Mirchi – It’s Hot!

 
  • Deutscher Titel: Mirchi - It's Hot!
  • Original-Titel: Mirchi - It's Hot!
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  • Regie: Dinesh Awasthi
  • Land: Indien
  • Jahr: 2004
  • Darsteller:

    Nilofer Khan (Anita), Bobby Khan (Raj), Nirmal Pandey (Sirji), Sambhavna Sheth (Mandu), Harish Patel (Ilyas Khan), Archana Puran Singh (Durga Pandey)


Vorwort

Anita Digit ist unglücklich – trotz aller Beteuerungen hat ihr Ehemann Raj es bislang nicht geschafft, der Angebeteten das versprochene tolle Leben mit schöner Wohnung, Annehmlichkeiten des Luxus und, vor allem, Farbfernseher zu bieten. Die lasche Ausrede, aufgrund Pleite seines Arbeitgebers sich erst mal an einer neuen Arbeitsstelle zu vernünftigen Gehaltsebenen hocharbeiten zu müssen, zieht nicht. Bei der Housewarmingparty einer neuen Nachbarin wird Anita gebeten, die ein oder andere Kostprobe ihrer Sangeskunst zu bieten – das Publikum ist beeindruckt und eine Partygästin, Mandu, schlägt ihr vor, aus diesem Talent Kapital in Form schnöden Mammons zu scheffeln. Anita lehnt ab – ohne Einwilligung von Raj will sie kein Star werden. Als Raj wenig später einen neuen Farbfernseher anschleppt (die alte sw-Fischkiste hat Anita vorher bei einem kleinen Wutanfall mutwillig geschrottet), findet Anita zufällig heraus, dass er für diese Investition seinen Familienschmuck verscherbelt hat. Das gibt ihr den entscheidenen Antrieb, auf Mandus Angebot zurückzukommen – Raj muss von dem kleinen Nebenjob ja nichts wissen. Mandu führt Anita bei Sirji, Vorsteher des Clubs „Mirchi – It’s Hot“ ein. Der ist auch ganz angetan, aber vor irgendwelche Plattenaufnahmen hätte Sirji – der, wie wir Zuschauer bereits wissen, im Club nicht nur Poledancing aufführen lässt, sondern auch ein Bordell betreibt – den ein oder anderen, ehm, persönlichen Gefallen. Äußerst widerstrebend lässt sich Anita auf die Sache ein und tatsächlich organisiert Sirji Fotoshootings und Aufnahmesessions. Als Rajs Schwiegervater überraschend ins Gras beißt, verweigert Sirji allerdings unter Verweis auf seinen Geburtstag Anita die Freigabe – d.h. sie kann schon gehen, aber Schlimmfinger Sirji hat natürlich unanständige Fotos und eine DVD anfertigen lassen. Wäre doch ein Jammer, wenn Raj die zufällig in die Finger kriegen würde… Am Boden zerstört will Anita ins Wasser gehen – doch ein ständig betrunkener Bettler rettet sie und schleppt sie zur Kali-Priesterin (!) Durga Pandey, und die ist eine wahre Kampf-Emanze mit Privatarmee… jetzt soll’s Sirji und seinen Komplizen sprichwörtlich an den Kragen gehen.


Inhalt

Bollywood!

Wart.

Wart.

Wart.

So, jetzt sind nur noch die hier, die das Thema interessiert, die Ignoranten, Barbaren und Wüstlinge haben sich zu den Schnaas-Reviews verzogen.

Also nochmal. Bollywood. Auch wenn, sofern man den Einschaltquoten von RTL II glauben darf, der große Boom des Hindi-Kinos in Deutschland vorbei ist und der ganze Komplex wieder in den Status eines Nischenprodukts mit loyaler Fanschar zurückgefallen ist (was auch daran liegen mag, dass nun schon einige Zeit kein Bollywood-Film mit hohem Crossover-Potential wie „Ich bin immer für dich da“ aufgetaucht ist), so ist der DVD-Sektor in diesem Bereich immer noch lebendig (und sei’s durch die DeAgostini-Reihe „Best of Bollywood“, die für relativ kleines Geld herausragende Titel mit Begleitheft verhökert). Das zieht sich dann auch durch bis auf die Grabbeltische, wo Sparschwein Doc des nunmehr zu würdigenden Exemplars (zu einem Preis von, wenn ich mich recht erinnere, 1,99 Euronen für eine 2-DVD-Edition) habhaft wurde.

Bei „Mirchi – It’s Hot!“ handelt es sich demzufolge nicht gerade um ein Premiumprodukt der Mumbaischen Filmschmieden, sondern das indische Äquivalent eines B-Movies (was selbstredend auch an der Starpower, bzw. dem Mangel an derselben, festzumachen ist). Und, was soll ich sagen, auch in Indien ist’s wie im Rest der Welt – im B-Movie geht doch irgendwie mehr.

Wenngleich die grundlegende Story natürlich niemanden hinter’m Ofen vorlocken wird (junge attraktive, aber auch bodenlos naive Frau wird von der Glitzer- und Glamourwelt verführt und dadurch ins Unglück gestürzt), wird schon in den ersten Minuten klar, dass hier für Bollywood-Verhältnisse (auch wenn sich im Mainstream-Bollywood-Bereich langsam auch etwas mehr „Freizügigkeit“ durchsetzt) Tacheles geredet wird. Da gibt’s gleich in der ersten Szene eine (zumindest angedeutete) Vergewaltigung, da wird in Sirjis Etablissement von einem Freier eine Zigarette auf einer Prostituierten ausgedruckt, da kuckt sich ein (Neben-) Charakter schon mal einen Pornofilm an (oder zumindest das, was im Rahmen eines Bollywood-Films als Pornofilm durchgeht), da darf die Heldin zumindest in Traumszenen den nackten Oberkörper ihres Männes abschlabbern. Holla! Und als wäre das nicht genug, erlaubt sich der Streifen sogar den Luxus, noch im ersten Filmdrittel, einen recht sadistischen Mord und eine blutige Schlägerei (wenn gleich mit lächerlich hochgespeedeten Martial Arts – öchz) einzubauen und nimmt nach dem sich dann programmgemäß abgespulten Melodrama in den letzten 20-25 Minuten einen überraschenden Schlenker in Richtung rape’n’revenge-Streifen (mit zwei blutigen Exekutionen). Ich wiederhole mich: Holla!

Freilich sind die Charaktere die üblichen Schablonen – die naive Heldin, der liebende Ehemann, der abgrundtief böse Fiesling und dann gibt’s natürlich noch die eigentlich unschuldige Verführerin, die selbst nur aufgrund Erpressung das böse Spiel mitmacht. Zu erwähnen wäre allerdings noch die Figur des Ilyas Khan (Sirjas „Geschäftsführer“ und Mädchenanschlepper), der mindestens jeden zweiten Satz mit „Allah, lass mich nicht lügen“ anfängt (was sich entweder für ein launiges, aber hochgradig leberschädigendes drinking game anbietet oder, noch wahrscheinlicher, schon nach 20 Minuten jedem auf die Nüsse geht). Nicht minder nervig sind die allzu cartoon-villain-mäßig gestalteten Kunden von Sirji. Dazu gibt’s ein Sammelsurium an mehr oder weniger skurrilen Nebenfiguren (wie dem lebensrettenden Bettler und den porno-kuckenden „Onkel“), die zur Handlung mal mehr, mal weniger beitragen, aber für ein wenig Auflockerung sorgen. Nicht zu vergessen natürlich die Kali-Priesterin (! Ich wiederhole mich…) Durga Pandey, die den finalen Rachefeldzug lostritt.

An dieser Stelle muss natürlich auch auf die erzkonservative „Moral von der Geschicht“ eingegangen werden, die ausgerechnet von Durga Pandey ausbuchstabiert wird – die indische Frau, postuliert der Film, hat gefälligst mit dem zufrieden zu sein, was ihr Mann ihr bietet, selber Geld verdienen ist böse usw. Klingt natürlich schon kurios, wenn der selbe Charakter kein Problem damit hat, einen Mann, der eine Frau auch nur schief ansieht, kaltlächelnd umzunieten. Irgendwas müssen die Filmemacher an „Gleichberechtigung“ falsch verstanden haben…

Regisseur Dinesh Awasthi, der im Folgejahr die Komödie „Raja Bhai Lagey Raho“ inszenierte, bemüht sich im Rahmen seiner Möglichkeiten um eine pfiffige, für Bollywood unkonventionelle Inszenierung – da wird schon mal die Kamera vorwitzig gekippt, da gibt es bewusst eingesetzte missing frames, wiederholte Einstellungen und flash cuts, in den natürlich unvermeidlichen song-and-dance-Einlagen wird eifrig westliche Videoclip-Ästhetik bemüht. Für’s eher konservativ geprägte Bollywood-Kino, und speziell das aus der bestenfalls zweite Reihe ist das schon nahe an „Überinszenierung“.

Die musikalischen Einlagen sind überraschend spärlich gesetzt – neben dem fetzigen „Mirchi! It’s Hot“-Theme (das im Filmverlauf sicher vier-fünfmal angespiel wird) gibt’s nur vier richtige Gesangsnummern – eine davon sogar nur „traditionell“ (ohne Tanzchoreographie und moderne Beats). Die anderen Nummern sind solide, aber unspektakuläre typische „moderen“ Bollywood-Nummern (d.h. Eurodance-Beats, wie sie hierzulande vor zehn Jahren aus der Mode kamen mit leichten folkloristischen Einflüssen), auch die Choreographie ist okay, aber nicht bemerkenswert (und, was den Personalaufwand angeht, überschaubar – mehr als sechs-sieben Background-Tänzer gibt’s nicht) – wobei Nilofer Khan einige Moves drauf hat, die auch Shakira bringen könnte.

„Mirchi“ muss natürlich – hey, Bollywood – ohne Nudity auskommen, packt seine weiblichen Stars gerne in knappe (und den Mädels nicht zur Schande reichenden) Kostüme (und die, ähm, „Sexszenen“ sind sehr kurios – was auch immer da vor sich gehen soll, „Sex“ isses gewiss nicht). Die FSK-16-Freigabe verdient sich der Streifen durch technisch zwar eher schlichte, aber (ich reite drauf rum, aber es ist halt so – für Bollywood) recht drastische Erschießungen (und halbseidene, dafür aber eben hochgespeedete Martial-Arts-Szenen).

Darstellerisch verschleißt sich nicht gerade die erste Garde. Nilofer Khan, die durchaus hübsche, aber jenseits des „gepeinigt-kucken“ schauspielerisch eher mittelprächtige Hauptdarstellerin, begann ihre Karriere in einer indischen Seifenoper, und war zuletzt in kleiner Nebenrolle in dem ambitionierten Drama „Woh Lamhe“ zu sehen. Bobby Khan, ihr Filmehemann, startete als Choreograph; „Mirchi“ markiert seine erste Haupt- und seine bislang letzte Filmrolle. Er hat zwar ansatzweise den „look“ des typischen Bollywood-leading-man, aber das Charisma eines Shahrukh Khan geht ihm natürlich völlig ab. Nirmal Pandey (Sirji) (schon in Shekhar Kapurs bemerkenswertem „Bandit Queen“ zu sehen), hat die erstaunliche Distinktion, einen Preis als beste Darstellerin gewonnen zu haben (für die Rolle eines Transvestiten in „Daayraa“. Den Böswatz hier gibt er zwischen charmant-bösartig und cartoonesk-überzeichnet. „Stars“ finden sich am ehesten in den Nebenrollen. Harish Patel („Ilyas Khan“) agierte 1996 in Mira Nairs „Kama Sutra“ und ist aktuell in der Simon-Pegg-Comedy „Run Fatboy Run“ zu sehen. Patel ist zwar angemessen widerlich, aber seine Dialoge sind grausam. Archana Puran Singh (kreditiert mit einer „very special guest appearance“ – wowsa!), die hier recht eindrucksvoll die gnadenlose Priesterin Durga spielt, amtierte 2000 in dem auch hierzulande bestens bekannten „Mohabattain“ („Denn meine Liebe ist unsterblich“) und war 2005 im Bollywood-Superhelden-Versuch „Krrish“ am Start.

Bildqualität: „Bollywood Movies“, ein subsidiary von Laser Paradise, kommt uns mit einem ziemlich grausamen 1.85:1-Transfer (non-anamorph), der sich echt schämen sollte, aus dem Jahr 2004 zu stammen. Die Schärfewerte sind katastrophal, das Bild ist softig-schwammig wie das Blickfeld eines Alkoholikers nach einem Kasten Bier, zahlreiche Defekte und Verschmutzungen trüben den Filmgenuss. Dass man selbst von einigermaßen aktuellen Bollywood-B-Filmen einfach keine Prints auftreibt, die nicht 30 Jahre alt aussehen (bei Azaad war’s nicht anders).

Tonqualität: Deutschen Ton gibt’s in Dolby 5.1 (was immer das auch bedeutet), dazu Hindi-Originalton in Dolby 2.0 (Untertitel können zugeschaltet werden, standardmäßig sind Untertitel für die Liedtexte voreingestellt, wie sich das gehört). Die Synchro ist anständig ausgefallen, wie meistens bei Bollywood-Releases aus der Ramschkiste ist der Musik-Sound allerdings blechern und drucklos.

Extras: Das Protzen mit dem 2-DVD-Treatment erweist sich leider als heiße Luft. Silberscheibe 2 beinhaltet nichts außer einem selbstablaufenden „Geschichte des Bollywood-Films“-Text von vielleicht vier Minuten Dauer und den exakt gleichen sechs Trailern auf andere Bollywood-Filme, die sich auch schon auf der Disc des Hauptfilms bieten. Schummel – aber bei dem gegenwärtigen Preis darf man nicht meckern. Dafür besticht das Package durch schöne Aufmachung (Digipak im Schuber, außerdem wird ein Wendeposter mit zwei Plakatmotiven mitgeliefert).

Fazit: „Mirchi – It’s Hot!“ („Mirchi“ heißt übrigens zu gut Deutsch „Chili“) zeigt uns also, was das B-Kino Bollywoods auf die Reihe bringt. Das ist letztlich nicht spektakulär (aber mit 107 Minuten selbst für Bollywoodbanausen sozialverträglich kurz), aber dezent unterhaltsam, vor allem dank des unerwarteten Schwenks von Melodrama in „knallhartes“ Rachestück. Schräg, überraschend hart und „offenherzig“, aber doch eher was für Bollywood-Freaks denn für -Einsteiger. Letztere sollten sich dann doch eher an eingängigere Shahrukh-Khan-Produkte halten. Wem „Mirchi“ aber in der Ramschkiste des Dealers des geringsten Misstrauens für weniger als ’ne halbe Schachtel Kippen über den Weg läuft und auch dem Bollywood-Film aus der bestenfalls zweieinhalbten Reihe eine Chance geben will, wird sich zumindest knappe zwei Stunden nicht langweilen.

3/5
(c) 2008 Dr. Acula


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