlich gesmalltalked wird (und die Mär verbreitet wird, Selma und Morry wären auf eigene Kappe in den Tierpark gepilgert), sorgt Daves Präokkupierung mit Selma dafür, dass es seiner Aufmerksamkeit entgeht, wie Morry unbefangen die Treppe runterwackelt. Dem wachsamen Auge des Skorpions allerdings fällt’s durchaus auf, weshalb er krampfhaft bemüht ist, die Wohnzimmertür zuzuhalten (damit der Kurze nicht reinkommt) und sich strategisch vor die Glastür stellt. Zum „Glück“ sind Ilja und seine Schnalle stark an den Bildern interessiert, so dass Skorpions krampfhaft-unauffällige Aktion lang genug unbemerkt bleibt, bis Teddy den lästigen Kleenen endlich gefunden und von hinnen geschleppt hat. Da kam der Skorpion ganz schön ins Schwitzen…

Oliver lenkt das Thema auf das erfreuliche Thema „Drinks“ und beamt sich in die Küche, um dort ein paar Getränke zu mixen – „etwas neues, was ich schon lange versuchen wollte“. Ein Schelm, wer denkt, der Doktor könnte die Gelegenheit nutzen, in mindestens ein Glas ein Pülverchen zu schütten… Der Skorp ist ja noch damit beschäftigt, Konversation und ’nen hervorragenden Eindruck zu machen – Ilja will ihn gleich zu sich nach Hause einladen, nur leider-leider muss der Vetter aus Dingsda ja morgen wieder weg. Oliver serviert die Getränke, aber, hach, welch Tollpatsch uns Skorpion doch ist – fällt ihm doch ganz aus Versehen und vööööllig unauffällig das Glas aus der Hand: „Ich bin so ungeschickt und mach immer solche Geschichten“, scherzt der Skorpmann. Ein Stockwerk höher spielen Teddy und Dave mit Morrys Spielsachen – Dave befasst sich mit der elektrischen Tschutschu-Bahn, Teddy hat eine Spielzeuglaserpistole o.ä. gefunden, „schießt“ damit auf Dave und der rollt „tödlich verwundet“ rum. Ich frage mich schon, warum der Skorpion, der nicht völlig bescheuert wirkt, mit zwei solchen Hohlbratzen arbeitet – okay, sie tun vermutlich, was man ihnen sagt, aber kann man sich wirklich darauf verlassen, dass Dave z.B. nicht plötzlich irgendwas Buntes sieht und drei Stunden abgelenkt ist? Morry quengelt, weil er auch mal spielen will, aber Dave ist nicht in Laune dafür: „Wenn du nicht aufhörst, nehm ich alles mit“. Teddy warnt – den Kleinen nicht über Gebühr ärgern, „sonst kriegen wir Ärger“ vom Skkorpion. „Der Boss kann mich auch langsam an die Füße fassen“, nölt Dave, aber auch nur, weil er sicher sein kann, dass selbiger es nicht hört. Oliver ist’s endlich gelungen, Ilja und Anhang freundlich aus der Türe zu komplimentieren, überlegt einen kurzen Moment lang, ob er Ilja noch was ins Ohr raunen soll, entscheidets ich aber dagegen. Scorpi ist eh schon sauer wegen der versuchten Vergiftungsaktion: „Ich hab ’ne Menge Sinn für Humor, aber ich kann’s nicht vertragen, wenn mir wer was einflößen will.“ (Das, sag ich mal, mit dem „nicht vertragen“ war aber mehr oder weniger der Sinn der Übung…). Abgesehen davon hat er schon wieder mal Hunger (was anderes als Fressen tun die Ganoven auch nicht) – ein Sektfrühstück mit gegrillten Steaks z.B. halten auch Teddy und Dave für eine absolut töfte Idee.

Also wird gespachtelt – erwartungsgemäß mampfen Teddy und Dave wie die Hottentotten, Olli und Selma bleibt nur, angewidert zuzukucken. Der Skorpion wird langsam schon wehmütig: „Ich werde euch sehr vermissen, ihr seid mir ans Herz gewachsen.“ Teddy denkt praktischer und beschließt, das nicht sofort aufgespachtelte Schmackofatz einzupacken und mitzunehmen. Nach dem Essen sollst du bekanntlich ruhen oder 1000 Schritte tun, der Skorp entscheidet sich für Variante A und kündigt an, sich auf dem Ehebett der Gastgeber ein Stündchen aufs Ohr zu hauen. Teddy und Dave sollen aufpassen. Teddy aber hält eine Runde Matratzenhorchdienst für einen nachahmenswerten Einfall, knallt sich auf die Hollywoodschaukel und erteilt Dave den dienstlichen Befehl, jetzt Wache zu halten. „Wieso ich?“, erhebt Dave dezenten Protest. „Weil du dran bist“, knurrt Teddy und schnorchelt weg. Da aber auch Dave die Schlafkrankheit ereilt, spekulierte ich schon, Oliver hätte einen neuen Vergiftungsversuch unternommen, aber scheinbar sind die Gangster wirklich nur einfach post-fressal müde. Oliver bringt das kombinierte Pennen seiner Peiniger auf die ausgezeichnete Idee, seinen Kurzen für einen Wile-E-Coyote-Plan einzuspannen. Morry soll dem schlafenden Teddy die Wumme aus dem Wams klauen (hat er schon Recht, dass den Junior zu überlassen. Wie meine Freunde, die Three Dead Trolls, sagen würden: „If they ain’t votin‘, they ain’t human. Simple as that.“) Die Motivation für den Kleenen hat er auch parat: „Die haben dich doch heut morgen nicht spielen lassen, jetzt kannst du denen ein Spielzeug wegnehmen“. Nur vorsichtig soll er sein, der Morry, und niemanden aufwecken, „sonst werden die böse!“ „Und wenn er wach wird?“, gibt sich Morry nicht gänzlich von der Wasserfestigkeit des Plans seines Erzeugers überzeugt. „Dann tu so, als ob du ihn zum Spielen wecken wolltest“, aber noch besser wäre es halt, ihn nicht aufzuwecken, dann „macht’s auch mehr Spaß“. Ächz. Morry macht sich ans Werk und fummelt Teddy am Gürtel (in den die Wumme gesteckt ist) rum, patscht dabei auch recht unverblümt auf des Bösmanns Wanst. Selma, die grad vom Tisch-Abräumen wiederkommt, springt beinahe der Draht aus dem Haarreif, aber Oliver pantomimisiert ihr, erstens die Klappe zu halten und zweitens ihren Astralkörper zwischen Teddy und Dave zu schieben, damit letzterer, sollte er aufwachen, nicht gleich sieht, was Sache ist. Gute Idee das, denn Dave hat ’nen leichten Schlaf und bestellt ob Selmas Anblick gleich mal ’nen Kaffee, „schwarz ohne alles“ (ein echter Türke), ehe er wieder wegdöst. Morry explantiert erfolgreich den Revolver, schlägt aber beim Apportieren lang hin (klatsch!), was natürlich sowohl Teddy als auch Dave aufweckt. Teddy ist reaktionsschneller als der schreckgelähmte Oliver und eignet sich den Schießprügel wieder an, nicht ohne Oliver berechtigte Vorwürfe zu machen: „Du solltest dich schämen, deinen Sohn zum Diebstahl zu erziehen!“ Wo die Gangster von heute Recht haben… Während Dave sich wieder in die Sonne knallt, steht der Skorpion unter Dusche. Frisch gereinigt kehrt er zum Pool zurück, wo Teddy nichts besseres zu tun hat, als die Episode zu petzen. Der Skorpion schüttelt traurig den Kopf. Dave schlägt aus grundsätzlichen Erwägungen („wir sind zu menschenfreundlich, das kann der nicht vertragen“) eine Abreibung vor, aber dem Skorp hat die Dusche das Gehirn angeregt, weshalb er die Planung für den nächsten Tag verkündet – Oliver und er werden zur Bank fahren und den Zaster holen, Teddy und Dave passen auf Selma und Morry auf, bis der Skorpion anruft und sagt, dass sie nachkommen können, aber – mit Morry als kleiner Versicherung im Gepück. „Nehmt mich“, kreischt Selma (was wohl Teddy und Dave auch lieber wäre), aber des Skorpions dunkles Herz schlägt nun mal für den Hosenmatz. Sofern Selma und Oliver sich anständig betragen, kriegen sie den Burschen sogar zurück. Selma und der Skorpion liefern sich ein kurzes „das könnt ihr nicht“-„können wir doch“-Gefecht. „Da müsst ihr mich erst umbringen“, keift Selma, was sich nach Daves Ansicht sicher einrichten ließe. Oliver stößt finstere Drohungen aus – „ich bring euch an den Galgen!“ „Dazu gehören zwei“, lächelt Skorpion. Oliver weist darauf hin, dass er sich an das getroffene Abkommen halten würde, aber beim Skorpion ist die Vorsicht die Mama der Porzellankiste und empfiehlt dem gestressten Doktor zudem, seine Frau zu beruhigen: „Gib ihr ’ne Spritze zum Einschlafen.“ Teddy hat schon wieder Kuschelbedürfnis und bekommt von Skorpion wieder die Matte gekrault.

Oliver will sich auf nichts einlassen und schlägt nächtliche Flucht vor. Handwerklich begabt baut er eine Schranktür aus und macht aus dieser eine (gefährlich instabil wirkende) Brücke zu einer nahen Felsmauer. Morry wird in eine Tragetasche verpackt (? Okay, das kenn ich für Babys, aber für Fünfjährige?), aus der er dämlich grinsend rauskuckt. Unter aller gebotenen Vorsicht balancieren unsere Fluchtwilligen über die Schranktürbrücke und auf der Mauer entlang – alles sehr dramatisch. Ein paar Meter weiter hat ein guter Geist eine Leiter an die Mauer gelehnt. Rasch runtergeklettert und durch ein Fenster in die Garage eingestiegen. Oliver blamiert sich reichlich beim Versuch, das Garagentor weitgehend lärmfrei zu öffnen und staunt im Gegensatz zum Zuschauer eine Großhandelspackung Legosteine, dass er nach endlich erfolgter Öffnung nicht die freie Nachtluft ins Gesicht stiert, sondern der freundlich grinsende Skorpion nebst Dave. „Wenn du mich reinlegen willst, musst du schon früher aufstehen“, feixt der Skorpion (dabei ist Olli doch jetzt schon mitten in der Nacht aufgestanden…) und Dave kriegt mal wieder einen Lachkrampf.

Von großartigen körperlichen Bestrafungsaktionen sieht der Große Boss aber gnädigerweise ab. Nach ausführlichem Frühstück (ich sag doch, außer Fressen tun die nix) meint der Skorp, dass die Stunde des Aufbruches gekommen ist. „Ich lasse meine Frau nicht alleine hier“, schimpft Oliver, die Machtverhältnisse leicht fehleinschätzend, und besteht darauf, sie und Morry mit zur Bank zu nehmen. Der Skorpion legt sein Veto ein und Selma hält es für strategisch geschickter, die Wünsche der Fieslinge zu erfüllen. „Es wird nicht lange dauern“, knickt Olli ein und der Skorpion freut sich: „Warum nicht gleich so?“ Dann hinterlässt er noch seine Instruktionen – das Dienstmädchen soll tunlichst nicht eingelassen werden, nach Skorpions Anruf soll Teddy mit Morry aufbrechen. „Und ich?“, fühlt sich Dave vernachlässigt. „Du weißt, wo wir uns treffen, bei Yannis am Hafen“, brummt der Skorpion so beiläufig-auffällig, wir sollten uns das also wohl für spätere Verwendung merken. Oliver und der Gangsterboss brausen vom Hof, Teddy und Dave spielen im Garten Ringelpiez mit Anfassen. „Was machen die da?“, fragt Morry mit großen Augen. Selma belässt es bei einem Seufzer.

Dave muss wohl mal in einem früheren Leben in meinem früheren Stammbiergarten Gast gewesen sein – er nimmt Morry an die Leine, ein Ende wickelt er um seinen Fuß, das andere liegt elegant-kleidsam um Morrys Hals und hat für letzteren das Problem, seine Bewegungsfreiheit stark einzuschränken, da Dave pennt und Morry gern im Pool mit seinem Boot spielen würde. Selma wittert die Gunst der Stunde und versucht Teddy zu verführen – mit… Fressalien. Teddy folgt ihr willig. Anstatt leckeres Essen hält sie ihm aber teuren Schmuck vor die Nase; ein kleiner Bestechungsversuch: „Den schenk ich dir, wenn du mich und Morry laufen lässt.“ Gierig stopft sich Teddy die Taschen mit den Klunkern voll und Selma fällt ihm vor Begeisterung und Dankbarkeit fast um den Hals. Ich würde ja mit den Dankeshymnen warten (ich halte Teddy ja nicht für einen großen Denker, aber dass 300.000:3 + Schmuck mehr ist als nur Schmuck, die Denksportleistung traue ich ihm noch zu)… und in der Tat grinst Teddy Selma fröhlich an: „Du bist ja noch blöder, als ich gedacht habe… Als ob ich so bekloppt wäre, dich laufen zu lassen, hähähä.“ Selma weint bitterlich (doofe Kuh). Teddy wackelt nonchalant zurück an den Pool, übersieht aber dabei leider, dass ihm eine hübsche Klunkerkette aus der Hosentasche sabbert. Daves Adlerauge erspäht die Juwelen und reagiert ungehalten. „Ich wollte dir eh die Hälfte geben“, verteidigt sich Teddy, aber Dave hat keinen Bock auf Verhandlungen: „Jetzt will ich alles haben.“ Zweikampf der Giganten – Stilett gegen Würgekette! Indes fahren Oliver und Skorpion bei Istanbul Bankasi vor, werden aber von einem vorwitzigen Gesetzeshüter aus dem Parkverbot gescheucht. Der Gangster entschuldigt sich artig.

Am Pool wird währenddessen noch eifrig gekämpft, Morry kuckt interessiert zu. In der Bank stellt die beabsichtigte Barabhebung von 300.000 Pfund die Belegschaft vor Probleme und wird zur Chefsache erklärt, indes Selma versucht, die Meinungsverschiedenheiten ihrer Bewacher unbürokratisch durch Flucht mit Morry auszunutzen. Dave und Teddy vergessen ihre temporären Feindseligkeiten und setzen ihr nach. Selma stürzt eher unmotiviert, aber hochdramatisch in den Pool, Dave springt beherzt hinterher. DRAMATISCHE ZEITLUPE soll uns Glauben machen, das Gerangel unter und über Wasser wäre ein echt furchteinflößender Moment. Dave verpasst ihr schwimmend eine Ohrfeige, dieweil der Filialleiter gramgebeugt auskunftet, dass die Bank leider nicht so viel Kohle am Lager habe. Ob Oliver und sein Freund vielleicht morgen wieder…? „Ich brauche das Geld jetzt“, weist Oliver ihn auf die Kunde-ist-König-Schule hin und der Banker knickt ein – „ich versuch’s.“ Vermutlich sammelt er jetzt das Bargeld der Angestellten ein…

Spannender ist’s anderswo – Dave schmiert Selma noch eine, endlich lässt sie Morry los. Während sie und Dave ihre epische Unterwasserschlacht fortsetzen (Harpunen wären jetzt cool), zerrt Kinderfreund Teddy Morry aus den Fluten. Selma kraucht aus dem Gewässer, wird aber umgehend von Teddy geohrfeigt und pirouettet malerisch in weiterer DRAMATISCHER ZEITLUPE zurück ins Becken. Wo Dave schon mit seinem Watschen-Arm wartet und ihr erneut eine vor den Latz ballert. In DRAMATISCHER ZEITLUPE hilft Teddy ihr freundlich aus dem Wasser (oh la la, she’s really hot when she’s angry). Während der krakeelende Morry von Teddy weggeschleift wird, macht Dave, ersichtlich inzwischen mean-spirited, Avancen in Richtung Selma, die an einem etwa ein Meter hohen „Abhang“ entlangkrabbelt. Dave befummelt ihre Möpse (keusch unter der Bluse) und grinst dabei debil. Selma reißt sich los, was Teddy dazu veranlasst, Morry in hohem Bogen in den Pool zu schmeißen und Dave im fröhlichen „hau-der-Schnalle-was-auf’s-Maul“-Doppel zu assistieren. Selma stürzt sich todesmutig den „Abhang“ hinunter, Dave folgt ihr und knallt ihr noch eine vor’s Freßbrett. Selma pirouettet in DRAMATISCHER ZEITLUPE einen weiteren kleinen Hang hinunter, an dessen Fuß sich Dave und Teddy auf sie stürzen. Da Morry keine Anstalten macht, aus eigener Kraft den Pool zu verlassen, ist Selma extra-hysterisch, was ihr mehr Ohrfeigen, weitere DRAMATISCHE ZEITLUPEN-Pirouetten und allgemeines auf-dem-Rasen-Herumgerolle einbringt. Zwischenzeitlich kriegt Oliver endlich seine 300 Riesen… Der Skorpion bedankt sich artig. Dave und Selma rollen den Rasen platt, offenkundig ist nunmehr Vergewaltigung das erklärte Ziel.

Der Skorpion begibt sich in eine Telefonzelle. Aufgrund der anderweitigen Beschäftigung dauert’s ein wenig, bis Teddy (nachdem er sich unauffällig den Hosenreißverschluss hochgezogen hat – erstaunlicherweise ohne sich dabei ‚was einzuklemmen…) rangeht. Jaja, alles in Ordnung, behauptet er, man habe zwar Selma eins aufs Maul geben müssen, aber sonst alles Paletti. Der Boss ist’s zufrieden: „Ist alles besser gelaufen, als ich gedacht habe“ (Berufsoptimist). „Deine Frau erwartet dich“, gibt er Oliver noch auf den Weg. Der schwingt sich ins Auto und zischt ab. Daheim offenbart sich ihm aber, dass die Sache nicht ganz so rosig aussieht wie versprochen (wofür, sind wir ehrlich, der Skorpion jetzt nicht mal direkt was kann) – Selma liegt mit verwirrt-glasigem Gesichtsausdruck am Pool und spielt mit Morrys Boot. Der Kurze selbst, weil Nichtschwimmer, dekoriert leider Gottes den Poolboden. „Gleich taucht er auf, er hat’s versprochen“, rhabarbert Selma abwesend. Da ist so das ein oder andere Synapsendingens ausgeklinkt… In Olivers Visage laufen die Weichen Amok und die Gesichtszüge entgleisen folgerichtig.

Einen Audioflashback später hat Oliver sich erinnert, wo die Gangster sich treffen wollen. In Yannis‘ Hafenpinte wird ihm seitens des Wirts auch ohne weiteres verraten, wo der Skorpion und seine Spießgesellen biwakieren, nämlich in einem Hinterzimmer. Olli stürmt mit gezogener Wumme rein und ballert um sich. Teddy fällt tot um, aber bevor Olli weiteren Schaden anrichten kann, hat der Skorpion geistesgegenwärtig ein Messer geworfen und es fatal in Olivers Heldenbrust vergraben. Skorpion und Dave suchen das Weite, finden aber (das muss man sich allerdings mehr oder weniger zwischen den Zeilen zusammenreimen) nur eine Fuhre erwartungsfroher Bullen.

Später – aus Selma ist eine verwirrte Rumtreiberin geworden, die leicht verwahrlost aussieht und mit einer Puppe an der Hand, die sie offensichtlich als lebendig erachtet, ziellos durch die Straßen Istanbuls wandert, über Eisenbahnschienen marschiert, Straßenkatzen und -hunde füttert und in einem Café geistesabwesend rumsitzt. Na, wenigstens gibt’s jetzt ein bissl scenic Istanbul in Form der Blauen Moschee im Hintergrund. Ein paar Minuten dieser ergreifenden Montage müssen wir erdulden, ehe der Wirt des Cafés die Stühle hochstellt und auch Selma zu verstehen gibt, dass jetzt Feierabend ist. Da Selma nur recht zögerlich das Etablissement verlässt, glaubt der Wirt, er hätte Chancen, bei der Geisteskranken ’nen Stich zu machen, befummelt sie und löst damit ein paar heftige Flashbacks zu den garstigen Erniedrigungen, denen sie ausgesetzt war, aus. Schreiend rennt sie weg, springt durch die geschlossene Glastür und hastet, die Puppe dabei wegwerfend, auf die Straße (wo, ungeachtet der Tatsache, dass die Kneipe „gerade schließt“, hellichter Tag ist und sprichwörtlich hunderte Passanten rumlaufen). Selma rennt manisch durch die Straßen, rempelt arglose Passanten und – wichtiger – einen Zeitungsstand um. Einer Gazette entnimmt sie eine fürchterliche Schlagzeile: „Der Skorpion entlassen!“ Vor einigen Dutzend interessierter Zuschauer (street theatre!) zerfetzt sie die unschuldige Zeitung und einen konfusen Schnitt später steht sie (vermutlich) vor dem Knast, hat eine Knarre und ballert damit die arglos aus dem Staatsgewahrsam schlendernden Skorpion und Dave tot (diese ganze letzte Szene dauert vielleicht 20 Sekunden und lässt mich darüber spekulieren, ob das wirklich die so intendierte Form war… dass die Zeitungsstand- und Totschieß-Szene an zwei verschiedenen Orten stattfindet, war mir weniger durch die filmischen Mittel als elementare Logik meinerseits klar). Zwei Soldaten verhaften die Killerbraut, die sich widerstandslos abführen wird und schon ist, nach genau 76 Minuten, Schluss…

Wenn man mein Geschreibsel auf den letzten paar Seiten mit dem oben zitierten Covertext vergleicht, fragt man sich doch mal wieder unwillkürlich, welches Kraut Andi Bethmann üblicherweise zu rauchen pflegt, eher er seine Klappentexte verbricht. Wirkliche Ähnlichkeit mit dem Filminhalt weisen Bethmanns knappe Zeilen einmal mehr nicht auf… Aber klar, wenn man diesen Streifen dem typischen X-Rated-Publikum verkaufen muss, kann man nur schwerlich mit der Wahrheit rüberkommen.

Mit Wes Cravens „Last House on the Left“ hat „Es begann um Mitternacht“ kaum etwas gemein – gut, es gibt ein paar Gangster, die eine Familie heimsuchen, was man im extrem weitgefassten Sinne als ein ähnliches Motiv begreifen könnte, aber da ich ehrlich gesagt kaum glaube, dass die Türken den Craven-Film kannten, bevor sie dieses Werk herunterkurbelten, verweisen wir ganz einfach mal jegliche beabsichtigte Verwandschaft ins Reich der Fabel (an der Stelle sei übrigens auch mal angemerkt, dass X-Rated es peinlichst vermeidet, die türkische Herkunft des Films offenzulegen. Nicht nur das Master ist italienisch, auch das spärliche Zusatzmaterial versucht krampfhaft den Eindruck aufrecht zu erhalten, es handele sich um eine italienische Produktion). „Es begann um Mitternacht“ ist – auch das haben wir gemerkt, nicht mal ein Horror- oder Terrorfilm, sondern eine schlicht gestrickte Gangsterthrillerplotte, die mehr Gemeinsamkeiten mit straighter Kost wie „24 Stunden in seiner Gewalt“ hat als mit perfide-sadistischen Schreckensszenarien a la „Last House“ (wobei man X-Rated immerhin noch den Gnadenpunkt zubilligen kann, dass der Film noch mehr mit „Last House“ zu tun hat als mit „Uhrwerk Orange“, wie es die Italiener seinerzeit heuchelten).

Im Gegensatz zu dem, was uns auf dem Cover angedroht wird, geht’s hier, das haben wir begriffen, nicht um Psychopathen, die aus Spaß an der Freud‘ unschuldige Opfer quälen (zumindest nicht hauptsächlich), sondern um handelsübliches Kriminellengezücht, das sich einerseits vor der Polizei verbergen will und andererseits ob der günstigen Fügung, bei Neureichs eingestiegen zu sein, die Aussicht auf einen nicht unbeträchtlichen (Löse-)Geldbetrag hofft. Schwerlich der gnadenlose, unmotivierte Terror, wie ihn Craven (oder später eben Deodato) abspulten, sondern eine ganz ordinäre Thrillergeschichte, die nicht im Traum daran denkt, die vom Klappentext annoncierten Vergewaltigungs- und Foltererwartungen zu bedienen (ganz besonders ekelhaft ist, wenn mir die Abschweifung erlaubt ist, die vom Cover implizierte Vergewaltigung von Kindern. Shame on you, Bertucci). Der „Skorpion“ und seine Leute haben zu keiner Sekunde vor, ihre Geiseln umzubringen – wie schon Skorpion ausführt, macht es ja keinen Sinn, denjenigen zu töten, von dem man sich noch einen Haufen Zaster erhofft. Der ausgeübte „Terror“ der Gangster beschränkt sich also notgedrungen auf ein paar halbseidene Demütigungen, energisches Herumkommandieren, Leerfressen des Kühlschranks und – besonders teuflisch – unerlaubte Benutzung von Kinderspielzeug. Klar, ich würde mit die Skorpion-Gang nicht auf ein lauschiges Kaffeekränzchen in die Bude einladen, aber sonderlich in die Bux‘ machen täte ich mir, auch dank der überschaubaren geistigen Fähigkeiten, die von zwei Dritteln der Bösmannsfraktion gezeigt werden, nicht wirklich (aber da tappe ich natürlich wieder in die von Bethmann gestellte Falle, den Film anhand des Covertexts zu beurteilen).

Betrachtet man das Lichtspiel mal losgelöst von der ganzen aufgepflanzten Craven-Verbindung, möchte man Autor und Regisseur nicht gerade Filmpreise an den Kopf werfen, aber ganz schlecht ist das alles auch nicht – die Psychologie funktioniert im Rahmen der zeitlichen (und gesellschaftlichen, wollen wir nicht vergessen, dass der Film aus einem islamisch geprägten Land stammt) Zwänge und Rahmenbedingungen ganz gut – Oliver versucht das ganze Drama, relativ gefasst und rational durchzustehen und lässt sein Temperament nur immer dann aufbrausen, wenn Frau und Kind faktisch bedroht werden, Selma schwankt zwischen vordergründiger Ruhe und Hysterie, speziell natürlich, wenn’s um’s Kind geht, und Morry betrachtet das Ganze als großes Spiel. Das ist alles nicht sonderlich originell, aber das sind eben auch wieder bewährte Mechanismen, die funktionieren (können). Die Fieslinge sind genauso zwar eher eindimensionale Figuren ohne größeren Tiefgang, jedoch ist auch hier die Grundkonstellation durchaus stimmig – der Skorpion ist der Denker, Dave und Teddy hirnlose „Muskeln“, die vom Boss für seine Zwecke eingespannt werden können, ohne lästige Fragen zu stellen (wobei Daves einmal geäußerter Einwand, der Boss könne ihn auch mal, leider sofort wieder vergessen wird; dafür gibt’s dann eben die Auseinandersetzung zwischen Teddy und Dave), und folgerichtig gerät die Situation erst dann richtig außer Kontrolle, wenn der Boss (bis dahin trotz aller charmanten Boshaftigkeit bemüht, die Sache ohne unnötige Gewaltanwendung über die Bühne zu bringen) notgedrungen (da er die eigentliche Geldübergabe schwerlich einem seiner Komplizen überlassen kann) seine Henchmen mit Selma und Morry alleine lassen muss – die Eskalation der Ereignisse ist sozusagen „nicht seine Schuld“ (schließlich hat er vorher bereits bewiesen, nötigenfalls seine Gehülfen auch handgreiflich zu disziplinieren).

Freilich hat das Script trotz des gar nicht mal grundfalschen Ansatzes so seine Probleme – zum einen fehlt uns als Zuschauer ein rechter Ansatz, mit den armen Opfern zu sympathisieren. Da der Film sich entscheidet, direkt mit der „Action“ einzusteigen und die Plotte eben aus der Sicht der Gangster aufzudröseln, fehlt uns eine richtige set-up-Phase, in der uns die nominell „Guten“ vorgestellt werden und man uns mit ein paar ausgesuchten Szenen mehr oder minder intakten Familienlebens einen Grund „to care“ zu geben. Da die Familie aber sprichwörtlich drei Sekunden Vorlaufzeit hat, ehe sie ins Getümmel geworfen wird, haben wir quasi den gleichen Informationsstand wie ihre Geiselnehmer – es ist eine reiche, versnobte upper-class-Familie, sichtlich nicht mit Geldproblemen (dafür aber mit Dienstmädchen und schnieker Villa), der’s ganz gewiss nicht schlecht geht. Ich finde, es ist eine Grundregel von „fiction“ (oder sollte es zumindest sein): habe ich Protagonisten, denen’s besser geht als dem durchschnittlichen Leser/Zuschauer, sollte ich eben Gründe liefern, warum man sich mit ihnen identifizieren sollte; das muss nichts Großartiges sein (man muss also nicht, um im hiesigen Fall zu bleiben, Oliver zum Mitglied bei „Ärzte ohne Grenzen“ und Selma zur lokalen Greenpeace-Chefin machen), da reichen ein paar Alltäglichkeiten, die das Gefühl von „Menschen wie du und ich“ vermitteln. Sonst stellt sich gerne mal die Attitüde „die reichen Deppen haben’s ja nicht besser verdient“ ein, jedenfalls wird es dem Zuschauer schwerer gemacht, eine emotionale Bindung aufzubauen, wenn wir ahnen, dass selbst ein happiges Sümmchen wie die hier geforderten 300.000 Pfund die Familie nicht direktemang an den Bettelstab und ins Armenhaus treiben. Der Antrieb, den Opfern ein Happy End zu wünschen, fehlt oder wird zumindest erschwert.

Geplagt wird der Film auch von seiner enormen Geschwätzigkeit – da „Es begann um Mitternacht“ explizite Gewalt nicht zeigen will (oder kann), muss er sein „Terrorpotential“ durch Dialoggefechte, Drohungen und nicht wirkliche aufregende Psychospielchen aufbauen und in der Hinsicht haben eben Klassiker wie „Kap der Angst“ (das Original) schon mehr und emotional Beeindruckenderes zu bieten. Es entbehrt nicht eines gewissen (selbstverständlich unfreiwilligen) Unterhaltungswerts, wie versucht wird, „Pastete in den Mund stopfen“, „Whiskey einflößen“, „doof kuckend im Schlafzimmer rumstehen“ oder „Kind in den Pool tunken“ als diabolisch-verachtenswürdige Abgefeimtheiten zu verkaufen, die alleine ausreichen sollen, die Schurken angemessen hassen zu können. Alles, was an psychologischer „Härte“ eventuell entstehen könnte, wird dann noch durch selten deplazierten Debil-Humor (durch die Schwachmaten Dave und Teddy verkörpert) totgeschlagen (wenn Dave sich selbst den Bilderrahmen über den Schädel zieht oder Teddy mit dem Skorpion kuschelt und sich die Haare kraulen lässt, würde in einer beabsichtigten Komödie kein Auge trocken bleiben, aber dieser Film will ja zumindest ein ernst gemeinter Thriller sein). Gut (*doch noch mal den Vergleich rauskram*), auch Craven kam im „Last House“ nicht ohne schmerzhaft unlustigen comic relief aus, aber da blieb das wenigstens in der mit dem Restfilm nicht wirklich verbundenen Nebenhandlung um die doofen Polizisten, hier aber sind es die Hauptfiguren und noch dazu die Bösen, die fußnägelaufrollende Schmierenkomödie aufführen, dass sich die Balken biegen und die Milch sauer wird. Ich verstehe ja durchaus, dass Film und Script uns klarmachen wollen, dass Dave und Teddy tumbe Idioten sind, die sich ohne ihren Boss nicht allein die Schuhe binden könnten, aber – erneut – die unlustigen „funny antics“ schwächen die emotionale Wirkung enorm ab (wer könnte ernstlich noch „Angst“ vor Typen haben, die sich mit Spielzeugpistolen beschießen und mit der elektrischen Eisenbahn spielen?).

Richtig ernsthaft wird’s erst im Schlussakt – da besinnen sich die Macher mal auf Ernsthaftigkeit (auch wenn die entscheidende Szene, also Morrys Tod, dermaßen beiläufig, mitten im die Szenerie beherrschenden Kampf der Bösen gegen Selma, geschieht, dass man’s eigentlich kaum mitkriegt; und die ganze Angelegenheit sich auch aus anderen Gründen, die noch zu beleuchten sind, ins Knie schießt). Die beiden Epilogsequenzen sind dann sogar relativ gut – Olivers Rachetrip (der der früheren deutschen Videoauswertung auch die Tagline „Ein Vater sieht rot“ bescherte) ist zwar kurz und knapp, aber gar nicht mal so übel gelöst (bis auf die Tatsache, dass wir keine echte Ahnung haben, dass Skorpion und Dave den Cops in die Hände fallen), die Montage, die uns Selmas nachfolgend derangierten Geisteszustand nahebringt, gefällt auch – der unübersichtlich-unbeholfene Schnitt zwischen ihrer Entdeckung in der Zeitung und ihrem Attentat macht aber einiges wieder kaputt; hätte man da noch zwei-drei Minuten „verlängert“, wäre das so arg gedrängte Finale nicht nur nachvollziehbarer, sondern auch etwas wirkungsvoller.

Filmisch ist der Streifen gar nicht so verkehrt – Regisseur Osman F. Seden mag kein Künstler sein, aber er war zum Drehzeitpunkt bereits ein Veteran im Geschäft, der in hektischen 20 Jahren schon über 50 Filme abgeliefert hatte, hauptsächlich, wenn meine stichprobenartige Überprüfung richtig ist, zwar im Bereich des Dramas und Liebesfilms, mit gelegentlichen Ausflügen ins Abenteuerkino, mit gewalttätigen Thrillern hatte er aber eigentlich nichts am Hut (in den 70er Jahren beschäftigte er sich hauptsächlich mit Komödien). Vielleicht also der falsche Mann am falschen Ort und auch mit ein Grund dafür, warum „Es begann um Mitternacht“ (der Originaltitel „Cirkin dünya“ wird übrigens von einem der englischen Verleihtitel zutreffend als „Hässliche Welt“ übersetzt) für einen Exploitation-Film mit wenig bis gar keiner Exploitation auskommen muss. Andererseits kann es durchaus sein, dass Sedens Erfahrung mit eher dialoglastigen, aktionsarmen Filmen wiederum ein positiver Einfluss darauf war, dass das stolze Werk, obwohl nicht wirklich viel „kinematisches“ passiert, nicht wirklich langweilig wird (gut, die kurze Laufzeit von 76 Minuten, von der man noch den Vorspann abrechnen muss, war da sicher auch ein Faktor). Die Kameraarbeit ist akzeptabel (also durchaus besser als ein typischer Italo-B-Fetzer gleichen Baujahrs), das zentrale Set der modernen Villa gefällt, die musikalische Untermalung ist okay.

Lediglich, ich hatte es schon angedeutet, im „Showdown“ zwischen Selma und den Schlägern überdreht Seden völlig mit dem, hüstel, künstlerischen Element der dramatischen Zeitlupe. Seden versucht offenbar, jetzt, wo sich echte physische Gewalt schlechterdings nicht mehr vermeiden lässt, diese durch die Zeitlupe extrem zu stilisieren und dadurch wieder abzumildern. Das Resultat ist leider lächerlich – wen Selma geschlagen wird und einen in Zeitlupe zelebrierten Schraubensalto hinlegt, ist das einfach nur noch komisch und – Gebetsmühle anwerf – beraubt die Szene ihres emotionalen Impacts.

Härtetechnisch wird, wie meine treuen Leser sicher schon begriffen haben, nichts Wesentliches geboten. Ein paar Schlägereien, minimaler Kunstbluteinsatz und eine Vergewaltigung, die SO dezent angedeutet wird, dass sie vielleicht gar nicht stattgefunden hat (wenn Teddy sich den Zipper hochzieht, kann’s ja auch sein, dass der im Kampfgetümmel aufging. Der Zipper, nicht Teddy…). Die „Blutarmut“ und die nicht wirklich ausgeprägte sadistische Atmosphäre hielten die eifrigen Jugendschützer dieses unseres Landes natürlich nicht davon ab, den Streifen 1983 zu indizieren. Nach Ablauf der 25-Jahres-Frist wurde der Streifen gerade erst Ende Juli 2008 wieder freigegeben. Wenn man sich vor Augen hält, WIE harmlos der Streifen ist (praktisch kaum on-screen-gezeigte Gewalt, die über Ohrfeigen hinausgeht, keinerlei Nudity, außer eines fünfjährigen Steppkes), schüttelt man wieder mal bass erstaunt den Kopf, was Anfang/Mitte der 80er so alles als indizierungswürdig angesehen wurde (ich will mich wie immer nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, aber FSK 16 sollte, wenn man denn wollte, kein Problem sein, selbst bei Berücksichtigung der Selbstjustizthematik). Möglicherweise war es die unbeholfene Mischung aus pseudosleaziger Pseudogewalt und infantilem Holzhammerhumor, die den Gremien sauer aufstieß.

In Punkto Schauspielerkritik erwarte ich zunächst mal Lob & Preis seitens der Leserschaft – obwohl die DVD sich nur mit den anglisierten italienischen Schergennamen meldet und die IMDb ihrerseits wiederum nur die echten türkischen Namen kennt, gelang es mir, unter Zuhilfenahme der Google-Bildsuche, die fünf wesentlichen Darsteller positiv zu identifizieren. Die gutaussehende Hülya Kocyigit steht bereits seit 1963 (und dem zarten Alter von 16 Jahren) vor der Kamera und sammelte bis heute fast 150 Screencredits. Bis Ende der 70er war sie dicke im Geschäft, wenngleich hauptsächlich in Liebesfilmen, in den 80er Jahren wurde es ruhiger um sie, die 90er setzte sie komplett aus, seit einigen Jahren ist sie wieder aktiv und drehte einige TV-Serien ab. Nichts davon müsste man als Westeuropäer kennen, sage ich mal. Ihre Aufgabe als Selma erledigt sie recht gut (und, ich wiederhole mich, gutaussehend. Hätte nichts dagegen gehabt, wenn der Film etwas weniger prüde gewesen wäre) – dass ihr Charakter manchmal an den „falschen“ Stellen hysterisch wird, liegt nicht an ihr, sondern am Script. Ihren Filmehemann Oliver gibt Oktar Durukan ziemlich überzeugend und glaubwürdig. Durukan spielte immerhin in Gemmen wie „Karamurat“ (an der Seite von Cüneyt Arkin) und „Turkish Superman“ (allerdings nur einen „thug“), außerdem gab er sich 1984 im „Drei Supermänner“-Film „Three Supermen at the Olympic Games“ die Ehre (zu einer Zeit, als dieses Franchise selbst dem almighty Cüneyt Arkin schon zu doof geworden war). 2003 amtierte er im deutsch co-produzierten und kritikerseits wohlgelittenen Drama „Wolken stehen am Himmel“.

Den eleganten und charmanten Gangsterboss Skorpion spielt Savas Basar, der, soweit meiner Recherche zu trauen ist, weniger ein Film- denn ein hauptamtlicher Bühnenschauspieler war und sich nur selten ins Kino verirrte. „Es begann um Mitternacht“ markiert seinen ersten Leinwandauftritt, dem wenig später „Sevimli Frankestayn“ (und das ist genau das, wonach es sich anhört, nämlich der „Turkish Young Frankenstein“!) folgte. Basar spielt seinen Schurken abgeklärt und größtenteils sehr kontrolliert. Dem Film hätte es vermutlich nicht geschadet, wenn Basar etwas mehr aus sich herausgegangen wäre und angedeutet hätte, dass hinter der charmanten und eloquenten Fassade tiefere sadistische Abgründe lauern. Im „Young Frankenstein“ traf er auch Bülent Kayabas (Teddy) wieder, der bis heute ein geregeltes Auskommen hat und zwischen komödiantischen Kinoproduktionen und TV-Comedy pendelt. Eine Orientierung ins komische Fach lag nahe, denn die Anlage seines Teddy deutet (im Film halt völlig unpassenderweise) gewisses vorhandes komödiantisches Gespür an. Was Dogan Bavli (Dave) leider abgeht – seine Versuche eher physisch orientierter Comedy sind ein Griff ins Klosett. Bavli feierte laut IMDb nur zwei weitere Leinwandauftritte, beide (mit 14 Jahren Abstand) an der Seite von Cüneyt Arkin, 1966 in „Love and Hate“ (wo auch schon Hülya Kocyigit amtierte) und 1980 in „Rahment ve gazap“.

Wer den kleinen Morry spielte, hab ich nicht ermitteln wollen. Mehr, als dass mir Morry im Filmverlauf mächtig auf die Nerven ging (und ich gewisses Verständnis für seinen Vater aufbrachte, als der ihn zum Himmelfahrtskommando „Pistole klauen“ schickte) und mich daher sein Filmtod nicht sonderlich beeindruckte, möchte ich nicht ausführen…

Die DVD von X-Rated kommt in wie üblich schniekem (und reißerischen) Coverartwork (aber nur eine Variante…) daher. Der Film wird ungekürzt (der rumpelige Schnitt an manchen Stellen ist also nicht die Schuld von irgendwelchen Zensierern) in Vollbild präsentiert (die türkische Videokassette läuft eine gute Minute länger, allerdings dürfte die eben einen anderen, sprich türkischen Vorspann und vielleicht sogar ’nen Nachspann haben; das Bildformat ist bei allen bekannten Veröffentlichungen gleich. Die IMDb rhabarbert zwar was von 2.35:1-Scope daher, aber bei unbekannten türkischen Filmen trau ich der Angabe auch nicht über den Weg. Sieht auch nicht so aus, als würden Bildinformationen fehlen). Der Print ist, wie von X-Rated versprochen, in der Tat sehr fein – lediglich gen Ende gibt’s ein paar ramponiert-verschmutzte Frames, aber über den Großteil der Laufzeit sieht der Film aus wie aus dem Ei gepellt bzw. frisch aus der Kopieranstalt geliefert. Kudos. Feine Farben, gute Schärfewerte, keine Masteringdefekte.

Akustisch haben wir die Auswahl zwischen der erträglich ausgefallenen deutschen Synchronfassung (die ist zwar nicht unbedingt immer absolut lippensynchron, aber bei einer türkischen OV will ich da mal fünfe grade sein lassen) und der italienischen Version, beides kann auch mit englischen Untertiteln genossen werden. Die Sprachqualität ist gut, soweit es die DF betrifft, Musikmix und Soundeffekte bewegen sich auf durchschnittlichem Niveau.

Als Extras gibt’s eine Artwork-Galerie (knapp eine Minute, selbstablaufend), hauptsächlich mit Motiven der italienischen DVD und eine Trailershow. Gab auch schon mal mehr Stoff auf X-Rated-Scheiben (auch wenn ich fraglos zubillige, dass es nicht leicht sein dürfte, zu Kram wie diesem noch irgendwelche Bonusfeatures zu finden).

Das Wort zum Sonntag – an und für sich könnte „Es begann um Mitternacht“ gar kein so übler Film sein; die Geschichte ist mehr oder weniger zeitlos und theoretisch kaum totzukriegen, aber mehr Sorgfalt im Script hätte Not getan: den Deppenhumor entfernt, dafür etwas mehr tatsächliche Gewalt (oder wenigstens halt „Action“) und, wie ausführlich geschildert, ein paar Gründe, die „Guten“ zu mögen, rein, dann wäre der Streifen kein Hammer, aber ein straighter kleiner Reißer. In der vorliegenden Form ist das Ding aber nicht mehr als ein angesichts seiner generellen Machart (eben der Versuch, gleichzeitig harter Thriller und dabei aber mildernd komisch zu sein und nicht ernstlich Sex und Gewalt thematisieren zu wollen) durchaus unterhaltsames, handwerklich solides Kuriosum – weder ein echter Lachschlager für die Trashparty noch ein knallharter „Mondo Brutale“-Film für den zwangsjackenbewohnenden, vergewaltigungsanfeuernden Gorebauern, wie Meister Bethmann es geschmackssicher verspricht, sondern letztlich einfach ein irgendwie spaßig mißglückter Türksploitation-Versuch, eher europäisch-/amerikanische Genre-Motive zu adaptieren. Freunde des eher Abseitigen können durchaus mal reinschauen.

(c) 2008 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 7

BIER-Skala: 5


mm
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