Mein Name ist Somebody – Zwei Fäuste kehren zurück

 
  • Deutscher Titel: Mein Name ist Somebody - Zwei Fäuste kehren zurück
  • Original-Titel: La chiamavano Maryam
  • Alternative Titel: My Name is Thomas |
  • Regie: Terence Hill
  • Land: Italien
  • Jahr: 2018
  • Darsteller:

    Terence Hill (Thomas), Veronica Bitto (Lucia), Francesca Beggio (Maria), Matt Patresi (Max), Guia Jelo (Rosario), Andy Luotto (Prior)


Vorwort

Unser anfänglicher Nobody ist ein Herr fortgeschrittenen Alters, der irgendwo in den italienischen Bergen der Appeninnen im Dunstkreis eines Klosters bäuerlichen Verrichtungen nachgeht, bis ihn eines Tages der Hafer sticht und er zu einem Selbstfindungstrip aufbricht. Schnell noch von den Mönchen auf den Namen Thomas getauft, schwingt er sich auf seine Harley, um in der Wüste von Almeria, Spanien, es dem Autor eines spirituell-religiösen Selbstfindungsbuchs (nein, nicht Hape Kerkeling) nachzutun und das Werk in der Einsamkeit zu lesen.

Das mit der selbstauferlegten Einsamkeit erledigt sich aber schon an der nächsten Tankstelle, wo Thomas einer jungen Frau beisteht, die von zwei unsympathischen Herren belästigt wird. Zwei gezielte Hiebe mit der Bratpfanne später hat Thomas eine Sozia – Lucia, eine flippige Anfangzwanzigerin mit extravagantem Klamottengeschmack und diebischer Ader. Die beiden vermeintlichen Bösköppe waren nämlich die rechtmäßigen Besitzer der von Lucia ehrlich geklauten Geldbörse.

Thomas nimmt Lucia mit bis zum Hafen, wo er die Fähre nach Barcelona entern will. Ein glücklicher Zufall, freut sich Lucia, will sie doch auch nach Spanien, um ihre Tante, eine bekannte Schriftstellerin, zu besuchen. Thomas freut sich diverse Körperteile ab, aber was hilft’s? Die Überfahrt macht Thomas ein bis zwei Dinge klar, nämlich dass Lucia sehr spontane Stimmungswechsel vollziehen kann und mindestens schon einmal versucht hat, sich die Pulsadern aufzuschlitzen. Fragen zu ihrer Vergangenheit beantwortet Lucia aber nur ausweichend bis gar nicht, und so ist Thomas ganz froh, seine Begleiterin in Barcelona in die verantwortungsbewussten Arme ihrer Tante übergeben zu können.

Die allerdings glänzt mit Abwesenheit und ist noch in Malaga, was, so’n Zufall aber auch, ganz in der Nähe von Thomas‘ Eremitenziel ist. Sieht so aus, als wäre die Schicksals-Reisegemeinschaft noch lange nicht am Ende.. auch wenn Lucia unterwegs mal versucht, die Harley zu klauen.

Vor Ort gedenkt Thomas nun wirklich seinen Wüstentrip zu machen, was bei Lucia irgendwie wieder zu einem temper tantrum führt. Auf halbem Weg in die staubige Landschaft hat Thomas eine Eingebung, kehrt um und kann in der Tat gerade noch Lucia retten, die recht erfolgreich versucht, ihr Hotelzimmer abzufackeln. Thomas schafft das Mädchen ins Krankenhaus und wacht an ihrem Bett, bis sie wieder zu sich kommt. Als sicher ist, dass keine bleibenden Schäden davongetragen wurden, düst er nun wirklich in die Wüste und findet in einer verfallenen Westernfilmkulisse, die eine milde Seele mit einem Bett und Verpflegung ausgestattet hat, die ideale Heimstatt für seine Selbstfindung.

Aber die Ruhe herrscht nicht lange, denn Lucia büxt aus dem Krankenhaus aus, organisiert sich (mutmaßlich kleptomanisch) ein Motorrad und folgt Thomas. Der arrangiert sich mit dem Gedanken und versucht, die selbstzerstörerische Lucia im Positiven zu beeinflussen. Doch wie an die Sache herangehen, wenn man nur ahnt, dass das Subjekt ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt? Da kann man eigentlich nur auf göttlichen Beistand hoffen…


Inhalt

Terence Hill ohne Bud Spencer. Es ist… schwierig. Auch wenn beide natürlich genug Filme ohne den jeweils anderen gemacht haben und gerade Hill schon vor dem Geniestreich, sie zusammenzuspannen, ein durchaus renommierter Schauspieler war, sind sie in der Wahrnehmung des Publikums untrennbare siamesische Zwillinge. Und letztendlich muss man auch sagen, dass Hill vermutlich Spencer mehr brauchte als der ihn, denn wie Buddy in einer Vielzahl seiner Filme unter Beweis stellte, dass er seine Screenpersona auch ohne Sidekick, wie in den „Plattfuß“-Filmen, oder mit anderen Partnern, wie Giuliano Gemma in dem mörderlustigen „Auch die Engel essen Bohnen“ funktionierte, ist Hills Solo-Werk, nun ja, sagen wir mal „durchwachsen“. Als modernisierter Don Camillo ging er in Ordnung (der Film laborierte vor allem an einem schwachen Drehbuch), er war ein brauchbarer Lucky Luke in einer leider ziemlich infantilisierten Fernsehfassung des Morris-Comics, aber irgendwie schien immer etwas zu fehlen, selbst bei den besseren Solo-Filmen wie „Der Supercop“; die „Nobody“-Filme, und ganz besonders natürlich der erste als Meta-Film über das Ende des Großen Western, stehen ziemlich alleine auf dem Pantheon der wirklich gelungenen Hill-Solofilme, und sein Spätwerk war und ist durchaus in der Lage, selbst wohlgemeintem Publikum die Zähne zu ziehen („Doc West“, ich rede mit dir).

Und doch. Als Terence Hill verkünden ließ, dass er seinen neuen, seinem alten Freund Bud Specner gewidmeten Film „Mein Name ist Somebody“ im Rahmen einer Kino-Tournee persönlich vorstellen würde, hing ich eine Minute, nachdem ich die Meldung gelesen hatte, im Online-Vorverkaufssystem des Cinecittá und buchte zweieinhalb Monate vorab die Tickets. Selbst wenn der Film nix taugen würde, rechnete ich mir aus, hatte man wenigstens die Gelegenheit, Pater Blauauge mal ganz leibhaftig und in echt zu sehen. Das muss einem doch zwölf Euro wert sein…

Als der große Tag dann schließlich da war, war ich über Facebook-Freunde, die auf der Tour vor mir dran waren, schon informiert, dass „Somebody“ trotz des Untertitels „Zwei Fäuste kehren zurück“ keine Renaissance des Prügel-Comedy-Westerns einläuten würde (und wer das ernstlich erwartet hat… der Mann ist 80! Sieht zwar locker 20 Jahre jünger aus, aber in dem Alter muss man etwas auf seinen Körper achten), sondern sich als melancholisches Roadmovie entpuppt hatte. Was mir natürlich die Möglichkeit bot, mich mental in eine passende rezeptive Stimmung einzupegeln.

Grundsätzlich folgt „Mein Name ist Somebody“ den etablierten Regeln des Roadmovie – höchst unterschiedliche Charaktere werden durch die aus Gründen erzwungene gemeinsame Reise zusammengeschweißt, erleben mehr oder weniger spannende Abenteuer und lernen dabei etwas über den jeweils anderen und vor allem sich selbst. An dieser Grundformel hangelt sich auch Hills eigenes Script entlang, wobei Hill nicht an Spektakel interessiert ist, sondern an den zwischenmenschlichen Entwicklungen. Seine beiden Hauptfiguren sind „unvollkommen“, beiden fehlt etwas in ihrem Leben. Thomas ist auf der Suche nach seiner eigenen Identität und hofft diese, in einer spirituellen „Auszeit“ zu finden (mir ist übrigens nicht ganz klar, ob Thomas nun ein Bediensteter des Klosters ist oder nur der Nachbar der Mönche – auch die ganze Geschichte um seinen Namen leuchtet mir nicht völlig ein. Auf irgendeinen Namen muss die Harley ja zugelassen sein), während die manisch-depressive Lucia aus, wie sich ergeben wird, sehr nachvollziehbaren Gründen mit dem Leben an und für sich aus (Un-)Gerechtigkeitsgründen eine Rechnung offen hat. Während Lucia in dem bodenständigen Thomas eine Art Anker findet, von dem sie ahnt, dass er sie in ruhigeres Fahrwasser bringen kann, aber immer wieder durch ihre psychischen Probleme aus der Bahn geworfen wird, erwachen in Thomas unerwartete Beschützerinstinkte, findet er auf einmal eine Aufgabe.

Das alles ist nicht hochgradig originell, aber es ist erprobtes Gelände und funktioniert auch hier ziemlich gut. Die Beziehung des ungleichen Paares ist glaubwürdig, auch wenn man sich manchmal als Zuschauer insgeheim wünscht, Thomas würde Lucia, wenn sie wieder ausrastet, mit ein paar Maulschellen kurieren… Aber wir verstehen, was beide aneinander finden und warum beide einander brauchen, um Erfüllung zu finden (auf eine vollkommen platonische Art, versteht sich). Ja, Hill trägt manchmal sehr sehr sehr dick auf – wenn Lucia die Jungfrau Maria erscheint oder sie sich in einem Tagtraum in der Rolle einer Tuareg-Frau versetzt fühlt, der von ihrer Familie wegen vorehelicher Unschicklichkeit die Kehle durchgeschnitten wird (ein Vorgang, den der Autor des bewussten Buches geschildert hat), wird’s schon grenzwertig – erst recht, wenn die Vision der Maria sich später in Gestalt eines kleinen Zigeunermädchens in Fleisch und Blut manifestiert, aber ich verstehe, wo Hill damit hin will. Es ist ja nicht von ungefähr ein wenig der Zeitgeist, die Religiösität und die Spiritualität wieder zu entdecken (wovon man halten kann, was man will und als überzeugter Atheist halte ich davon nicht arg viel), das hektische Alltagsleben zu entschleunigen und sich wieder auf die einfachen, nicht materiellen Werte des Lebens zurückzubesinnen (womit man auch als Atheist leben kann), nicht von ungefähr habe ich oben in der Inhaltsangabe kurz auf Hape Kerkelings Jakobsweg-Bestseller verwiesen. Es ist aber so – nur weil etwas religiös motiviert ist, ist es noch lange nicht falsch (genau so wenig wie es von Grund auf richtig ist), und die Botschaft, auf seine Mitmenschen einzugehen, zu helfen, und sie zu beschützen, wenn es möglich ist, ist nun mal universell gültig (auch wenn manche Leute das ja nach Hautfarben oder Nationalitäten sortieren wollen. Zack, aktueller politischer Bezug). Ist selbstredend auch verständlich, dass Hill im Spätherbst seiner Karriere positive Botschaften verbreiten will und Italien ist nun mal ein überaus katholisches Land.

Ungeachtet der spirituellen Kunstgriffe, die aus meiner Sicht nur dafür sorgen, dass die Botschaft ausgesprochen wenig subtil vermittelt wird, funktioniert die Geschichte aber als solche – zwei Menschen geben sich gegenseitig Kraft und Halt in einer schwierigen Situation, man braucht nicht unbedingt einen Gottesbezug dafür, um das für eine positive Message zu halten (und kann sich ja dann darauf versteifen, dass die Erscheinungen, die eh nur für Lucia sichtbar sind, nicht „real“ im Sinne echter göttlicher Präsenz sind, sondern nur Ausprägungen ihres Unterbewusstseins).

Hill nimmt sich für die Geschichte Zeit, erzählt, bevor er zum eigentlich „wichtigen“ Part, der gemeinsamen Klausur der Figuren in der Wüste, kleine Episoden der Menschlichkeit und auch der menschlichen Schwäche, verurteilt niemanden. Das mag nach modernen Sehgewohnheiten alles ein wenig altbacken, langsam und sperrig sein, entfaltet aber durchaus eine gewisse Sogwirkung, sobald man sich auf seinen bedächtigen Erzählrhythmus eingelassen und akzeptiert hat, dass wir’s hier nicht mit einer Komödie oder einem Abenteuerfilm zu tun haben, sondern der stillen Suche zweier Menschen nach sich selbst.

Technisch ist das durchaus ordentlich, auch wenn sicher keine Unsummen an Euro ins Budget geflossen sind. Ein paar, sagen wir mal, verbesserungsfähige CGI-Tiere fallen schon beim groben Durchsehen auf, ansonsten haben Kamera und Schnitt aber Hand und Fuß, und auch der Musikeinsatz (den Score besorgt niemand anderes als der große Pino Donaggio) ist überwiegend gelungen, auch wenn in den „Schlüsselszenen“ mit schweren klassischen christlichen Chorälen verdammt dick aufgetragen wird, aber, wie schon gesagt, Subtilität ist die Waffe der Wahl des Films nicht.

Dennoch hat Hill die Sache tonal meistens im Griff, wird trotz einiger eher langwieriger-predigender Passagen (wenn z.B. aus dem bewussten Buch, dessen Titel ich natürlich längst vergessen habe, zitiert wird) nie zu moralisierend, streut immer wieder humorvolle Szenen ein, und, natürlich, kann sich auch eine Bud-Spencer-Gedächtnis-Kneipenprügelei nicht verkneifen – warum auch? Selbst innerhalb des vom Film gesetzten Rahmens passt die Szene, sie ist nicht selbstzweckhaft, sondern erfüllt ihren dramaturgischen Sinn.

Nicht vergessen sollten wir natürlich auch die Meta-Ebene. Es ist kein Zufall, dass Hill in Almeria gedreht hat, wo fast alle wichtigen Spaghettiwestern und damit natürlich auch die großen Spencer/Hill-Klassiker entstanden, und sicher ebenso wenig ist es Zufall, dass der Hauptteil der Handlung in den heruntergekommenen Westernkulissen spielt. Es ist eine Art Selbstreflektion des Terence Hill, der sich vielleicht selbst als verstaubtes Relikt einer vergangenen Ära fühlt und sich fragt, ob er der neuen Welt, der neuen Generation noch etwas zu sagen hat, noch etwas sagen kann.

Zudem schüttelt sich das Blauauge auch einer seiner besten darstellerischen Leistungen seit langem aus dem (noch gar nicht so) morschen Gebälk. Es ist eine Performance der leisen Töne, aber eben auch eine, in die Hill trotz einer „positiven“ Grundstimmung viele Nuancen legt. Eine echte Überraschung ist aber die mir bislang gänzlich unbekannte Veronica Bitto („Die Medici: Herrscher von Florenz“), die in ihrer ersten Filmhauptrolle eine schwierige Rolle exzellent und mit viel Ausstrahlung und Screenpräsenz bewältigt – minderbegabte Schauspielerinnen hätten aus Lucia leicht eine ob ihrer Stimmungsschwankungen schwer erträgliche Nervensäge machen können, aber Bitto hat das total im Griff, sowohl ihre aufgedreht-flippige als auch ihre bipolar-depressive Seite.

Für ein Restensemble ist kaum Platz – im Endeffekt ist „Mein Name ist Somebody“ ein Zwei-Personen-Stück mit einigen Statisten. Guia Jelo, eine routinierte italienische Fernsehschauspielerin, mimt Lucias tatsächlich existente Tante, Andy Luotto („Keiner haut wie Don Camillo“, „Grunt!“) sorgt mit seinen nicht ganz so konventionellen Mönchen für ein paar humorige Momente, Francesca Beggio (Maria) spielte an der Seite von Hill bereits in seiner Krimikomödienserie „Don Matteo“.

Wer mit seinem „Weltkulturerbe Spencer/Hill“-T-Shirt an die Sache herangeht und nicht akzeptiert, dass Hill hier etwas anderes, etwas viel persönlicheres erzählen wollte als nur einen Aufguss der alten Prügelstreifen, der wird nicht viel Freude an „Somebody“ haben. Der Film hat sicherlich auch Schwächen – er ist von der Prämisse her nicht sehr originell und liefert auch im Filmverlauf nicht viel an Überraschungen, er könnte sicher die ein oder andere kleine Straffung vertragen und an manchen Stellen einfach etwas weniger dick auftragen, aber er hält, hat man sich darauf eingelassen, was für eine Art Film es ist, gut bei der Stange und entpuppt sich als herzbluterfülltes, reifes Alterswerk einer Legende.


BOMBEN-Skala: 4

BIER-Skala: 6


mm
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