- Original-Titel: Mirrors
- Regie: Alexandre Aja
- Land: USA
- Jahr: 2008
- Darsteller:
Kiefer Sutherland (Ben Carson), Paula Patton (Amy Carson), Cameron Boyce (Michael Carson), Erica Gluck (Daisy Carson), Amy Smart (Angela Carson), Mary Beth Peil (Anna Esseker), John Shrapnell (Lorenzo Sapelli), Jason Flemyng (Larry Byrne), Julian Glover (Robert Esseker)
Vorwort
Ex-Cop Ben Carson ist ziemlich unten angekommen – seit er bei einem undercover-Einsatz versehentlich einen Kollegen umgenietet hat, hängt er an der Flasche, seine Ehe ist hinüber, er darf grad mal eben bei seiner Schwester auf der Couch pennen. Aus Therapiegründen (um ihn wieder an ein geregeltes Leben zu gewöhnen) nimmt er den Job eines Nachtwächters in der Ruine des abgebrannten Mayflower-Kaufhauses an. Sein Vorgänger ist verschwunden – nicht ohne zuvor eine gewisse Besessenheit für die zahlreichen, rätselhafterweise im Feuer verschont gebliebene Spiegel des Kaufhauses entwickelt zu haben. Schnell zeigen sich auch bei Carson im Spiegel Visionen – Flammen, verbrennende Menschen. Visionen, die auch auf den echten Carson übergreifen. Für sein fragile Seelenkostüm ist das natürlich nichts, aber noch glauben alle Beteiligten, er habe einfach einen leichten streßbedingten Dachschaden – bis seine Schwester auf äußerst rätselhafte Weise (und brutal) zu Tode kommt. Carson ahnt, dass die Spiegel etwas von ihm wollen: er soll einen gewissen „Esseker“ finden; eine Aufgabe, an der schon sein Vorgänger als Nachtwächter (und nicht nur der) fatalerweise gescheitert sind. Unser cleverer Held findet heraus, dass das Kaufhaus vor über 50 Jahren mal ein Krankenhaus gewesen ist, in dem ein Dr. Kane Spiegel-Experimente zur Heilung von Schizophrenie ausprobiert hat, und Anna Esseker war eine Patientin, die angeblich wie alle anderen Patienten bei einem Massaker im Hospital ums Leben kam. Guter Rat ist teuer, zumal die Spiegel beginnen, Carsons Familie anzugreifen…
Inhalt
Alexandre Aja ist ja so etwas wie das Darling aller FFF-Fans – Haute Tension war vermutlich der beste Film, der jemals auf dem Festival lief, ein schlichtweg beeindruckendes Stück puren Horrors, das den simplen Terrorfilm wieder hoffähig machte. Aja gelang der Sprung nach Hollywood, wo er zunächst das überflüssige „The Hills Have Eyes“-Remake kurbelte und nun an das Remake eines koreanischen Gruselthrillers („Into the Mirrors“) von 2003 herangelassen wurde. Originale Stoffe scheint man Aja (vielleicht zu Recht, war „Haute Tension“ doch auch nichts anderes als die, ähm, freie Adaption des mittelmäßigen Koontz-Romans „Intensity“ und speziell, wenn man weiß, dass sein nächstes Projekt voraussichtlich WIEDER ein Remake, diesmal von „Piranha“, in 3D!, sein wird) jenseits des großen Wassers nicht zuzutrauen.
Immerhin klärt „Mirrors“ auch die Frage, was Jack Bauer treibt, wenn er nicht gerade Terroristen oder Familienmitglieder zu Tode foltert – will sagen, mit „24“-Star Kiefer Sutherland hat Aja einen derzeit „heißen“ leading man zur Verfügung. Trotzdem ist „Mirrors“ eine recht deftige Enttäuschung, die fast den Verdacht zulässt, bei Aja handele es sich um eine one-hit-wonder.
Für die Grundzüge der Story, die er allerdings mit seinem Stamm-Autoren Grégory Levausseur selbst adaptierte, kann er nichts (oder zumindest nicht alles). Sei es, dass asiatische Horrormotive mittlerweile derart abgenudelt sind, dass sie zumindest manchem Zuschauer mittlerweile eher auf die Nerven gehen denn ihn ängstigen, sei es, weil es sich bei diesen Motiven allgemein um solche handelt, die sich westlich-“rationaler“ Rezeption eher verschließen und meist eher auf jump scares setzen, zumindest bei mir zündet das alles nicht mehr so recht. Auch „Mirrors“ hat das Grundproblem, dass seine zwar durchaus spookige Idee der tödlichen Gefahr aus Spiegeln nicht wirklich in eine schlüssige Geschichte umsetzen kann. Zwar müht sich das Script um eine Background-Mythologie (um dämonische Besessenheit), aber es gibt zu viele Unklarheiten, zu viele Inkonsistenzen – was will das undefinierte „Böse“ grundsätzlich, warum bedient es sich der Familien seiner „Opfer“ als „Druckmittel“, wieso können manche Opfer in die „Spiegelwelt“ hineingezogen werden, andere nicht? Wieso greifen die Spiegel z.B. Carsons Familie noch an, als er die ihm gestellte Aufgabe schon erfüllt hat? Es sind diese kleinen Ungereimtheiten, die einen an der Geschichte von „Mirrors“ (ver-)zweifeln lassen.
Dazu kommen Versatzstücke aus anderen Horrorklassikern, die dem Originalitätswert des Streifens abträglich sind. Kollege Wortvogel sprach recht unverhohlen von einem „Shining“-Rip-off, Anklänge an „Poltergeist“ (und die dort auch hochgehaltenen Familienwerte) sind unübersehbar, und wenn (SPOILER VORAUS) die dämonische Kreatur im Finale munter an Wänden und Decken krabbelt (und das alles noch in einem schlecht beleuchteten „Dungeon“), fühlte ich mich sogar an „Species“ erinnert.
Die Charaktere sind die üblichen Klischeekameraden (versoffener Ex-Cop, dem keiner glaubt, so z.B. seine Ehefrau, die ihn zwar noch liebt, ihn aber eigentlich nicht mehr sehen will usw.) – lowest common denominator-Figuren aus dem Standard-Baukasten des Horrorschreiberlings (9,99 € bei OBI). Man hat diese Figuren und die aus ihnen resultierenden Plot-Entwicklungen einfach zu oft gesehen, da ist nichts neues, keine Substanz dahinter…
Und das ist möglicherweise auch ein Aja-Problem – optisch ist „Mirrors“, abgesehen von einigen entsetzlich schlechten CGI-Feuer-Effekten (das bekommen die Tricktüftler einfach immer noch nicht hin), top-notch, zieht maximale Wirkung aus seinem großartigen „verbranntes Kaufhaus“-Set (immerhin durfte Aja ein Budget von stolzen 35 Mio. Dollar verbraten, also darf man ja auch erwarten, dass der Hobel nach ‚was aussieht). Aja inszeniert den Streifen ordentlich, aber ohne diesen zwingenden Druck wie bei „High Tension“ zu erreichen (was auch daran liegen kann, dass die fast zwei Stunden Laufzeit für die nicht gerade sonderlich gehaltvolle Plotte auch leicht übertrieben erscheint) – es ist gefällig, sieht hübsch aus, aber es eines nicht: furchteinflößend. Im Gegenteil, Aja schafft es tatsächlich, einen fast zweistündigen Horrorfilm abzuliefern, der KEINEN EINZIGEN funktionierenden Scare beinhaltet – und so viele Versuche stecken gar nicht drin; Aja hofft, dass die technisch durchaus beeindruckende Spiegeltricksereien (also z.B. ein Spiegelbild, das bleibt, obwohl die gespiegelte Person bereits weggegangen ist o.ä.) allein unheimlich genug sind; wer aber nicht erst seit gestern Horrorfilme ansieht, wird über ein äußerst vages Gefühl des Unwohlseins kaum hinauskommen (wenn überhaupt). Man kann Aja anrechnen, dass der Film in der zweiten Hälfte das Tempo deutlich anzieht (bzw. es anzuziehen versucht), aber nie wirklich spannend wird (weil wir, wie erwähnt, auch nicht wissen, was genau das Böse eigentlich WILL) und auch nicht wirklich einer inneren Logik folgt.
Nun sind die meisten asiatischen Genrevertreter Repräsentanten des eher seichten Grusels, und das ist nicht unbedingt das Fahrwasser, in dem Aja sich wohl zu fühlen scheint. Die abgezählten drei Splattereinlagen (von denen zwei auch beinhart sind und eine bereits im Teaser steckt) wirken daher deplaziert und wie beabsichtigte „Hallowach“-Effekte für Ajas Zielgruppe (gewerkelt wurden sie von unseren alten Freunden von KNB).
Schauspielerisch zeigt sich Kiefer Sutherland nicht gerade als die allergrößte Leuchte – klar, sein Charakter ist ganz unten, aber es ist mir zu weinerlich, zu weichei-mäßig. Etwas mehr Entschlossenheit hätte Sutherland, seiner Figur und dem Film nicht geschadet. Paula Patton („Idlewild“, „Deja Vu“) sieht hinreißend aus (und bemerkenswert ist es schon, dass ein Major-Studiofilm eine interracial-Beziehung zeigt, leider immer noch selten), hat aber aufgrund einer echten Klischeerolle nicht wirklich viel zu tun außer zunächst abweisend-ungläubig und im Finale hysterisch-kreischend zu agieren (allerdings lieben Aja und sein Kameramann Maxine Alexandere ihre Ausstattung. Der ausgeteilte Fragebogen zum Film wollte u.a. wissen, ob man den Filmtitel „Mirrors“ passend fände. Wir scherzten, „Paula Pattons Oberweite“ wäre auch nicht verkehrt gewesen. Aber der BH bleibt an…). Ausziehen (und konsequent dahinscheiden) darf sich Amy Smart („Crank“, „Starsky & Hutch“, „Butterfly Effect“) in der auch nicht gerade gehaltvollen Rolle von Bens Schwester Amy, Jason Flemyng („Transporter 2“, „Liga der außergewöhnlichen Gentlemen“, „Sternwanderer“) verschleißt sich in einer unbedeutenden Nebenrolle. Die Kinderdarsteller Cameron Boyce und Erica Gluck schwanken zwischen nervig (Boyce) und akzeptabel (Gluck). Als Anna Esseker amtiert Mary Beth Peil („Dawson’s Creek“).
Letzte Worte: „Mirrors“ ist am Ende des Tages doch wieder nur eines dieser beliebigen, austauschbaren US-Remakes asiatischer Genremotive, das keine eigene Identität aufweist, extrem schick aussieht, aber der optischen Fassade einfach keine packende Story beipackt. Das ist alles irgendwie nett anzusehen, nervt nicht offensiv, aber fesselt oder erschreckt nie und plätschert mehr oder weniger am Zuschauer vorbei. Für einen Regisseur wie Aja, der mit solcher Wucht in der Szene angekommen ist, ist die zweite Enttäuschung am Stück schon bedenklich. Ich will’s nicht hoffen, aber ich befürchte langsam, aber sicher, dass Aja entweder vom Hollywood-System schon ruiniert wurde oder er eben doch nur ein one-trick-pony ist. „Mirrors“ jedenfalls ist belanglos – und das ist so ziemlich das Unerfreulichste, was man über einen Horrorfilm sagen kann…
2/5
© 2008 Dr. Acula