- Deutscher Titel: Max Q: Emergency Landing
- Original-Titel: Max Q
- Regie: Michael Shapiro
- Land: USA/Kanada
- Jahr: 1998
- Darsteller:
Billy Campbell (Clay Jarvis), Paget Brewster (Rena Winter), Ned Vaughn (Scott Hines), Geoffrey Blake (Jonah Randall), Tasha Smith (Karen Daniels), Denis Arndt (Don Mitchum), Christopher John Fields (Elliot Henschel), Kevin McNulty (Oz Gilbert), Leslie Horan (Melissa Hines), Chris Ellis (Bob Matthews)
Vorwort
Clay Jarvis und Scott Hines sind eine Space-Shuttle-Besatzung in Vorbereitung auf ihren großen Einsatz. Im Simulator gelingt es ihnen allerdings erst mal, eine totale Bruchlandung hinzulegen, weil die Herrschaften nicht auf den von Clays Ex-Freundin Rena programmierten Computer hören wollen. So sind sie halt, die Kerle!
Clay ist sowieso schon relativ angenervt – wir schreiben das Jahr 1998 und ein Space-Shuttle-Start findet in den Medien keine Erwähnung mehr, ist totale Routine, und ein Astronaut kein Rockstar-Äquivalent mehr, sondern ein schnöder Weltraumkutscher. Und dass sein großer Einsatz noch dazu der erste Versuch der NASA ist, mit einem kommerziellen Partner zusammenzuarbeiten und für Einen Batzen Geld (TM), den die Organisation nebst einem guten Image dringend braucht, für die Privatfirma Kaysat einen Kommunikationssatelliten in die Umlaufbahn zu befördern. Clay fühlt sich als bloßer Paketbote – und seine Laune wird nicht dadurch verbessert, dass sein Chef ihm noch einen Passagier aufs Auge drückt, den schnöseligen Dokumentarfilmer (und Emmy-Gewinner!) Jonah Randall, der für Kaysat auf der Mission einen schönen kleinen Imagefilm drehen soll, damit die Aktionäre auch wissen, dass die vielen vielen Millionen auch gut angelegt sind. Hoo-fuckin‘-ray.
Auch im Hause Hines läuft nicht alles reibungslos – Scotts Angetraute Melissa ist schwanger und macht sich dementsprechend überproportional Sorgen, wenn ihr Göttergatte unbedingt in den Weltraum fliegen muss. Ihr einziger Trost ist, dass Scott mit Clay fliegt, und das wiederum kränkt Scotts empfindliches Ego.
Dennoch – der Start findet planmäßig statt, als viertes Crewmitglied ist Payload-Spezialistin Karin Daniels an Bord, und zunächst funktioniert auch alles wunderbar, inklusive des Ausbringens des Satelliten. Bei Kaysat ist man begeistert, doch dann stellt Clay fest, dass einer der Sonnenkollektoren des Satelliten sich nicht ganz ausfahren will. Was nun? Sollte der Kollektor weiterhin verweigern, wäre das ganze Projekt ein teures Monetengrab. Clay schlägt vor, den Satelliten wieder einzuholen und auf der Erde zu untersuchen, aber das würde Zeit und Geld kosten, und Kaysat will nichts davon investieren. Man verfällt auf den Gedanken, eine Probezündung des Satellitentriebwerks vorzunehmen und zu hoffen, dass das den verklemmten Kollektor freischaukelt. Gesagt, getan – aber Sekundenbruchteile vor Zündung des Triebwerks bemerkt Jonah, dass am Satelliten etwas Funken sprüht, was es vermutlich nicht tun sollte. Bevor er sich aber einen Reim darauf machen kann, wird gezündet – und die unkontrollierte Explosion schleudert die „Endeavour“ aus ihrem Orbit. Mit Müh, Not und Vaterlandsliebe gelingt es Clay, das Shuttle wieder unter Kontrolle zu bringen, aber die nachfolgende Schadenskontrolle bringt es an den Tag – zwei der drei APUs (auxiliary propulsion units) sind ausgefallen, und während das Shuttle mit zwei APUs problemlos landen kann, ist es mit nur einer Einheit schlechterdings unmöglich.
Dieweil für die Angehörigen der Crew auf der Erde die bange Zeit des Wartens beginnt, ist guter Rat teuer. Clays Mentor Don Mitchum insisitiert auf einer Rettungsmission durch die „Discovery“ – auch wenn die, weil man ein Shuttle ja nicht einfach aus der Garage rollen und den Zündschlüssel umdrehen kann, zeitlich ausgesprochen knapp zu organisieren ist und eine ausgezeichnete Chance bietet, nicht nur die „Endeavour“, sondern auch die „Discovery“ zu verlieren. Aber man lässt ja keinen Astronauten im All zurück! Als Clay davon Wind bekommt, reagiert er überraschend und verbietet kraft seiner Wassersuppe als Missions-Kommandant jegliche Rettungsaktion wegen zu gefährlich.
Während Kaysats Vertreter versuchen, Jonah dazu zu bewegen, manipulative Interviews zu führen, die der NASA die Schuld an der potentiellen Katastrophe zuschustern, und Scott erste Anzeichen beginnender Weltraum-Hysterie zeigt, verfolgt Clay einen gewagten Plan. In einem riskanten Außeneinsatz will er, in der Hoffnung, dass die Schäden nicht ZU groß sind, ein APU reparieren. Dafür braucht er aber die Fachkenntnisse von Rena, die ihn über Funk durch die entsprechenden Bastelarbeiten führen soll…
Inhalt
Es ist eigentlich komisch, aber es gibt nicht wahnsinnig viele „Weltraum-Katastrophenfilme“. „Apollo 13“ als real-life-Drama, den coolen starbesetzten „Verschollen im Weltraum“, „Gravity“, „Starflight One“ (der dann auch noch ein leichter Schummel ist, denn da ist ja die Katastrophe, dass ein „herkömmliches“ Flugzeug unplanmäßig in den Orbit steigt), mit gutem Willen „Robinson Crusoe auf dem Mars“, aber dann wird’s schon dünn mit Filmen, bei denen die Katastrophe der zentrale Aufhänger der Geschichte ist und nicht nur Pointe oder aus der eigentlichen Story ausgebildete Entwicklung.
Nun, offenbar sah das auch Jerry Bruckheimer vor gut 20 Jahren so und bescherte der Welt „Max Q“ (selbiges die Bezeichnung für den Faktor des maximalen Drucks beim Wiedereintritt des Shuttles in die Atmosphäre), der als von Disneys Touchstone-Abteilung produzierter Fernsehfilm zusammengeschraubt wurde und auf ABC seine Premiere feierte.
Für’s Drehbuch zeichnen Marty Kaplan (der immerhin den Eddie-Murphy-Flop „Ein ehrenwerter Gentleman“ und den nicht zu Bruce Willis‘ Sternstunden gezählten „Tödliche Nähe“ schrob) und Robert Avrech (dessen Vita mit „Skandal in einer kleinen Stadt“ oder „Cyborg Agent“ auch nicht gerade an höheren literarischen Weihen kratzt. Aber immerhin produzierte er die Dokumentation „Flying Saucers over Hollywood: The Plan 9 Companion“ und ist damit einigermaßen sakrosankt) verantwortlich. Als Regisseur wurde Michael Shapiro verpflichtet, der bis dato nur eine Episode der vergessenen TV-Serie „Soldiers of Fortune“ inszeniert hatte und in der Folge wohl die zwei Folgen der „Tremors“-Fernsehserie, die er drehen durfte, als Karrierehighlight sehen würde. Also nicht gerade ein enorm distinguiertes Kreativteam, was zeigt, dass für Bruckheimer die Produktion kein, hüstel, Prestigeprojekt darstellte.
Dafür allerdings verlieh die NASA dem Film durch großzügige Unterstützung gewisse Authenzität, weil die Organisation auch im echten Leben genau unter den Problemen litt, die Protagonist Clay Jarvis im Film so beklagt – nach dem „Challenger“-Debakel und der sich anschließenden Offenlegung der ausgesprochen laxen Arbeitsmethoden hatte die NASA ein gehöriges Image-Problem, und zum anderen war der „spirit of adventure“ verloren gegangen, weil die bemannte Raumfahrt keine neuen Welten erkundete, keine neuen Rekorde und Marksteine setzte, sondern zu genau dem verkommen war, was Clay anklagt – ein bloßer „Paketbote“, der in auch ihre Crews wenig aufregenden Missionen routinemäßig Satelliten in den Orbit transportierte. Ein Image-Film, halt hier nicht für den zahlenden Auftraggeber, sondern die NASA selbst, der zeigte, dass die NASA immer noch einen Platz für einfallsreiche, mutige Abenteurer einerseits und intelligente Technikfreaks bieten konnte, musste wohl nach einer guten Idee geklungen haben.
Aber zu den vielen Dingen, die nicht automatisch einen guten Film ergeben, gehört nun mal auch „goodwill für die NASA“ generieren. Und sei’s schon allein deswegen, dass ein NASA-unterstützter Film die wirklich interessanten Punkte (ergo: die Kultur des Wegschauens, die, wie sich später beim „Columbia“-Unglück erneut tragisch zeigen sollte, keinesfalls ein Ding der Vergangenheit war, oder auch nur die bloße Möglichkeit, ein „Unglück“ mit wirklich katastrophalen Folgen zeigen zu können) per Definition gar nicht angreifen konnte.
Kein großes Wunder also, dass „Max Q“s Drehbuch stark nach „generic script generator“ klingt – was in einer „unabhängigen“ Produktion eine durchaus beklemmende Studie zum Thema „engineering ethics“ hätte werden können, bleibt hier eine klischeehafte und niemand zu sehr auf den Schlips tretende Abhandlung, die sagt, dass die NASA, wenn überhaupt, nur aufgrund der Finanzprobleme zu Kompromissen zu Lasten der Sicherheit genötigt wird, und eigentlich der alte böse Kapitalismus (ohne den die NASA aber erst recht zum Untergang verurteilt wäre) daran schuld ist, wenn was schief geht (aber auch dahingehend bleibt „Max Q“ handzahm und lässt den verantwortlichen Manager von Kaysat feuern). Nichts ist ZU gefährlich oder bedrohlich – die Explosion des Satelliten verletzt niemanden, schüttelt das Shuttle nur gut durch, der sooo gefährliche Außeneinsatz ist hochdramatisch, weil Clay seinen Sauerstoff überzieht und dann aus irgendwelchen Gründen noch seinen Handschuh ablegen muss, bevor er ins Shuttle zurückkehren kann, aber es ist ständig schmerzlich klar, dass nichts geschehen wird, das eine der Figuren ernsthaft in Gefahr bringen wird.
Und selbst wenn, würde das kaum jemanden kratzen, weil die Figuren ebenso aus dem Charakterbausatz kommen und mit einer informierten Eigenschaft auskommen müssen, die sie definiert. Clay ist der unzufriedene Selbst-Pusher, Scott das apostrophierte Nervenbündel mit dem angekratzten Selbstbewusstsein, Karen der Familienmensch mit Mann und Kind am Boden, und Jonah der, der zunächst nur des Geldes und des Ruhmes wegen an der Mission teilnimmt, aber dann den Versuchungen und Drohungen widersteht (und das noch bevor sein character arc drohen würde, in irgendeiner Form interessant zu werden).
Auch die Ereignisse auf der Erde (das übliche weinerliche Gehabe der Angehörigen, und das sich ratlose Herumkonsternieren der Verantwortliche) gewinnen weder Kreativitätspreise noch sind sie spannend, die Dialoge sind hölzern und klischeehaft. Shapiros Inszenierung ist dann auch recht fußlahm und uninspiriert, holt auch aus dem vermeintlichen „Spannungselementen“, will sagen also der Explosion, dem Außeneinsatz und der riskanten (und ziemlich lächerlich gewerkelten) Landung des Shuttles auf einem befahrenen Highway wenig spektakuläres heraus. Die Effekte ziehen die Wurst auch nicht vom Teller – zwar verwendet der Film insbesondere für die Vorbereitungs- und Startphase einiges an authentischer NASA-Footage, im weiteren Filmverlauf dann aber notwendigerweise CGI, die, being Baujahr 1998, auch nicht die Pixel von der Festplatte schiebt. Nick Glennie-Smiths („A Sound of Thunder“, „Secretariat“, „Lauras Stern“) Score bedient ebenfalls nur die üblichen Klischees.
Hilft uns dann wenigstens der Cast etwas weiter? Na ja, ein bisschen. Den guten alten „Rocketeer“ Bill Campbell, dessen Karriere nach dem spaßigen, aber unter Wert geschlagenen Disney-Abenteuer nicht gerade abhob, ist sympathisch genug, um Clay trotz der eindimensionalen Charakterzeichnung ein bisschen menschliche Glaubwürdigkeit zu verleihen, und Ned Vaughn („Jagd auf Roter Oktober“, „Mut zur Wahrheit“) mag mir mal erklären, wie sein Charakter irgendeinen psychologischen Astronauten-Test bestanden haben soll, ist aber zumindest einigermaßen lebhaft. Paget Brewster („Criminal Minds“, „Community“) spielt den personifizierten „Mädchen, lernt MINT-Fächer“-Part (und ist offenbar Universalgenie) einigermaßen adäquat. Geoffrey Blake („Contact“, „Cast Away“, „Young Guns“, „The Last Starfighter“) kann aus der Rolle des Jonah nicht viel machen, weil das Script sich gar nicht erst traut, aus der Figur auch nur andeutungsweise einen „Konfliktherd“ zu machen, an dem sich irgendetwas reiben könnte. Tasha Smith („Keine halben Sachen 2“) ist als token black woman an Bord, könnte aber auch, was ihre Beteiligung an der Handlung angeht, auch durch einen Besen ersetzt werden. Christopher John Fields, der hier den kinda-sorta-Bösewicht spielt, war wie Ned Vaughn auch schon in „Apollo 13“ dabei, Kevin McNulty („Snakes on a Plane“, „Timecop“) spielt einen NASA-Honcho, Denis Arndt („Basic Instinct“, „Bandidas“) Clays väterlichen Freund Don Mitchum, aber aller Rollen sind so unsubstantiell, dass sie auch von dressierten Nasenbären gespielt hätten werden können.
Die Eurovideo-DVD bringt den Film in durchschnittlicher Bildqualität (1.33:1), deutscher, englischer und italienischer Ton werden in Dolby Digital 2.0 geliefert, die deutsche Synchro ist recht gut. Untertitel gibt’s auf Deutsch, Englisch, Englisch für Hörgeschädigte und Italienisch. Extras bleiben dagegen unerforschtes Land.
„Max Q“ ist kein objektiv schlechter Film, kein Totalausfall, aber so furchtbar… generisch. Ein Film, der niemanden weh tun soll, niemanden zu sehr aufregen darf, und am Ende eben doch nichts anderes machen will und soll, als das Image der NASA zu stärken. Allerdings hätte man es dann dabei belassen sollen, den Film irgendwelchen Besuchern in Cape Canaveral vor ’ner Führung vorzuführen anstatt als Unterhaltungsfilm auf zahlendes Publikum loszulassen. Oder in einem Wort: Meh.
© 2019 Dr. Acula
BOMBEN-Skala: 6
BIER-Skala: 4
Review verfasst am: 21.04.2019