Miss Molly Mill

 
  • Deutscher Titel: Miss Molly Mill
  • Original-Titel: Miss Molly Mill
  •  
  • Regie: Thomas Engel
  • Land: BR Deutschland
  • Jahr: 1970
  • Darsteller:

    Inge Brück (Molly Mill), Benno Hoffmann (Inspektor Yellow), Gerd Vespermann (Det. Sergeant Green)


Vorwort

Miss Molly Mill sucht eigentlich nur eine Festanstellung als Raumpflegerin oder ähnliches für sich (und ihre Schildkröte Ulysses). Dummerweise hat sie die Angewohnheit, bei sprichwörtlich jedem neuen Arbeitsplatz, den ihr die freundliche Dame von der Stellenvermittlung zuschanzt, geradewegs in einen brisanten Kriminalfall hineinzustolpern. Inspektor Yellow, Chef des Sonderdezernats von Scotland Yard, ist alles andere als erfreut, dass ihm die „Dilettantin“ immer wieder ins Handwerk pfuscht, doch ihre Beobachtungsgabe, ihr Sinn für verquere Zusammenhänge und ihr untrügliches Gefühl für unspezifizierte Ungereimtheiten erweist sich immer wieder als wertvoll für den Inspektor und seinen Assistenten Green, auch wenn’s in letzter Konsequenz stets dazu führt, dass sich Molly wieder nach einer neuen Stelle umschauen muss.

So löst sie u.a. das Rätsel um Opernsänger, die reihenweise vor ihrem Auftritt die Stimme verlieren, die Entführung des heiratswilligen alten Duke of Kleenex, einen spektakulären Kunstraub, eine Serie von Attentaten auf ihren aktuellen Arbeitgeber, den kriminellen Austausch eines frisch geborenen Prinzen mit einem bürgerlichen Baby, die Unzurechnungsfähigkeit des designierten Gesundheitsministers, das Rätsel um vierhundert verschwundene Maschinenpistolen direkt aus dem Werk, einen schweren Fall von Industriespionage um eine neuartige Textilfaser, die *zweite* Entführung des heiratswilligen alten Duke of Kleenex, findet eine Fälscherwerkstatt im Hinterzimmer eines Bodybuilding-Studios, verhindert den Untergang des Potter-Konzerns, klärt auf hoher See den versuchten Diebstahl eines wertvollen Diamantcolliers und rettet schließlich im Alleingang die wirtschaftliche Zukunft eines sabotierten Thermalkurorts…


Inhalt

Hm, ich dachte eigentlich immer, ich kenne alle Kamellen, die in Serienform die Fernsehbildschirme unserer Eltern und Großeltern heimgesucht haben, aber „Miss Molly Mill“, eine dreizehnteilige humorige Krimiserie aus dem Jahr 1970, die sagte mir wirklich nichts, als ich vor ein paar Wochen die Pressemitteilung zur DVD-Veröffentlichung im Mailfolder fand. Da ich mich für obskure TV-Ware irgendwie auch zuständig fühlte, orderte ich prompt ein Rezi-Exemplar und kuckte die Serie in einer konzertierten Aktion an zwei verregneten Wochenendnachmittagen weg (dank der handlichen 24-Minuten-Folgen ist das jetzt auch keine gar so große Kunst, wie’s auf den ersten Anschein klingen mag).

Die Serie, erdacht von Andreas Fuchs, von dem mir zumindest keine weiteren Taten überliefert sind, und inszeniert vom Thomas Engel, einem Routinier auf dem Gebiet flockig-leichter-seichter Unterhaltung („Das hab ich in Paris gelernt“, „Davon träumen alle Mädchen“, „Schlagerrevue 1962“, Anfang der 70er wechselte Engel dann zum TV und drehte u.a. die Gerichtsserie „Beschlossen und verkündet“, die Serienversion von „Es muss nicht immer Kaviar sein“, einige Folgen der „Drei Damen vom Grill“ und des „Detektivbüros Roth“ sowie zwei „Tatorte“), war übrigens zeitgenössisch ein großer Publikumserfolg mit Einschaltquoten von bis zu 22 Mio. Zuschauern (gut, das war die Zeit, als Willy Brandt noch Kanzler war, Dinosaurier die Erde bevölkerten und der gemeine Zuschauer die Auswahl zwischen drei Programmen hatte, aber es nötigt Respekt ab), um so mehr wundert’s mich, dass die ganze Chose offensichtlich selten bis nie wiederholt wurde (gut, das ZDF hat auch nicht ein Rudel von Regionalprogrammen, die alte Archivware auftragen können, zur Verfügung) und demzufolge an mir spurlos vorüber ging.

Was schade ist, denn „Molly Mill“ ist durchaus charmant-altmodische Unterhaltung (und stilecht in schwarz-weiß gehalten). Klar, die Kriminalfälle entweder reichlich unkomplex (gut, in effektiv 20 Minuten ist schwer ein doppelt- bis dreifachbödiges Thrillerszenario aufzubauen) oder auflösungstechnisch, naja, sagen wir mal, denkwürdig, und der Aufbau der einzelnen Folgen formelhaft bis zum Abwinken (stets das gleiche Schema: Molly bekommt eine neue Stelle, führt sich dort ganz gut ein, stolpert über einen – meist bereits parallel von Yellow und Green bearbeiteten – Fall, ruft bei Scotland Yard an, die Verbindung wird unterbrochen, die Cops schreiten zur Aktion und beinahe Agatha-Christie-mäßig wird das Verbrechen dann im Beisein aller Beteiligten [wobei der Täter meistens aus dem direkten Umfeld von Mollys derzeitigem Arbeitgeber kommt, nur selten ist er’s selbst] geklärt). Jepp, die Serie ist quasi ein einziger permanenter running gag, aber als solcher ein recht lustiger (zumal 13 Folgen eine Strecke ist, mit der die Formel noch nicht zu Tode geritten wird, zudem erlaubt sich die Show mit den letzten beiden Episoden, die bewährte Formel zu variieren bzw. zu brechen).

Launigerweise bestätigt die Serie ihren running-gag-Charakter auch durchaus selbst mit heftigem Augenzwinkern (speziell in der Folge um die zweite Entführung des Duke of Kleenex, in der großflächiges Dialog-Recylling betrieben und von den Charakteren thematisiert wird [„Ich hab diesen Dialog schon mal geführt – ich hasse Wiederholungen!“], wiewohl auch immer wieder Querverweise zwischen den Episoden eingebaut werden, mal mit wiederkehrenden Nebencharakteren, mal, wenn die Haupt-Gaststars von gleich zwei Folgen wichtige Funktionen in einer späteren Episode übernehmen). Ganz kurios ist, dass die Serie auf eine „origin“-Episode verzichtet – schon in Folge 1 ist die Formel etabliert und alle wesentlichen Figuren (d.h. Molly, Yellow und Green) kennen sich bereits aus früheren Fällen; ebenso nimmt Molly imme wieder Bezug auf Ereignisse und Fälle, die wir als brave Zuschauer nicht sehen durften/konnten/sollten. Auch wenn die Einzelgeschichten in sich abgeschlossen sind, zieht sich durch die komplette Serie der Arc, dass Yellow Mollys Hinweise und Verwicklungen immer stärker, zwar unter Heulen, Zähneklappern und ständiger Titulierung des Mädels als „Dilettantin“, respektiert (und sich zu guter Letzt in einer Art sportlichem Wettstreit um die schnellere Lösung des Falls glaubt) und ihr in der Finalepisode sogar in den Urlaub nachreist (wo sich dann prompt wieder ein zu klärendes Verbrechen einstellt) – keine Beziehung auf romantischer (eine solche würde man eher bei Yellows Assi Green vermuten, der Molly von Anfang an wohlgesonnener ist, aber in der Hinsicht bleibt die Küche kalt), sondern quasi beruflicher Basis unter Kollegen (zumal Molly ihr Ruf als erfolgreiche Hobby-Kriminalistin vorauseilt – in der Schlussepisode wendet sich der Kurdirektor hilfesuchend an sie, sehr zum Verdruss des Inspektors). Hervorzuheben sind sicherlich noch die wirklich witzigen Dialoge, wobei es schon interessant ist, dass die eigentliche Hauptfigur (eben Molly) vergleichsweise selten an diesen beteiligt ist (ihre Lines sind doch gerne mal repetetiv und werden oft auch nur als Überleitung für einen Szenenwechsel zum Yard gebraucht) – die Highlights finden sich zumeist zwischen den Scotland-Yard-Jungs sowie diesen und den Verdächtigen. Dass es sich um eine deutsche Serie handelt, merkt man gerne mal an den betont „witzigen“ Charakternamen (wir haben z.B. Zahnarzt Dr. Drill, Kunstfälscher Mr. Faker, den Gemälderestaurator Mr. Overpaint oder Rechtsanwalt Mr. Trustful) – wobei dem zeitgenössischen Publikum diese schelmischen Wortspielerein vermutlich nicht wirklich aufgefallen sein dürften.

Die Fälle selbst sind unterschiedlich spannend (naja, wie schon gesagt, Spannungserzeugung war nicht unbedingt die allereste Priorität) und witzig – manche sind geradezu „outlandish“ (der Schurke der ersten Folge bedient sich eines kehlkopflähmenden „Strahls“ und in „Resultate nach Maß“ ist das Gimmick ein verschlüsseltes Computer-Datenband, wobei Autor Fuchs mit Sicherheit nicht wusste, was ein Computer ist, wie er funktioniert und wie man sich eine Verschlüsselung anno 1970 vorstellen musste), andere überraschend „modern“ (in „Die Spinne“ gibt’s einen Fall von echt ausgeklügelter Wirtschaftskriminalität zu bestaunen), und in wieder anderen nervt mangelnde Recherche (in „Mumienschanz“ und der darauf aufbauenden Episode „Der Gärtner war es“ wird ein altägyptischer Sarkophag mit penetranter Konsequenz „Mumie“ genannt), manchmal sind die Auflösungen schlicht unverständlich („Vierhundert Diplomaten“). Wenn Fuchs allerdings auf Zack ist, ist er wirklich witzig („Bombenshow“, „Waschechte Holbeins“, „Der Gärtner war es“). Von der technischen Umsetzung her ist „Miss Molly Mill“ auf dem typischen Level einer deutschen Fernsehproduktion dieser Zeit – immerhin, man hat sich echte Außendrehs in London (und wohl in Belgien, wo „Das Sonnenparadies“ anscheinend gedreht wurde) geleistet, was der ansonsten natürlich studio-basierten Angelegenheit durch die establishing shots und Straßenaufnahmen etwas mehr Volumen verleiht. Die Kameraführung ist akzeptabel, der betriebene Aufwand vertretbar (etwas inkonsequent ist, dass Schilder und Texte nur gelegentlich eingedeutscht werden), in der Tradition der Wallace-Filme spielen in fast jeder Folge irgendwelche Geheimräume und -gänge, die durch versteckte Schalter geöffnet werden, eine gewichtige Rolle, so dass auch die Kulissenbauer ein paar Kostproben ihres Könnens geben dürfen. Dramaturgisch ist bei dem knappen 20-Minuten-Format natürlich nicht viel zu wollen, bis auf wenige Ausnahmen („Der hustende Prinz“, „Das Sonnenparadies“) spielt sich die Sache sehr flott und kurzweilig.

Das beschwingte Titelthema und der knappe, manchmal geradezu trippige Soundtrack gehen auf das Konto von Peter Thomas („Raumpatrouille“).

In der Hauptrolle stellt sich Inge Brück, die auch als Schlagersängerin erfolgreich war und Deutschland 1967 beim Eurovision Song Contest mit dem Titel „Anouschka“ vertrat und den 8. Platz belegte, vor. Brück, die auch eine gesungene Version der Titelmusik herausbrachte und mit u.a. Katja Ebstein und Peter Horten (der lustigerweise 1967 für Österreich am Song Contest teilnahm und Vorletzter wurde) die Initiative „Künstler für Christus“ gründete, macht im Minikleid eine gute Figur, agiert sehr sympathisch, hat allerdings durch das ewig gleiche Format der Serie wenig Möglichkeit, sich schauspielerisch auszuzeichnen – die Scripts verlangen ihr die ewig gleiche neugierige Naivität, mit der sie trotz des ihrem Charakters durch ständige Volkshochschulkurse angedichteten Wissens in die Kriminalfälle stolpert, ab, ohne ihr echte Versatilität aufzunötigen. Durchaus viel Spaß machen Benno Hoffmann („Drei Männer im Schnee“, „Nicht fummeln, Liebling“, „Die Schlüssel“) als brummiger Scotland-Yard-Inspektor Yellow und Gerd Vespermann („Wenn die Conny mit dem Peter“, „Morgens um Sieben ist die Welt noch in Ordnung“, „Cabaret“, „Zum Teufel mit der Penne“ und natürlich die deutsche Stimme von Bugs Bunny in den Trickfilmen) als sein geplagter Assi Green, die ein so blendend aufgelegtes Comedy-Duo abgeben, dass man sich durchaus wünscht, es wäre ihre und nicht Mollys Serie. Die Gaststars sind allerlei bekannte Fernsehgesichter der zweiten und dritten Reihe, die vor allen Dingen – ich weiß nicht, gab’s 1970 blend-a-med noch nicht? – durch die teilweise erschreckenden Dentalregionen auf sich aufmerksam machen…

Bildqualität: 4:3-Vollbild ist angesichts der Herkunft der Serie klar – der s/w-Transfer ist ganz akzeptabel gelungen, überwiegend sind Schärfe und Kontrast gutklassig. Es kommt jedoch relativ häufig zu Klötzchenbildungen und Verpixelungen, außerdem, bedingt durch nicht korrigierbare Schäden am Ausgangsmaterial, zu gelegentlichen (aber seltenen) Ton- und Bildsprüngen.

Tonqualität: Dolby 2.0 Mono der brauchbaren Sorte – man bekommt das, was realistisch bei einer 40 Jahre alten Serie zu erwarten ist (die Tonsprünge habe ich bereits erwähnt).

Extras: Leider nichts.

Fazit: Mit „Miss Molly Mill“ legt Pidax ein weiteres Stück nostalgischer Fernsehunterhaltung vor, eine anspruchslose, leichtgewichtige Mischung aus Krimi-lite und Komödie, wobei dem Humor eindeutig das Übergewicht gegen ausgeklügelte Fallkonstruktionen geschenkt wurde – angesichts des Formats sicherlich auch nicht anders denkbar. Vielleicht sollte man nicht wie ich praktisch die gesamte Serie am Stück schauen, sondern sie sich dosiert zu Gemüte führen, dann dürfte die sklavische Formelhaftigkeit nicht so stark auffallen. Speziell das gut aufgelegte und hervorragend aufeinander abgestimmte Doppel Hoffmann/Vespermann hat den ein oder anderen Blick verdient.

3/5
(c) 2011 Dr. Acula


mm
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