May – Die Schneiderin des Todes

 
  • Deutscher Titel: May - Die Schneiderin des Todes
  • Original-Titel: May
  •  
  • Regie: Lucky McKee
  • Land: USA
  • Jahr: 2002
  • Darsteller:

    May Kennedy (Angela Bettis)
    Adam Stubbs (Jeremy Sisto)
    Polly (Anna Faris)
    Blank (James Duval)
    Ambrosia (Nichole Hiltz)
    Mr. Kennedy (Kevin Gage)
    Mrs. Kennedy (Merle Kennedy)
    May als Kind (Chandler Hecht)
    Petey (Rachel David)
    Hoop (Nora Zehetner)
    Adams WG-Partner (Will Estes)
    Buckle (Roxanne Day)
    Lucille (Samantha Adams)
    Dr. Wolf (Mike McKee)
    Tierarzt (Ken Davitian)


Vorwort

Wenn ich nach fast zwanzig Jahren bewusstem Filmkonsum (ja, ich denke, ich hab mit 12-13 rum angefangen, Filme nicht nur als blosse Time-waster zu sehen, sondern auch darüber nachzudenken) auf etwas recht allergisch reagiere, sind es Vorabhypes wie „neuer Horror-Geheimtipp“. Diese sogenannten Geheimtipps sind meistens nur alter Mist in neuen Tüten oder ungeniessbare Filmexperimente, weil man den Horrorfans ja bekanntlich jeden Quatsch verkaufen kann, sofern nur etwas Blut drin vorkommt.

So darf Merkwürden doch einmal gehörig skeptisch sein, wenn sich mit May wieder ein Film vorstellt, dem der Ruf eines „Geheimtipps“ vorausgeht, der auf dem Sundance-Film-Festival abgefeiert wurde (ein Horrorfilm, der erfolgreich auf einem ambitionierten Art-House-Festival läuft?) und zudem seinen US-Kinoeinsatz mit einem gigantischen Einspielergebis von knapp unter 150.000 $ abschloss. Nun, das tröstliche an zumindest letztem Fakt ist, dass der gemeine Kinogänger, egal ob hier oder über´n grossen Teich, einen vernünftigen Horrorfilm nicht erkennen würde, wenn er ihm die Machete in die Weichteile rammt (Ausnahmen wie Freddy vs. Jasons spektakulärer Blockbusterauftritt bestätigen die Regel). Soll ich Hoffnung haben oder lieber gleich mit dem Schlimmsten rechnen?


Inhalt

Zumindest beginnt der Film mit einer blutigen Einstellung – eine junge Frau hält sich schreiend die Flosse vor die Visage und geht dabei roten Lebenssafts verlustig. Könnte schlechter losgehen. Danach allerdings relativiert sich das alles schnell wieder, denn nach den nächsten fünf Sekunden, die ein gar süsses kleines Mädchen zeigen, das vom Augenarzt wegen eines „trägen Auges“ eine kleidsame Augenklappe verpasst bekommt und von ihren Kindergarten-Kollegen obligatorischerweise für den üblichen Freak gehalten wird und deren einzige Gäste bei der Kindergeburtstagsparty Mami und Papi sind, ahnt der geübte Allesgucker, dass wir uns unvermeidlicherweise auf ein irgendwie Carrie-lastiges Szenario hinentwickeln (der Eindruck verstärkt sich zwingenderweise, wenn Angela Bettis den Part der erwachsenen May übernimmt – und Bettis spielt die Hauptrolle in Carrie II). Noch allerdings ist May ein kleines schnuckeliges halbblindes Kindchen und weil es keine Freunde hat, sagt Mama den verhängnisvollen Spruch: „Wenn man keine Freunde hat, macht man sich welche.“ Scheint in der Familie zu liegen, die freudlose Freundlosigkeit, denn als Präsent überreicht das Muttchen ihre „beste Freundin“, eine ziemlich hässliche Porzellanpuppe namens Soozy, die man bzw. kind allerdings nicht angrabschen darf, weil sie „special“ sei und deswegen aus ihrer Glas-Holz-Kiste nicht herausgenommen werden darf (hätte man mir in dem Alter ein Spielzeug geschenkt, das ich nicht hätte anfassen dürfen, wär´ der Teufel los gewesen, dat kann ich Euch flüstern, Leute).

Wie nicht anders zu erwarten, verwandelt sich May in ein attraktives Frauenzimmer, das allerdings keine Ahnung hat, wie man was aus sich macht (sprich: die Hollywood-Ausgabe eines „hässlichen Entleins“ – so hässlich, dass selbst der Dümmste im Publikum merkt, dass eine neue Frisur, eine Hornbrille weniger und ein hübsches Kleidchen und damit der Gesamtaufwand von ungefähr ´ner halben Stunde und achtundzwanzig Dollar aus dem Aschenputtel Cinderalla machen werden). May schneidert sich hobbymässig ihre Klamotten und führt anstelle eines Tagebuchs Zwiegespräche mit Soozy, der allerdings mittlerweile einige tausend andere Puppen Gesellschaft leisten. Heute verrät sie Soozy, dass sie einen Jungen getroffen habe, der ihr gefalle, und sie brauche langsam mal einen Freund, den sie auch antatschen dürfe.

Immerhin, selbst May ist klar, dass selbst die Pickelfresse aus der 9B keinen Blick auf sie werfen wird, wenn sie weiter aussieht wie Alte Jungfers kleine Schwester. Deswegen lässt sie sich vom Augendoc Kontaktlinsen verschreiben. „Ich hab nämlich ein Date!“ Was wetten wir, dass der Glückliche davon noch nix weiss… Der Glückliche ist ein Kfz-Mechaniker namens Adam mit, das behauptet zumindest May, wunderschönen Händen, aber zu mehr als heimlichen Beobachten kann sich May noch nicht durchringen. Ihre Kröten verdient May als Assistentin eines ausländischen Tierarztes mit leichter babylonischer Sprachverwirrung in einem Tierhospital. Ihre Kollegin ist die hübsche Polly, die dezent versucht, May zu gemeinsamen Aktivitäten zu überreden.

Nach dem harten Arbeitstag kehrt sie in ihre Bude zurück und wird noch Zeugin, wie sich im Fahrstuhl nach allen Regeln der Kunst abschleckt (Liebe ist was schönes, zweifellos, aber ich bitte Euch, steigt man sich gegenseitig in die Unterwäsche, wenn noch ein Dritter in der Liftkabine steht?). Endlich in den eigenen vier Wänden probiert May ihre neuen Linsena us, die ihr aber am nächsten Tag immer noch nicht das notwendige Mütchen verleihen, Adam endlich anzulabern. In der Tierklinik wird ein hysterischer junger Mann vorstellig, der an seinem Köter ein Bein vermisst: „Als ich in den Urlaub fuhr, hatte er noch vier, jetzt komme ich zurück und es sind nur noch drei!“ Shit happens. Wenn ma auf sei Graffl a net aufpasst…

May schneidert sich ein neues, und diesmal ein menschen- bzw. frauenwürdiges Dress und unternimmt einen neuen Anlauf, Adam zu kontaktieren. Sie beschattet ihn bis in ein Restaurant, wo der arme Kerl völlig übermüdet an seinem Tisch einpennt. Nicht dumm nutzt May die Gunst der Stunde, um mit seiner schönen Hand zu schmusen, bis er aufwacht und May angesichts des Erklärungsnotstandes vorsichtshalber die Beine in die Hand nimmt. That gal is disturbed.

Und gestört isse wirklich, denn in der Tierklinik piekst sie sich mit dem Skalpell in den Finger, Polly ist zunächst entsetzt: „Warum machst du das?“ „Zum Entspannen,“ lautet die verblüffende Antwort (hat May ein paar mal zu oft Secretary gesehen?). Polly will auch mal, May ist gern bereit, angehenden Masochistinnen auf die Sprünge zu helfen und piekst zu. Das tut zwar weh, stellt Polly fest, aber macht auch ziemlich geil. „Nochmal!“ Sick. Weitere blutige Schweinereien müssen allerdings vertagt werden, denn der hysterische Hundehalter ist wieder da und hat das verlustig gegangene Bein dabei. „Sie können es nicht einfach wieder annähen, oder?“ Wo der Normalsterbliche jetzt in einem Internet-Forum den Kopfpatsch-Smiley rausholen würde, setzt sich May eine düstere Miene auf: „Ich könnte es“… wuhaaaaaa, scary (der Hint kommt mir fast ein wenig zu früh).

Wenn man selbst zu feige ist, hilft oft Gevatter Zufall der Liebe auf die Sprünge. Im Waschsalon labert Adam nämlich unvermuteterweise May an, obwohl die in ihrem Huschchen-Self unterwegs ist. Und der gute Adam ist durchaus interessiert, stiftet May an, ihre erste Zigarette zu rauchen (Schuft!), lässt etwas fallen, damit May es aufhebt und er ihren Hintern inspizieren kann (fällt zufriedenstellend aus) und als er ihr seine ganze Zigarettenschachtel schenkt und relativiert, dass eine von ihm erwähnte Freundin eine Ex-Freundin sei, ist May happy, kichert albern und erzählt alles umgehend ihrer Soozy. Am nächsten Tag nimmt May ihren ganzen Mut zusammen und rempelt Adam „zufällig“ auf der Strasse an – von da bis zum gemeinsamen Sandwich-Kauen im Stadtpark ist dann nur noch ein kurzer Weg. Dort erzählt May von ihrer Arbeit in der Tierklinik, die empfindsamere Gemüter als „eklig“ bezeichnen könnten. „Macht mir nix aus,“ verkündet Adam und fordert „disgust me!“ May lässt sich nicht lumpen und salbadert eine Horrorstory über einen postoperativ nicht fachmännisch zugenähten Wauwau, der seinem Besitzer in Konsequenz der Schlamperei seine diversen Gedärme und Organe dekorativ in der Wohnstube verteilt habe. Da mag Adam das Sandwich doch nicht mehr so recht munden. Während May sich plötzlich für eine Gruppe im Park spielender blinder Kinder interessiert, entschuldigt sich Adam, weil er einen unaufschiebbaren Kinobesuch im Terminkalender habe, Argentos Trauma wird gespielt. Mays fortgesetzte Bettelei erzwingt aber ein weiteres Date am späteren Abend. Zur Feier des Tages schnippelt sich May ein neues Kleidchen zurecht, da ist nur noch ein Problem – ihr fehlt die Praxis mit der Küsserei. Soozy erteilt Ratschläge und May probiert diese anhand einiger Barbie- und Ken-Puppen auch zu ihrer Befriedigung aus.

Adams Vorstellung von einem romantischen Rendezvous besteht offensichtlich darin, auf dem Hof der ihn beschäftigenden Autowerkstatt in einem Autowrack von 1927 Fastfood zu mampfen. May ist dennoch begeistert, zumal Adam auf die Frage „Findest du mich seltsam?“ mit einem überzeugten „Ich mag seltsam“ antwortet. Jedenfalls schleppt Adam sie auf seine Bude ab, die stilecht mit Argento-Filmpostern und Horrorutensilien wie einem Theater-Trickmesser, das May aufs höchste beeindruckt und antörnt, dekoriertist. Der Versuch, das von Soozy Gelernte hinsichtlich der gegenseitigen Zunge-in-den-Mund-Schieberei umzusetzen, endet aber im Desaster, weil May ihren angepeilten Lover förmlich aus den Pantinen küsst (und nicht, weil sie so GUT darin ist). „Wer hat dir das Küssen beigebracht?“ ächzt Adam. „Soozy,“ zischt May, bricht das Date ab, rast nach Hause und liest ihrer Puppe ordentlich die Leviten. In ihrer Erregung schlägt sie sogar die Scheibe des Puppenkastens ein und schneidet sich.

Am Arbeitsplatz eröffnet sich eine vollkommen neue Front für May – Polly gibt ihre Zurückhaltung auf und unterbreitet nur noch sehr armselig getarnte Annäherungsversuche, yip, Polly ist vom anderen Ufer und ist unglaublich scharf auf May, so scharf, dass sie ihr sogar ihre Miezekatze aufdrängt, damit „du immer an mich denkst.“ Die Katzenübergabe is sealed with a kiss.

Aber May ist stärker an Adam interessiert und hinterlässt eine eindringliche Bitte um Rückruf auf dessen AB („Sprechen sie nach dem Schrei“). Da Adam aber nicht antwortet, greift sie zu verzweifelten Mitteln und schlägt auf Adams Türschwelle ihr Biwak auf, in der sicheren Erkenntnis, dass der Kerl früher oder später seine Bude verlassen muss. Tut er auch nach zwei Stunden und ist von so viel Durchhaltevermögen und Renitenz gerührt. Er entschuldigt seinen Nichtrückruf wegen akuten Stress mit seinem College-Filmprojekt. Das will May natürlich sofort sehen und bietet an, die Vorführung in ihrer Wohnung mit hausgemachten Makkaroni zu kombinieren. „Film und Essen, das klingt nach einem Date,“ bemerkt der etwas begriffstutzige Jungfilmer. Dennoch beschlossen und verkündet – zur Pasta gibts bei May Gatorade aus Weingläsern (stilvoll geht die Welt zugrunde), danach des Auteurs grosses Werk auf VHS und in schwarz-weiss. „Jack & Jill“ heisst die Story und beschreibt ein Picknick der etwas anderen Art – die Protagonisten schreiten nämlich äusserst enthusiastisch und lustvoll dazu, sich gegenseitig aufzufressen. May findet die unappetitliche Kannibalismusorgie zu Adams gesteigertem Erstaunen ausgesprochen romantisch und hat nur daran auszusetzen, dass sie es unrealistisch findet, dass „Jill“ „Jacks“ Finger mit einem Biss wegmampfen kann. Zwangsläufig passiert das, was andere Amateuerfilmemacher vermutlich in ihren feuchten Träumen, eh, träumen und nie realisieren werden (gell, Olli K.?), sie landen mit dem frisch gewonnenen Groupie in den Laken. Das scheint ganz gut zu klappen, bis May Adam in die Lippe beisst, was der schon mal etwas stimmungstötend findet und sich zu dem mit einem Blut ekstatisch das Gesicht einschmiert. „Das ist doch genau wie in deinem Film!“ verteidigt May sich, als Adam die Gesichtszüge entgleiten und wundert sich, dass Adam auf diese Argumentation nicht ganz einsteigt und mit einem „du bist mir etwas *zu* seltsam“ erst seine Hose und dann das Weite sucht. May ist entgeistert und hat die Schuldige schnell gefunden: Soozy – „Ich hab dir gesagt, du sollst dich zur Wand drehen!“ Mir deucht, die gute May hat einen geringfügigen mentalen Defekt.

Nixdestotrotz gibt sie sich (nachdem sie zu Pollys disgust in der Tierklinik dem Operateur mutig zur Hand geht, als dem ein OP-Besteck in aufgeschnippelte Mieze fällt) der Hoffnung hin, bei Adam immer noch landen zu können und drapiert sich wieder auf seiner Türschwelle, nur um entsetzt mitanhören zu können, wie der Herzensschöne seinem Mitbewohner erleichtert erzählt, „dieser Fraü gerade noch mal so mit heiler Haut entkommen zu sein. Zum Glück gibt´s Polly, die wird nämlich langsam aufdringlich und May ist resigniert genug, um dann eben mal die andere Seite auszuprobieren. Polly verliert auch keine Zeit und knöpft Mays Bluse auf und versichert nachhaltig, „seltsam“ ganz bestimmt und überaus ernsthaft wirklich zu mögen…

Überdies entdeckt May ihr Herz für Kinder, ganz besonders für Blinde, und drängt sich als freiwillige Helferin bei einer Blindentagesstätte auf, wo sie besonderes Augenmerk (harhar) darauf legt, das Vertrauen eines einzelgängerischen und unleidlichen blinden Mädels namens Petey (wie die Amis ihre Töchter so nennen…) zu gewinnen – klaro, die kleine Petey erinnert May an sich selbst.

In der Wäscherei laufen sich May und Adam zufällig über den Weg. Nach dem üblichen nervösen Austausch von Allgemeinplätzen zwischen Leuten, die eigentlich (zumindest, was 50 % der Anwesenden angeht) lieber mit Attila, dem Hunnen, diskutieren würden als mit dem anderen, ergreift Adam unter rücksichtsloser Vortäuschung eines defekten Waschautomaten die Flucht. Als May den Fluchtgrund überprüft und feststellt, dass die Waschmaschine sehr wohl funktioniert, ist sie empfindlich angefressen und hofft bei Polly auf Seelentrost. Die hat sich aber gerade eine Schlampe von der Strasse aufgelesen („die Chance konnte ich mir nicht entgehen lassen“). Dass May eifersüchtelt, amüsiert und schmeichelt Polly, die auch gleich anbietet, die „Nutte“ rauszuwerfen, aber May zieht sich lieber zu einer offiziellen Depression in die eigene Bude zurück. Wo allerdings sogar die Schmusekatze May aus dem Weg geht, weshalb sie zu einem schweren Gegenstand greift und den Samtpföter in den Katzenhimmel befördert (badmovies.de´s hauseigener Kater Pucki quittierte diese Entwicklung mit demonstrativem Desinteresse). Und aus der Richtung von Soozys Kasten dringen kratzende, schabende Geräusche, die May dem totalen Wahnsinn wieder ein Schrittchen näher bringen. Von der Dusche aus (!), in der die tote Katze liegt, ruft sie Adam an, aber der ist mal wieder nicht zu sprechen… „Ich hasse dich,“ schreit sie daher die hörbar ausbruchswillige Soozy an…

Am nächsten Tag ist jedoch alles eitel Freude Sonnenschein und May läuft in der Kindertagesstätte ein. Überraschung, sie hat was mitgebracht: „Meine beste Freundin, aber das hab ich erst letzte Nacht begriffen“. Jou, May hält es für eine töfte Idee, den blinden Kindergartenkindern Soozy zu demonstrieren, eine Puppe, die in einem Glaskasten hockt und die man nicht angrabschen darf. Das wollen die Kinder aber – nicht unverständlicherweise -, allen voran Petey, aber unbedingt. (May, du bist strunz, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf). Es kommt, wie es kommen muss – im allgemeinen Aufruhr und Chaos stürzt Soozys Glaskasten ab und zertrümmert samt seiner Insassin in tausend Scherben – die Kinder krabbeln drüber, ziehen sich zahllose Schnittwunden zu, schreien und bluten, mayhem, chaos… Hoffentlich ist May gut rechtsschutzversichert, als verantwortungsbewusster Elter würde ich ihr nämlich jetzt die allerletzte Socke rausklagen.

Verständlicherweise erleidet Mays fragiles Seelenleben dadurch einen empfindlichen Schlag, sie zieht sich für zwei Tage in ihre Bude zurück, schwänzt die Arbeit und schmust mit der toten Katze (die allerdings schon mit Insektenspray behandelt werden muss… lecker). Endlich traut sie sich wieder vor die Tür und bändelt mit einem Punk namens Blake an, vermutlich dem einzigen Punker weltweit mit einem sozialer Fürsorgeader gegenüber offensichtlich depressiven Frauen. May nimmt Blake mit nach Hause, wo der sich aus seinem T-Shirt schält und May sein Frankenstein-Tattoo bewundert. Auf der Suche nach Eiswürfeln (um seine Nippel damit einzureiben – der Knabe ist auch nicht ganz bei Trost) öffnet Blake leichtsinnigerweise Mays Gefrierschrank, in dem sich, ordentlich vakuumversiegelt, tote Katze en bloc findet. „Sick shit,“ kommentiert Blake berechtigterweise. „Können wir nicht trotzdem beste Freunde bleiben?“ erkundigt sich May, aber der stärkste Punker hat irgendwo seine Schmerzgrenze und bei toten Haustieren im Freezer ist die für Blake erreicht. Dumm für ihn, denn so fühlt sich May gemüssigt, zur Schere zu greifen und selbige, begleitet von einigen Flashbacks, dem Stachelfrisurenträger in die Rübe zu kloppen (womit der Streifen nach immerhin 63 Minuten auf die Kurve vom Psychodrama zum Horrorfilm kratzt). Die Bluttat bringt May auf eine Idee: „Ich brauche mehr Teile!“

Und so findet Adam seine Horror-Maid im Park beim Lesen eines Buchs über Amputationen. „Für die Arbeit?“ „Nö, aus Spass!“ Adam äussert sein tief empfundenes Bedauern, dass es mit der Beziehung nicht hingehauen habe, bietet aber Freundschaft an (Trottel!). May ergreift die ausgestreckte Hand (literally), aber als sie beginnt, die Pfote abzulecken, nimmt Adam sicherheitshalber Reissaus. Aber es gibt ja noch andere Opfer… und so nimmt May Mass bei Polly, deren „pretty neck“ sie schon ausgiebig gewürdigt hat, angeblich um ihr als Versöhnungsgeschenk eine Bluse zu schneidern. Pollys neue Bettegefährtin Ambrosia muss sich von May anhören, ein „hübsches Fahrgestell“ zu haben. Wo das wieder hinführt usw.

Der Job in der Tierklinik ermöglicht es May, unauffällig ein paar Instrumente wie Skalpell, Knochenbeil und Säge abzustauben und dann ist auch schon Halloween (hätte mir den Film für mein nächstes Halloween-Special aufheben sollen). May schwingt sich in ein neues Kleid und schminkt sich auf Soozy zurecht, dann ruft sie Polly an und kündigt an, die versprochene Bluse vorbeizubringen. „Wenn du keine Freunde findest, mach dir einen,“ düstert sie (womit wieder bewiesen wäre, dass die blöden Sprüche, die uns unsere Erziehungsberechtigten eintrichtern, irgendwann alle nach hinten losgehen). Polly ist allein zuhaus, Ambrosia will noch später kommen. Anstatt der erhofften Bluse zückt May aber zwei Skalpelle – Polly hält das zunächst noch für ein extrem verschärftes Sexspielchen, ändert aber (posthum) ihre Meinung, als May ihr damit gefühlvoll die Gurgel durchschneidet. Und als Ambrosia, die mit dem lecker Fahrgestell, wenig später eintrifft, macht diese die Erfahrung, dass in die Ohren gerammte Skalpelle auch nicht förderlich für den allgemeinen Gesundheitszustand sind. Da Halloween ist, fällt May auf offener Strasse trotz blutverschmierter Hände und hinterhergezogenem Koffer, aus dem Blut sickert, nicht gesteigert auf bzw. man hält allenfalls ihr Outfit für extrem gelungen. Wäre nun noch Adam zu erledigen. Der wollte eigentlich seine Halloween-Party in trauter Zweisamkeit mit seinem neuen Girl feiern, aber als eben jenes May als die abgefahrene Ex identifiziert, lädt sie sie gleich mal in die Hütte ein (Memo an mich selbst: In Zukunft nur Mädchen anbaggern, die mehr als eine Gehirnzelle verwenden). May ignoriert die neue Flamme weitestgehend und bittet Adam, doch ihr Gesicht zu berühren, was der ablehnt. Auch neue Freundin kapiert irgendwann mal, dass der beste Weg, May wieder loszuwerden ist, der ist, ihr ihren Willen zu geben, aber Adam zieht nicht. „Geh bitte!“ Doof, wie seine Neue ist, bezieht die das auf sich. „Nicht du, blöde Kuh,“ seufzt Adam (der sich sicherlich fragt, warum er nur immer die Doofen und Verrückten abbekommt). „Blöde Kuh, das bin wohl ich,“ scherzt neues Freundin in einem Anfall spontaner Selbsterkenntnis und hofft auf geschlechtsgenossinnenhaften (uff, das ist bestimmt kein Wort) Beistand von May, vergeblich. Adam langt endlich May ins Gesicht, wie gewünscht und May bringt daraufhin die neue Freundin um. Adam verabschiedet sich in einen hysterischen Schreikrampf und kann, wie uns in Form einer Parallelmontage mit den folgenden Szenen dargeboten wird, problemlos entleibt und per Hackebeil seiner Hände entledigt werden.

Und May kann endlich schneidern… aus den diversen Körperteilen und Überresten von Soozy (für´n Kopp) bastelt sie sich ihr privates Frankenstein-Monster zusammen. Zwar ist sie von dem Endresultat restlos begeistert, aber da fehlt noch ´ne Kleinigkeit. Ihr neuer Freund kann sie nicht sehen! Die Puppenaugen allein reichen dafür halt nicht. Nach einer dramatischen Heulanlage kommt May zu dem Schluss, dass nur eins helfen kann – her mit der Schere und rein in die eigene Pupille… May schneidet sich ein Auge raus und drapiert es auf dem Puppenkopf (womit wir bei unserer Anfangsszene wären). „Sieh mich!“ kreischt sie, „ich will nur, dass du mich SIEHST!“ Dann fordern Schmerzen und Schock ihren Tribut, und während das so mühselig herausgepuhlte Auge vom menschlichen Fleckerlteppich poltert, bricht auch May tot (?) über dem Korpus zusammen, der daraufhin seinen Arm (zusammengesetzt aus Blake- und Adam-Teilen) hebt und May übers Gesicht streichelt…

So, was sagen wir nun dazu? Ich bin mir letztendlich noch nicht sicher, ich mit May warm werde oder nicht. Versuchen wir es mal auf die sachliche Tour (ganz was neues – der Setzer). Wie ich am Anfang meines Reviews angemerkt hatte, kann May eine gewisse Geistesverwandschaft mit Carrie (oder auch Ringu_0) nicht ganz verhehlen. Wieder einmal haben wir es mit der tragischen Geschichte des gemeinhin ungeliebten, zurückgewiesenen Aussenseitermädchens zu tun, das eigentlich nur Liebe sucht, und nach Zurückweisung/Verspottung/“Betrug“ eine Katastrophe auslöst – wenngleich „erfrischenderweise“ mal nicht mit paranormalen Mitteln, sonder vielmehr mit denen des handelsüblichen Slasherfilms.

Die grosse Stärke des Films ist ironischerweise auch seine fatale Schwäche, denn über weite Strecken ist May ganz bestimmt kein Horrorfilm – da aber kaum eine andere Zielgruppe in Frage kommt als die der Horrorfans, und die möglicher- bis verdammt sichererweise bis zum Eintreten des Horrorgehalts sanft entschlafen sein dürfte, werden die Hardcore-Horrorjunkies May wohl eher als langweilig einstufen. Was dem Streifen unrecht tut, denn eben über die weiten horrorfreien Strecken ist der Film ein stellenweise beängstigend intensives Psychodrama, das den Mikrokosmos eines offensichtlich schizophrenen Menschen (es ist klar, dass May einen Teil ihrer Persönlichkeit auf die Puppe „Soozy“ ausgelagert hat, da ist nichts übernatürliches dabei, wenn man von der allerletzten Szene absieht) in ruhigen Bildern und bedächtigem Tempo analysiert. Das mag nicht immer furchtbar aufregend anzusehen sein, vor allem, wenn man mit dem „Vorurteil“ an den Film herangeht, einen Horrorstreifen geboten zu bekommen. May ist ein Film, auf den man sich einlassen muss, den man nicht nebenbei wegen seines Blut- und Splattergehalts als Partyfilm laufen lassen kann, sondern der eine gewisse Konzentration erfordert. Bringt man diese Voraussetzungen mit, wird man mit einem eindrucksvollen und konsequenten Psychogramm einer kaputten Seele „belohnt“.

Stichwort Konsequenz – gerade die macht nun wieder einen weiteren „Schwachpunkt“ aus – da die Story mit der unaufhaltsamen Wucht eines Flugzeugträgers auf die finale Katastrophe hinsteuert, macht das auf der anderen Seite wieder einen Bruch in der Erzählstruktur und im Stil notwendig – für die letzten gut dreissig Minuten gibt May die Plakatives zurückhaltende Psychostudie auf und ergibt sich den Konventionen des Slasherfilms; der Stilbruch ist durchaus gut gemacht und anhand der Story und ihrer Entwicklung vollkommen nachvollziehbar, wird aber wiederum jene verstören, die den bedächtigen Aufbau und die phasenweise Intimität der Auftaktstunde zu schätzen wussten – vermutlich ein vernachlässigbares Risiko, denn das Art-House-Publikum, das diese Eigenschaften normalerweise mitbringen dürfte, wird sich wohl kaum zum Ausleihen eines annoncierten Horrorreissers „ohne Jugendfreigabe“ hinreissen lassen. Was den Blut- und Splattergehalt angeht, lässt der Schlussakt auch für hartgesottene Horrorfans wenig Wünsche offen, auch wenn Regisseur Lucky McKee (Namen ham die Leut da drüben, ich wiederhol´ mich) sich bemüht, die „violence“ so wenig oberflächlich wie möglich zu zeigen – zwar fliesst ordentlich Blut und sind die Effekte oberanständig, aber die Inszenierung suhlt sich nicht in ihren Goreeinlagen, sondern serviert sie kurz, matter-of-factly (wie man so schön sagt), hmm, „unspektakulär“ ist nicht ganz das richtige Wort, eher „unexploitativ“, ja, das trifft es ganz gut.

Wie schon gesagt, tut Lucky McKee in seinem ersten abendfüllenden Spielfilm sein bestes, den Streifen wenig klischeehaft und ohne grössere Idiotien über die Runden zu bringen, und das gelingt ihm ziemlich gut. Seine Inszenierung ist, wie angedeutet, in den besten Momenten intim-gefühlvoll, aber er scheut sich auch nicht, draufzuhalten, wenn´s sein muss (wie gesagt, nie selbstzweckhaft). Was auf den ersten Blick vom Tempo her als langweilig und einschläfernd betrachtet werden könnte, erweist sich, durchdenkt man die Story des Films, als einzig gangbarer Weg (es sei denn, man hätte sich einer Flashback-Struktur bedient) – wie in allen grossen Psychodramen und -studien braucht es halt einfach seine Zeit, bis die Geschichte in Fahrt kommt, aber das Tempo bzw. die Atmosphäre der sich anbahnenden Katastrophe, wird über die Laufzeit immer stärker angezogen bzw. verdichtet und vermittelt wunderbar die Unausweichlichkeit des Finales bis zur letzten, bittere Konsequenz. Unterstützt wird McKee durch stellenweise grossartige Kameraarbeit von Steve Yedlin und einen ziemlich gut abgestimmten Soundtrack.

Letztendlich steht und fällt ein Film, der sich so voll und ganz um das fragile Innenleben einer einzigen Person kümmert, mit der Darstellung derselben und obgleich ich Angela Bettis (für Tobe Hoopers anstehendes und ungefragtes Remake von The Toolbox Murders verpflichtet) nicht immer hundertprozentig überzeugend finde (für meinen Geschmack trägt sie etwas zu dick auf, wenn in ihren „hässliches Entlein“-Phasen agiert), bleibt das Gesamturteil doch durchaus positiv – vielleicht konnte sie Erfahrungen vom Carrie-Dreh hier einbringen (darüber hinaus kennt man sie z.B. auch aus Durchgeknallt. Man muss Bettis nach dieser Performance nicht heiligsprechen, aber kann guten Gewissens Talent bescheinigen. Mit ein wenig mehr darstellerischer Intensität allerdings wäre May noch einen Tacken wirkungsvoller.

Jeremy Sisto (Adam), der mir insgesamt ein wenig zu farblos bleibt, kann immerhin darauf verweisen, sowohl Jesus (in einem der deutsch co-produzierten Bibel-Epen) als auch Julius Cäsar (in der gleichnamigen Miniserie) verkörpert zu haben, ist zu dem gerade mit Wrong Turn am Start und kann sich ausserdem mit Meriten aus der Kult-Serie Six Feet Under und Filmen wie Suicide Kings, White Squall und Clueless schmücken. Wie angedeutet, hätte ich mir von ihm vielleicht etwas mehr Verve gewünscht.

Den liefert dafür Anna Faris mit ihrer hochamüsanten und das düstere Spiel etwas aufhellenden Darbietung der lesbischen Polly (wobei ich an dieser Stelle einmal anmerken muss, dass mir die IMDB-Einstufung u.a. als „Comedy“ etwas sehr weit hergeholt scheint. Jou, es schimmert hin und wieder schwarzer Humor durch, aber als Horrorkomödie kann man den Film beim besten Willen nicht bezeichnen). Faris´ grösster claim-to-fame ist bislang der Deppenfilm Scary Movie. Hier liefert sie allerdings den Beweis, dass sie auch im Rahmen einer ernsthafteren Angelegenheit für eine Prise Sex und Entertainment sorgen kann.

In Deutschland liefert mcone den Streifen auf DVD aus und da kann man mittlerweile eigentlich Gutes erwarten. Zwar ist die Ausstattung der Disc nicht so spektakulär, wie man es von manch anderer VÖ aus diesem Hause kennt, aber immerhin gibt´s einen sehr schönen Widescreen-Transfer ohne Makel, deutschen und englischen Dolby-5.1-Ton (Haken: wieder mal kann man den Ton nicht direkt umschalten und die englische Fassung lässt die deutschen Untertitel nicht ausblenden), dazu gibt´s einen Audiokommentar, Trailer, Production Notes und Biographien. Das ist okay (aber auf dem Covertext Verbindungen zu Re-Animator herzustellen, ich weiss nicht – warum nicht gleich zu Nekromantik?).

Nun, schlagen wir wieder mal den Bogen zum Vorwort – was sagt uns nun ein „Horrorgeheimtipp“ mit Sundance-Festival-Erfahrung und dem Sieg beim Sitges-Festival? Ein Geheimtipp mag May letztendlich sein, allerdings kaum im Hinblick auf ultimative Horrorerlebnisse. Dafür ist der Film zu bedächtig im Aufbau, zu zurückhaltend im Tempo. Aber wer die Geduld einbringt, sich auf ein sorgfältig konstruiertes, stellenweise wunderschön gefilmtes und zumindest passabel gespieltes Psychodrama einzulassen und sich dabei nicht an einem dann doch noch in die Gefilde blanken Horrors überschlagenden Finale stört, könnte mit May ein kleines Aha-Erlebnis feiern. Empfehle ich den Film? Ja, aber ich würde dazu raten, erst mal zu leihen und zu checken, ob man mit dem Gebotenen was anfangen kann.

Nach Redaktionsschluss: die mittlerweile vorliegende Kauf-DVD ist ab 16 freigegeben und ungekürzt, zum Verleihstart lag offensichtlich das Ergebnis der FSK-Prüfung noch nicht vor.

(c) 2003 Dr. Acula


BOMBEN-Skala: 2

BIER-Skala: 6


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